Protocol of the Session on April 5, 2006

Aber eines werden Sie nicht in Abrede stellen können: dass auch Sie als PDS die Gelegenheit hatten, dem Tisch demokratisch Ihre Position vorzutragen. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel: Drei Jahre vorher, im Jahr 1988, wäre das vom Alleinherrschaftsanspruch der SED her niemals möglich gewesen.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die CDU war dabei!)

So viel dazu.

Herr Bartl, Sie wissen, dass wir auch in den Pausen sehr hart miteinander gesprochen haben.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Wir haben uns ganz bewusst getrennt an die Tische gesetzt, sodass nicht immer nur Vertreter der CDU zusammengesessen haben. Wir haben alle miteinander gesprochen, jeder hatte die Gelegenheit, entsprechend seinem Wahlergebnis fair an der Verfassung mitzuarbeiten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Jetzt sage ich Ihnen aber etwas, was an und für sich nicht hierher gehört: Sie haben uns vorgeworfen, die Änderung des Grundgesetzes hätte in den letzten Jahren zu über 60 Änderungen geführt. Ist das ein Maßstab für die Sächsische Verfassung? – Die Begründung müssen Sie noch liefern.

Was die Bundesversammlung angeht, muss ich Ihnen deutlich sagen: Wir sächsischen Abgeordneten im Sächsischen Landtag haben die Gelegenheit, die Mitglieder, die der Freistaat Sachsen in die Bundesversammlung entsendet, zu wählen. Wir haben keine Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, wenn andere Länder Personen schicken, die sicherlich in der Zeit vor 1945 etwas anderes getan haben.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Ist bloß Ihre Partei!)

Den Vorwurf – –

Frau Abg. Ernst, man kann den Mitgliedern des Sächsischen Landtags nicht das vorwerfen, was ein anderes deutsches Land gemacht hat.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: CDU!)

Die Bundesversammlung, Frau Präsidentin, steht im Übrigen im Zusammenhang mit der Änderung der Sächsischen Verfassung auch nicht zur Debatte.

(Beifall bei der CDU – Uwe Leichsenring, NPD: Sie können sich ja mal distanzieren!)

Ich distanziere mich

(Uwe Leichsenring, NPD: Machen Sie das !)

von Leuten, die während des Nationalsozialismus dafür gesorgt haben, dass nicht nur Ausländer zu Tode gekommen sind, dass auch Deutsche zu einer Vielzahl schlichtweg meuchelmörderisch zu Tode gekommen sind. Richter, die hier in Deutschland geblieben sind, die nicht an der Front waren und nicht gefroren, nicht gehungert haben, werden von mir nur Verachtung erfahren, wenn sie in dieser Zeit deutsche Menschen zum Tode verurteilt haben, die wollten, dass der Krieg beendet wird.

(Zuruf des Abg. Uwe Leichsenring, NPD)

Ganz klare Meinung auch zu einem Richter, der in der Bundesversammlung gewesen ist.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bleiben bei der rechtspolitischen Auffassung: Die Sächsische Verfassung sollte nicht geändert werden. Wir haben das hier deutlich vorgetragen und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Grundsätzen folgen und der Sächsischen Verfassung auch den geschichtlichen Hintergrund bewahren, den uns die zahlreichen Opfer seit dem Jahr 1933 bis 1945 und von 1945 bis 1989 mit auf den Weg gegeben haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wird von den Fraktionen jetzt noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung – Herr Minister Dr. Buttolo, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich spreche im Namen meines Kollegen Mackenroth.

Mit dem Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf soll die Sächsische Verfassung zum ersten Mal geändert werden. Der Gesetzentwurf würde, wenn Sie ihm folgten, nach

meiner festen Überzeugung unser sächsisches „Grundgesetz“ aber nicht ändern, sondern er würde es in seinem Wesen verändern.

Warum? Lassen Sie mich hierzu kurz ausführen. Wir sollten nicht vergessen: Die Verfassung des Freistaates Sachsen ist Ergebnis und Produkt der friedlichen Revolution des Herbstes 1989. Die am 26. Mai 1992 vom Sächsischen Landtag verabschiedete Verfassung hat ihre Wurzeln in der Bürgerbewegung, in der Dresdner Gruppe der 20, die aus einer von den Sicherheitskräften bedrohten Polizeidemonstration am 8. Oktober 1989 hervorging.

Mitglieder der Gruppe fanden sich in der Arbeitsgruppe wieder, die den Gohrischer Verfassungsentwurf erarbeitete. Nach langen Diskussionen in Klausurtagungen des Verfassungs- und Rechtsausschusses wurde der Verfassungsentwurf schließlich in den Sächsischen Landtag eingebracht. Der erste Justizminister des Freistaates Sachsen, MdL Steffen Heitmann, hat deshalb zu Recht von der Sächsischen Verfassung als einer verrechtlichten Revolution gesprochen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Er stand hinter der Gardine, als es losging!)

