Protocol of the Session on April 7, 2006

(Lachen bei der NPD)

unsere Schienenwege, unsere Straßen und unsere Brücken den Menschen, unseren Kindern und zukünftigen Generationen dienen

(Alexander Delle, NPD: Schönes Erbe!)

und uns Konflikte für immer erspart bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Külow, bitte.

(Zuruf von der CDU)

Wer hat sich gerade diesen dümmlichen Zwischenruf erlaubt? Da kann ruhig jemand aus der Deckung gehen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es trägt schon makabre Züge, wenn ausgerechnet eine Partei, die offen und ungeniert revanchistische Ziele vertritt und geistig immer noch an der Ostfront verharrt, sich als vermeintlicher Friedensfreund und als Gralshüter des Völkerrechts geriert.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es geht gleich los, Herr Gansel.

Wie strategisch weit gesteckt die Eroberungsziele der NPD sind, hat ihr Fraktionsvorsitzender Holger Apfel in der von ihm herausgegebenen Festschrift zum 35. Jahrestag der NPD schon 1999 dankenswerterweise offen gelegt. Im Vorwort dieses Machwerks verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck: dass bis zum 50. Jahrestag der NPD im Jahre 2014 „die nationaldemokratischen Verbände wieder in den Provinzen jenseits von Oder und Neiße und im Sudetenland Fuß fassen werden.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört! Hört!)

Das ist natürlich nur durch den unverhüllten Bruch des Völkerrechts, dessen Einhaltung Herr Leichsenring gerade tönend beschworen hat, erreichbar. Das ist zugleich unverhohlene Kriegshetze gegen unsere tschechischen und polnischen Nachbarn. Auch dafür wird es künftig hier im Sächsischen Landtag keinerlei Platz geben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Angesichts dieser programmatischen Äußerung von Herrn Apfel sind die Aussagen von Herrn Leichsenring gerade nur als abgrundtiefe Heuchelei zu bezeichnen.

Man ist natürlich nicht vor Beifall von der falschen Seite gefeit, aber mich zum Kronzeugen Ihrer friedenspolitischen Trittbrettfahrerei zu machen, das verbitte ich mir in aller Entschiedenheit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Sie versuchen hier nur aufzuspringen. Es war ja bekanntlich die Linksfraktion, die als erste und zu Recht ihre Kritik an der Stationierung der NATO-Großflugzeuge artikuliert hat. Hier möchte ich Herrn Bolick doch eine kleine Nachhilfestunde geben, denn Sie haben hier gerade eine Menge Nebelkerzen geworfen. Es ist völlig klar, dass unsere damaligen Argumente im Laufe der Zeit noch an Brisanz gewonnen haben. Während Sachsen durch den Überflug von US-Kriegsflugzeugen im Jahr 2003 lediglich mittelbar am Irakkrieg beteiligt war, avisiert der Freistaat mit dem Flughafen Leipzig nunmehr unmittelbar zum handelnden Akteur, denn er verfügt jetzt über ein zentrales Logistikdrehkreuz für künftige Kriege. Das Ziel der NATO und EU, Lufttransporte von überschweren

militärischen Frachten sowie von Truppen in weltweite Krisengebiete, ist eindeutig interventionistisch, denn entsprechend der so genannten NATO Responce Force geht es schlichtweg darum, noch in diesem Jahr in der Lage zu sein, auch und gerade von Leipzig aus schwere Kampfausrüstungen und bis zu 21 000 Soldaten innerhalb von fünf Tagen an jeden Punkt der Erde zu verlegen.

Die nicht nur vom ehemaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer geradezu liebevoll gepflegte Werbebezeichnung „Interkontinentalflughafen“ erhält nunmehr eine ganz eigentümliche Deutung, ja, sie wird gewissermaßen konterkariert, denn der Normalbürger versteht ja darunter Flüge nach New York, Sydney, Tokio oder – für die CDUFraktion – nach Peking. Es werden unterdessen vom Flughafen Leipzig aus, in den bekanntlich Hunderte Millionen öffentliche Gelder geflossen sind, zwar interkontinentale Flüge starten, aber mangels ausreichender Nachfrage keine zivilen, sondern militärische. Damit mausert sich der selbst ernannte „Prototyp eines Multiports“ von einem ausschließlich zivilen Passagierflughafen zu einem militärischen Fracht- und Transportflughafen, der nach uns vorliegenden Informationen im angeblich zivilen Neubaubereich „New Cargo Area South“ ausdrücklich über eine militärische Operationsbasis verfügt. Möglicherweise heißt ja das erste interkontinentale Ziel, das demnächst von Leipzig angeflogen wird, Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.

Die militärische Umfunktionierung des Luftkreuzes Schkeuditz ist nach Auffassung der Linksfraktion.PDS ein klarer Bruch des 2+4-Vertrages an einer seiner sensibelsten Stellen, der Nicht-NATOfizierung des Beitrittsgebietes DDR. Die Angelegenheit wird nicht dadurch besser, dass der russische Partner diesen Vertragsbruch offenkundig stillschweigend duldet. Wir werden diese flagrante Verletzung des Völkerrechts, die zugleich eine Verletzung des Grundgesetzes ist und nicht zuletzt den Einstieg in die vollständige NATO-Militarisierung Ostdeutschlands verkörpert, nicht einfach hinnehmen. In Abstimmung mit der örtlichen Bürgerinitiative „IG Nachtflugverbot“ prüfen wir gegenwärtig sehr sorgfältig alle rechtlichen Möglichkeiten zur Einreichung einer entsprechenden Klage.

