Protocol of the Session on April 6, 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr als drei Jahrzehnten sinken in Deutschland die Geburtenzahlen. Seit der Wende gehen diese auch in Sachsen immer stärker zurück. Die Folgen sind klar: Die Anzahl der Deutschen wird immer kleiner. Gleichzeitig werden die Menschen immer älter.

Die Ursache dieser Entwicklung ist eine völlig verfehlte Familienpolitik der etablierten politischen Kräfte. Bundesweit werden nach dem Gießkannenprinzip jährlich weit über 100 Milliarden Euro für die Familien ausgegeben, ohne dass jedoch ein geburtensteigernder Effekt feststellbar wäre. Ganz im Gegenteil, im letzten Jahr lag die Zahl der lebend Geborenen in Deutschland nochmals unter allen bisherigen Negativrekorden. 2004 waren es 706 000 Lebendgeburten. 2005 waren es nur noch 676 000.

Über die Auswirkungen dieser Entwicklung für unser Sozialsystem muss längst nicht mehr theoretisiert werden. Der Zusammenbruch steht unmittelbar bevor. In Sachsen lässt er sich ziemlich genau auf das Jahr 2020 festmachen, wenn weitere 500 000 bis 600 000 Menschen durch fehlende Kinder und Abwanderung verschwunden sein werden. Der Freistaat Sachsen ist spätestens dann endgültig bankrott. Bundesweit sieht es nicht anders aus. Wenn ab 2020 aufgrund des nicht mehr vorhandenen Nachwuchses annähernd auf jeden Rentner nur noch gut ein Beitragszahler kommt, ist es mit dem bundesdeutschen Sozialsystem endgültig vorbei.

Die etablierte Politik, die dafür verantwortlich ist, steht dem sich abzeichnenden Zusammenbruch völlig hilflos gegenüber. Niemand hat den Mut, die Probleme anzupacken. Dabei ist der Gebärstreik, also diese Geburtenverweigerung, nicht allein die Folge schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse. Es bedarf – das wurde gestern bereits oft angesprochen – eines völligen Wertewandels, um Kinder als etwas Erstrebenswertes, als das Wesentliche überhaupt im Leben eines Menschen in den Vordergrund zu stellen.

In der BRD ist der Wunsch zur Familiengründung und zum Kinderhaben das Problem. 30 % aller Frauen in Deutschland bekommen gar keine Kinder. 42 % aller Akademikerinnen entscheiden sich dagegen. Ich weiß nicht, ob das so modern ist, Frau Schütz. Statistisch ist die Zahl der Kinderlosen in Deutschland nicht nur doppelt so

hoch wie beispielsweise in Frankreich, sondern sogar absolute Weltspitze.

Wie jüngst in einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach deutlich wurde, ist die hohe Zahl der Kinderlosen vor allem darauf zurückzuführen, dass junge Menschen ihren Kinderwunsch immer wieder hinausschieben und dann doch nicht mehr realisieren. Nach der Studie des Instituts denken viele Deutsche erst Ende 20 an Nachwuchs. Aber bereits mit Anfang 30 geht der Kinderwunsch dann wieder drastisch zurück.

Der nackte Systemzwang lässt dabei viele auf eine Familie mit Kindern verzichten. Die vom Liberalkapitalismus geforderten Kriterien wie Mobilität, Flexibilität, Ungebundenheit usw. stehen den familiären Erfordernissen entgegen. Wenn der Arbeitsmarkt es verlangt, soll der Produktionsfaktor Mensch seine gesamte Lebenswelt austauschen. Dabei sehen die ökonomischen Optimierungsmodelle, nach denen sich die Menschen in der BRD richten sollen, Familie und Kinder im Grunde gar nicht mehr vor.

Hier muss der Staat entschieden gegensteuern und mit allen Mitteln die frühzeitige Familiengründung und das Kinderhaben begünstigen. Die DDR war mit ihren eindeutig geburtenfördernden Maßnahmen, die zu einem erheblichen Teil von den Nationalsozialisten übernommen wurden, innerhalb kürzester Zeit erfolgreich. Nach dem Pillenknick wurde 1971 und 1972 eine familienfreundliche Politik beschlossen, in deren Mittelpunkt der Ehekredit stand. Das führte schon 1975 zu einem sprunghaften Wiederanstieg der Geburten auf das Reproduktionsniveau. Die Geburtenrate in der alten Bundesrepublik sackte gleichzeitig ins Bodenlose ab.

Meine Damen und Herren! Wenn ein demografischer Prozess ein Vierteljahrhundert in die falsche Richtung läuft, dauert es ein Dreivierteljahrhundert, ihn wieder zu stoppen. Das ist bekannt. Natürlich ist das eine gewaltige Hypothek für jeden Versuch einer Trendwende.

Wir Nationaldemokraten wollen uns nicht der Verantwortung für den Fortbestand unseres Volkes entziehen und nur in Legislaturperioden denken. Wenn die Grundstimmung in einer Gesellschaft von Pessimismus, Schuldbewusstsein und Zukunftsangst geprägt ist, braucht man sich nicht zu wundern, wenn immer weniger junge Familien den Mut zum Kind finden.

Was uns in Deutschland außer den dringend erforderlichen finanziellen Mitteln für eine großzügige Familienpolitik vor allem fehlt, ist eine gesellschaftliche Grundstimmung, die Herausforderungen annimmt und die wieder den Willen für eine aktive Zukunftsgestaltung hat. Was die Etablierten hier versäumt haben, wiegt mindestens ebenso schwer wie konkrete politische Versäumnisse.

Wie die von uns bereits vorgestellten bevölkerungspolitischen Instrumente, das Müttergehalt und die Kinderrente, ist auch der Ehekredit ein geeignetes Mittel, dem Bevölkerungsverlust entgegenzuwirken und den Trend

kurzfristig umzukehren. Dass dies möglich ist, haben die historischen Erfahrungen ja gezeigt.

Frau Staatsministerin Orosz hat gestern verkündet, dass Sachsen das familienfreundlichste Land werden soll. Liebe Frau Orosz – obwohl sie gerade nicht da ist –, unser Ehekredit könnte ohne weiteres auf Landesebene realisiert werden. Das hat auch das Land Thüringen erkannt, das den Ehekredit im Rahmen einer familienpolitischen Initiative einführen will. Hier sollte unser Freistaat nicht nachstehen.

Wir bitten deshalb nochmals um Annahme unseres Antrages. Da Ihnen das vermutlich aus Ignoranz gegenüber unserer Partei nicht möglich sein wird, werden wir natürlich auch die Koalition unterstützen, wenn sie, wie es anscheinend so üblich wird, unseren Antrag später einmal erneut einbringt.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es den Wunsch seitens der Fraktionen, noch weiter an der allgemeinen Aussprache teilzunehmen? – Dann frage ich die Staatsministerin. – Nein. Wir kommen damit zum Schlusswort. Die NPD-Fraktion; Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz kurz ein paar Worte. Frau Schütz ist leider hinausgegangen.

(Kristin Schütz, FDP: Hier!)

Ach, sehr schön. Ich wusste nicht, dass Sie die Fraktion gewechselt haben.

Unser Familienbild ist in der Tat ein anderes, da haben Sie schon Recht. Dass Sie das nach mehreren Monaten, die wir hier im Hause sind, immer noch wundert, ist natürlich erstaunlich. Vielleicht ist es ja auch gar nicht richtig, was wir sagen. Das kann ja möglich sein. Dass die Politik, die Sie als Etablierte machen, schädlich ist, das ist bewiesen. Das ist offensichtlich, das sieht man an der Geburtenrate. Ich sage nicht, dass wir den Stein der Weisen gefunden haben. Aber dass der Weg, den Sie beschreiten, der falsche ist, das ist offensichtlich.

Wir sind der Meinung, dass es keine materiellen Gründe geben darf, sich gegen Kind und Familien zu entscheiden. Natürlich ist das, was wir heute vorstellen, nur ein ganz kleines Mosaiksteinchen in dem ganzen Ensemble, das man bilden muss, um familienfreundlich sein zu können. Aber der erste Schritt muss einmal getan werden. Ich dachte eigentlich nach der Erklärung von Frau Ministerin Orosz gestern, dass da doch schon ein anderes Bewusstsein herrschen würde.

Wie gesagt, das ist der dritte Antrag in diese Richtung nach Müttergehalt und Kinderrente. Irgendwann muss man einmal den ersten Schritt gehen und anfangen. Sie bieten ja gar nichts an. Sie machen es sich sehr leicht, Frau Schütz. Sie stellen sich hier her und sagen, das geht nicht, dieses geht nicht und jenes geht nicht. Aber wie Sie

es anders machen wollen, habe ich von Ihnen überhaupt noch nicht gehört.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Bei Herrn Westerwelle geht es nicht!)

