Protocol of the Session on May 11, 2006

Dazu gehört auch dieses WNA-Budget, ein wachstums- und nachhaltigkeitswirksames Ausgabenbudget. Das war ein Forschungsauftrag des Bundesministeriums der Finanzen. Er ging im Jahr 2002 an Michael Thöne von der Uni Köln. Darin ging es um die Qualität der öffentlichen Finanzen, und er hat dieses WNA-Budget entwickelt. Er hat sich die Kategorien noch einmal angeschaut und auf ihre Wachstums- und Nachhaltigkeitswirkung hin untersucht. – Sachinvestitionen: nicht eindeutig wachstumsfördernd. Bildung: recht eindeutig wachstumsfördernd. Staatliche Forschung und Entwicklung: schwach positiv. Familien- und Frauenpolitik: sehr schwach positiv. Gesundheitspolitik: nicht eindeutig.

Es gibt also im Prinzip Maßstäbe, und Herr Ragnitz vom IWH hat sich für sein Gutachten, das er für das Thüringer Finanzministerium zur Verfügung gestellt hat, genau auf diese WNA-Konzeption von Thöne bezogen.

Ich finde es wichtig, dass man sich über solche Instrumente unterhält, genau überlegt, was man will, und danach in Berlin vorstellig wird, um zu klären, ob die anderen Bundesländer und der Bund dabei mitmachen wollen. Ansonsten hat man das Ziel wirklich verfehlt.

Wenn Ihnen unser Änderungsantrag nicht genehm ist, wie ich Ihren Worten entnommen habe, und Sie ihn als Ergänzungsantrag haben wollen – was nicht machbar ist –, dann können wir auch gern auf unseren Änderungsantrag verzichten und Ihren Antrag einfach ablehnen; das geht natürlich auch. Sie hätten eine Chance gehabt.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Das war die erste Runde der Abgeordneten. – Herr Weckesser für die einreichende Fraktion, die Linksfraktion.PDS, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es geahnt, dass es zum Schluss eine Gespensterdebatte geben wird. Natürlich, Frau Hermenau, ist nichts dagegen einzuwenden, dass jeder über das spricht, was ihm besonders am Herzen liegt: Herr Bolick über die SED, Herr Pecher über unseren Alternativhaushalt, Herr Schmalfuß über Schuldenreduzierung und Frau Hermenau selbstverständlich über den WOBA-Verkauf. – Alles legitim.

Ich habe herausgehört, dass die Eingangsthese von Frau Mattern so falsch doch nicht gewesen sein kann. Sie sagte nämlich, es bestehe inhaltlich in der Sache selbst bereits Einigkeit, dass etwas passieren müsse. Sie haben zum Schluss noch einmal auf Herrn Ragnitz und sein Gutachten hingewiesen. Er hat darin titelspezifisch aufgelistet, was er alles für machbar und eigentlich wichtig hält. Darüber müsste nun die Debatte stattfinden; das wäre eine ernsthafte Geschichte.

Nun ist es jedoch so, ich lese: Presseerklärung, basierend auf einem Interview unseres Ministerpräsidenten, der immerhin langjähriger Finanzminister war, und ich nehme ernst, was er sagt. Er macht dort – ich sage es vorsichtig und mit dem gebotenen Respekt – regelrecht Arbeitsverweigerung. Denn im Finanzplanungsrat wurde am 16. Februar 2006 – das ist noch gar nicht so lange her – unter Punkt 7 einstimmig beschlossen, dass genau diese Diskussion stattfinden muss. Damals hat Sachsen also zugestimmt. Davon kann ich doch ausgehen, oder? Und wenn Prof. Milbradt jetzt öffentlich sagt, dass er an dieser Diskussion kein Interesse habe, dass er sie für falsch halte und sie nicht führen werde, dann ist das im Grunde genommen geistige Arbeitsverweigerung.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Zurück zum Thema: Ich möchte mich – –

Herr Weckesser, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Immer, selbstverständlich!

Immer, gut.

Sie haben ja Recht. –

Das hört man gern.

(Zuruf von der SPD: Das war eine Feststellung!)

Aber wäre es nicht besser gewesen, wenn man das inhaltlich diskutieren will, das in einer Aktuellen Debatte oder in einer Ausschusssitzung zu diskutieren, statt es anhand eines fachlich falschen Antrages diskutieren zu wollen?

Herr Pecher, ich antworte sehr gern auf diese Frage und ich bin Ihnen sogar dankbar, weil Sie wieder auf ein Problem aufmerksam gemacht haben. Sie stellen mit richtiger Vehemenz in den Raum, dass es ein falscher Antrag sei. Gestatten Sie mir dann bitte die Aussage, dass ich diesen Antrag für richtig halte. Sonst hätten wir ihn nicht eingebracht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Pecher, mein einziges Problem ist folgendes: Diesen Antrag haben wir vor etwa anderthalb Jahren erdacht. Zur damaligen Wahlzeit hatten wir gedacht, dass wir das machen müssten. Dann gingen die Wahlen hier und auch in Berlin anders aus, sodass wir am Schluss mit unserem Ansatz ein bisschen komisch dastanden. Wir wollten einen Antrag einbringen, um den Herrn Ministerpräsidenten mit seinem Finanzminister in die Spur zu schicken, damit dieser im Bundesrat mit diesem Ziel vorstellig wird. Mit einem Mal war das nicht mehr nötig, denn die hiesige Mit-Ihrer-Hilfe-Mehrheit sitzt ja auch schon in Berlin mit in der dortigen Mit-Ihrer-Hilfe-Mehrheit. Daher müssten wir den Ministerpräsidenten eigentlich gar nicht auffordern, sondern er müsste es von sich aus tun.

