Protocol of the Session on April 5, 2006

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN hat noch Redezeit. Frau Hermenau, 5 Minuten und 23 Sekunden.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Punktgenau!)

Sie schaffen das.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bild aus der Werbung mit dem erfolgreichen kleinen Familienunternehmen, das Sie heute Morgen bemüht haben und auf das Frau Nicolaus eingegangen ist, hat ein paar Schönheitsfehler, zum Beispiel dass keine Betriebsrenten gezahlt werden und dass Frauen nun einmal kein Produktivvermögen sind. Das wissen Sie auch. Ich habe Ihrer Rede zugehört. Aber ich möchte ganz deutlich sagen: Wir erwarten von einer guten Familienpolitik in Sachsen, dass sie Lebensentwürfe nicht unterschiedlich bewertet und klassifiziert.

Was ist mit dem Drittel Männer, das sich entscheidet, kinderlos zu bleiben? Danach kräht kein Hahn – auch nicht parteipolitisch. Was ist mit anderen Menschen? Jedes siebente Paar in Deutschland bleibt kinderlos, und zwar ungewollt. Was ist mit den Menschen, die keine Kinder kriegen können? Ich will ganz deutlich sagen, dass man schnell in gefährliche Fahrwasser kommt, wenn man denkt, es liegt einzig und allein daran, dass junge Frauen oder junge Männer der Meinung sind, sie wollten in den Gebärstreik treten. Ich denke, so kann man sich dem Thema nicht nähern. Sie haben versucht, diesen Balanceakt zu machen. Ich habe das verstanden und wahrgenommen und biete Ihnen gern Gespräche dazu an. Das sage ich ganz offen.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass zum Beispiel bei Umfragen unter jungen Leuten 49 % der jungen Männer sagen, sie wollen sich keine zwei Jahrzehnte lange Verantwortung an die Beine binden. Es sind aber nur 25 % der Frauen.

(Heinz Lehmann, CDU: Zwei Jahrzehnte reichen nicht aus!)

Es gibt schon Unterschiede und es sind demografisch bedingte Veränderungen eingetreten. Wir haben viel längere Lebensphasen im Rahmen eines längeren Lebens. Wo, bitte schön, ist dann die Vielfalt der Lebensentwürfe, und wie, bitte schön, wird sie von einem Staat ermöglicht

und unterstützt? Das ist die Frage, die wir uns heute stellen müssen. Ich neige dabei in keiner Weise zu Katastrophismus, sondern ich denke, dass wir nach dem Jahrhundert der Emanzipation jetzt ein Jahrhundert betreten, in der die Kooperation der Geschlechter entweder stattfinden wird oder aber sie haben eine Abstimmung mit den Füßen; denn dies ist ein freies Land. Frauen können wie Männer wählen, wo sie wohnen und ob sie Eltern werden wollen. Sie tun das auch.

Was ist denn das größte demografische Problem im Rahmen der Abwanderung? Es sind junge potenzielle Mütter, die abwandern, weil ihnen das Land Sachsen nicht genügend Möglichkeiten bietet, ein Leben zu entwickeln, wie sie es gerne führen möchten. Also muss man das ernst nehmen. Die Rolle der Frau verändert sich. Wer das bisher immer gern nach hinten geschoben hat und der Meinung ist, das bekommt man mit ein paar Erinnerungen an vergangene Jahrhunderte wieder in den Griff, dem kann ich nur deutlich sagen: Die Frauen werden sich das nicht bieten lassen. Wer Sachsen zu einem guten Platz für Familie machen möchte, der muss Sachsen auch zu einem guten Platz für Frauen machen, und das fehlt!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Es geht nicht darum, zum Frauentag einen selbst gehäkelten Topflappen geschenkt zu bekommen. Das kann nicht der Punkt sein.

(Heiterkeit)

Das Sicherheitsbedürfnis von Frauen in der Elternschaft, in der Mutterphase, ist natürlich da. Junge Männer neigen dazu, sich dem zu verweigern, weil sie sich in der schwierig gewordenen Welt nicht mehr so zurechtfinden und sich diese Verantwortung für zwei Jahrzehnte nicht zutrauen. Das ist mein Eindruck.

(Volker Bandmann, CDU: Zwei Jahrzehnte reichen nicht!)

Dann steht die Frage, inwieweit wir finanziell unterstützen können. Aber es werden auch andere Modelle entstehen können. Vielleicht werden sich mehrere Frauen zusammenschließen und gemeinsam Kinder großziehen, weil ihnen das zuverlässiger vorkommt. Vielleicht gibt es in Mehrgenerationenhäusern die Möglichkeit, dass sich Ältere um die Kinder kümmern, wenn die Frauen arbeiten gehen. Ich denke, die Vielfalt der Lebensformen und was da alles möglich sein wird ist noch gar nicht endgültig absehbar. Wir gehen natürlich davon aus, dass eine Familie mehr sein kann als Blutsverwandtschaft, nämlich ein Zusammenschluss von Individuen, die füreinander Verantwortung übernehmen – mögen sie verwandt sein oder nicht. Das ist mehr als die Schicksalsgemeinschaft, in die man hineingeboren wird und die vielleicht auch nicht jedem gut bekommt.

Wenn Sie wissen wollen, wie man das ermöglichen kann, Frau Orosz, betrachten Sie doch einmal Länder, in denen mehr Kinder geboren werden und auch ein Industriezeit

alter herrscht. In Schweden zum Beispiel ist es so, dass für jede Mutter automatisch 33 Wochenstunden als Vollzeitstelle angerechnet werden, auch Gehalt und Rentenbeiträge betreffend. Das sollte man sich einmal durch den Kopf gehen lassen. In Holland sind 25 % aller Männer in Teilzeitarbeit, weil man dort die sozialen Sicherungssysteme von der Lohnentwicklung abgekoppelt hat. Es ist für die Männer keine Renteneinbuße, wenn sie in Teilzeit arbeiten. Also müssen wir in dieser Richtung denken: beim Neuzuschnitt der Geldleistungen, bei der Zeitpolitik in der Elternphase und bei der Infrastrukturpolitik. In eine Straßenbahn, in die eine Oma kommt, kommt auch eine Mutter mit Kinderwagen leicht hinein. Das sollte man bedenken.

Wir haben uns den Spaß gemacht, die Kinder pro Fraktion im Sächsischen Landtag im Durchschnitt zu berechnen. Die Union ist mit ihrem klassischen Familienmodell mit 2,1 Kindern pro MdL Spitzenreiter. Die SPD hat einen sehr hohen Durchschnitt wegen Herrn Dulig: 1,8,

(Heiterkeit)

die PDS 1,6. Wir sind bei 1,5. Die bisher genannten Fraktionen liegen alle über dem deutschen Durchschnitt von 1,3. Die FDP hat 0,7

(Holger Zastrow, FDP: Das kommt noch!)

und die NPD hat 0,6. Die großen familienpolitischen Dampfplauderer – ihr hier drüben – haben es zu der geringsten Kinderquote gebracht. Aber immer schön über die Familie erzählen!

Wir warten das alles in Ruhe ab. Ich denke, es kommt darauf an, verschiedene Lebensformen zu ermutigen. Das ist das Entscheidende in der Politik!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP – Uwe Leichsenring, NPD: Wenn man Sie sieht, kann einem alles vergehen!)

Die CDU-Fraktion möchte gern noch etwas von der Redezeit nutzen. Frau Abg. Nicolaus, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hermenau, Sie haben echt zur Erheiterung beigetragen. Diese Analyse – ich werde sie noch einmal nachlesen – ist natürlich fantastisch.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Es ist viel vom veränderten Rollenbild der Frau gesprochen worden. Eines muss man feststellen: Kinder bekommen immer noch die Frauen. Als Mutter gesprochen, bin ich sehr stolz darauf, dass wir das tun können und wollen. Wir wollen das gar nicht an die Männer abgeben. Dann könnten die ja alles, was wir auch können.

Wir sollten bestimmte Dinge noch einmal reflektieren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist hier oft in den Mund genommen worden. Wenn es danach ginge, müssten wir in Sachsen einen Geburtenboom haben; denn

wir sind dabei Vorbild. Es gibt flexible Öffnungszeiten der Kindertagesstätten. Zusätzlich haben wir Tagesmütter, deren Angebote wahrgenommen werden können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS:... und eine hohe Frauenarbeitslosigkeit!)

