Protocol of the Session on May 11, 2006

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

ein neues Polizeiauto, so kann er dies als Sachinvestition haushaltsrechtlich abschreiben und über Kredite finanzieren. Wird dieses Polizeifahrzeug beispielsweise nach fünf Jahren ausgesondert, kann das nächste auch wieder über Kredite gekauft werden, aber die Abschreibungen laufen weiter und die Schulden stehen nach wie vor im Haushalt. Das ist genau die Haushaltsführung, die Sie noch ausweiten möchten. Wir wollen das nicht.

Nach diesem Prinzip geht es bei Vater Staat mit allen kreditfinanzierten Investitionen. Kurz gesagt: Investitionen werden abgeschrieben, die Schulden bleiben.

Jeder Kaufmann kann sich bei solchen Regeln nur an den Kopf fassen. Im öffentlichen Bereich ist dies jedoch Praxis. Wir müssen uns also nicht wundern, wenn sich die bestehenden Regelungen als stumpfe Schwerter im Kampf gegen die Verschuldung erwiesen haben.

Nicht Ausweitung des Investitionsbegriffes, sondern Einengung ist angesagt. Da Ihr Antrag für die Gesamtheit schädlich ist, werden wir diesen ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Für die SPDFraktion ist Herr Pecher angekündigt. Bitte.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ganz kurz möchte ich an dieser Stelle Gelegenheit neh

men, dem Präsidenten des Sächsischen Landtages für seine vorangegangene sachgerechte Entscheidung in Richtung NPD hier ganz persönlich noch einmal meinen Dank auszusprechen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Zum Antrag der Linksfraktion.PDS möchte ich damit beginnen, dass es durchaus einen Konsens in der Auffassung gibt, dass wir verstärkt den Begriff Investitionen in den Bereich Bildung, Forschung, Schulen, Kitas hineinbringen wollen. Das haben wir als SPD an dieser Stelle schon sehr oft gesagt und wir haben es auch realisiert. Damit will ich an die Worte von Frau Mattern anknüpfen: Wann folgen den Worten endlich Taten?

Ich möchte daran erinnern, dass die Koalitionsvereinbarung zum letzten Doppelhaushalt allein 70 % der finanzwirksamen Leistungen genau in diesem Bereich angesiedelt hat. Einige kurze Stichworte nur: Kita 49 Millionen; Investpauschale 30 Millionen; Schulvorbereitungsjahr elf Millionen; Ganztagsschulen 45 Millionen; Hochschulbereich 21 Millionen. Ich möchte jetzt die Aufzählung in den Bereichen Kunst, Kultur, auch im SMWA hier nicht vervollständigen. Ich glaube schon, dass die SPD in dieser Koalition genau in den Bereich, den Sie fordern, investiert hat. Wir haben den Worten Taten folgen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Was sind Investitionen? Was ist der Ausgangspunkt dieses Antrages? Investitionen sind die Bindung finanzieller Mittel mit dem Ziel ihrer späteren Wiederfreisetzung mit zusätzlichem Kapitalgewinn. Man unterscheidet hierbei die Investitionen neben der Art nach Objekt: Einmal die Sachinvestitionen – das ist das berühmte Tong –, weiterhin die Finanzinvestitionen – Finanzanlagen etc. – und natürlich Investitionen in immaterielle Vermögenswerte. Was ist nun das Problem?

Das Problem ist, dass Finanzinvestitionen in Einnahmen und Ausgaben exakt zu definieren sind, dass Sachinvestitionen bei den Einnahmen exakt und bei den Ausgaben, sprich bei dem Nutzen, relativ exakt zu beziffern sind, und bei den immateriellen Investitionen ist dies eben nicht möglich.

Nach unserer Auffassung ist der Investitionsbegriff nach Haushaltsgrundsätzegesetz – und da sind eben genau die zwei Objekte drin, nämlich Sachinvestitionen und Finanzinvestitionen – im Zusammenhang mit Artikel 115 Grundgesetz zu sehen. Wenn man im Grundgesetz regelt, dass die Einnahme aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben nicht überschreiten darf, dann muss man natürlich zwingend Investitionen definieren, um sie fiskalisch quantifizieren zu können.

