Protocol of the Session on March 17, 2006

Korrekt. Aber Sie waren der Sprecher Ihrer Fraktion.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

Wir stimmen jetzt, nachdem eine Rücküberweisung, die die einreichende Fraktion begehrt hat, gescheitert ist, namentlich über den Antrag als solchen ab.

Ich bitte Sie um ein wenig Geduld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namentliche Abstimmung in der 44. Sitzung am 17.03.2006 über die Drucksache 4/4266, beginnend mit dem Buchstaben A.

(Namentliche Abstimmung – siehe Anlage 2)

Befindet sich ein Abgeordneter im Raum, dessen Name nicht aufgerufen wurde?

(Kurze Unterbrechung)

Meine Damen und Herren! Das Endergebnis liegt vor. Wir haben soeben über die Drucksache 4/4266 abgestimmt. Für diesen Antrag haben 8 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 80 Abgeordnete gestimmt. Es gab eine Enthaltung. Damit ist dieser Antrag abgelehnt und dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 5

Hochschullastenausgleich zwischen den Bundesländern

Drucksache 4/4367, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich vermute, dass Herr Dr. Gerstenberg den Antrag einbringen wird.

Während Herr Dr. Gerstenberg auf dem Wege ist, möchte ich Ihnen mitteilen, damit wir nicht erst Nachfragen haben, dass die verantwortliche Staatsministerin Frau Ludwig nicht nur Staatsministerin für Hochschule und Wissenschaft ist, sondern auch für Kunst und Kultur und sich zurzeit zur Beisetzung des Schriftstellers Jurij Brezan in der Lausitz befindet.

Herr Gerstenberg, bitte.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß natürlich, dass Sie alle am Ende einer langen, anstrengenden Plenarwoche gern nach Hause wollen, aber ich bitte Sie trotzdem noch einmal um Aufmerksamkeit für ein wichtiges Anliegen.

Die Hochschulen in Deutschland stehen vor einem Problem, aber vor einem höchst erfreulichen. Die Zahl der Studierenden wird wachsen. Der Wissenschaftsrat prognostiziert ausgehend von derzeit knapp zwei Millionen Studierenden zwischen 400 000 und 700 000 zusätzliche Studentinnen und Studenten, je nach Studienanfängerquote, bis zum Jahr 2012. Wir alle wissen, dass aufgrund des demografischen Wandels dieser Zuwachs nicht alle Regionen Deutschlands betreffen wird. Für Sachsen zeichnet sich eine gegenläufige Tendenz ab. Die Zahl der sächsischen Abiturientinnen und Abiturienten wird von knapp 18 000 in diesem Jahr auf 7 900 im Jahre 2013 sinken. Ähnlich wird sich die Zahl der Studienanfänger entwickeln.

Würden diese Zahlen auf die Kapazitäten der sächsischen Hochschulen umgelegt, dann müsste die Zahl der Studienplätze von derzeit 107 000 auf etwa 50 000 reduziert werden. Spätestens mit Auslaufen der derzeitigen Hochschulvereinbarung im Jahre 2010 stünden neuerliche massive Stellenstreichungen und Einsparungen auf der Tagesordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle können dieses Szenario nicht wollen, und das aus mehreren Gründen. Die sächsischen Hochschulen haben mittlerweile eine hohe Attraktivität und eine anerkannte Leistungsstärke erreicht, auch wenn es unbestritten noch Potenziale gibt. Für die sächsischen Hochschulstädte sind ihre Universitäten, Fachhochschulen und Kunsthochschulen ein unverzichtbarer kultureller und ökonomischer Motor geworden. Sie sind einer der Gründe, warum junge Menschen nach Sachsen kommen, junge Menschen, die oft hier bleiben und Familien gründen wollen.

Diese große Chance, Hochschule und Wissenschaft als Zuwanderungsmotor zu begreifen, wird meines Erachtens in der oft zu defensiv geführten Demografiedebatte viel

zu wenig beachtet. Eine Schwächung der sächsischen Hochschulen würde aber nicht nur diese Chance zunichte machen, sie hätte darüber hinaus angesichts des absehbaren Fachkräftemangels unmittelbar negative Konsequenzen für die sächsische Wirtschaft.

Vor dem Hintergrund dieser von mir geschilderten gegenläufigen Tendenzen setzt unser Antrag zu einem Hochschullastenausgleich zwischen den Bundesländern an. Die Grundidee ist in der Tat nicht neu und sie hat ihren Beweggrund in einer grundsätzlichen Schieflage der Hochschulfinanzierung in Deutschland. Die Lasten der universitären Ausbildung sind von Bundesland zu Bundesland höchst ungleich verteilt. Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, aber auch Flächenstaaten wie Sachsen oder Rheinland-Pfalz bilden weit mehr Studierende aus, als sie es angesichts der Zahl ihrer Landeskinder mit Abitur müssten. Zugleich sparen Länder wie BadenWürttemberg oder Niedersachsen auf Kosten der anderen. In Geld ausgedrückt, gibt Berlin etwa 300 Millionen Euro jährlich zu viel aus und Niedersachsen 200 Millionen Euro zu wenig.

Im Zuge der Exzellenzinitiative hat diese ungleiche Lastenverteilung eine neuen, unangenehmen Beigeschmack bekommen: Die auffällige Häufigkeit von Exzellenz in Baden-Württemberg wurzelt nicht nur im unbestrittenen Erfindungsgeist der Menschen im Ländle, sondern wohl auch in den finanziellen Reserven, die für die Forschung durch Einsparung der Lehre mobilisiert werden konnten.

Herr Dr. Gerstenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Clemen, CDUFraktion.

Vielen Dank. – Herr Dr. Gerstenberg, ist Ihnen bekannt, dass Niedersachsen aufgrund dieser Situation gerade die Mittel für den Hochschulbereich in starkem Maße aufgestockt hat?

Es ist höchst erfreulich, wenn die Mittel für den Hochschulbereich aufgestockt werden. Das wäre auch in Sachsen ganz dringend notwendig. Das ändert aber nichts daran, dass weiterhin Studierende aus Niedersachsen in andere Länder, auch nach Sachsen gehen und dort mitfinanziert werden. Ich denke, an dieser Situation sollte man dringend etwas ändern.

Diese Befunde zeigen sehr deutlich, dass das derzeitige System der Hochschulfinanzierung eine Fehlsteuerung zur Folge hat. Es setzt eher Anreize zum Studienplatzab

bau als zur Ausweitung von Kapazitäten. Schlechte Aussichten also für die eingangs erwähnten zusätzlichen 700 000 Studierenden. Schlechte Aussichten aber auch dafür, dass Deutschland zumindest den europäischen Durchschnitt beim Anteil akademischer Abschlüsse in einem Jahrgang erreicht.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen mit unserem Antrag dieser unbefriedigenden Situation ein einfaches, faires und wettbewerbsorientiertes Modell entgegen: Jedes Bundesland übernimmt für seine Abiturientinnen und Abiturienten die Studienkosten und überweist diesen Betrag an das Bundesland, in dem sein Landeskind studiert. Der Bund übernimmt diese Kosten für die Studierenden mit ausländischem Abitur. Bund und Länder einigen sich dazu auf die Höhe der fachspezifischen Kosten, die sich von den Geisteswissenschaften bis zur Medizin stark unterscheiden.

Ein Einstieg in dieses System müsste sich realistischerweise auf die Studienanfänger beschränken. Für Sachsen könnten sich aber bereits in diesem Fall zusätzliche Einnahmen in Höhe von 18 Millionen Euro ergeben. Das alles ist keine graue Theorie, sondern greift das Prinzip der interkantonalen Universitätsvereinbarung auf, die im föderalen Hochschulsystem der Schweiz seit 1997 bestens funktioniert.

Es war die GRÜNEN-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, welche im Jahr 2004 die Übertragung dieses Systems auf Deutschland vorgeschlagen hat. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Zöllner hat es unter dem Namen „Vorteilsausgleich“ nach dem Studiengebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts vor reichlich einem Jahr in die politische Diskussion eingebracht. Dieser Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt, denn mit der Einführung von Studiengebühren in einzelnen Ländern werden Wanderungsbewegungen von Studienanfängern und Studierenden hin zu gebührenfreien Hochschulen erwartet. Dann droht die seit Langem schief liegende Hochschulfinanzierung endgültig zu kippen.

Bei gründlichem Nachdenken wird deutlich, dass ein solcher Hochschullastenausgleich im Interesse aller Bundesländer liegen müsste, nicht zuletzt auch im Interesse derjenigen, die Studiengebühren einführen wollen. Wer das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Studiengebühren studiert, der liest nicht nur, dass die Länderzuständigkeit für das Hochschulwesen eindeutig gestärkt worden ist, er liest zugleich, dass das Bundesverfassungsgericht, salopp gesagt, formuliert hat: Die Bundesfeuerwehr darf in dieser Angelegenheit erst dann ausrücken, wenn es brennt. – Vor einem Jahr hat es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht gebrannt.

