Protocol of the Session on December 10, 2004

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herr Lichdi, bitte.

Danke, Frau Kollegin Windisch. – Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass sich diese Reduzierung, die in der Tat beachtlich ist, auf Gesamtstaub bezieht und Gesamtstaub streng zu unterscheiden ist von Feinstaub. Gesamtstaub ist nämlich wesentlich grobkörniger und – das ist eben das Erstaunliche, was der normale, laienhafte Verstand nicht gleich versteht – eben wesentlich ungefährlicher als dieser Feinstaub.

Lieber Kollege Lichdi, das ist mir sehr wohl bekannt, und ich habe auch von Feinstaubemissionen in Gänze gesprochen. Ich weiß, wie er sich zusammensetzt und bin deshalb auf Ihre Belehrung in dieser Richtung nicht angewiesen. Die mir zur Verfügung stehende Zeit erlaubt aber keine wissenschaftliche Abhandlung über die prozentuale Zusammensetzung von Feinstaubimmissionen. Dazu kann jeder im Umweltbericht 2002 und im Immissionsschutzbericht des Landesamtes nachlesen. Der Rückgang – ein solcher ist zu verzeichnen; sonst hätten Sie es nicht geschrieben – zeigt, dass die enormen Anstrengungen der letzten Jahre Früchte getragen haben. Andererseits wird deutlich, dass Reduzierungen der Feinstaubbelastung, zum Beispiel durch technischen Fortschritt bei Partikelfiltern an Kfz, wiederum durch erhöhtes Verkehrsaufkommen aufgezehrt worden sind. Die Zusammenhänge sind mir sehr wohl bekannt.

Deshalb sieht auch meine Fraktion Handlungsbedarf. Allerdings haben wir unterschiedliche Vorstellungen über den Weg zum Ziel und die Wahl der Mittel. Letztere unterscheiden sich deutlich von denen der Antragsteller.

Man unterliegt einer Illusion, wenn man suggeriert, man könne überall in Sachsen mit noch so restriktiven Maßnahmen die gleiche Luftqualität erreichen. Das ist nicht möglich. Großstädte werden auch künftig keine Luftkurorte werden können. Das will ich festhalten.

Auf den entsprechenden Internetseiten des Landesamtes für Umwelt und Geologie ist die schwerpunktmäßige problematische Belastung in unseren Großstädten zu sehen. Diese Werte müssen weiter gesenkt werden; das ist unstrittig. Dafür sind aber ein Bündel von Maßnahmen und keine einseitig auf den Verkehr gerichteten Maßnahmen erforderlich.

Das Grundanliegen des Antrags wird von uns mitgetragen. Der Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub und weiteren Luftschadstoffen liegt in unserem Interesse. Aber es geht uns um eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema, nicht um eine Auseinandersetzung in der Art des Antrags, der von grüner Ideologie und vordergründigem Aktionismus geprägt ist. Der Antrag der GRÜNEN bezieht sich ausschließlich auf den Straßenverkehr und zieht nur diesen als Ursache heran.

Lassen Sie mich das konkret an den einzelnen Punkten des Antrags darstellen.

Unter 1., 2. und 3. heißt es: Anweisung, Anweisung, Anweisung. – Es bedarf keiner Anweisung an die Staatsregierung, Luftreinhaltepläne zu erarbeiten! Das BundesImmissionsschutzgesetz und die 22. BImschV schreiben

diese Pläne vor. In Sachsen setzt man bekannterweise Verordnungen und Vorschriften selbstverständlich um.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Aber jetzt bitte eine Frage, Herr Lichdi!

Frau Windisch, stimmen Sie mir zu oder bin ich falsch informiert, dass es in Sachsen bisher keinen einzigen Luftreinhalteplan gibt, dass es bis jetzt zwar ein Modellprojekt in der Stadt Leipzig gibt, das noch läuft und nicht ausgewertet ist, und dass es sonst nichts gibt?

Sie haben es selbst angesprochen: Der Luftreinhalteplan für Leipzig ist in Arbeit. Die Stadtverwaltung und das LFUG arbeiten eng zusammen. Ein solcher Plan kann aber nicht wie irgendein Parteiprogramm am grünen Tisch geschrieben, sondern muss sorgfältig vorbereitet werden, wenn etwas Verwertbares herauskommen soll. Zu Punkt 3 Ihres Antrags. Für den Neu- und Umbau von Straßen ist bereits jetzt gesetzlich geregelt, dass die Entwicklung von Immissionswerten im Vorfeld einer Straßenbaumaßnahme geprüft werden muss. Eine weitere Verwaltungsvorschrift, wie von Ihnen gefordert, ist nicht erforderlich; denn sie würde keine Veränderung der gegenwärtigen Situation bedeuten. Zu Punkt 4 – Aufweichung von Standards! Auch hierzu hat sich der Freistaat Sachsen schon seit längerem positioniert und im Mai 2004 im Bundesrat einem umfassenden Entschließungsantrag zugestimmt, durch geeignete Minderungstechnologien die gesamtdeutsche Reduzierung der PM-10-Immissionen zu bewirken. Auf den Aspekt der gesamtdeutschen Reduzierung lege ich Wert; denn Feinstaub ist in der Entstehung nicht lokal begrenzt. Feinstäube werden über Hunderte von Kilometern durch meteorologische Einflüsse über das Land getragen. Also würde punktueller Aktionismus an einem bestimmten Brennpunkt in Sachsen insgesamt keine Verbesserung bringen. Eine Aufweichung der Grenzwerte wird auch ohne Ihren Antrag durch Sachsen nicht erfolgen. Schließlich zu Punkt 5. Hier machen die Antragsteller letztlich deutlich, dass ihr Kenntnisstand um Jahre zurückliegt; denn bereits seit etwa fünf Jahren wird an drei stark durch den Verkehr belasteten Messstationen – Dresden-Nord, Leipzig-Mitte, Chemnitz-Nord – und an einer Vergleichsstation auf dem Schwartenberg PM 2,5 gemessen. Für diese Messungen gibt es zurzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung; wir tun es trotzdem. Diese Messungen wurden vorausschauend zur Vorbereitung auf die absehbare Revision der EU-Luftreinhalterichtlinie begonnen. Es ist weiter beabsichtigt, Messstationen zum Beispiel an der Bergstraße in Dresden und an der Leipziger Straße in Chemnitz einzurichten. Sie haben die Immissionen an der Bergstraße in Dresden genannt. Hierzu ist richtig zu stellen, dass sich die von

Ihnen genannten Werte auf eine Modellrechnung beziehen, die auf dem Kenntnisstand 2000 basiert; dieser ist überholt. Dort sind keine Messungen erfolgt. Nach Verkehrsfreigabe wird die Situation dort anhand von Fakten zu beurteilen sein.

Realität ist aber auch: Die Messung von PM 2,5 steckt noch in den Kinderschuhen. Die Messanlagen befinden sich im Moment noch in der Probephase. Erfahrungen müssen ausgewertet werden, um danach ein sinnvolles Monitoring-System entwickeln zu können. Die von Ihnen vorgeschlagenen Instrumente, zum Beispiel Pförtnerampeln in den Städten, lösen das Problem nicht; sie verlagern es vor die Städte. Dann stehen dort die LkwSchlangen und emittieren in einem Gebiet, wo die Luft – noch – besser ist. Das ist nicht Ziel der Maßnahme!

Verkehrsleitsysteme funktionieren nur bei entsprechenden Ausweichmöglichkeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, verteufeln Sie den Straßenbau nicht mehr! Setzen Sie sich für Stadt- und Ortsumgehungen sowie für den Autobahnbau ein! Die A 17 und die A 38 werden die Städte von Feinstaubimmissionen – vor allem der Dieselfahrzeuge – wesentlich entlasten.

Es ist schlicht und einfach falsch, wenn Sie in der Begründung Ihres Antrags behaupten, im Freistaat Sachsen seien keine Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubbelastung ergriffen worden. Sachsen hält sich strikt an die gesetzlichen Vorgaben und setzt diese um.

Zum Thema „Reduzierung der Feinstaubimmissionen“ wird die Koalition demnächst einen geeigneten Antrag einbringen, über den wir unter Hinzuziehung von Experten intensiv und fachlich fundiert im zuständigen Ausschuss diskutieren werden. Zu dieser sachlichen und fachlichen Diskussion lade ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, heute schon sehr herzlich ein. Wenn wir ehrlich sind, dann gehört Ihr heutiger Antrag auch nicht in das Plenum, sondern er sollte im Ausschuss diskutiert werden.

Meine Damen und Herren, insbesondere von den Bündnisgrünen, ich hoffe Sie mit sachlichen Argumenten davon überzeugt zu haben, dass Sie mit Ihrem Antrag an den Realitäten vorbei und der Zeit hinterherhecheln und dass er so nicht zustimmungsfähig ist.

Deshalb bitte ich die Mitglieder des Hohen Hauses, den Antrag abzulehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Die PDS-Fraktion, bitte. Frau Abg. Kipping.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Windisch, um es vorwegzunehmen: Ihre Beschimpfungen des GRÜNEN-Antrages konnten mich mitnichten überzeugen. Im Gegenteil, ich halte es für einen sehr gefährlichen Irrtum zu glauben, wir könnten es uns leisten, auf die Grenzwerte zu verzichten. Die Europäische Kommission hatte guten Grund, sie einzuführen. Sie sind im Übrigen auf Bundesebene parteiübergreifend in das Bundesgesetz eingefügt worden.

Herr Lichdi hat anschaulich dargestellt, wie gesundheitsgefährdend der Feinstaub ist. Eine Studie des Bundesumweltamtes besagt, dass jedes Jahr 14 000 Menschen in diesem Land an Krankheiten sterben, die durch Partikel in Dieselabgasen verursacht wurden.

Wie groß der Handlungsbedarf in diesem Land ist, wird auch daran deutlich, dass wir in fast allen deutschen Ballungszentren demnächst mit Grenzwertüberschreitungen zu rechnen haben. In Dresden rechnet man damit, dass die Grenzwerte an jeder zweiten Hauptstraße überschritten werden. Da kann man doch nicht einfach wegschauen und denken, man könne das Problem durch Aussitzen lösen.

Angesichts dieser Situation ist es umso bedauerlicher, dass es im Bundesrat erste Initiativen gibt, diese Regelung jetzt, wo klar wird, wie groß der Handlungsbedarf ist, einfach wieder aufzuweichen bzw. weichzuspülen.

Ab 2005 müssen wir nun dort, wo die Werte überschritten werden, Aktionspläne erstellen. Der Deutsche Städtetag hat bereits eine 17-seitige Orientierungshilfe für die Kommunen erarbeitet. Da die wachsende Zahl von Dieselfahrzeugen eine der Hauptquellen für Feinstaubemissionen ist, ist es kein Wunder, dass sich ein Großteil der Vorschläge auf den Bereich Verkehr bezieht. Da ist von Förderung des Radverkehrs die Rede, von Ausweitung von Tempo-30-Zonen, ja, man spricht sogar von Sperrung ganzer Stadtteile für den Autoverkehr. Selbst vor dem Reizwort City-Maut wird nicht mehr Halt gemacht.

Es sind nicht nur die Grünen und irgendwelche Ökos, die das fordern. Es ist der Deutsche Städtetag, der das mit vorschlägt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten mit einem verkehrspolitischen „Weiter so!“ das Problem Emission in den Griff bekommen. Was wir brauchen, um das Problem ernsthaft in Angriff zu nehmen, ist eine verkehrspolitische Wende, ist eine Verkehrspolitik, die nicht nur das Auto im Blick hat.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS und Beifall bei den GRÜNEN)

Die bisherige sächsische Verkehrspolitik sorgt leider vor allen Dingen für eins, für richtig Nachschub an Krebs erregenden Mengen von Feinstaub. In Sachsen konzentriert sich die Verkehrspolitik vor allen Dingen auf die Förderung des motorisierten Individualverkehrs und des LkwSchwerlastverkehrs.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist falsch!)

Herr Jurk, das stimmt sehr wohl. Wir wollen doch neuerdings sogar Gelder, die aus dem Europäischen Sozialfonds kommen, in Efre-Mittel umwidmen, weil man die besser und günstiger im Straßenbau anwenden kann.

(Staatsminister Thomas Jurk: Weil sie Arbeitsplätze schaffen!)

Bahn, Bus und Rad verlieren. Und wenn Sie sagen, das stimmt nicht, Herr Jurk – Sie wissen genauso gut wie ich, dass in diesem Land der öffentliche Personennahver

kehr, der Schienenpersonennahverkehr mit null Euro landeseigenen Mitteln gefördert wird. Bei den GVFGMitteln, die wir vom Bund bekommen, die in fast allen Ländern entweder 50 : 50 oder zumindest zu 30 % an den ÖPNV gehen, ist Sachsen gerade einmal bereit, läppische 10 % davon Bus- und Bahnverkehr zukommen zu lassen. Den Rest steckt man hier in den Straßenbau. Das ist eine eindeutige Benachteiligung für den umweltfreundlichen Verkehr.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist eine falsche Aussage! – Johannes Lichdi, GRÜNE: Sie hat Recht!)

Herr Jurk, Sie haben dann noch die Möglichkeit, ausführlich Ihre Sicht der Dinge vorzustellen. – Mir ist aber bei der ersten verkehrspolitischen Debatte im Wirtschaftsausschuss aufgefallen, dass Sie den Eindruck erwecken, man könne allein durch ein „Weiter so!“, allein durch den Bau von Ortsumgehungsstraßen das Problem Lärm und Abgasemissionen überhaupt in den Griff bekommen. Herr Jurk, die Erhöhung der Dosis macht aus einem wirkungslosen Mittel noch lange keine heilende Medizin.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS und Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich finde, es geht auch nicht, dass die sächsische Verkehrspolitik sich völlig den verkehrswissenschaftlichen Erkenntnissen über die verkehrsinduzierende Wirkung eines attraktiven Straßenverkehrs verschließt. Nur klingt dieses Wort „verkehrsinduzierende Wirkung“ nicht so toll. Wir können es auch einfacher sagen, vielleicht etwas zu vereinfacht: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Nun ist mancher Straßenbau sicherlich sinnvoll für Wirtschaftsansiedlungen und man muss bei Ortsumgehungen natürlich sehr genau prüfen, wo das aufgrund der konkreten Gegebenheiten vor Ort sinnvoll ist. Es ist aber falsch zu denken, man könne das damit in Angriff nehmen.

Es gibt inzwischen entsprechende Studien. Man muss sich anschauen, wie die Situation vor dem Bau einer Ortsumgehungsstraße war, und mit der Situation danach vergleichen. Versprochen wird ja immer, wir bauen eine Ortsumgehungsstraße, dann haben wir weniger Unfälle, weniger Abgase, weniger Lärm. Meistens ist aber die Wirkung genau umgekehrt. Am Anfang ist die Innenstadt kurzfristig entlastet. Danach gibt es meistens eine Zunahme an Verkehr, weil die schnellere Verbindung die Leute verleitet und regelrecht dazu einlädt, jetzt stärker zu fahren. Das ist durch die Praxis belegt. Das haben wir uns ja nicht ausgedacht. Wir haben danach mehr Unfälle, vor allen Dingen Unfälle, die wesentlich an Schwere zunehmen. Wir haben, was den Abgasbereich anbelangt, zwar eine Minderung der Kohlenmonoxidemission, dafür nimmt wiederum die Stickoxidemission zu. Wir haben, was den Lärm anbelangt, in der Summe eine Verstärkung.

Herr Jurk, ich denke, Sie haben sich in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses zu stark auf die Zu

arbeiten eines Stabes verlassen, der noch einer völlig veralteten Verkehrsideologie anhängt.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Eigentlich sind Sie zu modern, um sich den Erkenntnissen der Verkehrswissenschaft zu verschließen.