Ja, bei Herrn Westerwelle geht es nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Das war das Schlusswort, meine Damen und Herren. Damit kommen

wir zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/4281 zur Abstimmung. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Pro-Stimmen und keinen Stimmenthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit des Hauses abgelehnt worden. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Exzellenzinitiative weiter unterstützen – Sächsische Hochschulen stärken

Drucksache 4/4772, Antrag der Fraktion der FDP

Herr Dr. Schmalfuß von der FDP-Fraktion beginnt die Aussprache. Dann kommt die gewohnte Reihenfolge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Exzellenzinitiative bietet dem Freistaat Sachsen und im Speziellen für die sächsischen Hochschulen zahlreiche Chancen und Möglichkeiten, die im Interesse des Wissenschaftsstandortes Sachsen auszunutzen sind. Die Initiative bietet erstmalig die Möglichkeit, monetäre Anreize für die Schaffung von Wettbewerbsstrukturen an deutschen Hochschulen zu setzen.

Der finanzielle Rahmen besteht in der außerordentlich hohen Förderung von 1,9 Milliarden Euro, finanzielle Mittel, die für einen weiteren konkurrenzfähigen Ausbau des Wissenschaftsstandortes Sachsen von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Universitäten sind im Rahmen der Initiative angehalten, ihre Kompetenzen zu profilieren und sich auf ihre eigenen Stärken zu konzentrieren. Nur die leistungsfähigsten und innovativsten deutschen Hochschulen werden durch die Exzellenzinitiative gefördert.

Sächsische Wachstumskerne wie zum Beispiel die Automobilindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Mikrosystemtechnik benötigen nicht nur finanzielle Unterstützung. Sie werden in Zukunft verstärkt entsprechende Fachkräfte und Spezialisten brauchen. Gerade diese akademischen Leistungsträger sind es, die der Freistaat Sachsen benötigt, um einer der führenden Forschungs- und Wissenschaftsstandorte in Europa zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die akademischen Nachwuchskräfte sowie deren Kenntnisse und Fähigkeiten von sächsischen Hochschulen kommen.

Im Rahmen der ersten Ausschreibungsrunde der Exzellenzinitiative hat die gemeinsame Kommission von Deutscher Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat am 20. Januar 2006 entschieden, welche Projekte aufgefordert werden, entsprechende Vollanträge einzureichen.

Das Ergebnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, für den Wissenschaftsstandort Sachsen ist ernüchternd gewesen. Leider hat es keine der sächsischen Universitäten geschafft, sich im Rahmen der Exzellenzinitiative als Eliteuniversität zu profilieren. Außerordentlich anerkennenswert ist, dass die Technische Universität Dresden und die Universität Leipzig als einzige ostdeutsche Universitäten es geschafft haben, sich in den ersten beiden Förderrichtlinien für den nächsten Schritt der Exzellenzinitiative zu qualifizieren. Die Technische Universität Dresden konnte sich für eine Förderung in den Bereichen der Exzellenzcluster von „Zellen zur Gewebebehandlung“ und der Graduiertenschulen, dem internationalen Graduiertenkolleg für Biomedizin und Bauengineering Dresden, engagieren und auszeichnen, die Universität Leipzig mit dem Exzellenzcluster „Moleküle und Zellen für die Geweberegeneration“.

Sehr geehrte Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich im Namen der FDP-Fraktion den beteiligten Mitarbeitern und Studenten beider Universitäten zu diesem ersten Teilerfolg gratulieren.

(Beifall bei der FDP)

Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion verfolgt zwei Zielsetzungen.

1. Die FDP-Fraktion spricht sich für eine Fortführung der Unterstützung beim weiteren Vorgehen bei den ersten beiden Förderlinien der Graduiertenschulen und der Exzellenzcluster aus. Dazu gehören verbindliche Zusagen zur langfristigen Hochschulfinanzierung und zur künftigen Ausgestaltung des Sächsischen Hochschulgesetzes. Als ein konkretes Beispiel sei hier die finanzielle Absicherung der Graduiertenförderung genannt.

2. Der Antrag verfolgt die Absicht, sich für eine Unterstützung bei der zweiten Ausschreibungsrunde der dritten Förderlinie im Bereich der universitären Spitzenforschung zu bewerben. Diese zweite Bewerbungschance ermöglicht es den sächsischen Hochschulen, aus dem Abschneiden der ersten Runde zu lernen. Die Ausschreibung dieser

zweiten Runde findet in diesem Monat statt. Bis zum 9. Juni 2006 müssen die sächsischen Hochschulen ihre Absichtserklärung einreichen. Die Staatsregierung selbst geht davon aus, dass sich alle vier sächsischen Universitäten an der zweiten Ausschreibungsrunde beteiligen. Vergleiche auch die Drucksache des Sächsischen Landtags 4/4111.

Sehr geehrte Damen und Herren! Setzen Sie mit Ihrer Zustimmung zum Antrag der FDP-Fraktion den sächsischen Hochschulen ein Zeichen, dass Ihnen der Hochschul- und Wissenschaftsstandort Sachsen wichtig ist und Sie dessen Bedeutung für die weitere Entwicklung Sachsens richtig einschätzen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.