Mit unserem breit gefächerten Widerstand knüpfen wir ganz bewusst an sehr unterschiedliche friedenspolitische Traditionen in Leipzig an, wo seit vielen Jahren gegen militärischen Missbrauch Front gemacht wird. Ich erinnere nur an die Ablehnung der Kriegskredite durch die Leipziger Sozialdemokraten August Bebel und Wilhelm Liebknecht im Norddeutschen Reichstag 1870, an den Bau des Völkerschlachtdenkmals, das ja der CDU sehr am Herzen liegt, im Jahr 1913 als Antikriegsmahnmal der ersten großen Massenschlacht der neueren Geschichte und nicht zuletzt an das couragierte Auftreten von Carl von Ossietzky im Jahr 1931 vor dem Reichsgericht in Leipzig. Der damalige Chefredakteur der „Weltbühne“ wurde aufgrund eines Artikels über die heimliche Aufrüstung der Reichswehr, der bezeichnenderweise die Überschrift

„Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ trug, wegen Landesverrats zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Auch heutzutage gibt es viel Windiges in der deutschen, speziell in der sächsischen Luftfahrt zu registrieren. Deswegen tritt die Linkspartei auch künftig vehement gegen die Militarisierung des Leipziger Flughafens auf.

Wir appellieren zugleich an die anderen demokratischen Parteien hier im Landtag, an alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat, die guten Willens sind, sich für eine friedliche Entwicklung des Landes, der Region und der Stadt Leipzig sowie ohne Wenn und Aber für eine Respektierung des geltenden Völkerrechts einzusetzen. Wenn diesbezüglich weiterhin gegenteilig gehandelt wird – diesen Kassandraruf kann und will ich Ihnen am Ende meiner Rede nicht ersparen –, haben die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen möglicherweise schon in naher Zukunft schlimme Folgen zu tragen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Ganze einmal zu reduzieren: Worum geht es?

Es geht um zwei Großraumflugzeuge, die in Leipzig landen und starten und die dort noch nicht einmal beladen werden. Sie werden angemietet von einer zivilen Firma, und zwar angemietet von Salis, einer gemeinsamen Aktion der NATO und der EU zum Transport von Material, militärischem Material, ja, aber auch Materialtransport bei Hilfsgütern; wie es die Bundeswehr beispielsweise in Bosnien-Herzegowina oder in Afghanistan gemacht hat.

Einen Bruch des 2+4-Vertrages kann ich hier nicht entdecken, meine Damen und Herren. Das wird zwar behauptet, aber nicht weiter begründet.

Was macht die NPD daraus? Die NPD macht sofort hysterisch kreischend eine Riesengefahr aus und sieht Leipzig zum – wörtlich – „militärischen Drehkreuz“ ausgebaut. Meine Damen und Herren, seit wann hat die NPD etwas gegen Militär?

(Lachen bei der FDP – Uwe Leichsenring, NPD: Gegen fremdes Militär!)

Ich behaupte einmal: Wenn in Leipzig eine 75 Jahre alte JU 52 der Legion Condor landen würde, würden Sie fähnchenschwenkend am Rollfeld stehen.

(Lachen und Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie beklagen eine völkerrechtswidrige Militarisierung Mitteldeutschlands, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Das lässt sich wirklich nur noch als Verschwörungsfantasie bezeichnen. Sie leiden unter extremen Wahrneh

mungsstörungen. Wo sehen Sie bei zwei Flugzeugen eine völkerrechtswidrige Militarisierung Mitteldeutschlands?

(Lachen des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Meine Damen und Herren, wenn es Gefahren für den Frieden gibt, die von Sachsen ausgehen und vor allen Dingen Sachsen drohen, dann würde ich mich eher einmal um 1 900 gewaltbereite Neonazis kümmern, die laut Verfassungsschutzbericht in diesem Land vorhanden sind.

(Beifall bei der FDP, der SPD und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE – Uwe Leichsenring, NPD: Die sind harmlos gegen Sie!)

Meine Damen und Herren! Mit der Nummer outen Sie sich wirklich als reichlich paranoid.

Der Linksfraktion.PDS, Herr Külow, kann ich es auch nicht ersparen zu sagen: Sie müssen da ausgerechnet aufgeregt noch aufspringen, wenn einer von diesen typischen „Seht-her-wir-sind-paranoid-Anträgen“ kommt. Dann stellen Sie sich hintendran und wettern ebenfalls unter Berufung auf die langjährigen Traditionen Ihrer Partei in der Friedenspolitik

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

gegen die Militarisierung. Wenn Sie wissen wollen, wie Militarisierung aussieht, dann erinnern Sie sich doch bitte einfach einmal an den Wehrkundeunterricht und die vormilitärische Ausbildung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Genau deswegen!)

Genau deswegen kann ich Ihnen nur zurufen: Auch Weltfriedensfreund Külow – weggetreten!

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. – Wird nicht gewünscht.