Aber wenn die Länder der Bundesrepublik Deutschland jetzt auf eine einvernehmliche Neuregelung verzichten, wenn es zu weiteren Verschiebungen durch Einführung von Studiengebühren und zu Wanderungsbewegungen kommt, wenn Landeskinderregelungen versucht werden, die möglicherweise verfassungswidrig sind, dann könnte

genau dieser Flächenbrand eintreten, der den Bund zum Handeln zwingt.

Für die Bundesländer und ihre Hochschulen entsteht mit der Umsetzung dieses Modells eine völlig neue Situation. Sie müssen an neuen und zusätzlichen Studierenden interessiert sein, denn der Wettbewerb um Studierende lohnt sich dann auch finanziell für sie. Sie haben zugleich Anreize, gute Bedingungen im Umfeld der Hochschulen zu schaffen und die Qualität der Lehre zu verbessern. Für Sachsen mit seinen attraktiven Hochschulstädten und seiner leistungsfähigen Wissenschaftslandschaft ergibt sich dadurch die große Chance, als Gewinner aus dem schwierigen demografischen Wandel hervorzugehen.

Wir haben es deshalb sehr begrüßt, dass zeitgleich mit der Veröffentlichung unseres Antrages Herr Ministerpräsident Milbradt die Idee des Lastenausgleichs unterstützt hat. Noch mehr freue ich mich allerdings, dass Staatsministerin Ludwig gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Zöllner vorgestern der Kultusministerkonferenz bereits ein konkretes Konzept dazu vorgelegt hat. Ich sage jetzt, am Ende der Woche, etwas salopp: Wenn dieses Umsetzungstempo grüner Ideen auch beim Hochschulgesetz beibehalten wird, dann ist mir um die Zukunft der sächsischen Hochschulen nicht mehr bange.

Aber bleiben wir beim Hochschullastenausgleich. Die Staatsministerin steht jetzt vor dem schwierigen Vorhaben, dieses Modell in der Kultusministerkonferenz durchzusetzen. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie sich noch energischer als bisher dafür einsetzt und vor allem stärker in der Öffentlichkeit dafür wirbt. Wir unterstützen Ministerin Ludwig gern dabei und wir erwarten deshalb auch heute eine allgemeine Rückenstärkung durch den Sächsischen Landtag.

Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Dr. Wöller, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Maße, wie die Bedeutung von Wissenschaft, Hochschule und Forschung für unsere Zukunft steigt, rücken auch die Fragen der Finanzierung in den Mittelpunkt. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Studentenzahlen bundesweit steigen, dass sie sich allerdings unterschiedlich auf die einzelnen Bundesländer verteilen.

Richtig ist: Sachsen ist ein Importland. Wir nehmen Studenten maßgeblich von anderen Ländern auf. Eine Importquote von 15 % an unseren Universitätsstandorten zeigt, dass wir hier eine sehr hoch qualifizierte Bildungs- und Wissenschaftslandschaft haben, die auch anderswo sehr geschätzt wird. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Gerstenberg, dass Sie im Rahmen dieser Debatte darauf hingewiesen haben. Das kommt manchmal in diesem Hohen Hause zu kurz.

Allerdings ist das Bild ein sehr unterschiedliches. Während im Westen die Studentenzahlen für einen längeren Zeitraum steigen werden, zeichnet sich im Osten ein anderes Bild ab. Wir haben zwar steigende Studentenzahlen bis etwa 2008/2009, aber dann wird unweigerlich auch hier die demografische Entwicklung zuschlagen und es wird zu einem Sinken der Studentenzahlen kommen.

Was allerdings ist die nähere Ursache für das Steigen der Studentenzahlen im Westen? – Darauf möchte ich gern näher eingehen, weil das mit der bildungspolitischen Diskussion zu tun hat.

Gestatten Sie vorher noch eine Zwischenfrage?

Gleich. Ich würde das gern zu Ende führen wollen. – Meine Damen und Herren, es hat maßgeblich damit zu tun, dass die westlichen Bundesländer ein neues Schulsystem einführen, und zwar ein Schulsystem, das sich bereits in Sachsen sehr bewährt hat, nämlich unser sächsisches Abitur nach zwölf Jahren. Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, das Saarland, Hessen, Nordrhein-Westfalen, MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Hamburg – und jetzt auch Brandenburg – werden das Abitur nach zwölf Jahren einführen oder sind bereits dabei. Das ist ein großer Erfolg unserer Schulpolitik.

Ich möchte hier noch einmal meiner Fraktion ganz herzlich danken, nicht zuletzt dem Sprecher Thomas Colditz, der das seit 1990 macht, herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU)