Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wichtig ist, dass wir uns an und für sich in jedem Plenum in den vergangenen Jahren über Schule unterhalten haben. Das werte ich schon einmal als positives Zeichen.
Wichtig ist auch, dass wir die Pisa-Auswertung so ernst nehmen, dass wir uns ihr heute widmen. Von „Pisa I“ zu „Pisa II“ sind leichte positive Veränderungen zu verzeichnen, was uns nicht ausruhen lassen kann. Das ist richtig. Das wurde vom Kultusminister, aber auch von Herrn Colditz und dem Koalitionspartner hier schon vorgetragen. Es ist aber ein Beginn, ein Einstieg, „Pisa“ zu bewerten. Wir werden diesen Weg auch weiter fortsetzen – der Koalitionsvertrag untermauert das – durch unsere zwei Schulgesetzgebungen, die auf den Koalitionsvertrag großen Einfluss genommen haben und jetzt die Ausgangsgrundlage dafür bilden, dass wir mit den Modellversuchen und mit den Ergebnissen der Leseund Rechtschreibkompetenzen, aber auch den naturwissenschaftlichen Fächern den richtigen Weg im Freistaat Sachsen gehen.
Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, ist für die Bildung und für die schulische Weiterentwicklung die Kultur eines Landes wichtig und ausschlaggebend. Herr Gansel, da muss ich Ihnen sagen, die Bundesrepublik Deutschland – da sollten auch Ihre Kollegen zuhören – und auch der Freistaat Sachsen sind ein kulturvolles Land und wir Demokraten werden dafür sorgen, dass das auch so bleibt.
Die soziale Herkunft spielt im Freistaat Sachsen nicht die marginale Rolle, auch wenn das die PDS ständig wie eine Monstranz vor sich herträgt. Es kann uns natürlich nicht loslassen, dass selbstverständlich auch dort Veränderungen vorgenommen werden sollen. Eltern haben eine große Verantwortung nicht nur im Erziehungsbereich, sondern auch im Bildungsbereich. Dort, wo das Eltern nicht leisten können, haben wir die Verantwortung, sie zu unterstützen, und das tun wir auch.
Wir haben ein hervorragendes Konzept für die Vorschulen. Wir haben ein hervorragendes Konzept im Grundschulbereich, das ausgebaut und umgesetzt werden muss.
Ich möchte der Vertreterin der PDS mit den entsprechenden Lehrern und der Lehrerschaft sagen: Was Sie hier vorgetragen haben und was der Brief des Regionalschulamtes Leipzig noch einmal untermauert, muss uns sicherlich wach machen und fragen lassen, wo die Ursachen liegen und was die Gründe sind. Ich gehe davon aus, dass auch der Kultusminister dem nachgeht. Aber
das Bild, das Sie hier gezeichnet haben, ist nicht die Realität im Freistaat Sachsen. Wenn Sie bisher als Lehrerin tätig waren,
Ich habe gesagt, dass wir dem hundertprozentig nachgehen werden. Das ist ja auch in unserem ureigensten Interesse.
Für die FDP möchte ich meinen, sie müsste sich, genau wie ein anderer Kollege, noch einmal umschauen, was bisher im Bildungswesen im Freistaat Sachsen passiert ist. Herr Herbst, wenn Sie sagen, wir sollen einen sächsischen Weg einschlagen, dann muss ich Ihnen sagen: Den haben wir schon mit der Verabschiedung des Schulgesetzes 1992 eingeschlagen. Wir werden ihn auch weiter verfolgen und qualifizieren.
Sie müssten sich vielleicht einmal an die Schulen bewegen, dort umschauen und – sage ich vielleicht auch einmal – aus Ihren Wahlkampferfahrungen zurücktreten und die Realität zur Kenntnis nehmen.
Ich denke, dass wir innerhalb dieser Diskussionen in Bezug auf die Freiheit der Schulen, in Bezug auf die Lernmethoden der Schulen, in Bezug auf die Einbeziehung der Elternschaft vor allem eines nichts aus dem Blick lassen sollten: Es geht hier um die Schüler.
Für eine gute Entwicklung der Schüler sind erst einmal die Schüler selbst verantwortlich. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir – wir sprechen sehr oft davon – eine Wertediskussion anfangen müssen. Denn ein Lernerfolg macht sich auch an der Einstellung der Schüler fest; und das steht aus meiner Sicht sogar an erster Stelle. Ich glaube, da muss man ganz einfach über solche Werte diskutieren, was Fleiß, was Ordnung und was Disziplin ist. Ich denke, dort haben wir großen Nachholbedarf. Das müssen wir an den Schulen mit unseren neuen Konzepten, die im Koalitionsvertrag festgelegt sind, umsetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete der NPD Jürgen Gansel hat vorhin in seinem Redebeitrag gesagt, Deutschland und die Bundesrepublik seien nicht identisch.
Das ist eine infame Infragestellung der völkerrechtlich fixierten Grenzen Deutschlands und damit ein unerhörter Skandal.
Ich weise diese Aussage im Namen aller Demokraten in diesem Landtag mit Abscheu und Empörung zurück.
Und die Fraktion der GRÜNEN hat auch noch Redezeit. – Kein Bedarf mehr. Dann rufe ich die PDS-Fraktion auf. Herr Dr. Hahn, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann nach den Worten des SPD-Fraktionsvorsitzenden wieder direkt zum Thema kommen. Es war aber richtig und notwendig, dass das gesagt worden ist. Zur Pisa-Studie. Meine Damen und Herren! Wer gehofft hatte, dass die sächsische CDU, die schon nach der ersten Pisa-Studie kläglich versagt hat, wenigstens jetzt, nachdem die Ergebnisse der zweiten Runde vorliegen, die Dramatik der Situation an den Schulen begreift, der ist durch Herrn Colditz und zuletzt durch Frau Henke leider einmal mehr enttäuscht worden.
Und, Herr Kollege Dulig, eine attraktive Lernkultur braucht zwingend eine moderne Schulstruktur. Genau davon sind wir in Sachsen aber weit entfernt. Was die Rahmenbedingungen angeht, hat Frau Falken ganz konkrete Beispiele genannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere von der CDU, Sie wollen immer noch an Symptomen herumkurieren. Sie betreiben Flickschusterei und sind nach wie vor nicht bereit, das Übel bei der Wurzel zu packen. Dieses Übel ist nun mal das gegliederte Schulsystem, das im Kern immer noch auf den Strukturen des 19. Jahrhunderts fußt.
Damit ist heute kein Staat mehr zu machen. Wenn Sie sich die Ergebnisse ansehen, dann liegt Deutschland im internationalen Vergleich bestenfalls im Mittelfeld. Beim verstehenden Lesen liegen wir fast im letzten Drittel der OECD-Staaten.
Egal, was die Staatsregierung in den letzten Tagen an Relativierungen gebracht hat – und auch Herr Flath hat es ja versucht –, wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, in der Riege der Verlierer noch einigermaßen dazustehen.
Unser Anspruch muss das internationale Spitzenniveau sein. Davon sind wir leider noch meilenweit entfernt.
In gewisser Weise erinnert die Debatte heute an die Diskussion nach Pisa-I vor nunmehr drei Jahren. Frau Bonk hat darauf hingewiesen. Auch damals war der Aufschrei groß. Man gelobte Besserung und es wurden Konsequenzen angekündigt. Real getan hat sich in Sachsen leider nur relativ wenig. Ich stimme Frau Bonk völlig zu. Es war ein Kardinalfehler, dass die Kultusministerkonferenz nach der ersten Pisa-Studie zwar ein Sieben-Punkte-Programm aufstellte, sich aber in einem Punkt unabhängig vom Parteibuch der Minister einig war: Die Schulstrukturen stehen nicht zur Disposition.
Wir brauchen andere Strukturen im Schulbereich. Herr Kollege Colditz, diese Position vertritt im Übrigen auch Herr Schleicher – wenn Sie die weiteren Textstellen vorgelesen hätten, in denen er sich zu den Schulstrukturen und zum gegliederten Schulsystem äußert.
Die Bundesbildungsministerin hat kürzlich zu Recht festgestellt: Wir müssen endlich von den erfolgreichen PisaLändern lernen. Das heißt, wir brauchen die individuelle Förderung eines jeden einzelnen Schülers, und zwar unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Wir brauchen endlich eine längere gemeinsame Schulzeit. Wir brauchen endlich auch hier in Sachsen eine höhere Abiturquote. Wir brauchen eine spürbar veränderte Lernkultur. Und wir brauchen mehr pädagogische Freiheiten für unsere Bildungseinrichtungen.
Insofern ist dem SPD-Vorsitzenden Müntefering uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er eine mindestens achtjährige gemeinsame Schulzeit fordert. Auch Frau Bulmahn hat Recht, wenn sie ein Umdenken in der Bildungsdebatte sowie eine Überwindung der frühen Auslese und damit des gegliederten Systems fordert. Schließlich bringt es der Thüringer Landesvorsitzende der Sozialdemokraten, Christoph Matschie, auf den Punkt, wenn er feststellt – Zitat –: „Das dreigliedrige Schulsystem passt eher zu einer mittelalterlichen Ständeordnung als zu einer modernen Gesellschaft.“
Ich finde, das ist eine richtige Zusammenfassung. Aber daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen. Herr Kollege Flath, Sie sollen als neuer Kultusminister durchaus die übliche parlamentarische Schonfrist erhalten, zumal ja die Bildung – Sie haben es selber eingeräumt – bislang nicht unbedingt zu Ihren Schwerpunktthemen gehörte. Aber Ihre Warnung vor einer Pisa-Hysterie geht schon an den Realitäten vorbei. Ich bin auch nicht für Hysterie.
Aber wir müssen dankbar sein, Frau Henke, dass es „Pisa“ gibt, wir müssen nur die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Darüber streiten wir, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Der Ministerpräsident hat gestern seine Regierungserklärung abgegeben und dabei den Grundsatz „Faire Chancen für jeden in unserem Land“ zu einem Schwerpunkt seiner Politik erklärt. Die PDS unter
stützt diese Forderung. Allerdings – der Ministerpräsident wird das ja vielleicht übermittelt bekommen – kommen wir nicht umhin festzustellen, dass weder die bisherige Politik dieses Ministerpräsidenten und der bisherigen Regierung noch die Koalitionsvereinbarung dem Anspruch auf Chancengleichheit und Abbau sozialer Auslese gerecht wird. Deshalb mein Appell an die Koalition: Lassen Sie den richtigen Worten des Ministerpräsidenten von gestern jetzt auch endlich richtige Taten folgen.