Deshalb haben wir ein bisschen nachgedacht, uns dann aber doch entschieden, den Antrag trotzdem einzubringen und diese Debatte hier zu führen, weil wir der Meinung sind, dass das der Ort ist, an dem so etwas stattfinden muss. Das Parlament ist die Stätte der politischen Willensbildung. Diese Willensbildung kann nur anhand von Auseinandersetzungen stattfinden. Sie müssen uns dann sagen, dass unser Antrag schlecht ist, und Sie müssen begründen, warum er schlecht ist. Wir geben uns dann Mühe, das Gegenteil zu begründen.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Bitte.

Nur eine Nachfrage: Habe ich das richtig verstanden, dass es Ihnen mit diesem Antrag eigentlich nicht um den Inhalt ging, sondern darum, den Ministerpräsidenten zum Arbeiten zu zwingen?

Nein, nein! Herr Pecher, ich muss Ihnen da herzhaft widersprechen. Das, was ich hier „geistige Arbeitsverweigerung“ genannt habe, hat in den letzten drei, vier Tagen stattgefunden. Die Erklärung von Prof. Milbradt ist vom 8. Mai. Die Zustimmung im Planungsrat, sich damit zu beschäftigen, erfolgte am 16. Februar. Er hat also sozusagen erst gearbeitet und dann gesagt, er mache nicht mehr mit. Er wird seine Gründe haben.

Ich sage aber: Da sich alle dazu äußern, da das mit dem zu erwartenden Urteil zu Berlin zusammenhängt und da die Äußerungen von Prof. Böhmer aus Magdeburg auch in diesem Kontext zu sehen sind, hat sich etwas geändert, was wir damals noch nicht wissen konnten. Zumindest waren wir mit diesem Antrag nicht Trittbrettfahrer bei Böhmer und Milbradt. Es ist umgekehrt: Nachdem unser Antrag schon auf der Tagesordnung stand, kam wenige Tage später diese Erklärung, was mir heute sehr zupasse kommt. – Danke.

Jetzt will ich versuchen, meinen Faden wieder aufzunehmen. Also, das mit dem Herrn Ragnitz fand ich auch sehr spannend, weil Herr Ragnitz – Frau Hermenau, das wissen Sie ganz genau – von der sächsischen CDU als Experte in die Enquete-Kommission berufen wurde. Wenn er so etwas sagt, gehe ich davon aus, dass auch bei der CDU das eigentliche Nachdenken in diese Richtung geht und insofern die etwas drastischen Worte von Herrn Prof. Bolick vielleicht doch nicht so ernst gemeint sind. Ich bin nach wie vor guter Hoffnung, dass diese Debatte stattfinden wird.

Ich wollte nur noch eines sagen: Alles, was nun wiederum Herr Dr. Metz als Verantwortlicher für die Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag aufgeschrieben hat, ist völlig korrekt, wenn man es Wort für Wort liest, wenn man es sich juristisch anschaut, wenn man es mit den Urquellen vergleicht usw. Das Problem ist nur, dass das tatsächlich am Anliegen des Antrages vorbeigeht. Ich will nur ein paar Punkte nennen:

Ein Verbot der Neuverschuldung ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll, weil es Flexibilität in Situationen, in denen man möglicherweise zu ungewöhnlichen Kreditaufnahmen greifen muss, behindert, wenn nicht gar unmöglich macht. Deshalb sollte dort tatsächlich nicht ein Verbot her.

Es ist auch gar nicht nötig. Das zeigt doch das Beispiel Sachsen. Wir haben über Jahre hinweg eine Verschuldungspolitik, die weit entfernt ist von den theoretischen Grenzen, die es in Sachsen gibt. Ich habe das jetzt nicht genau im Kopf. Ich glaube, wir dürften eine Neuverschuldung von 3,5 Milliarden Euro eingehen. Wir liegen demnächst planmäßig bei 150 Millionen Euro und im Jahre 2008 bei 50 Millionen Euro. Dazwischen klaffen

also Welten. Insofern ist es nicht nötig, wenn der klare politische Wille vorhanden ist, das so zu handhaben.

Es ist doch unsinnig, so etwas zu machen. Wir haben gemeinsam in letzter Zeit wiederholt erlebt, mit wie wenig Krach es möglich war, sehr viel größere Summen aufzubringen, zum Beispiel die 300 Millionen Euro bei der Landesbank oder die Steuerausfälle, die im laufenden Geschäftsbetrieb kompensiert wurden, sodass solche Summen, wie sie jetzt noch als Restbeträge für die nächsten zwei Jahre in der Diskussion stehen, eigentlich kein Thema sein müssten.

Wenn wir also wollten, wenn hier der politische Wille vorhanden wäre, könnten wir jetzt schon sagen, dass der nächste Doppelhaushalt im Herbst ohne Neuverschuldung auskommen wird. Das geht nicht, weil die SPD nicht mitmacht. Dafür hat sie auch ihre Gründe. Das sehe ich ja ein. Aber zumindest gibt es keine sachlichen, sondern nur politische Gründe. Darauf wollte ich hinaus.

Und jetzt ganz zum Schluss: Die eigentlichen Probleme, über die wir reden müssten, liegen doch auf ganz anderen Ebenen. Wir hantieren mit Begriffen und Regularien, die aus einer Zeit mit völlig anderen Voraussetzungen stammen, aus einer Zeit mit Wirtschaftswachstum, aus einer Zeit mit Bevölkerungswachstum, aus einer Zeit, in der es um den Wiederaufbau nach dem Krieg ging, aus einer Zeit, in der die Wirtschaft im Wesentlichen tatsächlich nach diesen Mechanismen funktionierte, dass sozusagen mehr Verkehr zu mehr Wirtschaft führte, mehr Wirtschaft zu mehr Konsum usw. Diese Mechanismen funktionieren doch heute nicht mehr. Wir haben nicht mehr diesen klassischen Wirtschaftstyp und diesen direkten Zusammenhang.

Wir haben dazu – ich will das nur stichwortartig sagen – das Problem der Globalisierung, das es damals noch nicht gab. Es gibt einen Wirtschaftsaufschwung in völlig anderen Regionen der Welt, in völlig anderen Größenordnungen, von dem wir nicht oder nur indirekt profitieren. Wir haben, zumindest in unserem Verantwortungsgebiet, ein neues Problem: den demografischen Wandel mit Bevölkerungsrückgang usw. Wir haben einen neuen Wirtschaftstyp, wir haben Informations- und Kommunikationstechnologien als Hauptträger der Entwicklung mit sehr viel weniger Arbeitsplatzbedarf.

Was wir nicht haben, ist eine neue Sicht auf diese Dinge. Wir haben immer noch die alte Gläubigkeit an die schon lange nicht mehr funktionierenden Mechanismen. Darüber zu diskutieren war Anliegen unseres Antrages.

Ein letztes Wort: Frau Hermenau, bitte, ich weiß nicht, warum Sie gleich wieder so ein Geschäft vorschlagen müssen. Unser Vorschlag lautet: Wir finden Ihren Antrag gut, aber nicht als Ersetzung unseres Antrages; wir finden es besser, wenn unser Antrag stehen bleibt und Ihrer als zusätzlicher Antrag hinzukommt. – Wenn wir für beide die Mehrheit bekommen, ist das prima. Und wenn punktweise abgestimmt wird, können Sie abstimmen, wie Sie wollen. Aber wenn Sie hier vorschlagen, wir sollten unseren Antrag am besten zurückziehen, weil Sie nur

dann eine Chance für Ihren Antrag hätten, finde ich das einfach unredlich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das war die Eröffnung der zweiten Runde durch die einbringende Fraktion. Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Herr Prof. Bolick, bitte.

Herr Kollege Weckesser, erstens habe ich nicht nur über die SED gesprochen, aber das war doch ein schönes Beispiel dafür, dass Ihre Partei immer versucht, mit Definitionen die Welt zu ändern. Die SED hat eben versucht, mit der Definition der Produktivität die DDR zu verändern, indem sie allen und jeden Mist sozusagen als produktiven Bereich kreiert hat, und am Ende ist das System doch kaputt gegangen. Und so versuchen Sie jetzt, per Definition Probleme, die wir bei der Finanzierung mancher Haushaltspositionen sicherlich haben, zu ändern. Was brächte es uns denn, wenn wir den Investitionsbegriff ändern würden?

Es brächte uns keine Mark im Haushalt. Wir haben im Bildungshaushalt – das wurde schon mehrfach dargelegt – eine ganze Menge Geld und wir sind in Sachsen wirklich beispielhaft in vielen Bereichen. Also, dort die Definition zu verschieben bringt uns überhaupt nichts.

Auf einen zweiten grundsätzlichen Fehler, den Sie hier dargestellt haben, möchte ich Sie noch aufmerksam machen: Sie werfen den Investitionsbegriff aus dem Solidarpakt und den haushaltsrechtlichen Investitions- begriff durcheinander. Herr Böhmer spricht über den Investitionsbegriff im Solidarpakt und wir sprechen hier über das Haushaltsrecht. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, zu denen man sicherlich auch verschiedene Standpunkte beziehen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die Fraktionen, ob weiter allgemeiner Aussprachebedarf besteht. – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann hat die Staatsregierung durch Herrn Minister Flath angekündigt, dass sie sprechen möchte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich spreche in Vertretung von Horst Metz, Finanzminister, und was in seiner Rede steht, wurde im Wesentlichen alles durch die Abgeordneten der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion gesagt.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Mehr sagt Herr Metz nicht? Das glaube ich nicht.)