Eine andere Sache ist, dass Wettbewerb teilweise ziemlich mörderisch stattfindet, nämlich dort, wo es darum geht, welche Schule den gegenwärtigen Anpassungsprozess überlebt. Ich bin der Meinung, dort haben wir nicht zu wenig Wettbewerb, sondern mir ist das ein bisschen zu viel Wettbewerb. Was mancherorts im Kampf um einzelne Schüler stattfindet, ist inzwischen hart an der Grenze der Zulässigkeit. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für mein Bestreben, das Schulnetz möglichst rasch anzupassen, damit dieser mörderische Wettbewerb um jeden einzelnen Schüler hoffentlich bald der Vergangenheit angehört.
Die FDP-Fraktion führt im Zusammenhang mit Wettbewerb die Orientierungsarbeiten an. Ich glaube, diese sind gänzlich ungeeignet dafür. Heute hat es eine große Übereinstimmung zu dem gegeben, was Frau Falken vorgetragen hat. Bei Orientierungsarbeiten geht es nicht darum, dass Herr Herbst oder das Parlament sich orientiert, sondern sie sind eine Hilfestellung für Schulen, sich selbst im Entwicklungsstand landesweit einzuordnen. Deshalb ist es richtig, wie wir es machen, dass wir insgesamt die Ergebnisse nun auch nicht geheim halten, aber es hat wenig Sinn – ich sehe überhaupt keinen Vorteil, was es bringen sollte –, die Ergebnisse einzelner Schulen zu veröffentlichen.
Sie haben die Evaluationsagentur angesprochen. Dazu haben wir Übereinstimmung im Hohen Hause und das steht auch im Haushaltsplan. Sie ist eingerichtet und meines Wissens haben in einer ersten Erprobungsphase neun Schulen teilgenommen. Frau Falken, Sie sprachen von 13 Schulen. Dort haben wir von Anfang an nicht etwa auf Geheimniskrämerei gesetzt, sondern es hat eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit sowohl durch Schulen als
auch durch die Evaluationsagentur gegeben, aber nicht schulkonkret. Nun gehen wir in die nächste Phase. Im nächsten Schuljahr werden etwa 50 Schulen überprüft. Anschließend wollen wir es zur Pflicht machen, dass sich alle Schulen im Abstand von etwa fünf Jahren einmal durch den so genannten Schul-TÜV einer Überprüfung unterziehen.
Ich habe in diesem Prozess gelernt, dass es außerordentlich wichtig für die Qualitätsentwicklung an der Schule ist, dass Vertrauen besteht. Mit Vertrauen muss man sehr behutsam umgehen, damit es überhaupt erst entstehen kann. Eine Schule darf nicht übermäßig Angst vor der Überprüfung haben. Sie muss es als Unterstützungssystem begreifen; denn nur dann wird es dazu führen, dass tatsächlich ganz offen über festgestellte Mängel gesprochen und vor allen Dingen ganz offen an der Schule daran gearbeitet wird, diese Mängel Schritt für Schritt zu beseitigen.
Das ist eine andere Richtung als die, die Sie verfolgen. Sie sagen, das Ergebnis muss sofort veröffentlicht werden. Wir sind jetzt in der Anfangsphase dieses Systems. Später kann man darüber diskutieren, aber jetzt halte ich es durchaus für richtig, wie wir herangehen. Wir sagen, diese Ergebnisse stehen der Schule zu. Wenn ich im Bild von Frau Günther-Schmidt bleibe, bedeutet das, dass Sie, Herr Herbst, beim TÜV vorfahren müssen, und dann weiß ich nicht, was Sie davon halten, wenn Sie selbst das Ergebnis noch gar nicht haben, aber am nächsten Tag in der „Morgenpost“ lesen, was an Ihrem Auto so alles festgestellt wurde. Auch dort erwarten Sie, dass Sie die Mitteilung bekommen und die Chance haben, die Mängel zu beseitigen. Anschließend bekommen Sie eine Plakette und dann ist es okay. Ob das Bild in allen Fällen passt, weiß ich nicht.
Wir gehen diesen Weg zur Qualitätsentwicklung an unseren Schulen. Ich bin mir selbstverständlich der Verantwortung bewusst, auch was das Informationsrecht der einzelnen Abgeordneten betrifft. Die Möglichkeiten im Ausschuss sind sehr groß. Wir können dort über die einzelnen ersten Erkenntnisse berichten. Ich bitte Sie um Verständnis für den Weg einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Einzelschule zur Stärkung der Eigenverantwortung der Schule. Die „Kunden“ des Systems – die sehe ich in den Eltern und den Kindern – werden davon nicht ausgeschlossen. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass die Ergebnisse aus einer Evaluation in der Schulkonferenz, in Elternabenden diskutiert werden, damit die Schule selbst daran arbeiten kann, ihre Stärken ruhig nach außen zu präsentieren, aber an den Schwächen zu arbeiten und diese Schritt für Schritt zu beseitigen. Ich denke, das ist ein Erfolg versprechender Weg.
