Protocol of the Session on December 10, 2004

Ein ziemliches Durcheinander also, selbst bei den zuständigen Behörden. Wie können wir angesichts dessen von nicht ständig beruflich damit befassten Menschen verlangen, entsprechende Unterscheidungen treffen zu können? Wieder einmal stellt sich die Frage an uns alle hier im Raum: Wer hätte das „Steinar“ im Markennamen mit dem SS-General Steiner in Verbindung gebracht?

Nein, natürlich läuft kein Naziskin, der Ian Stewart und die von ihm gegründete internationale Organisation „Blood and Honor“ verehrt, heute noch mit dem Gruppennamen auf der Kleidung herum. Man weiß schließlich, dass das Werbung für eine verbotene Organisation wäre. Das Zahlenkürzel „28“ erfüllt den gleichen Zweck und ist nicht strafbewehrt. In den entsprechenden Kreisen erkennt man sich und kann herzlich über jene lachen, denen man ein Schnippchen geschlagen hat.

Genau hier wollen wir mit unserem Antrag Abhilfe schaffen. Wir wollen Voraussetzungen dafür schaffen, dass präventiv gearbeitet werden kann, bevor sich feste rechte Cliquen gebildet haben, die auf Schulhöfen und in Jugendhäusern die Vorherrschaft beanspruchen. Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen wissen sehr genau, wo sie ihren Bedarf decken können. Vieles läuft über den Versandhandel im Internet. Doch häufig gibt es auch einschlägige Läden im Kreisgebiet. Was die potenziellen Kunden wissen, wissen die zuständigen Behörden jedoch häufig noch lange nicht.

Ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

(Lachen und vereinzelt Beifall bei der CDU – Frank Kupfer, CDU: Das war jetzt ein guter Satz!)

Hören Sie bitte zu!

(Fortgesetztes Lachen bei der CDU)

Ich will meinen eigenen Kreis, den Muldentalkreis, als Beispiel nehmen. Mit dem Laden „Front Records“ gibt es in Wurzen zugleich einen überregional tätigen Szeneversand. Das oben geschilderte T-Shirt „168 : 1“ konnte dort erstanden werden.

(Heinz Eggert, CDU: Was kostet das denn? – Heiterkeit bei der NPD)

Mehrfach wurden Haussuchungen mit umfangreichen Beschlagnahmen durchgeführt. Inzwischen gehört der Laden zu den Unterstützern der im Internet abrufbaren berühmt-berüchtigten Schulhof-CD der Neonazis. Das so genannte „Nationale Wohnprojekt“ in Salchow bedankte sich erst kürzlich ausdrücklich bei „Front Records“ für die finanzielle Unterstützung.

(Zuruf von der CDU: Schleichwerbung!)

Das Geld, das auch durch die Neonaziszene und erst lose angebundene Menschen verdient wird, fließt zu einem Teil in die Szene zurück. Das Ziel dabei sind so genannte „National befreite Zonen“.

„Front Records“ ist nur ein Beispiel. Auf Unwissenheit stieß ich noch vor einigen Wochen in unserem Landrats

amt, wenn ich dort Gruppen wie „Kameradschaft Colditz“ oder „Combat Wurzen“, den Volkssturm Wurzen mit dem angeschlossenen Jungsturm, ansprach.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Uns geht es um eine vernetzte Unterstützung für alle – Schule, Behörden, Verwaltung, Jugendarbeit –, die beruflich mit dieser Problematik befasst sind. Wir haben das Problem der Neonaziszene in ganz Sachsen, flächendeckend. Davor können und dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Uns als PDS ist klar, dass ein besonderer Schwerpunkt auf der Prävention liegen muss. Zielgruppe unseres Ansatzes sind nicht in erster Linie jene jungen Menschen, die in der Szene bereits fest verankert sind, sondern vor allem jene, die das Ziel der Beeinflussung durch Neonazis sind.

Es ist uns außerdem bewusst, dass es sich nicht nur um ein reines Wissensproblem handelt. Deshalb ist die Forderung nach einem Förderprogramm für interkulturelle und antirassistische Projekte ein wichtiger Teil unseres Ansatzes.

Der geschilderte Fall des Mädchens mit auf die Stirn aufgemalten SS-Runen ist bisher eine Ausnahme in Sachsen, eine, die Aufsehen erregt hat. Es war aber nur ein Fall, und es war genau ein Fall zu viel.

Vielen Dank an jene, die mir zugehört haben!

(Beifall bei der PDS, den GRÜNEN und des Abg. Nolle, SPD)

Gibt es weitere Bewerbungen zur Mitsprache? Wer möchte? – Herr Abg. Leichsenring für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich vom Kollegen Rohwer auf meine Verbindung zu den „Skinheads Sächsische Schweiz“ direkt angesprochen wurde, muss ich mich doch noch einmal zu Wort melden. Die „Skinheads Sächsische Schweiz“ sind seit 2001 verboten. Jene, die Straftaten begangen haben, sind verurteilt worden – zu Recht. Aber wie viele Straftaten sind denn seither von diesem Personenkreis begangen worden? Wie viele Verletzte gab es denn seit 2001 durch die „Skinheads Sächsische Schweiz“?

Tausend Exemplare menschlichen Strandgutes sind auf Einladung der PDS am 27.11. durch Pirna, Dresden und Leipzig gezogen.

(Unruhe bei der PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Abg. Leichsenring, diese Worte bitte nicht!

Dann nehme ich es einfach zurück, meine es aber trotzdem so.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Am 27.11. sind durch die Linksextremisten mehr Schäden und mehr Verletzte fabriziert worden als durch die „Skinheads Sächsische Schweiz“ in der Zeit ihrer Existenz. Das ist wohl unbestritten.

(Beifall bei der NPD – Kerstin Köditz, PDS: Zum Thema!)

Ich will diese Gruppe nicht verteidigen, bin aber im Zusammenhang damit angesprochen worden. Ich habe es als Skandal bezeichnet, dass die Durchsuchungsaktion stattgefunden hat. Das ist wahr. Wenn die Polizei vier Tage nach den Gewaltexzessen von Links nichts anderes zu tun hat, als 30 Häuser zu durchsuchen, nämlich genau die Häuser derjenigen, die nicht randalierend durch die Städte gezogen sind, dann ist das schon ein Skandal.

Herr Rohwer, ich habe noch nie zu Gewalt aufgerufen. Sie können mir kein Zitat bringen, dass ich zu Gewalt aufgerufen oder diese gebilligt hätte. Ich habe noch nie zu einer Demonstration aufgerufen. Wenn Sie sich die Mühe machen wollen, dann lesen Sie bitte die Protokolle des Kreistages Sächsische Schweiz! Sie werden feststellen, dass speziell ich – gemeinsam mit der CDU-Fraktion – versucht habe zu verhindern, dass es zu diesen gewalttätigen Demonstrationen in Pirna kommt. Aber es war uns nicht vergönnt, die Stadt davon freizuhalten.

Die PDS verlangt in ihrem Antrag – ebenso wie der Koalitionsvertrag – zwei Millionen Euro für Jugendarbeit. Die Jugendarbeit der NPD wird gemeinhin nicht gelobt, aber doch anerkannt – übrigens ohne staatliche Zuschüsse!

(Heinz Eggert, CDU: Das fehlte ja noch!)

Wieso brauchen Sie eigentlich Geld dazu? Wenn wir paar Mitglieder in Sachsen eine Jugendarbeit auf die Beine stellen können, dann brauchen Sie kein staatliches Geld. Hände weg vom sächsischen Steuergeld! Es ist schließlich nichts anderes gewollt, als militante AntifaVerbände weiter zu stärken.

Ich dachte, die Zeiten, als über Kleidungsstücke gesprochen wurde und darüber, was man anziehen darf und was nicht, seien die siebziger und achtziger Jahre in der DDR gewesen und längst überwunden. Anscheinend fängt man jetzt wieder damit an, den Leuten vorzuschreiben, welche Marke sie anziehen dürfen und ob sie eine Plastiktüte haben dürfen, auf der ein Spruch steht. Ich dachte, diese Zeit hätten wir in einem freien Land hinter uns.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Besteht von den Fraktionen weiterer Bedarf zur allgemeinen Aussprache? – Möchte die Staatsregierung noch einmal sprechen? – Nein, dies ist offensichtlich nicht der Fall. Damit ist die allgemeine Aussprache beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Dies hat die einreichende Fraktion, die PDS-Fraktion. Herr Abg. Neubert, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Orosz, ich möchte mich zuerst zu dem äußern, was Sie ausgeführt

haben. Es ist keine Reduzierung auf Jugendarbeit und auf Jugendliche, die in unserem Antrag steht. Dort sind noch andere Komponenten enthalten. Selbstverständlich geht es darum, das demokratische Bewusstsein in allen Bereichen und allen Altersgruppen zu stärken. Ich habe das auch deutlich formuliert. Von den von Ihnen beschriebenen Maßnahmen sind tatsächlich einige gelaufen, aber aus meiner Sicht in den letzten Jahren noch viel zu wenige. Ihre Darlegungen hatten den Hauch der heilen Welt. Das ist in den letzten Jahren einfach nicht die Realität gewesen. Wir wissen genau, dass die ganzen Demokratieprojekte immer wieder Probleme mit der Finanzierung hatten und sie die Aufgaben, die sie vor Ort leisten mussten, überhaupt nicht bewältigen konnten. Ich nenne zum Beispiel die Opferberatung und die Aufklärungsarbeit etc., um damit auch überhaupt den Institutionen vor Ort die nötige Sensibilisierung angedeihen zu lassen. Oft genug ist es so, dass die Leute vor Ort, die zivilgesellschaftlich agieren und Dinge wie zum Beispiel rechtsextreme Übergriffe in die Öffentlichkeit bringen, als „Nestbeschmutzer“ behandelt werden. Von daher ist es wichtig, dass man auch von hier eine Unterstützung gibt, gemeinsam agiert und eine Sensibilität erzeugt. Diese Dinge wurden auch in der Fachtagung letzte Woche, die Sie schon erwähnt hatten, noch einmal ausführlich vorgetragen. Herr Rohwer, an Ihnen scheint da eine Menge vorbeigegangen zu sein. Es gibt eine Diskussion, die von Wissenschaftlern begleitet wird, wie man Partizipationen fördern kann, wie das in der Folge einen präventiven Gedanken erzeugt etc. pp. Es wäre schön gewesen, wenn Sie diese Dinge, die in den letzten Jahren diskutiert worden sind, hätten einfließen lassen und nicht diese verbohrte Haltung, die Sie hier dargeboten haben, an den Tag legen würden.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Es war wirklich nur peinlich, Herr Rohwer. Ich will gar nicht näher darauf eingehen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

An Herrn Herbst gerichtet – Sie haben gesagt, wir hätten zu spät reagiert. Auch das ist ein Antrag und eine Richtung, die wir im Landtag schon verschiedentlich diskutiert haben. Bisher wurde das immer abgelehnt. Heute haben Sie einen Änderungsantrag der CDU/SPD, der in diese Richtung geht und das Anliegen wenigstens unterstützt, obwohl unser Antrag in der Ausgestaltung letztlich detaillierter ist. Aber unsere Anträge wurden hier immer abgelehnt, das Problem wurde negiert. Es ist uns natürlich klar, dass Sondermodellprojekte allein überhaupt nicht wirken können. Das habe ich auch schon ausgeführt. Ich habe gesagt, das Wichtigste ist eine gut finanzierte Jugendarbeit vor Ort. Nur wenn diese existiert, kann dieses Programm auf Landesebene wirklich greifen. Das ist meine feste Überzeugung. Wie gesagt, bisher wurde es immer abgelehnt. Ich war heute etwas irritiert, auch weil ich den Änderungsantrag im Vorfeld gesehen habe, über die Art und Weise, wie die CDU-Fraktion eine Rede vorgetragen hat und auch über einige Zwischenbemerkungen, die vonseiten der CDU-Fraktion kamen – –

Herr Neubert, kommen Sie bitte langsam zum Ende.

– und eine kulturelle Nähe zu den Nazis erkennen ließen.

(Beifall bei der PDS – Empörung bei der CDU – Rita Henke, CDU: Frechheit!)

Meine Damen und Herren! Das war das Schlusswort. Ehe wir uns der Abstimmung nähern, erinnere ich daran, dass wir zwei Änderungsanträge dazu haben, einen Änderungsantrag der Koalition, der, wenn ich das recht überblicke, den gesamten Antrag austauschen würde, und einen Antrag der FDP-Fraktion, der ihn teilweise verändern würde. Der Debattenkultur in unserem Hause würde es gut tun, wenn wir mit dem FDP-Antrag anfangen, soweit Bedarf besteht.

Herr Abg. Herbst, bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann das Verfahren etwas vereinfachen. Der Änderungsantrag der Regierungskoalition und unserer hatten sich etwas überschnitten. Wir sind inhaltlich der gleichen Meinung. Deshalb ziehen wir unseren Antrag zurück.