Das heißt, der Investitionsbegriff nach Haushaltsgrundsätzegesetz dient als Schwellenwert für die Begrenzung der Kreditaufnahme.

Hier spiegelt also dieser § 10 sehr genau diese zwei Objekte wider, weil man eben glaubt, aus diesen zwei

Objekten konkret die Werte beziffern zu können. Daraus abgeleitet entstand die goldene Regel, nach der ein staatliches Defizit dann hingenommen werden kann, wenn dies mit der Erhöhung des Vermögens einhergeht. Hierbei wird unterstellt, dass der aus der Verschuldung resultierenden Belastung ein entsprechender Nutzen im gebildeten Staatsvermögen gegenübersteht. Ob das so ist? Die Mitglieder des Finanzausschusses werden sich genau daran erinnern; das haben wir bei der letzten Sitzung auch schon sehr intensiv diskutiert. Ich glaube, dass hierbei ein Umdenken in dieser Republik stattfindet.

Fragen wir uns doch einmal, warum das gemacht worden ist. Schauen wir, wie das mit den Stabilitätsprogrammen ist. Wir haben ein EU-Stabilitätsprogramm. Danach sind maximal 3 % Haushaltsdefizit zulässig; Schuldenstand 60 % BIP – zur Information: wir liegen zurzeit bei 66 % –; bei Nichteinhaltung Strafzahlung und das Ziel sind überschüssige Haushalte. Im Gegensatz dazu stehen die nationalen Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland im Artikel 115 Grundgesetz. Der hat eben keine Sanktionen.

Ich komme bei der spannenden Mehrwertsteuerdebatte noch einmal auf das Thema Schuldenstand zurück. Ich möchte mich hier zu Steuern und Schuldenstand nicht ausbreiten. Wir glauben als SPD-Fraktion, wenn man den Investitionsbegriff nach dem Antrag der Linksfraktion.PDS um Bildung und Forschung kraft Gesetzes ausdehnt – also das Objekt immaterielle Vermögenswerte hinzufügt –, dann würde man die Möglichkeiten des Artikels 115 Grundgesetz zur Schuldenaufnahme exzessiv erweitern, was nach unserer Auffassung innerhalb kürzester Zeit zum Staatsbankrott führen kann.

Standard & Poor’s hat zum Beispiel schon überlegt, ob Deutschland überhaupt noch triple-A-fähig ist. Wir stehen, glaube ich, an letzter Stelle. Das Beispiel Berlin zeigt, dass man hier aus Sachsen auch nicht als Insellösung agieren kann. Es nützt überhaupt nichts, in dem Fall als Sachsen Vorzeigekind zu sein, wenn dann eventuell die Lasten mit einer Gerichtsentscheidung, die andere gemacht haben, aufgeteilt werden.

Die von uns gehandhabte und hier auch immer wieder deutlich gemachte Herangehensweise an eine Neudefinition des Investitionsbegriffes beinhaltet, im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen den Einsatz der Mittel immer mehr in Richtung Forschung, Bildung, Wissenschaft und Innovation zu verschieben. Es heißt, mehr Einsatz von zur Verfügung stehenden Finanzmitteln dem Sinn und Geist nach und dann haushalterisch in Zahlen gegossen, in Kapitel und Titel.

Dieser Begriff, das glaube ich und davon bin ich fest überzeugt, muss in den Köpfen der politisch Handelnden definiert sein und sich dann hier in Beschlüssen widerspiegeln und nicht auf dem Papier definiert sein. Das ist das Wichtige, das muss passieren.

Also reales Handeln anstatt abstraktem Definieren. Dieser Prozess ist langwierig und schwierig, da nur über lange Zeiträume monetär bezifferbar. Die SPD-Fraktion hat mit

dem Doppelhaushalt 2005/2006 diesen Zug angeschoben. Wir werden dies mit dem Haushalt 2007/2008 fortführen. Unser Ziel ist die Verstetigung der im Koalitionsvertrag finanzwirksamen Regelungen über die Jahre 2005/2006 hinaus in den nächsten Doppelhaushalt.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion.PDS, ich lade Sie recht herzlich ein, Ihre Schwerpunkte der Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung in einem dann hoffentlich komplett vorliegenden Alternativhaushalt zur Diskussion zu stellen und mit zu beraten. Ich bin auf diesen Alternativhaushalt wie beim letzten Mal äußerst gespannt.

Danke für die Aufmerksamkeit. Wir lehnen die Vorlage ab.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nun wäre der Sprecher der NPD an der Reihe, aber es ist niemand im Saal, also rufe ich die FDP-Fraktion, Herrn Dr. Schmalfuß, auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion beantragt, dass die Staatsregierung im Bund Initiativen ergreift, den haushaltsrechtlichen Investitionsbegriff dahin gehend zu erweitern, dass darunter auch Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung fallen.

Die FDP-Fraktion ist selbstverständlich auch der Auffassung, dass Ausgaben in den vorgenannten Bereichen sinnvoll und weiterhin erforderlich sind. Über diese Selbstverständlichkeit besteht Übereinstimmung bei allen demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag. Was die Linksfraktion.PDS mit ihrem Antrag unter dem technischen Deckmantel haushaltsrechtlicher Spezialbegriffe erreichen will, ist meines Erachtens in höchstem Maße unseriös.

(Beifall bei der FDP)

Was Sie hier wollen, dabei jedoch elegant verdecken – man kann auch sagen, Sie reden um den heißen Brei herum –, läuft finanzpolitisch auf eine unbegrenzte Schuldenaufnahme hinaus. Aufgrund der Verfassung sind aber weder Bund, Länder noch die Kommunen daran gehindert, mehr in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung zu verausgaben. Die Verbindung einer fachpolitischen Forderung mit einer haushaltspolitischen Grundsatzfrage ist daher unsolide und eine Abkehr vom bisher erfolgreichen sächsischen Weg in der Finanzpolitik.

Die entscheidende Frage ist, wie die Mehrausgaben gedeckt werden sollen – durch Eigenmittel oder durch Schulden? Wenn der Investitionsbegriff erweitert wird, wird zwar der Finanzrahmen für Kredite erhöht; dies bedeutet jedoch im Ergebnis mehr Schulden – also Zins und Tilgung heute zulasten zukünftiger Generationen. Die Zielsetzung einer soliden Finanzpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, die Nettokreditaufnah

me auf „Null“ zu fahren, um auch zukünftigen Generationen entsprechende Handlungsspielräume zu eröffnen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. April 1989 ausdrücklich zum Investitionsbegriff Stellung genommen. Für Sie, Herr Pecher, da Sie vorhin eine Definition wollten, zitiere ich einmal aus dem Urteil: „Der Investitionsbegriff des Artikel 115 Grundgesetz kann nicht weiter verstanden werden als in der bisherigen Staatspraxis. Für seine Ausweitung, etwa im Hinblick auf Ausgaben für Bildung oder investive Verteidigungsausgaben, ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift ein Anhaltspunkt. Sie würde der normativen Intention dieser Bestimmung, die Staatsverschuldung zu begrenzen, geradewegs zuwiderlaufen.“

Die vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene Zielsetzung, Schulden zu begrenzen, gilt unverändert. Insofern bedarf es keiner Nachjustierung, wie die Linksfraktion.PDS in der Begründung ihres Antrages anführt. Eine Nachjustierung ist nach Auffassung der FDPFraktion eher im Sinne eines Neuverschuldungsverbotes, wie zuletzt von Staatsminister Flath gefordert, notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird den Antrag der Linksfraktion.PDS vor dem Hintergrund meiner Ausführungen ablehnen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Die erste Runde beschließt Frau Hermenau, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Dies ist wieder ein hochspezifisches, aber wichtiges Thema. Natürlich wollen nicht nur Sie, Frau Mattern, und die Kollegen von der PDS, dass mehr zukunftsfeste Investitionen in den Bereich Bildung und Forschung fließen. Das wollen hier viele, doch Ihr Antrag hilft dabei leider kein einziges Stück weiter. Er verhindert eigentlich das, was Sie hier vorgeben zu wollen.

Sie können doch die Staatsregierung nicht mit einem völlig unklaren Auftrag, was in Zukunft alles Investitionen sein sollen, nach Berlin zum Verhandeln schicken. Dieses Risiko würde ich an Ihrer Stelle nicht eingehen. Zum anderen: Wenn Sie die Verschuldungsfrage so elegant ausklammern, wie Sie es getan haben, indem Sie überhaupt nicht darauf eingehen – das ist auch eine Möglichkeit –, umschiffen Sie die Kernfrage aller öffentlichen Finanzen in Deutschland. Damit ist dieser Antrag völlig unzureichend; das geht überhaupt nicht.

Die Investitionen, so beklagen Sie, Frau Mattern, würden permanent zurückgehen, und deswegen wäre der Rahmen so klein geworden; das wäre das Problem. – Ja, warum gehen denn, bitte schön, öffentliche Investitionen zurück? Das ist doch keine Frage des zur Verfügung stehenden Geldes, sondern weil sehr viele Aufgaben immer mehr in den privaten Sektor verlagert werden und diese natürlich

in der Statistik nicht mehr bei den staatlichen Investitionen aufgeführt werden.

Inzwischen – dies sagt der Städtetag – ist die Hälfte aller kommunalen Investitionen, die in Deutschland getätigt werden, nicht mehr in der öffentlichen Statistik, da dies ausgegliederte oder privatisierte Betriebe sind. Das müssten Sie wissen, Sie haben, glaube ich, dem WOBAVerkauf auch zugestimmt. Vor diesem Hintergrund muss ich doch sehr darum bitten, sich genau anzuschauen, was man mit dem Investitionsbegriff eigentlich möchte. Wenn man möchte, dass zum Beispiel mehr in die Forschung fließt – dies halte ich auch für legitim –, dann muss man überprüfen, welche anderen Ausgaben man dafür in Zukunft nicht mehr unter „Investitionen“ fassen will. Man kann nicht den Begriff aufmachen und versuchen, noch mehr Geld ausgeben zu wollen, ohne zu klären, woher es kommen soll, sondern man muss im Zeiten knapper Kassen natürlich dafür sorgen, dass andere Bestandteile des Investitionsbegriffes aufgegeben werden.

Davon gibt es eine ganze Menge. Es gibt Empfehlungen der Rechnungshöfe. Diese haben sich im Mai 2004 zusammengesetzt – die Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof – und klargemacht, wo man im Bereich der Investitionen abschmelzen müsste, um eine wirksame Schuldenbegrenzung sicherzustellen. Zum Beispiel wird davon gesprochen, dass der Werteverzehr nicht berücksichtigt wird, was grundsätzlich zu bemängeln ist. Es wird davon gesprochen, dass der Erwerb von Übernahmebeteiligungen, die Vergabe von Darlehen und die Inanspruchnahme von Gewährleistungen nicht richtig abgebildet werden oder beispielsweise auch über die Frage, dass die Verkäufe von Unternehmensbeteiligungen nicht investitionsmindernd eingerechnet, also gegengerechnet werden. Die Pensionsverpflichtungen sind ebenfalls unberücksichtigt geblieben.

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingereicht, der Ihren überschreibt. Ich gebe gern zu, dass dies nicht elegant ist, das ist mir bewusst. Aber es ist Absicht. Eigentlich möchte ich dem Anliegen, das Sie hier vertreten haben, in die Funktion helfen. Ich möchte gern, dass wir uns im Haushaltsausschuss darüber unterhalten, wie man erreichen kann, dass der Investitionsbegriff modernisiert wird, ohne allerdings ausgeweitet zu werden.

Dazu gehört auch dieses WNA-Budget, ein wachstums- und nachhaltigkeitswirksames Ausgabenbudget. Das war ein Forschungsauftrag des Bundesministeriums der Finanzen. Er ging im Jahr 2002 an Michael Thöne von der Uni Köln. Darin ging es um die Qualität der öffentlichen Finanzen, und er hat dieses WNA-Budget entwickelt. Er hat sich die Kategorien noch einmal angeschaut und auf ihre Wachstums- und Nachhaltigkeitswirkung hin untersucht. – Sachinvestitionen: nicht eindeutig wachstumsfördernd. Bildung: recht eindeutig wachstumsfördernd. Staatliche Forschung und Entwicklung: schwach positiv. Familien- und Frauenpolitik: sehr schwach positiv. Gesundheitspolitik: nicht eindeutig.