Ministers noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Ich bitte Herrn Herbst um das Schlusswort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine interessante Diskussion erlebt. Im Grunde genommen sind alle für Transparenz; beim Wettbewerb wird es schon ein bisschen anders. In der Praxis traut man den Menschen wenig zu. Es gibt andere Länder, die sich trauen. Auch in den Niederlanden hat eine ähnliche Diskussion stattgefunden. Man hat am Ende im Parlament beschlossen, das zu veröffentlichen. Ich glaube nicht, dass die Sachsen weniger schlau sind und weniger Urteilsvermögen haben als die niederländischen Kollegen. Ich glaube, wir können damit umgehen.
Und, lieber Martin Dulig, es ist schon ein Unterschied, ob man von einem Schulporträt, was in Eigenverantwortung erstellt wird, oder von einer externen Evaluation spricht. Dort ist eine objektive Qualitätsmessung erfolgt, während das eigene Porträt dadurch, wie man sich darstellt, entsprechend beeinflusst wird. Natürlich gibt es unterschiedliche Voraussetzungen von Schulen, auch in der Zusammensetzung von Klassen, nur das gibt es bei jedem Wettbewerb. Wenn Sie zum Beispiel die Leistung von Polizeirevieren vergleichen, gibt es auch Merkmale, wie dichter oder dünner besiedelte Regionen. Wenn man Hochschulen vergleichen will, gibt es eine unterschiedliche Zusammensetzung der Studentenschaft. Das ist überall so, wo wir Vergleiche anstellen.
Ich denke, dass die Leute damit umgehen können. Vielleicht haben wir hier auch ein anderes Weltbild. Mag sein, dass die GRÜNEN und wir den Bürgern mehr Urteilsvermögen zutrauen. Sie dagegen sagen, wir müssen die Bürger vor der Wahrheit schützen. Wir sind da anderer Auffassung. Wir glauben, wir können Ihnen die Wahrheit zutrauen. Stimmen Sie unserem Antrag einfach zu!
Danke schön. – Das war das Schlusswort. Ich habe die Hoffnung, dass Frau Falken den Änderungsantrag schon begründet hat. – Nein.
Es ist nicht ganz so, zumal Frau Günther-Schmidt noch eine Frage gestellt hat. Ich möchte schon darauf antworten. Ich muss auch noch eine kleine Korrektur in dem Antrag vornehmen. Das würde ich noch gern beantragen wollen.
Erstens. Frau Günther-Schmidt, wir stehen nach wie vor zu dem Antrag, dem wir damals als Fraktion wirklich zu 100 % zugestimmt haben, dass es einen Sächsischen Bildungsbericht in dieser Legislaturperiode geben soll,
der auch in dem Umfang, wie es in Ihrem Antrag dargestellt worden ist, durchgeführt werden soll und muss.
Das Problem, das wir sehen, ist jedoch, dass in der Beschlussempfehlung – ich habe es mir gestern extra noch einmal herausgesucht – nicht mehr fixiert ist, wann das passieren soll. Wir haben die große Befürchtung – ich sage es so direkt; das kann man vielleicht auch noch einmal in einem Antrag in der nächsten Zeit fixieren –, dass wir einen Sächsischen Bildungsbericht im letzten halben Jahr der Legislaturperiode erhalten. Damit ist uns nicht mehr geholfen, denn wir wollen ja, nachdem wir den Bericht haben, schauen, wo wir noch Einfluss nehmen können und müssen. Das wäre uns dann eigentlich nicht mehr gegeben, weil die Zeit und die Frist schon vorbei sind. Das ist für uns der Grund.
Wir denken auch, dass ein Bericht zur Evaluation, die durchgeführt werden wird – wir haben es heute gehört, zum Teil auch schon durchgeführt worden ist –, wichtig ist, und zwar ein Bericht, der in der Gesamtschau dieser Evaluation veröffentlicht werden sollte; nicht der Einzelbericht der einzelnen Schule, der sollte ausdrücklich nicht veröffentlicht werden, sondern dass der Einzelbericht der einzelnen Schule den Landtagsabgeordneten zur Verfügung gestellt wird, möglicherweise nur denen, die im Schulausschuss sitzen, damit wir die Möglichkeit haben, parlamentarisch für die einzelne Schule eine besondere Veränderung zu beantragen.
