Protocol of the Session on June 21, 2006

Wiederum öffnet sich der Teufelskreis der Überkapazitäten. Diesmal sind es keine Großkläranlagen, die in 15 bis 20 Jahren infolge des rasanten Bevölkerungsrückgangs niemand mehr braucht, sondern Kleinkläranlagen – Kläranlagen modernster Art auf dann unbewohnten Grundstücken.

Die Linksfraktion.PDS hat aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus keinen Sachverständigen für die Anhörung dieses „Gesetzleins“ im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft benannt.

Der Nebeneffekt: Dem sächsischen Steuerzahler blieb somit Geld erspart. Mehrere der von den Koalitionsfraktionen bestimmten Sachverständigen äußerten sich mehr oder weniger kritisch und zudem häufig widersprüchlich über den praktischen Wert dieser Neuregelung. Ich möchte auf eine Anmerkung aus der gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen Herrn Rechtsanwalt Dr. Köhler eingehen, der dafür die Erklärung bietet.

Ich zitiere: „Die Anhörung der Vertreter der Abwasserzweckverbände erweckte den Eindruck, dass es ihnen mit dem Gesetzentwurf darauf ankommt, dass an der Front der Kleineinleitungen weiter Ruhe herrscht, denn die Beschäftigung mit ihnen schaffe nur viel Arbeit und Ärger. Die Summe der Kleineinleiterabgaben und die Kosten der auf sie bezogenen Verwaltungstätigkeit seien etwa gleich.“ – Dem kann ich nur den allseits bekannten Spruch hinzufügen: Außer Spesen nichts gewesen!

Zusammenfassend gibt es aus heutiger Sicht und unter den Bedingungen des Freistaates Sachsen nach unserer Auffassung mindestens in drei Richtungen ernste Bedenken gegen die Kleineinleiterabgabenregelung:

1. aus Sicht der ursprünglich beabsichtigten Umweltsteuerung,

2. aus Sicht des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses für die Verwaltungen und

3. aus verfassungsrechtlicher Sicht.

Doch die Koalition bleibt uneinsichtig. Deshalb geriet ein Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des Landtages, der an den Paragrafenpranger und vor das Verfassungsgericht gehört. Die Linksfraktion.PDS lehnt ein derartiges Machwerk strikt ab.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Auch Ihnen rate ich zu einer Ablehnung, da Sie sonst ein überholtes und verfassungswidriges Gesetz beschließen würden. Sofern dieses Gesetz unverändert beschlossen werden sollte, kündigen wir schon heute eine Normenkontrollklage an.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf und der vollmundig klingenden Presseerklärung vom 13. März versuchen die Koalitionsfraktionen wieder einmal dem sächsischen Bürger vorzugaukeln, er würde durch diese Regelung finanziell entlastet. Wer durch die Weiterführung der Verrechnungsmöglichkeit aber tatsächlich finanziell entlastet wird, sind nicht die Verbraucher, sondern in geringem Maße die Abwasserzweckverbände. Damit ist dieses Gesetz meiner Meinung nach kein Gesetz, mit dem der Bürger entlastet wird, sondern es ist lediglich ein Instrument, um die Folgen der jahrelang verfehlten Politik im Bereich der Abwasserentsorgung in Sachsen abzumildern.

Die Einnahmen aus der Erhebung der Kleineinleiterabgabe stehen in keinem Verhältnis zum eigentlichen Verwaltungsaufwand. Wenn zum Beispiel in der Stadt Chemnitz ein jährlicher Verwaltungsaufwand von 34,10 Euro je Grundstück für die Erhebung der Kleineinleiterabgabe entsteht, dann zahlt ein Zweipersonenhaushalt zweimal 17,90 Euro Kleineinleiterabgabe und zusätzlich fast genauso viel Verwaltungsgebühr. Das ist unzumutbar und aus Sicht der NPD-Fraktion auch bürokratischer Irrsinn.

Sie schaffen sich durch die verlängerte Verrechnungsmöglichkeit ein weiteres Finanzierungsinstrument, um das teilweise Unsummen verschlingende Konzept der vorrangig zentralen Abwasserbeseitigung überhaupt bezahlen zu können.

Es muss klar gesagt werden: Die Finanzkraft der Abwasserzweckverbände ist am Ende. Fördermittel stehen nicht mehr in dem Maße zur Verfügung, wie sie benötigt werden. Das bedeutet, dass Sie sich endlich eingestehen müssen, dass die zentrale Abwasserbeseitigung in Sachsen in Einzelfällen völlig überdimensioniert ist und das Geld sprichwörtlich vergraben wird. Durch die Verlängerung der Verrechnungsmöglichkeit mit der Kleineinleiterabgabe sollen die Abwasserzweckverbände nun in die Lage versetzt werden, ihre Investitionen in zentrale Abwasseranlagen weiter voranzutreiben. Das ist für die Abwasserzweckverbände von Vorteil, aber schädlich für die Bürger, denn viele Bürger werden bis zum Jahre 2009 weiterhin im Unklaren darüber gelassen, ob sie jemals an eine zentrale Abwasserversorgung angeschlossen werden oder nicht.

Es wird niemand von den Betroffenen auf die Idee kommen, sich eine biologische Kleinkläranlage auf eigene Kosten zu bauen, wenn er nicht weiß, ob er in den nächsten Jahren überhaupt an die Kanalisation angeschlossen werden soll.

Wenn die Koalitionsfraktionen in der Pressemitteilung vom 13. März davon sprechen, die Bürger könnten die so genannte Entlastung für Investitionen in Kleinkläranlagen nutzen, dann müssen Sie dem Bürger bitte schön auch sagen, ob er bis zum Jahr 2009 überhaupt angeschlossen wird.

Die Abwasserzweckverbände entziehen sich ihrer Verantwortung, weil sie nicht wissen, welche Investitionen

sie wann und wo noch tätigen können; zumindest lassen sie sich verschiedene Optionen offen. Es war bisher nicht möglich, in Einzelfällen klare Entscheidungen zu treffen. Wenn man weiß, dass abgelegene Ortsteile oder einzelne Grundstücke aus finanziellen Gründen wahrscheinlich nie an die zentrale Entsorgung angeschlossen werden, dann ist es dringend geboten, es den Bürgern bestandskräftig mitzuteilen. Erst dann kann sich jeder selbst um die Entsorgung seines Abwassers kümmern. Das ist wichtiger als die vergleichsweise Entlastung.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Schaffen Sie endlich klare Verhältnisse und hören Sie auf, damit weitere Millionen in überdimensionierte Abwasseranlagen zu pumpen! Dieses Geld muss sinnvoller für die dezentrale Abwasserentsorgung in Einzelfällen eingesetzt werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass nach geltendem Recht die Anforderungen für die Rahmenrichtlinie nach kostendeckenden Wasserdienstleistungen bis zum Jahre 2010 erfüllt werden müssen, ist es längst überfällig, dezentrale Abwasseranlagen zu favorisieren und zu fördern. Diese Anlagen sind schließlich nicht von heute auf morgen zu bauen. Mit Ihrem Gesetzentwurf wird die dezentrale Abwasserbeseitigung weiterhin behindert, und wirtschaftlich fragwürdige, überdimensionierte Anlagen werden weiter subventioniert. Das ist nach unserer Auffassung der falsche Weg.

Die NPD-Fraktion lehnt die Kleineinleiterabgabe ohnehin ab und wird deshalb diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Günther, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den Wegfall der in den neuen Bundesländern bis dato bestehenden Sonderregelung besteht Handlungsbedarf. Die bisherige Regelung ließ die Verrechnung von angefallenen Abwasserabgaben mit getätigten Investitionen des abgabepflichtigen Abwasserverbandes zu, sodass auch die vom Abwasserverband zunächst zu zahlende Kleineinleiterabgabe mit verrechnet werden konnte. Das geschah unabhängig davon, ob die Investition für die betroffene Anlage getätigt wurde, solange nur die Investition im Gebiet des Abwasserpflichtigen wirksam wurde. Die nach dem Wegfall der Sonderregelung für Kleineinleiter fällige Abwasserabgabe kann sich der Abwasserverband durch Abwälzung zurückholen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen nun die Koalitionsfraktionen das sächsische Abwassergesetz um eine Regelung erweitern, die den Abwasserverbänden die Möglichkeit einräumt, verrechnungsfähige Abwasserabgaben mit der Kleineinleiterabgabe zu verrechnen. Eine Abwälzung der Kosten auf den Kleineinleiter würde entfallen. Für den Bürger ändert sich erst einmal nichts. Nur die Abwasserverbände haben für kurze Zeit den

Vorteil, die Bürger nicht mit kostspieligen Verwaltungsakten behelligen zu müssen.

Frau Roth sagte richtig, dass man das Gesetz unter das Motto stellen könne: Es herrscht Ruhe an der Front!, und das genau für vier Jahre. Die Probleme sind somit nur aufgeschoben und nicht gelöst. Die Befristung der vorgelegten Gesetzesänderung bis zum Jahre 2009 ist Artikel 9 Wasserrahmenrichtlinie geschuldet. Ab diesem Zeitpunkt müssen auch Kleineinleiter nach dem Verursacherprinzip einen angemessenen umwelt- und ressourcenschonenden Beitrag zahlen, wenn sie keine vollbiologische Kleinkläranlage haben.

Nach den Darlegungen der Koalitionsfraktionen ist diese Regelung erforderlich, um eine zusätzliche Verrechnungsmöglichkeit mit Investitionen der Abwasserverbände zu ermöglichen, was gleichzeitig weitere Investitionen in Abwasseranlagen befördern und somit der Qualität der sächsischen Fließgewässer zuträglich sein soll.

Wir Liberale fragen uns, ob sich die Probleme tatsächlich über das Konstrukt der Verrechnungsmöglichkeit lösen lassen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Nein!)

Zum einen wird in der Begründung dargestellt, es käme nun zu einem zügigen Abschluss der Umsetzung der Maßnahmen zur Verbesserung der zentralen Abwasserentsorgung. Das ist durchaus wünschenswert, da noch erhöhter Investitionsbedarf gegeben ist. Er ergibt sich beispielsweise aus vertraglichen Festlegungen in den Abwasserbeseitigungskonzepten. Die so genannten Verdichtungsgebiete wurden bislang unter einem erheblichen Einsatz von Fördermitteln abwasserseitig erschlossen.

Es gibt derzeit noch einen hohen Anteil an Sanierungsmaßnahmen, für die zukünftig nicht allein der Anreiz der Verrechenbarkeit mit Kleineinleiterabgaben ausreichend sein dürfte. Dafür sind die Summen zu gering. Beispielsweise beträgt der verrechenbare Betrag für den Zweckverband Kommunale Wasserversorgung/Abwasserentsorgung Mittleres Erzgebirgsvorland nur zirka 150 000 Euro. Allein die Verrechenbarkeit der Abwasserabgabe und der Kleineinleiterabgabe führt nicht zu einer beschleunigten Verbesserung der zentralen Abwasseranlagen.

Wie sieht es nun mit den dezentralen Abwasseranlagen aus? Mit Blick auf das Spannungsfeld zwischen Investitionen und Verbesserung der Wasserqualität und der Beschaffenheit der dezentralen Abwasseranlagen haben wir ebenfalls unsere Zweifel. Laut den Verbänden ist die geplante Neuregelung wahrscheinlich nicht ausreichend geeignet, die Umsetzung des Grunderlasses zu beschleunigen. Man sieht die Gefahr, dass der Grunderlass zur Durchsetzung von Sanierungsbescheiden nur noch auf verwaltungstechnischem Wege durchgesetzt werden könnte. Die Verbesserung der dezentralen Entsorgung wird auch nicht dadurch erreicht, dass sich Kleineinleiter durch die mögliche Gebührenersparnis von 17,90 Euro im Jahr pro Person zu einer Umrüstungsinvestition hinreißen

ließen. Die Nachrüstung einer Anlage auf vollbiologische Klärung kostet realistisch zwischen 2 000 und 3 000 Euro. Bei einer Verrechnung von 80 Euro pro Jahr und Anlage käme man auf einen Verrechnungszeitraum von 40 bis 50 Jahren. Das wird von den Verbänden – meiner Meinung nach zu Recht – als Unsinn abgelehnt.

Der materielle Anreiz für die Kleineinleiter zur Herstellung von geordneten Verhältnissen ist nicht groß genug, um diese Verhältnisse zu ändern. Insgesamt verfehlt der Gesetzentwurf aus unserer Sicht das Ziel, die Ausstattung und somit den Zustand der dezentralen Abwasserentsorgung vor allem im ländlichen Raum zu verbessern.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Der Anteil der Arbeitslosen und somit auch der Hartz-IVEmpfänger, die Hausbesitzer sind, ist bei Kleineinleitern sehr hoch. Mal eben eine Investition in einer Größenordnung von mehreren Tausend Euro zu tätigen ist für viele einfach nicht leistbar.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Es bedarf aus Sicht unserer Fraktion weiterer flankierender Maßnahmen, zum Beispiel zweckbezogener Fördermittel oder zinsloser Darlehen, um zu einer wirklichen Verbesserung der Gewässerqualität zu kommen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wir sehen und begrüßen die Intentionen des Gesetzentwurfes. Da die flankierenden Maßnahmen fehlen, werden wir uns daher der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. – Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sehnt sich in diesen Wochen nicht nach einer Abkühlung? Doch in meinem Wahlkreis ist der Badespaß im wahrsten Sinne des Wortes getrübt. Für die Koberbachtalsperre im Landkreis Zwickauer Land gilt seit letzter Woche ein Badeverbot. Es gilt: Baden nur auf eigene Gefahr. Wer trotz der enormen Blaualgenentwicklung dennoch in dieses trübe Wasser steigt, dem drohen Übelkeit, Hautreizungen und Durchfall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Probleme sind seit vielen Jahren bekannt. Eine Studie der Talsperrenverwaltung aus dem Jahr 2004 sieht die Ursachen für die starke Belastung zu einem erheblichen Teil in der – ich zitiere – „unbefriedigenden Abwassersituation im Bereich der Zuläufe“. Das unmittelbare Umland gehört zu den Regionen, in denen laut Umweltministerium gerade einmal null bis 30 % an die Abwasserbehandlungsanlagen angeschlossen sind. Ein Blick auf die entsprechende Karte zeigt, dass die Abwasserentsorgung gerade im ländlichen Raum noch weit von den rechtlichen Vorgaben der EUWasserrahmenrichtlinie entfernt ist.