Protocol of the Session on December 10, 2004

(Heiterkeit)

Auch dieser Antrag, den Sie heute hier vorlegen, ist eigentlich ein trojanischer Antrag. Er spricht von Waschanlagen und Videotheken, aber er will mehr: Er will eine Bresche in die Sonn- und Feiertagsruhe schlagen und den Weg für eine allgemeine Ladenöffnung am Sonntag bereiten, und deshalb nehme ich ihn ernst.

Die offensive Arbeit des Interessenverbandes der Videound Medienfachhändler hält dieses Thema seit Jahren in der Debatte. Sie haben vorhin die Zahl der Meinungsmeldungen am Paragrafenpranger genannt. Wollen Sie ernsthaft einem Menschen hier in diesem Saal weismachen,

(Widerspruch des Abg. Holger Zastrow, FDP)

dass drei Fünftel derjenigen, die sich an den Paragrafenpranger gewandt haben, die Öffnungszeiten der Videotheken interessiert, oder ist das nicht eher eine Frage der technischen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt? Sie haben gesagt, dass die Waschanlagen an Sonntagen ein Umsatzplus von 20 % bringen werden. Wollen Sie allen Ernstes jemandem hier weismachen und glauben Sie selbst daran, dass dies den Tatsachen entspricht? Wie viele Leute sollen zusätzlich ihr Auto waschen lassen? Wer zusätzlich zur Woche noch sonntags fahren würde, möge jetzt bitte einmal die Hand heben. Derjenige möge aber bitte auch daran denken, dass zusätzliche Wäschen auch den Lack belasten und damit das Aussehen des Autos nicht gerade verbessern.

(Dr. André Hahn, PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Dr. Gerstenberg, es gibt wieder ein Begehren zu einer Zwischenfrage.

– Nein, später! – Worin liegt denn eigentlich der Gewinn Ihres Antrages? Worin liegt der Gewinn für die Menschen? Können wir

nicht bereits sechs Tage in der Woche Videos ausleihen – bis in den späten Abend hinein? Können wir nicht ganze Lager für den Sonntag anlegen? Wir können sechs Tage in der Woche unsere Autos waschen lassen.

(Sven Morlok, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Der nächste Begehr, Herr Dr. Gerstenberg.

Wir sehen angesichts dieser komfortablen Situation keine Notwendigkeit, die Sonn- und Feiertage der Ökonomisierung und einer wirtschaftlichen Verwertung zu opfern.

Herr Dr. Gerstenberg, ja oder nein?

Herr Dr. Gerstenberg, können wir nicht auch sechs Tage in der Woche in Gaststätten gehen und sonntags zumachen?

(Beifall bei der FDP)

Herr Morlok, ich denke, Ihnen ist das bewusst: Es gibt Dinge, die notwendig und wichtig sind, und auch Nicht-Tanken an einem Sonntag kann zum Verlust der Mobilität führen. Aber waschen muss ich mein Auto nicht, das kann einen Tag länger schmutzig bleiben.

(Beifall bei der CDU)

(Dr. André Hahn, PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Es erhebt sich erneut der Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Der von mir bereits erwähnte Dr. Kröber – –

Herr Dr. Gerstenberg, – –

– hat als Verfassungsrichter die Einhaltung der Verfassung begleitet, und ich möchte Sie in dieser liberalen Tradition hier in Sachsen fragen: Wie ernst nehmen Sie eigentlich als sächsische FDP-Fraktion die Sächsische Verfassung?

Herr Dr. Gerstenberg, es gibt noch einmal das Begehren.

– Nein, jetzt nicht! – In Artikel 139 der Weimarer Verfassung wird die Bedeutung der Sonn- und Feiertage festgeschrieben. – Ich zitiere: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ – Das ist eine

altertümliche Sprache, aber der Inhalt ist hochmodern. Für die einen ist der Sonntag der Tag des Gottesdienstes. Dazu muss ich Ihnen, Herr Zastrow, sagen: Wenn Sie für eine Öffnung nach 13:00 Uhr plädieren, so ist das im wahrsten Sinne des Wortes scheinheilig. Für die anderen, die nicht religiös sind, ist der Sonntag ebenfalls ein wichtiger Tag. Wir leben in einer Zeit, die sich ständig beschleunigt. Gerade wir im Sächsischen Landtag sind in die Termine unserer Terminkalender eingespannt. Ist es nicht genau das, was in unserem sich ständig beschleunigenden Leben fehlt: nämlich Entschleunigung?

Einmal innehalten an einem Tag der Woche, einmal darüber nachdenken, was in der Woche geschehen ist, das ist ebenso notwendig wie auch vernünftig und das ist auch das, was ich, anknüpfend an die gestrige Rede des Ministerpräsidenten, als christliche Tradition bezeichne.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Sachsens Bischöfe haben gestern nochmals auf die Bedeutung des Sonntags hingewiesen. Sie haben vor einer Aushöhlung des Schutzes zugunsten des Konsums gewarnt und zu einer Wertediskussion aufgerufen. Diese Haltung ist nicht neu, sie ist bereits vor einigen Jahren in der gemeinsamen Erklärung der evangelischen und der katholischen Kirche mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund deutlich geworden. Ich zitiere: „Der Sonntag darf nicht der Orientierung an ausschließlich materiellem Gewinn geopfert werden. Der Sonntag selbst ist der Gewinn, der bleibt und bleiben muss.“

Vielleicht mögen Sie die deutschen Bischöfe, der DGB und diese Vereinigung nicht überzeugen. Deshalb möchte ich mit einem weiteren Zitat zu Ihrer Überzeugung beitragen; es stammt von einer anerkannten Autorität in dieser Frage, dem Papst.

(Torsten Herbst, FDP: Der ist ja bekannt für seine Fortschrittlichkeit!)

Papst Johannes Paul II. hat in seinem Apostolischen Schreiben über die Heiligung des Sonntags Folgendes ausgeführt:

„Durch die Sonntagsruhe können die täglichen Sorgen und Aufgaben wieder ihre richtige Dimension erhalten. Die materiellen Dinge, über die wir uns erregen, machen den Werten des Geistes Platz. Die Menschen, mit denen wir leben, nehmen in der Begegnung und im ruhigeren Gespräch wieder ihr wahres Gesicht an. Selbst die Schönheiten der Natur, oft genug von einer Herrschermentalität, die sich gegen den Menschen wendet, verdorben,“

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

„können wieder entdeckt und intensiv genossen werden.“

Ich glaube, diesen wunderbaren Worten ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Ich bitte Sie, sie bei Ihrer Entscheidung zu beherzigen. Ich bitte Sie, den Antrag der FDP abzulehnen und für uns den Wert der Sonntagsruhe zu erhalten.

Ich weiß allerdings, dass wir uns damit auch in eine Gefahr begeben. Wir begeben uns in die Gefahr, dass im Jahr 2009 wieder eine aufstrebende FDP-Kandidatin, dann wahrscheinlich in eine grün-weiße Fahne gehüllt, durch eine Autowaschanlage fährt und sich dabei ein Video einzieht.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der SPD)

Nach den heutigen Reden von der PDS muss ich feststellen: Ich befürchte, dass dann noch ein rot gewandeter PDS-Kandidat an ihrer Seite sitzt.

(Heiterkeit – Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch: Nein, nein, wir arbeiten!)

Möchte die Staatsregierung sprechen? – Nein, kein Redebedarf. – Jetzt gibt es die zweite Runde, zumindest vorerst. Wer möchte an der zweiten Runde teilnehmen? – Beginnen wir mit Herrn Dr. Hähle von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin vorhin in den Verruf gekommen, ich hätte heute Morgen im Radio irgendetwas gesagt.

(Unruhe)

Meine Herren!

Das ist möglicherweise eine Tonkonserve gewesen; ich habe heute Morgen kein Rundfunkinterview gegeben.

(Dr. André Hahn, PDS: Ja, es kam heute Morgen!)

Und wenn schon, dann habe ich von einem Meinungsbildungsprozess berichtet, der in unserer Fraktion noch lief und den wir heute Morgen mit einer Mehrheitsmeinung zum Abschluss gebracht haben, die Kollege Marko Schiemann heute im Parlament vorgetragen hat.

(Dr. André Hahn, PDS: Es ist unglaublich!)

Wir sind nicht die Ewiggestrigen, sondern wir sind die, die auch einen beträchtlichen Teil dieses Volkes vertreten, und zwar diejenigen, die auf das C im Namen unserer Partei schauen und die auch eine gewisse Erwartungshaltung haben, wenn es um solche Dinge geht. Das sind keine weltbewegenden Dinge. Ich weiß auch, dass Hausfrauen am Sonntag ihre Waschmaschine und ihren Wäschetrockner einschalten.

(Zuruf von der PDS: Ich dachte, das machen die Männer!)

Das mag ja alles sein. Aber wir sprechen hier über den öffentlichen Raum und wir sprechen über den Schutz der Sonn- und Feiertage.