Wir gehen noch einen Schritt weiter. Deshalb werden wir uns heute bei dem Antrag der FDP enthalten. Wir meinen, die Schulkonferenzen, die sagen, wir möchten unseren Bericht veröffentlicht haben, sollten auch die Möglichkeit haben, diesen Bericht zu veröffentlichen. Diese Entscheidung sollte also der einzelnen Schule überlassen werden.
Ich muss noch eine Korrektur vornehmen, die ich jetzt beantragen möchte. In unserem Änderungsantrag im ersten Punkt steht in der ersten Zeile „Bildungsbericht“. Da dieser Begriff nun schon durch den Antrag der GRÜNEN vom vergangenen Jahr belegt ist, möchte ich beantragen, den Begriff „Bildungsbericht“ durch den Begriff „Evaluationsbericht“ zu ersetzen, damit wir eine klare Trennung haben. Das ist sonst sicher nicht optimal.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Änderungsantrag vorgetragen bekommen. Gibt es daraufhin Aussprachebedarf? – Herr Herbst, bitte.
Herr Präsident, ich kann es ganz kurz machen. Die Forderung der Linksfraktion.PDS geht hinter unser Anliegen zurück. Sie würde das Herrschaftswissen auf die Landtagsabgeordneten ausweiten, aber nicht auf die breite Öffentlichkeit. Ich denke, die Bürger sollten sich eine Meinung bilden können, nicht nur die Mitglieder des Schulausschusses, nicht nur die Landtags
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für meine Fraktion sagen, dass wir diesen Änderungsantrag ablehnen. Das hat einfach den Hintergrund, dass die Evaluationsagentur, wie eben vom Staatsminister ausgeführt, noch in der Aufbauphase ist. Es liegen erst einige wenige Berichte vor. Es ist auch nicht vorgesehen, dass nun jede Schule jedes Jahr evaluiert wird, sondern, wenn ich richtig informiert bin, aller sieben Jahre. Dadurch erreichen wir einen Prozess, bei dem jede Schule drankommt. In der Zwischenzeit kann in den Schulen jeweils die Umsetzung stattfinden.
Wir halten es für wichtig, dass die Schulen lernen, mit diesen Evaluationsberichten, mit diesen Ergebnissen umzugehen, diese auszuwerten, daraus ihre Lehren zu ziehen und im jeweiligen Handeln die Dinge zu ändern.
Weitere Aussprache dazu? – Dies ist nicht der Fall, stelle ich fest. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag, da er alternativ gestellt ist. Ich rufe den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS mit der Drucksachennummer 4/5226 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Und die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Jastimmen ist er mit übergroßer Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen zum Originalantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennummer 4/5115. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Und die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei einer größeren Anzahl von Jastimmen und einigen Enthaltungen ist er ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.
Die einreichende Fraktion beginnt traditionell; die Fraktionsvorsitzende, Frau Hermenau, bitte. Danach die gewohnte Reihenfolge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Frau Ludwig, Sie haben am 9. Mai, das ist noch gar nicht lange her, gesagt und in der Presse öffentlich gemacht: „Weiblich, intelligent, selbstbewusst mit geringer Aussicht auf eine Professur, und wenn man einen Blick an die Spitze der Bildungspyramide täte, dann zwänge das zum Handeln.“ Das waren Ihre presseöffentlichen Auskünfte.
Frau Orosz, Ihre Ministerkollegin, hat in der letzten Plenardebatte im April eine Regierungserklärung abgegeben – Sie sind da, wie ich sehe –, in der es um ein familienfreundliches Sachsen ging. Zu Akademikerinnen im Speziellen haben Sie wenig gesagt. Wir haben Ihnen damals erklärt, dass wir das Gesprächsangebot, das Sie mit der Regierungserklärung in unseren Augen gemacht haben, aufnehmen wollen. Heute kommt eben der erste Antrag in die entsprechende Richtung.
Sie wissen, dass ich auch Mitglied der EnqueteKommission Demografie bin. Eine der wesentlichsten und schwierigsten Fragen, die es auch zu bearbeiten gelten wird, ist die der Abwanderung hoch qualifizierter junger Frauen aus Sachsen. Das sind nicht nur, wie manche CDU-Kollegen immer so nett sagen, potenzielle Mütter, die da verloren gehen, sondern sind auch Akademiker, die da verloren gehen. Beides wird Sachsen in
Zukunft brauchen. Also müssen wir uns Gedanken machen, wie man diesen Trend vielleicht stoppen, wenn man ihn nicht umkehren kann.
Diesem Ziel dient unser heute eingebrachter Antrag. Ich weiß, dass es vielleicht nicht so einfach ist, uns mit NRW zu vergleichen. Aber da habe ich die Zahlenbasis. In Sachsen ist es traditionell leicht anders, aber wir werden Angleichungstendenzen an den Westen haben.