Protocol of the Session on May 11, 2006

Selbstverständlich.

Bitte.

Danke. – Herr Kollege Morlok, ist Ihnen bekannt, dass in allen EULändern außer in Deutschland in den letzten zehn Jahren die Realeinkommen deutlich gestiegen sind? Nur in Deutschland ist das Realeinkommen in den letzten zehn Jahren gesunken. Damit hinkt aber Ihr Vergleich mit den 35 % Durchschnittslohn, weil in Deutschland die Löhne gesunken sind, künstlich niedrig gehalten werden und deshalb auch der Mindestlohn mehr sein muss als die 35 % vom Durchschnittslohn.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Porsch, es ist richtig, dass wir diese Entwicklung haben, die Sie beschrieben haben. Aber wenn Sie einmal nach den Ursachen fragen, dann kommt das eben daher, dass wir in Deutschland viele Jahre über unsere Verhältnisse gelebt haben, auch in der alten Bundesrepublik noch vor der Einheit. Das ist jetzt ganz einfach die Konsequenz aus dieser Entwicklung. Deswegen ist dieser Vergleich mit den 35 % sehr wohl angemessen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Selbst wenn Sie sich einmal den Spitzenreiter anschauen, liegt der in der Größenordnung von 55 %. Was Sie aber gerade hier mit acht Euro vorschlagen, sind 73 % des Durchschnittslohnes in Sachsen. Das zeigt einmal, wie verquer die Forderung ist, die Sie erheben.

Acht Euro sind 73 % von 10,93 Euro, das können Sie relativ einfach selbst ausrechnen. Das ist das Problem, welches wir bei dieser Debatte haben, und Herr Prof. Porsch, wenn Sie diese Vergleiche hinsichtlich der Wohlstandsentwicklung anstellen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Brangs.

Sie haben eben ausgeführt, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigen Löhnen und Beschäftigung besteht. Beim Beispiel Mindestlohn sagten Sie, dieser würde zum Abbau von Beschäftigung führen. Können Sie mir dann erklären, warum wir bei einem Tariflohn der Friseure von rund drei Euro arbeitslose Friseurinnen haben?

(Rico Gebhardt, Linksfraktion.PDS: Weil die Leute nicht so viel Geld haben, da hinzugehen!)

Es ist relativ einfach darzustellen. Das Friseurhandwerk ist eine Dienstleistung, die typischerweise „am Objekt“ erbracht wird, also hier vor Ort in Sachsen. Nun haben wir das Problem, dass die Nachfrage nach Friseurleistungen nicht unendlich steigt. Wenn

zum Beispiel das Bier günstiger wird, überlegt sich der Student, anstatt ein-, zwei- oder dreimal pro Woche in die Kneipe zu gehen, vielleicht jeden Abend in die Kneipe zu gehen.

(Allgemeine Unruhe)

Das heißt, bei einem günstigeren Bierpreis steigt die Nachfrage des Studenten nach Bier. Wenn aber – –

(Starke Unruhe und Heiterkeit)

Ich verstehe Ihre Aufgeregtheit nicht. Wissen Sie, das Problem in diesem Hause ist, dass Sie mir nicht zuhören und es deswegen nicht verstehen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie mir einmal zuhören würden – –

Ich darf um Ruhe bitten!

Herr Kollege Brangs, wenn man eine Zwischenfrage stellt, gehört es zum guten Stil, dass man sich die Antwort anhört und nicht nach der Fragestellung mit anderen Kollegen hier im Hause Tischgespräche führt.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte darum, dass die Zwischenrufe eingestellt werden!

Lassen Sie mich das Beispiel von Herrn Brangs wiederholen, damit er es nachvollziehen kann. Ich war bei einem Studenten und seiner Biernachfrage bei sinkenden Bierpreisen. Ich denke, alle, die an der Uni waren und studiert haben, können das Beispiel aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Wenn es billiger wird, kann man öfter Bier trinken gehen. Es ist jedoch die Frage – – Darf ich bitte die eine Frage beantworten, Herr Prof. Porsch, bevor Sie mir die nächste stellen? Das wäre sehr angenehm.

Ich darf um Ruhe bitten!

Überlegen wir uns noch einmal das Beispiel Friseure. Ihre Überlegung ist: Wenn der Preis für den Haarschnitt tief genug sinkt, geht die Bevölkerung nicht einmal im Monat oder einmal in der Woche, sondern jeden Tag zum Friseur. Das ist die Logik, die Sie haben.

(Leichte Heiterkeit)

Wir haben eine natürliche Angebotsgrenze, da irgendwann einmal der Bedarf an Haarschnitten in Sachsen gesättigt ist. – So viel zu Ihrer Frage.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? – Herr Prof. Porsch.

Herr Kollege Morlok, damit ich Ihr Beispiel mit dem Bier und dem Studenten richtig verarbeiten kann: Können Sie mir sagen, wann und in welcher Größenordnung in den letzten 40 Jahren in Deutschland das Bier billiger geworden ist?

(Uwe Leichsenring, NPD: Das Freibier ist gleich geblieben! – Heiterkeit)

Ich habe keine wissenschaftliche Erhebung zum Thema Bierpreis. Ich gehe einmal davon aus, dass der Bierpreis in den letzten Jahren – wie alle anderen Dinge – kontinuierlich angestiegen ist. Wenn ich jedoch berücksichtige, wie viel Prozent eines durchschnittlichen Einkommens der Bundesbürger für Bier ausgeben muss, denke ich einmal, dass der Anteil der Bierkosten an den Haushaltsausgaben in den letzten Jahren gesunken ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Unterschiedlich!)

Das ist eine Vermutung von mir, die ich aber jetzt nicht belegen kann. Dies hat jedoch hinsichtlich der Analyse auf die Frage von Herrn Brangs auch keinen Einfluss.

(Heinz Eggert, CDU: Der Bierpreis schwankt!)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Lieber Kollege, ich habe vor einiger Zeit mit der Landesinnung der Friseure zusammengesessen. Sie beschrieben mir, dass der Kurzhaarschnitt, Waschen, Legen, Fönen zwischen 15 und 20 Euro liegt, je nachdem, in welcher Region man sich befindet. Der Lohn liegt jedoch bei 3,80 Euro. Das heißt, das, was Sie gerade sagten, dass sozusagen die Preise in den Keller gehen müssten, damit mehr Beschäftigung entsteht, ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass die Menschen das Geld nicht mehr haben, um einen solchen Schnitt zu bezahlen.

(Heinz Eggert, CDU: Ist das die Frage?)

Ja, das ist richtig!

Meine Frage ist also: Sind Sie bereit zu akzeptieren, dass es einen Zusammenhang zwischen Tariflohn und Preisgestaltung gibt?

Es gibt selbstverständlich einen Zusammenhang zwischen Lohn und Preisgestaltung, da der Lohn, der je nach Tarifgebiet zu zahlen ist, natürlich in die Kalkulation der Preise einfließt. Wie Sie jedoch sicher bereits gemerkt haben, wenn Sie nicht nur mit den im Friseurhandwerk Tätigen sprechen, sondern auch zum Friseur gehen, wird die Friseur-Dienstleistung üblicherweise nicht auf der grünen Wiese auf dem Fußboden sitzend mit einer Schere erbracht, sondern in einem Friseursalon, für den eine gewisse Immobilie vorhanden sein und eine Miete gezahlt werden muss sowie Energiekosten anfallen. Auch diese Dinge sind einzubeziehen; und so kommt dieser Preis zustande, den wir alle beim Friseur bezahlen müssen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ich kann das hier noch länger ausdehnen. Die Frage ist, ob Sie alle hier im Hause die Geduld haben. – Gerne.

Bitte, Herr Patt.

Herr Morlok, können Sie wieder auf den Pfad der wirtschaftlichen Vernunft zurückführen, wenn Prof. Porsch richtigerweise vom verfügbaren Einkommen spricht, aber dummerweise die Lohnhöhe damit in Verbindung bringt? Könnten Sie also noch einmal den Zusammenhang zwischen verfügbarem Einkommen, Lohnhöhe, staatlichem Eingriff und staatlichem Abschöpfen, der Abgabenquote des Staates darstellen?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das kann ich gern noch einmal tun. Ich habe es in den vergangenen Debatten bereits häufig dargestellt. Das Problem ist, dass dem einzelnen Arbeitnehmer, der Friseuse, letztendlich von ihrem Bruttoverdienst sehr wenig übrig bleibt, da wir einen Großteil durch Steuern und Abgaben wieder wegnehmen. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das in der Tasche hätten, was ihnen der Arbeitgeber brutto auszahlen würde, müssten wir viele Diskussionen, die wir in diesem Hause haben, nicht mehr führen.

(Beifall bei der FDP)