Protocol of the Session on March 15, 2006

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Dies zeigt eines überdeutlich: Die freiwillige Preisgabe von Selbstbestimmungsrecht und Selbstverantwortung, die Aufgabe des eigenen Gewissens zugunsten einer vergesellschafteten Moral, das sind die Steigbügelhalter des Extremismus. Ein freier, selbstbewusster und selbstverantwortlicher Bürger ist für den politischen Extremismus kaum anfällig. Deshalb ist es Aufgabe von Staat und Gesellschaft und auch jedes verantwortungsbewussten Bürgers, Eigenverantwortung und Selbstbestimmungswillen zu stärken.

Wir müssen das Bewusstsein fördern, dass nicht irgendein Gesetz der Geschichte oder irgendeine obskure Macht für die Entwicklung unserer Gesellschaft verantwortlich ist, sondern wir, jede Bürgerin, jeder Bürger.

Die staatlichen Institutionen in Sachsen kommen ihrer Verantwortung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus auf vielfältige Weise nach. Sie widmen sich nachhaltig der Aufgabe, rechtsextremistische Bestrebungen und Aktivitäten zu erkennen und dort, wo möglich, gegenzusteuern. Auf ministerieller Ebene besteht bereits seit mehreren Jahren eine interministerielle Arbeitsgruppe gegen Gewalt und Extremismus der Ressorts Inneres, Justiz, Soziales und Kultus. Sie koordiniert Projekte und landesweite Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und Extremismus.

Ein weiteres Beispiel für behördenübergreifende Präventionsmaßnahmen ist die Erarbeitung des Medienpakets „Wölfe im Schafspelz“. Hieran haben die Polizeien von

Bund und Ländern gemeinsam mit den Verfassungsschutzbehörden, Schulen und weiteren Kooperationspartnern gearbeitet. Neben einer Handreichung mit methodisch-didaktischen Hinweisen und einer Dokumentation über Rechtsextremismus für Pädagogen ist darin der Spielfilm „Platzangst“ enthalten. Er wendet sich insbesondere an Schüler der 6. bis 9. Klassen. