Meine Damen und Herren! Bei allen staatlichen Leistungen – das gilt nicht nur für den Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik – besteht die Notwendigkeit, Missbrauchstatbestände zu bekämpfen. Es besteht die Notwendigkeit, die Leistungen den tatsächlich Anspruchsberechtigten zuzuführen. Genau das trägt dazu bei, die Bereitschaft zum solidarischen Ausgleich auf eine verlässliche Basis in unserer Gesellschaft zu stellen.
Sie von der PDS beschränken sich reflexartig auf Demagogie, wenn Sie von angeblicher Verfolgungsbetreuung sprechen. Ich bezeichne das nicht als verantwortungsvolle Politik. Ich bezeichne es als Verantwortungslosigkeit.
Ein zweiter Punkt: Sie sprechen davon, dass mit den beabsichtigten gesetzlichen Maßnahmen der Druck auf die Langzeitarbeitslosen erhöht werden soll, um das von Ihnen behauptete prinzipielle Scheitern von Hartz IV zu kaschieren. Wieder einmal wollen Sie ein Beschäftigungsprogramm. Sie haben immer noch nicht zur Kenntnis genommen, dass im Freistaat beispielsweise die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zielgenau, effektiv und wirtschaftlich eingesetzt werden, meine Damen und Herren.
Die Forderung der PDS nimmt all dies überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie hat in einem anderen Antrag im Übrigen einmal von einer deutlichen Anhebung der Zahl von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gesprochen. Herr Pellmann ist hier nicht mit einem Wort auf Beschäftigungsverhältnisse eingegangen. Genau das war der Punkt Ihres Antrages, wenn Sie einmal die Fassung am Ende lesen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der PDS, jetzt ein Beschäftigungsprogramm für den zweiten Arbeitsmarkt wollen, dann, sage ich Ihnen, gefährden Sie allenfalls und höchstens private und unternehmerische Betätigung.
Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Herr Brangs zum Thema der Bedarfsgemeinschaften sprechen wird. Ich will den Standpunkt der CDU-Fraktion darstellen.
Wir sehen in dem Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitslose den Schritt in die richtige Richtung. Neben der Vermeidung von Leistungsmissbrauch geht es beispielsweise um die Optimierung, also die Verbesserung, des Leistungsrechts. Wir können beispielsweise – auch wenn Sie dies wieder treffen wird – nicht akzeptieren, dass gleichgeschlechtliche Partner, die eine nicht eingetragene Partnerschaft eingehen, keine Bedarfsgemeinschaft bilden sollen. Wir sind der Auffassung, dass hier selbstverständlich auch eine Bedarfsgemeinschaft angezeigt ist. Das ist eben die Kehrseite derselben Medaille.
Ich möchte auf der anderen Seite, soweit es um das Leistungsrecht geht, auch ein Wort darauf verwenden, dass es gar keinen Anlass gibt – das ist überhaupt an der Stelle der einzige Punkt der Übereinstimmung –, die Inanspruchnahme von Leistungen Hilfebedürftiger zu diskreditieren.
„Man muss nicht alles rausholen, was geht“, hat Kurt Beck, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, mit Blick auf die Hartz-IV-Gesetzgebung festgestellt. Ich halte diese Bemerkung – das möchte ich mit allem Nachdruck sagen – für unangemessen. Sie wird den Betroffenen und der Sache nicht gerecht. Richtig ist, dass jeder, der Leistungsanspruchsvoraussetzungen erfüllt, auch Rechtsanspruch darauf hat. Hält man dies im Einzelfall nicht für richtig, dann muss man eben die Hausaufgaben bei der Gesetzgebung besser machen. Genau das ist der Versuch dieses Gesetzes.
Ein zweiter Punkt zur Auseinandersetzung mit dem anstehenden Gesetz: Unser Hauptanliegen ist die Verbesserung der Verwaltungspraxis. Wir sehen in diesem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende einen Schritt in die richtige Richtung, und zwar vor allem, wenn man die Äußerungen von Kurt Biedenkopf als Ombudsmann in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. Juni 2006 zur Kenntnis nimmt. Er führt aus, dass in den Arbeitsgemeinschaften ein Organisationschaos bestehe. Wir müssen uns natürlich mit diesem Punkt auseinander setzen. Das ist unsere Auffassung als CDU-Fraktion. Das ist auch die Auffassung der Koalition.
Meine Damen und Herren! Wer erwartet hat, dass Hartz IV die Arbeitsmarktpolitik auf jene Ebene verlagert hätte, die dies am besten kann, die einen funktionsfähigen Wettbewerb installiert, sieht sich bislang weithin enttäuscht. Nach wie vor verbleiben den Kommunen die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Wettbewerb, der nach unserer Überzeugung auf der kommunalen Ebene am besten aufgehoben und dort tatsächlich realisierbar ist, ist von vornherein ausgeschlossen. Das kommunale Potenzial, das es uns jedenfalls ermöglichen würde, die Probleme von erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern vor Ort zu lösen, ist auf der Grundlage der gegenwärtigen Gesetzgebung so nicht nutzbar.
Es besteht das weitere Problem, das wir seit jeher gerügt haben und auch unser Ministerpräsident seit jeher rügt; es besteht das ordnungspolitische Problem, dass mit dem bestehenden Gesetzeswerk Versicherung, Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik zunehmend vermengt und zugleich die fiskalische Verantwortung weithin vermischt wird.
Das führt, meine Damen und Herren, notwendigerweise zu den folgenden Erkenntnissen: Es ist richtig, die Arbeitslosenversicherung auch künftig staatlich zu organisieren. Wir müssen uns allerdings damit befassen, wie Versicherung und operatives Geschehen zu trennen sind. Hier, meine Damen und Herren, ist die Bundesagentur für Arbeit unmittelbar angesprochen. Es geht dort und gerade dort, weil die Verwendung von Steuermitteln und Beitragsgeldern erfolgt, darum, wie ein angemessenes und sachgerechtes Controlling besteht. Hieran müssen wir arbeiten. Das ist nun wirklich kein sächsisches Problem. Das ist ein deutsches Problem.
Meine Damen und Herren! Die Qualifizierung von Arbeitssuchenden muss stärker dem Wettbewerb unterworfen werden. Wir brauchen eine neue Arbeitsmarktpolitik
für Langzeitarbeitslose. Genau an dieser Stelle setzt auch dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung an. Woran wir noch weiter arbeiten müssen – auch hier im Hause –, das ist die Arbeitsmarktpolitik. Sie ist ein Querschnittsthema. Sie erfordert neben Beratung, Vermittlung und Qualifizierung natürlich auch eine Antwort auf beispielsweise Kinderbetreuung, auf die Frage, wie Familie und Beruf noch besser in Einklang gebracht werden können.
Es wäre fatal – hierzu haben im Übrigen Sie von der PDS bislang überhaupt noch keine Antwort gegeben –, wenn wir diese Fragestellung ausschließlich unter ökonomischen Kriterien verstehen würden. Dies würde vor allen Dingen den betroffenen Leistungsempfängern, die sich von der gesellschaftlichen Teilhabe vielfach ausgegrenzt sehen, nicht gerecht. Das können Sie nicht nur über den Staat auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung lösen, sondern es geht hier um die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung aufgrund solidarischer Basis eines jeden, sei er arbeitssuchend, sei er Arbeitnehmer, sei er Arbeitgeber.
Meine Damen und Herren! Dazu kommt – das gehört auch dazu –, dass wir uns die Potenziale der Zivilgesellschaft nutzbar machen müssen, und zwar viel besser als bisher. Bürokratie und Verwaltung allein werden die Probleme von arbeitssuchenden Menschen nicht lösen, sondern es geht um wahrgenommene und gelebte gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Ich pflichte Kurt Biedenkopf auch darin bei, dass die Zivilgesellschaft nicht durch Bürokratie ersetzt werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, mit alledem hat sich die PDS in ihrem Antrag und auch in ihrer bisherigen Rede – jedenfalls in der von Herrn Pellmann – nicht auseinander gesetzt. In ihrem reflexartigen Verhalten erkennt sie die wahren Probleme unserer Gesellschaft nicht. Die Linksfraktion.PDS hat andere Probleme, wenn ich nur an Frau Bonk denke. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir hätte fast schon etwas gefehlt, könnte man sagen, wenn wir nicht wieder auf Antrag der Linksfraktion.PDS das Thema Hartz IV und die Folgegesetze sowie deren Auswirkungen auf der Tagesordnung hätten. Es gibt, glaube ich, keine Landtagssitzung
Es ist ja auch ein absolutes Landesthema. Es ist sozusagen sehr auffällig, dass man sich hier im Sächsischen Landtag
permanent über Bundespolitik auseinander setzen muss. Aber wenn man immer wieder auf Populismus abhebt, ist klar, dass im Kern von politischen Botschaften und auf den Plakaten, die man geklebt hat, nicht viel mehr übrig bleibt als das ewige Gejammer über Hartz IV.
Ich möchte noch einmal feststellen: Die große Mehrheit im Bundestag hat diese neuen Arbeitsmarktreformen beschlossen. Es gab im Wesentlichen einen wichtigen Beitrag, nämlich die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Ich glaube, dass das auch deshalb ein wichtiger Beitrag ist, weil, wenn man sich die Betroffenen in den letzten Jahren genau angesehen hat, dort ein permanenter Verschiebebahnhof zwischen Sozialamt und Arbeitsagenturen stattgefunden hat. Genau das ist geändert worden und den Betroffenen ist in der Tat eine echte Hilfestellung zuteil geworden. Denn die Förderung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist für die Betroffenen, die ehemals in der Sozialhilfe angesiedelt waren, jetzt auch möglich.
Ich will durchaus einräumen, dass man, wenn man solch ein komplexes Gesetzgebungsverfahren einleitet, in diesem Zusammenhang darüber nachdenken sollte, ob man an der einen oder anderen Stelle nachsteuern muss. Das ist richtig. Ich hoffe auch, dass das niemand ernsthaft infrage stellt.
Was aber auch richtig ist – und was ich nicht verstehe und was auch der Kollege Pellmann hier wieder angeführt hat –: Man muss doch die Tatsachen zur Kenntnis nehmen. Wenn es so ist, dass wir einen absoluten Zuwachs an Bedarfsgemeinschaften gegenüber den ursprünglich geplanten haben, dann kann man natürlich lamentieren und sagen: Die Planungszahlen waren alle falsch oder die Ausgangszahlen waren alle falsch.
Aber man muss doch nun einmal nüchtern, ohne dass ich jetzt Polemik betreiben will, zur Kenntnis nehmen, dass es so ist.
Jetzt geht es darum, dass mit diesem Fortentwicklungsgesetz der Versuch unternommen wird, dass die Ausgaben, die ein nachsorgender Sozialstaat mit sich bringt, verringert werden und dass damit die Handlungsspielräume für einen vorsorgenden Sozialstaat erhalten bleiben.
Deshalb will ich auch sagen, dass die Position der SPD an dieser Stelle eindeutig ist: Niemandem kann eine Hilfe vorenthalten werden. Das ist klar. Wer einen Anspruch auf gesetzliche Regelungen hat, der kann sie auch annehmen.
Wir müssen dafür sorgen, dass wir für die Menschen, die jetzt diesen Anspruch begründen, etwas haben. Aber wir müssen vor allem dafür Sorge tragen, dass die zukünftigen Generationen noch die Luft haben, um zu atmen. Das muss man, denke ich, in diesem Zusammenhang auch sagen.
Deshalb sage ich eindeutig: Dieses Fortentwicklungsgesetz ist für mich kein reines Spargesetz. Wer das behauptet, der hat den Hintergrund und den Ansatz, der sich dahinter verbirgt – bei aller Kritik und bei aller Unvollkommenheit, die damit im Einzelnen verbunden sind –, nicht verstanden.
Dieses Gesetz – und das ist der positive Teil – macht den Versuch, dass es bei der Grundsicherung Verbesserungen gibt und dass vor allem Arbeitssuchende effizienter, effektiver und zielgenauer gefördert werden können. Gleichzeitig – das ist auch ein Teil dieses Gesetzes – geht es vor allem darum, dass Jugendlichen, die sich in Ausbildung befinden, zumindest eine Beschäftigung ermöglicht wird und dass dieser niederschwellige Angebotscharakter, der bisher durch Förderung von Drittmitteln eine Rolle gespielt hat, entfällt, da genau diese Förderung durch Dritte nicht mehr notwendig ist.
Es gibt einen weiteren durchaus positiven Aspekt, nämlich dass BAföG-Empfänger und Auszubildende zukünftig eine Unterstützung für Unterkunft und Heizung bekommen. Ich denke, es kann doch niemand ernsthaft in diesem Raum anzweifeln, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist.
(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Einer unter vielen!)
Ja, einer unter vielen. Aber dann gestehen Sie es doch einmal zu, dass es doch durchaus auch positive Ansätze hat. Aber es ist schön, wenn Sie mir Recht geben, dass es auch positive Ansätze gibt.