Ziel des PDS-Antrages ist es, die Verfassung von ihren Wurzeln aus dem Jahr 1989 zu trennen. Für eine Änderung unserer Verfassung besteht keinerlei Notwendigkeit. Der Gesetzentwurf will der Vergangenheitsbewältigung dienende Maßnahmen dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterwerfen. Dies hat die Verfassung bereits berücksichtigt.

Die Artikel 118 und 119 knüpfen nicht allein an eine Tätigkeit für das MfS an. Ein solcher Automatismus besteht nicht. Vielmehr verlangen die Vorschriften zusätzlich, dass deshalb die fortdauernde Innehabung von Amt oder Mandat untragbar ist. Es handelt sich also gerade nicht um eine pauschale Beurteilung, sondern um eine einzelfallbezogene Entscheidung.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Die Vorschriften ermöglichen es, auch im Rahmen der Abwägung die Entscheidung des Bundesgesetzgebers im Stasi-Unterlagen-Gesetz zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst einem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nach dem 28. Dezember 2006 grundsätzlich nicht mehr vorgeworfen werden kann.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Es besteht deshalb keine Notwendigkeit für eine Verfassungsänderung. Ein politisch verheerendes Signal wäre es, die Bezugnahme auf die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft im Artikel 116 aus dem Verfassungstext zu streichen.

Entsprechende Debatten haben wir lange geführt. Wir müssen uns weiter zu unserer Verantwortung bekennen –

auch und gerade in unserem sächsischen Grundgesetz. Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf nicht zu folgen.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Enrico Bräunig, SPD, und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. Aufgerufen ist das Gesetz zur Aufhebung der Übergangsbestimmungen der Sächsischen Verfassung und zur Änderung weiterer Gesetze, Drucksache 4/0090, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS.

Wir stimmen über den Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS ab. Ich beginne mit der Überschrift. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe die Drucksache 4/4868 auf. Das ist der Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS. Ich möchte gern zu den Artikeln 1 bis 3, 5 bis 18 und 22, soweit der Änderungsantrag redaktionelle Änderungen betrifft, die Abstimmung durchführen und die Nr. 10 dann extra behandeln. Wäre das so in Ihrem Sinne; denn das sind alles redaktionelle Dinge?

Wir sind damit einverstanden.

Gut. – Dann stimmen wir jetzt über die Drucksache 4/4868, über die redaktionellen Änderungen, ab. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Stimmenthaltung und einigen Stimmen dafür ist dieser Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Artikel 1, Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen, auf. Das sind die Nrn. 1 bis 9. Ich möchte über diese abstimmen lassen. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür sind die Nrn. 1 bis 9 abgelehnt.

Ich rufe die Nr. 10 auf. Hier liegt der Änderungsantrag noch einmal in der Drucksache 4/4868 zur Nr. 1d des Änderungsantrages Linksfraktion.PDS vor.

Wir wollten ursprünglich mit dem Gesetzentwurf, dass diese allgemein als Wiedergutmachungsgrundsatz gedachte Vorschrift aus den Übergangsbestimmungen in den stetigen Teil der Verfassung übernommen wird. Wir wollten gern, dass in dem Kontext nicht nur die Problematik nationalsozialistischer und antikommunistischer Gewaltherrschaft stehen bleibt, sondern dass gegen jede Form von staatlicher Gewalt und Diktatur die Problematik und das Recht der Wiedergutmachung der Bürger gilt.

Wir sind im Verfassungs- und Rechtsausschuss durch die Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf aufmerksam gemacht

worden, dass eine solche Änderung im Artikel 116 mit der Maßgabe, die beiden Begriffskategorien herauszunehmen, dazu führen könnte, dass man diesen – wie man meint auch aus Sicht derer, die uns zu Überlegungen Anlass gaben – antifaschistischen, antinationalsozialistischen Impetus verletzen könnte. Wir haben uns daraufhin entschieden, davon abzusehen und die entsprechende Sache zu ändern. Der Wiedergutmachungsartikel soll also im bisherigen Wortlaut an der Stelle der Schlussbestimmungen bleiben, obwohl wir ihn gern im stetigen Teil gesehen hätten.

Wird noch einmal zu diesem Änderungsantrag das Wort vonseiten der Fraktionen gewünscht? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.

Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/4868 zu Nr. 10 abstimmen. Wer möchte zustimmen? – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt 3 Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür. Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.