Protocol of the Session on May 12, 2006

damit wir unsere Kontrollpflicht und die Einflussnahme, die wir unseren Wählerinnen und Wählern nun einmal schuldig sind, auch wirklich im Bildungsbereich ausüben können.

Ich fordere Sie also auf, Herr Staatsminister, uns Informationen zur Evaluationsagentur zu geben – Zusammensetzung, Zielstellungen, Aufgaben, Evaluierungen an den Schulen. Ich habe gehört, Herr Rohwer – ich weiß es nicht genau –, dass bereits 13 Schulen in der ersten Testphase evaluiert worden sind. Hierzu gehört für mich natürlich, dass wir die Ergebnisse mitgeteilt bekommen. Wenn das heute nicht möglich sein sollte, dann würde ich Sie, Herr Staatsminister, bitten, dass Sie uns im nächsten Schulausschuss umfassend darüber informieren.

Nun aber zu den Orientierungsarbeiten, weil ich denke, dass das ein sehr entscheidender Punkt ist. Orientierungsarbeiten werden verbindlich jeweils im Herbst des Schuljahres geschrieben, und zwar in der Klassenstufe 3 in Deutsch und Mathematik, in den Klassenstufen 6 und 8 in der Mittelschule und im Gymnasium, abgeschwächt auch an den Förderschulen, in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Die Note muss nicht in das Fach einfließen; sie ist möglicherweise gar nicht Bestandteil der Note, die am Ende des Schuljahres feststeht. Das ist in der Verwaltungsvorschrift April 2005 klar und deutlich nachzulesen. Stichprobenartig werden dann einige Schulen durch die Regionalschulämter mit ihren Ergebnissen erfasst und das Comenius-Institut erstellt eine sehr allgemeine Auswertung. – Ich habe jetzt Ihren Part übernommen, aber das ist vielleicht auch nicht verkehrt. Diese allgemeine Auswertung steht im Netz. An die Ergebnisse der einzelnen Schule kommt man nur heran, wenn man den Schulschlüssel hat, sonst nicht.

Selbst die Schulen untereinander kennen die Ergebnisse nicht. Diese Orientierungsarbeiten sind dafür gedacht, die Schulen zu orientieren, wie und auf welchem Niveau Arbeiten zusammengestellt und geschrieben werden sollen, um schon im Ansatz einheitliche Bildungsstandards zu erzielen. Diese Vorgehensweise halten wir für richtig. Hier aber wieder eine Frage an den Staatsminister – vielleicht können Sie sie heute beantworten –: Inwieweit ist es möglich oder wird es vielleicht auch praktiziert, die Schülerinnen und Schüler, die an Schulen freier Trägerschaft unterrichtet werden, in diese Orientierungsarbeiten einzubeziehen?

Die Qualität einer Schule kann ich nicht an den Ergebnissen von Orientierungsarbeiten messen. Die Bedingungen und Situationen vor Ort an den Schulen sind viel zu unterschiedlich. Ich bringe Ihnen ein paar ganz einfache Beispiele: Klasse 6 wird im Herbst evaluiert. Die Schülerinnen der 5. Klasse an dieser Schule – ein konkretes Beispiel, ich nenne den Namen nicht – hatten im zweiten Halbjahr der 5. Klasse ein halbes Jahr lang keinen Englischunterricht. In der 6. Klasse schreiben sie im Herbst diese Orientierungsarbeit. Die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch, dass genau diese Schüler an dieser Schule in diesem Schuljahr mit den Ergebnissen nicht so gut dastehen, als wenn sie dieses halbe Jahr Englisch gehabt hätten.

Oder eine 8. Klasse mit einer Klassenstärke von 32 Schülern: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass

die Ergebnisse vielleicht doch ein bisschen besser wären, wenn es 20 Schüler wären. Ich formuliere es vorsichtig, denn das hat etwas mit dem Einzelfall zu tun.

Nun, Herr Herbst, zu Ihrer Kleinen Anfrage zur Bildungsempfehlung. Stellen wir uns einmal vor, Sie hätten ein Kind – Entschuldigung, ich weiß gar nicht, ob Sie eines haben, aber für dieses Beispiel ist es nicht wichtig – und Sie haben jetzt die Übersicht der Bildungsempfehlungen für dieses Schuljahr. Eine Grundschule – 70 % aller Schüler haben eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium. In den nächsten drei Jahren gehen 30 % wieder zurück an die Mittelschule und 10 % schaffen das Gymnasium gar nicht. Eine andere Grundschule mit 42 % der Schüler, die an das Gymnasium kommen – und alle schaffen den Abschluss des Gymnasiums.

Ich denke, es wird schwierig, nach diesen Kriterien – wenn ich diese verwenden würde – zu entscheiden, welche davon die bessere Schule ist. Wir haben ein sehr großes Problem, wenn wir nur in diesen Größenordnungen denken.

Noch einmal: Die Qualität einer Schule an den Ergebnissen von Orientierungsarbeiten zu messen ist nicht möglich, ist sogar gefährlich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Mit den Mitgliedern der Linksfraktion wird es grundsätzlich und in jeder Form ein Schulranking im Freistaat Sachsen nicht geben. Orientierungsarbeiten und Vergleichstests sind dafür geeignet, Probleme und Schwierigkeiten an Schulen zu erkennen und unterstützende Maßnahmen durch die Regionalschulämter und das Kultusministerium einzuleiten, um diese Probleme und Schwierigkeiten schnellstmöglich zu überwinden. An dieser Stelle möchte ich den Lehrerinnen und Lehrern, die die Orientierungsarbeiten vorbereiten, schreiben lassen und schließlich auswerten, unseren Dank aussprechen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das Kultusministerium hat zwar verpflichtend festgelegt, dass diese Arbeiten geschrieben und umfangreich ausgewertet werden; das halte ich auch für richtig. Aber das Kultusministerium lässt – bis auf den Umstand, dass die Arbeiten ins Netz gestellt werden – die Schulen vollständig allein. An der Umsetzung sind sie dann nicht mehr beteiligt.

Noch eine kurze Bemerkung zu unserem Änderungsantrag. Wir haben bereits mit der Beschlussempfehlung vom 14. Juni 2005 einen Bildungsbericht beschlossen. Ich möchte das hier klar benennen. Dieser Bildungsbericht ist sehr umfangreich gefasst. Er beinhaltet, nationale und internationale Vergleiche heranzuziehen, und soll nur einmal in der Legislaturperiode vorgelegt werden. In der Beschlussempfehlung ist nicht einmal mehr ein Zeitpunkt fixiert, so wie im Antrag, sodass es uns passieren könnte – ich hoffe es nicht, Herr Staatsminister –, dass im letzten halben Jahr der Legislaturperiode dieser Bericht vorgelegt

wird und wir im Sächsischen Landtag damit keine Möglichkeit mehr hätten, parlamentarisch darauf einzugehen.

Deshalb sind wir folgender Auffassung – daher unser Änderungsantrag –: Wenn an Schulen jährlich Evaluationen durchgeführt und Orientierungsarbeiten geschrieben werden, dann muss dazu auch jährlich eine Einschätzung erfolgen, damit wir unserer Aufgabe als Parlamentarier gerecht werden können.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich rufe die SPDFraktion auf. Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag hat zwei Aspekte: Transparenz und Wettbewerb. Ich will zuerst zur Transparenz sprechen; denn dieses Ansinnen des Antrags verwundert doch einigermaßen. Man braucht sich nur einmal den Bildungsserver anzuschauen. In den dortigen Schulporträts der Mittelschulen und Gymnasien findet man immer auch Angaben über verschiedene Schülerleistungen. Wer will, kann sich so ein gutes Bild über eine Schule machen. Deshalb ist der Antrag in dieser Hinsicht überflüssig. Selbstverständlich werden in den Porträts in Zukunft auch relevante Vergleichsergebnisse dokumentiert.

Was soll jetzt die Veröffentlichung von Ergebnissen von Orientierungs- und Vergleichsarbeiten bewirken? Die besten Schulen klopfen sich auf die Schultern und werden auch in Zukunft schwierige Kandidaten möglichst an Förderschulen oder, als Gymnasien, an Mittelschulen abschieben; auch so kann man gute Ergebnisse erreichen. Schulen in sozialen Brennpunkten dagegen werden mit den Schultern zucken. Sie haben aufgrund ihrer Schülerschaft ohnehin keine Chance auf gute Plätze und aufgrund ihrer Elternschaft auch keinen Druck, dass die Schüler vielleicht wegbleiben.

Mit aller Deutlichkeit: Wettbewerb zwischen den Schulen ist eine Fiktion, genauso wie die unbedarfte Vorstellung, Wettbewerb könne die Qualität von Schulen landesweit und nachhaltig verbessern. Die simple Formel „Leistung der Schüler“ gleich „Qualität der Schule“ ist schlicht falsch. Auf dem Weißen Hirsch in Dresden wird eine schlechte Schule wohl bessere Ergebnisse erzielen als eine gute Schule in Dresden-Gorbitz.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS: Allerdings!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen doch inzwischen sehr gut, was gute Schulen ausmacht und welche Bedingungen sie brauchen, um Anreize für hohe Qualität zu haben. Zuallererst müssen sie Verantwortung für die Bildungsprozesse vor Ort bekommen und damit das Feedback der Betroffenen und Beteiligten erfahren. Sie müssen der Ansprechpartner für Eltern und Schüler sein, ohne auf Verordnungen und Erlasse verweisen zu

können, die Schuld haben an dem, was man tut oder eben nicht tut. Sie brauchen, wenn das Ergebnis nicht stimmt, Unterstützung und keinen Pranger.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Die erste Unterstützung ist die Hilfe bei der Analyse ihrer Situation. Dazu wird es eine Evaluationsagentur geben. Als Nächstes brauchen sie vielleicht Unterstützung, um ihre Schulentwicklung so gestalten zu können, dass die Probleme überwunden werden.

Sagen Sie mir, was wir angesichts dessen mit den konkreten Ergebnissen von Tests wollen, zumal dabei der sicherlich interessante datenschutzrechtliche Aspekt eine Rolle spielen wird. Wir können Ihren Antrag nur ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Die NPD-Fraktion hat auf ihren Redebeitrag verzichtet.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Also bitte ich Frau Astrid Günther-Schmidt, für die GRÜNEN das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat von Anfang an die Einführung eines so genannten SchulTÜVs begrüßt. Mit dem Schul-TÜV wird ein professionelles Qualitätsmanagement nach feststehenden Kriterien ermöglicht: Qualität des Unterrichts, Schulklima, Prüfungsergebnisse, Anzahl und Anteil von Sitzenbleibern, Förderung leistungsstarker und leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler, Stand der Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Damit werden die Schulen in ihren pädagogischen Leistungen objektiv vergleichbar.

Aus den Ergebnissen müssen jedoch auch Konsequenzen gezogen werden. Auf positive Ergebnisse kann aufgebaut werden; diese können für andere Schulen beispielgebend sein. Suboptimale Resultate müssen Anlass zum Umsteuern sein. Es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern darum, konsequent Fehler aufzudecken, Schwachstellen zu erkennen und sich vonseiten der Kultusbürokratie zu bemühen, helfend einzuwirken.

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Herr Kultusminister, natürlich sind Bürokraten in der Bürokratie beschäftigt, und Sie sind der oberste Chef unserer Kultusbürokratie.

(Heiterkeit)

Ich unterstelle Ihnen aber wohlwollend, dass Sie diese zwei Anforderungen, nämlich positive Ergebnisse aufzugreifen und auszubauen und negative Ergebnisse zum Anlass für Verbesserungen zu nehmen, erfüllen und ein waches Auge darauf haben werden.

Für mich ist die Frage interessant: Was machen Sie mit dem Schul-TÜV, wenn er quasi im Giftschrank Ihres

Hauses stecken bleibt? Ich wünsche, dass die Ergebnisse öffentlich gemacht werden; denn sie sind ein deutliches Wettbewerbskriterium für Eltern und Schüler, wenn es darum geht, die richtige Schule auszuwählen. Ich fordere Sie daher auf, die Ergebnisse zu veröffentlichen und es nicht den jeweiligen Schulleitungen anheim zu stellen, was sie mit den Ergebnissen tun wollen. Weigern Sie sich, sind Sie wie ein TÜV-Sachverständiger, der nach erfolgreicher Hauptuntersuchung keine TÜV-Plakette auf das Auto kleben will. Auf den Protest würden Sie antworten: Fahren Sie am besten auch bei Nacht ohne Licht! Dann merkt es keiner. – Herr Flath, so geht das nicht! Wir erkennen sehr wohl, was Sie vorhaben. Deshalb unterstützen wir den FDP-Antrag.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und bei der FDP)

Zum Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS. Ich kann dessen Sinnhaftigkeit nicht erkennen. Wir haben am 10.06.2005 im Ausschuss für Schule und Sport einen Antrag meiner Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auf Erstellung eines Sächsischen Bildungsberichts behandelt. Er sollte einmal zur Mitte der Legislaturperiode veröffentlicht werden. Das hatte insofern Sinn, als wir natürlich wollten, dass der 4. Landtag darüber befinden kann. Ich fand es damals von der CDU sehr fortschrittlich, dass sie sich darauf eingelassen hat, mit der SPD einen Änderungsantrag zu formulieren, der unser Anliegen aufnimmt, aber bestimmte Abstriche macht, was zum Beispiel die Einbeziehung von Hochschulen und Kindertagesstätten anbelangt. Ich bin der Meinung, dass wir damit ihr Anliegen zu einem großen Teil erfüllt haben. Deshalb kann ich nicht erkennen, warum die Linksfraktion.PDS einen solchen Antrag noch einmal auflegt. Vielleicht bekomme ich das in der Antragsbegründung noch erklärt. Dann werde ich mein Abstimmungsverhalten daran ausrichten.

Zu Herrn Rohwer hatte ich vorhin schon gesagt: Gleiches Recht für alle. Ich würde auch gern auf eine Veranstaltung aufmerksam machen. Ich lade Sie ganz herzlich ein, morgen nach Leipzig zu kommen. Um 10 Uhr beginnt „Eine Schule für alle“. Da lernen Sie, wie Schule gut gemacht werden kann.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Das war die erste Runde der Abgeordneten. Gibt es seitens der Fraktionen weiteren Aussprachebedarf? – Nein. Herr Staatsminister, bitte, der Kavalier des Tages.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war jetzt vergleichsweise überrascht, dass ich schon dran bin. Deshalb will ich mich bemühen, bei den Themen, die hier angeführt wurden, schnell auf den Punkt zu kommen. Ich denke, wir sind uns einig – ich bin für Transparenz. Das ist sehr wichtig. Wir sind in Sachsen, was das Schulport

rät betrifft, Vorreiter in Deutschland. Natürlich kann man auch dort ständig Dinge verbessern, gar keine Frage. Ich will dazu aufrufen, insbesondere wenn sich Eltern informieren wollen, für welche Schule sie sich entscheiden sollen, diese Angebote im Internet zu nutzen.

Zum Wettbewerb, Herr Herbst. Wettbewerb ist zunächst ein durchschlagendes Argument. Wer kann schon gegen Wettbewerb sein? So wie in der Wirtschaft ist beim Wettbewerb auf Wettbewerbsgleichheit zu achten. Dort beginnt das Problem. Wir haben in Sachsen Wettbewerb – ich habe das bei verschiedenen Anlässen positiv angemerkt –, zum Beispiel durch das Zulassen von Privatschulen. Beim Vergleichen der Ergebnisse ist immer zu berücksichtigen, dass Privatschulen im Vorteil sind. Sie haben ganz andere Möglichkeiten, was das Arbeitsrecht betrifft. Sie haben ganz andere Möglichkeiten bei der Auswahl von Schülern. Eine öffentliche Schule hat Schüler, wenn die Eltern das wollen, aufzunehmen. Sie kann nicht in dem Maße auswählen. Das bedeutet eine gewisse Wettbewerbsverzerrung. Dennoch, habe ich immer gesagt, haben die Privatschulen sehr viel dazu beigetragen, dass ganz unterschiedliche Modelle in Sachsen ausprobiert wurden, und damit die Schulentwicklung bereichert.