Dies wird vielfach von den Unternehmen genutzt. Es sind die Betriebskindertagesstätten zu benennen, die wir mit befördert haben

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wie viele haben Sie zugemacht nach der Wende?)

und die in weiteren Unternehmen angesiedelt werden.

Wir müssen noch eines reflektieren: Es ist nicht so, dass die Frauen früher nie gearbeitet haben. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat: dieses glückliche Bild der Familie, in der die Mama zu Hause sitzt und die Kinder hütet. Man kann niemanden verhöhnen, der einen solchen Weg wählt. Wer sich dazu bekennt, zu Hause zu sein und diesen Weg wählt – ob Mutter oder Vater –, verdient höchste Anerkennung.

Ich habe von früheren Biografien gesprochen. Das ist hier überhaupt nicht beleuchtet worden. Früher – das ist auch eingebracht worden – war es in den Bauernfamilien gang und gäbe, dass die Bäuerinnen mitgearbeitet haben. Die Kinder sind mitgenommen worden. In Bäckereien und vielen anderen Betrieben war es selbstverständlich, dass die Frauen mitgearbeitet haben. Es hat auch niemand negativ beleuchtet.

Sicherlich haben sich die Dinge verändert und müssen angepasst werden. Aber ich möchte mich noch einmal ausdrücklich dagegen verwehren, dass wir nur mit Geld allein mehr Geburten und mehr Familienfreundlichkeit hier erzeugen können. Sicherlich kann dies mit Geld geschehen. Ich stehe zu dem außerordentlich guten System der Kindertagesstätten, aber es bewegt nicht ausschließlich die Dinge vorwärts. Wir werden daran noch feilen müssen. Das ist keine Frage. Wir als Freistaat Sachsen haben hier zuvorderst etwas bewegt und sind Spitzenreiter in Bildung und Betreuung.

Wir werden noch viele Dinge initiieren müssen, um generell junge Frauen hier zu halten. Ich teile Ihre Meinung, Frau Hermenau. Es steht außer Frage, dass junge Frauen den Freistaat verlassen, weil sie eine Ausbildung in den Altbundesländern wahrnehmen müssen und bei uns keine erhalten, oder Eltern bzw. Ehepaare gemeinsam weggehen, weil sie woanders Arbeit haben. Man zieht der Arbeit nach. Wenn es nur um die flexiblen Angebote der Betreuung gehen würde und dies das Gros wäre, würden sie hier bleiben. Aber die Arbeit ist das Gros, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran müssen wir feilen. Auch das ist ein ganzes Stück Familienpolitik. Deshalb haben – Gott sei Dank – fast alle Redner gesagt, dass Familienpolitik eine Querschnittsaufgabe ist, die wir weiter vorantreiben müssen.

Zuvorderst ist es wichtig, Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen. Schauen wir auf Irland: Dort hatte man eine sehr

(Beifall bei der CDU) niedrige Geburtenrate. Es gab einen wirtschaftlichen Boom und jetzt ist ein Kinderboom zu verzeichnen. Das müssen wir uns vor Augen halten, sodass wir in allen Politikbereichen, auch in diesem Hohen Hause, viele Dinge diskutieren sollten. 1. Vizepräsidentin Regina Schulz: Zu guter Letzt frage ich noch einmal die Staatsregierung. – Sie möchte nicht noch einmal sprechen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Regierungserklärung beendet. Ich kann den Tagesordnungspunkt schließen. Es sind viele junge Leute da. Es gibt eine Studie, die aussagt, dass die meisten jungen Leute das traditionelle Familienbild zuvorderst vor ihren Augen haben und dieses auch leben wollen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir an dieser Stelle die Mittagspause einlegen. Wir treffen uns wieder 13:50 Uhr. (Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

(Unterbrechung 12:52 Uhr bis 13:50 Uhr) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bündeln wir die Kräfte und ermöglichen das diesen jungen Leuten. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treten wieder in unsere Tagesordnung ein. Ich rufe auf Danke.

Tagesordnungspunkt 2

2. Lesung der Entwürfe

Gesetz zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben zur akustischen Wohnraumüberwachung

Drucksache 4/2859, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 4/4795, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen

Drucksache 4/2884, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP