Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann das Verfahren etwas vereinfachen. Der Änderungsantrag der Regierungskoalition und unserer hatten sich etwas überschnitten. Wir sind inhaltlich der gleichen Meinung. Deshalb ziehen wir unseren Antrag zurück.
Gut. Danke schön. – Dann bleibt als einziger der Änderungsantrag der Koalition. Ich frage jetzt die Vertreter der Koalition. Herr Rohwer, bitte.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zur Einbringung des Antrages noch kurz vom Pult aus sprechen. Wir haben alle darüber diskutiert, dass dieses Thema wichtig ist – außer der NPD. Ich will eines noch vorausschicken, Herr Kollege Neubert: Der CDU-Fraktion können Sie nach der gestrigen Regierungserklärung des Ministerpräsidenten in keiner Weise kulturelle Nähe zur NPD vorwerfen. Das möchte ich ausdrücklich zurückweisen, auch für mich persönlich.
(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Falk Neubert, PDS: Ich habe von einigen Mitgliedern der CDU gesprochen.)
Auch die Reaktion der NPD-Fraktion auf meinen Redebeitrag hat gezeigt, dass er getroffen hat. Danke dafür, Herr Leichsenring, dass man Sie noch aus der Reserve locken kann. Herr Gansel hat uns noch einmal, lieber Falk Neubert, deutlich gemacht, dass es richtig ist, jetzt diesen Änderungsantrag zu beschließen. Er hat gegen ein Programm gesprochen, das für Demokratie, für Toleranz, für Weltoffenheit steht. Das ist die Bestätigung dafür, was wir alle im Hohen Haus die ganze Zeit gesagt haben: dass es richtig ist, solch ein Programm aufzulegen. Die Sächsische Staatsregierung wird es, denke ich, entsprechend dem Votum des Hohen Hauses umsetzen.
Wir haben in Sachsen bisher eine intensive Auseinandersetzung insofern geführt, als wir zwei Institutionen geschaffen haben: Das ist zum Einen die Stiftung Sächsische Gedenkstätten und zum Anderen das HannahArendt-Institut. Diese sächsische Form der Geschichtsbewältigung ist Motivation für meine Fraktion, zusammen mit der SPD-Fraktion diesen Änderungsantrag einzubringen. Der SPD liegt die demokratische Kulturarbeit sehr am Herzen, und wie schon anfangs betont, sind wir überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit der Ideologie der extremen Rechten in der Schule wichtig ist. Wir wollen demokratische Werte vermitteln, wir wollen Zivilcourage fördern und demokratische Alternativen zu Extremverhalten aufzeigen. Vor allen Dingen wollen wir aber nicht zu Erfüllungsgehilfen der NPD werden.
Deshalb denke ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind genügend Worte gewechselt, viele Programme sind benannt worden. Die Sächsische Staatsregierung hat auch hier seit 2001 ein eigenes Modellprojekt zur demokratischen Bildung aufgelegt, das weitergeführt werden wird. Weitere Projekte werden das ebenfalls tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion! Angesichts Ihres Antrages möchte ich Sie nun um Zustimmung zu unserem Antrag bitten. Dass Sie mit einer inhaltlichen Ausweitung Ihrer Forderungen einverstanden sind, setze ich einmal voraus. Wir wollen eine demokratische Kulturarbeit im Freistaat Sachsen, wir wollen ein Programm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Damit ist der Änderungsantrag der CDU- und der SPD-Fraktion in der Drucksache 4/0083 eingebracht. Gibt es dazu Redebedarf bei den Abgeordneten? – Ja, offensichtlich. Herr Neubert, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe schon in meinem Schlusswort gesagt, dass ich es im Gegensatz zu den bisherigen Debatten im Hohen Hause sehr positiv finde, dass ein Änderungsantrag in der Richtung, wie ihn auch die PDS-Fraktion eingebracht hat, vorliegt. Aus unserer Sicht ist unser Antrag detaillierter und auch weitergehend. So werden wir uns in der Alternativabstimmung zwischen dem Antrag der PDSFraktion und dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen für unseren Antrag aussprechen bzw. uns enthalten, wenn über ihn zuerst abgestimmt wird.
Danke schön. – Ist weiterer Aussprachebedarf vorhanden? – Ich stelle dies nicht fest. Da der Änderungsantrag, soweit ich das überblicke, den Originalantrag ersetzt, stimmen wir zuerst über ihn ab; er ist weitergehend.
Ich rufe zur Abstimmung den Änderungsantrag der CDU- und der SPD-Fraktion in der Drucksache 4/0083 auf. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Eine Anzahl Gegenstimmen. Wer enthält sich der Stimme? – Eine größere Anzahl von Stimment
Ich bekam den Hinweis, dass der Änderungsantrag eine andere Drucksachennummer hat, nämlich 4/0327, und sich auf die Drucksachennummer 4/0083 bezieht.
Die Abstimmung war eindeutig und damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet. Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf, den von vielen mit Spannung erwarteten Antrag der FDP-Fraktion:
Hierzu können die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: FDP, CDU, PDS, SPD, NPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie möchte. Das Wort hat der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Zastrow.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Antrag ist, um das gleich vorwegzunehmen, kein Antrag zur Abschaffung des Sächsischen Sonn- und Feiertagsgesetzes, sondern wir wollen lediglich zwei schon gravierende Benachteiligungen in zwei Wirtschaftsbereichen beenden. Es gibt sicherlich, weil ich häufig in den letzten Tagen darauf angesprochen wurde, in diesem Land wichtigere Dinge zu tun, als die sonntägliche Öffnung von vollautomatischen Autowaschanlagen oder Videotheken zu beschließen.
Aber wenn wir allein die rund 800 betroffenen Unternehmen hier in Sachsen zusammenzählen, ganz zu schweigen von denen, die diese Dienstleistung, die angeboten wird, nutzen, dann muss ich gerade, wenn wir den Anspruch erheben, etwas für unsere Klein- und mittelständischen Unternehmen zu tun, sagen, dass es wichtig ist, sich genau um diese 800 Unternehmen zu kümmern.
Wir haben erst gestern – vielleicht haben auch Sie es bekommen – ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen IHKs bekommen, die sich ausdrücklich für Entbürokratisierung und Flexibilisierung beim Sächsischen Sonn- und Feiertagsgesetz ausgesprochen haben.
Wir wissen es auch von Herrn de Maizière, dass dieses Thema ein sehr wichtiges innerhalb seines Paragrafenprangers ist und sehr viele Anträge sich genau um diesen Bereich drehen. Ich denke deshalb, wir haben heute ein sehr aktuelles Thema zu behandeln.
Liebe Kollegen! Für viele Menschen – das erkennen wir an – ist die Sonntagsruhe sehr wichtig. Die sonntägliche Ruhe ist ein sehr hohes Gut. Aber ich bitte Sie, auch an diejenigen zu denken, die an den anderen Tagen in der Woche ganz unfreiwillig Ruhe haben, nämlich all diejenigen, die nach wie vor keinen Arbeitsplatz, keinen Job haben und für jeden kleinen Hoffnungsschimmer, der sich irgendwo bietet, dankbar sind.
Es ist völlig klar, dass die Sonntagsöffnung die Arbeitsplatzproblematik in unserem Land nicht löst, aber es
Lassen Sie mich ein paar Worte zu den Videotheken sagen. Warum dürfen beispielsweise Kinos, Solarien, Fitnessstudios sonntags öffnen, Videotheken aber nicht? Videotheken sind genauso Dienstleister wie die anderen und sind Teil einer neuen Freizeitkultur, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Es mag sein, dass eher junge Leute in die Videotheken gehen und das als Form ihrer Freizeitkultur empfinden. Aber das ist ein Stück unserer gesellschaftlichen Entwicklung, die wir auch als Politiker zur Kenntnis nehmen sollten.
In Sachsen gibt es ungefähr 250 Videotheken, die insgesamt immerhin 1 200 Arbeitnehmer beschäftigen. Ein Teil davon ist in Vollzeit angestellt. Allerdings sind auch Teilzeitarbeitskräfte dort gebunden. Bei einer Gesetzesänderung – das zeigen Beispiele aus Ländern, in denen die Sonntagsöffnung vor kurzem gestattet worden ist – rechnen Experten damit, dass pro Videothek ein neuer Arbeitsplatz entstehen kann.
Liebe Kollegen! Ganz ehrlich die Frage: Wenn es ein Unternehmen in Sachsen gäbe, das 250 neue Arbeitsplätze schaffen würde, dann glaube ich, dass wir allesamt sehr gern zu diesem Unternehmen gehen würden, um die roten Bänder durchzuschneiden. Ich glaube, dass es die Sache wert ist, für 250 neue Arbeitsplätze in Sachsen zu sprechen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zu den Waschanlagen sagen. Viele denken, dass das Prinzip der Sonntagsruhe durch eine Liberalisierung in diesem Bereich aufgebrochen wird. Wieso eigentlich? Vollautomatische Waschanlagen sind Automaten. Leider Gottes ist es das Kennzeichen von Automaten, dass das nichts mit menschlicher Arbeitskraft zu tun hat. Vollautomatische Waschanlagen sind meistens Teil der Tankstellen. Tankstellen haben doch, soweit ich weiß, sonntags in Sachsen geöffnet. Warum kann ich in die Tankstelle gehen? Warum kann ich in der Tankstelle Waren erwerben? Warum kann ich in der Tankstelle tanken? Warum muss aber die Waschanlage geschlossen sein? Für mich ist das nicht nachvollziehbar, weil ich daran denke, dass es in Sachsen etwa 520 automatische Waschanlagen gibt und es die Schätzung gibt, dass bei einer Sonntagsöffnung dieser Waschanlagen die Branche insgesamt mit einem Umsatzplus von 20 % rechnet. Dann weiß ich, was wir dort für ein Potenzial haben.
Eines ist klar, die Waschanlagenöffnung wird kaum zu neuen Arbeitsplätzen führen, anders als bei den Video
theken. Aber sie wird helfen, Arbeitsplätze hier in Sachsen und auch betriebliche Existenzen zu sichern. Sie wissen, dass in den letzten Jahren viele der Betreiber von Waschanlagen und Tankstellen Hunderttausende Euro in moderne Anlagen investiert haben. Sie haben – das ist, glaube ich, ein großes Verdienst – vor allem umweltfreundliche Anlagen geschaffen. Es gibt einen ganz interessanten Nebeneffekt: Durch diese umweltfreundlichen Anlagen ist zum Teil diese unsägliche Tradition aus Ostzeiten, dass man sonntags auf der Straße sein Auto gewaschen hat und viele Schadstoffe damit auch in den Boden gelangt sind, beendet. Das heißt, sie haben auch einen ganz aktiven Beitrag dazu geleistet, dass unsere Umwelt sauberer wird. Sie, Herr Weichert, haben vorhin in Ihrer Rede zu Recht gesagt, dass die Sächsische Staatsregierung unseren Klein- und mittelständischen Unternehmen helfen soll. Wir sollten jetzt so fair sein, den Anlagenbetreibern eine Chance zu geben, dass sie ihre Investition auch wieder zurückerwirtschaften können.
Meine Damen und Herren! Gerade Waschanlagenbetreiber in den Grenzregionen zu anderen Bundesländern haben mit einer sehr schwierigen Konkurrenzsituation zu rechnen. Wer nämlich heutzutage als Verbraucher sein Auto waschen will, der fährt einfach, wenn er in der Nähe von Sachsen-Anhalt oder Brandenburg lebt, kurz über die Grenze und macht es dort. Der Nebeneffekt ist: Wenn er schon sein Auto waschen lässt, dann tankt er auch dort, kauft auch dort seine Zigaretten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, da fließt Geld ab, was unser Finanzminister, Herr Dr. Metz, sicherlich gern hätte.
Wir wollen als FDP, dass die Leute nicht in Brandenburg, nicht in Thüringen und nicht in Sachsen-Anhalt ihr Geld ausgeben, sondern dass sie ihr Geld in Sachsen bei sächsischen Unternehmen ausgeben.
Noch dramatischer ist natürlich die Situation an den Grenzen zu Tschechien und Polen. Sie wissen, dass ein Sonn- und Feiertagsgesetz in Tschechien und Polen unbekannt ist. Dort gibt es so etwas nicht. Dort drüben ist das Benzin viel billiger und die Stange Zigaretten bekommen Sie deutlich günstiger. Das heißt, die Tankstellen im Grenzgebiet haben ohnehin fast schon unzumutbare Probleme. Ich glaube, wir sollten den Unternehmern in den Grenzregionen eine Chance geben, durch mehr Rechte, nämlich dass sie die Waschanlage auch am Sonntag öffnen können, überhaupt ein bisschen Umsatz zu generieren. Wir sollten diesen Unternehmen diese Möglichkeit einräumen, in ihrem harten Wettbewerb, den sie dort führen, besser zu bestehen und besser mit dem Konkurrenzkampf mit den osteuropäischen Ländern klarzukommen.
Sachsen ist von Ländern umgeben, die übrigens – egal, ob von CDU oder SPD regiert – deutlich lockerere Sonntagsregelungen haben. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Öffnung von Autowaschanlagen am Sonntag möglich. Das Gleiche gilt für Videotheken. Der Bundestag und der Bundesrat haben bereits 1998 beschlossen, den Ländern zu empfehlen, Videotheken auch an den Wochenenden die Öffnung zu gestatten.
Wenn Sie daran denken, dass selbst in Bayern einiges in Bewegung gekommen ist – denn erst am 19. Novem
ber 2004 hat die CSU, auf Antrag der Jungen Union übrigens, mit großer Mehrheit beschlossen, das Öffnen von Waschanlagen an Sonntagen gestattet werden soll –, dann glaube ich, sollten wir in Sachsen auch so weit sein, in diesem Punkt zu handeln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen ganz genau, dass eine Änderung des Sächsischen Sonn- und Feiertagsgesetzes für viele von Ihnen eine Gewissensentscheidung ist. Wir wissen, dass es vielen unter Ihnen das Glaubensbekenntnis oder auch bestimmte Traditionsüberzeugungen schwer machen, unserem Antrag zuzustimmen. Ich möchte deshalb noch einmal verdeutlichen, was unser Antrag überhaupt will.
Wir geben damit der Staatsregierung einen Auftrag, dieses Thema zu bearbeiten und ein Gesetz in dieser Richtung zu verabschieden. Es steht für uns als FDP außer Frage, dass man zum Beispiel auf kirchliche Belange in dem zu schaffenden Gesetz Rücksicht nehmen muss. Wenn wir einen Blick nach Sachsen-Anhalt wagen, dann ist dort die Öffnung von Videotheken am Sonntag beispielsweise erst ab 13:00 Uhr möglich. Das ist eine Regelung, die wir uns auch für Sachsen sehr gut vorstellen können.
Auch in Sachsen-Anhalt ist es beispielsweise so, dass an bestimmten hohen kirchlichen Feiertagen wie dem Pfingstsonntag Autowaschanlagen oder auch Videotheken geschlossen bleiben. Ich denke, auch da gibt es eine große Kompromissbereitschaft. Diesen Weg können wir mitgehen.
Gestern haben Sie, Herr Dr. Hähle und auch Herr Prof. Weiss, der Opposition eine konstruktive Zusammenarbeit versprochen. Ich habe mich über diese Äußerung sehr gefreut und denke, dass sie in eine Richtung ging, die uns die Hoffnung gibt, dass es vielleicht in diesem Sächsischen Landtag in dieser Legislaturperiode eine andere Zusammenarbeit zwischen Oppositionsparteien und Regierungsparteien geben kann.
Ich möchte Sie bitten, Ihr Versprechen, dass Sie uns gestern gegeben haben, heute einzulösen. Ich weiß, dass dieser Antrag eine Gewissensfrage ist. Ich denke, Sie sollten die Abstimmung in Ihren Fraktionen freigeben und wir sollten heute den Mut beweisen, eine Diskussion anzustoßen, die immerhin mindestens 800 Unternehmen in Sachsen helfen würde.
Das war der Sprecher der Antragstellerin. Jetzt folgt die allgemeine Aussprache, als Erstes die CDU-Fraktion. Für sie spricht Herr Jürgen Petzold. – Nein, Herr Schiemann; man hat gewechselt.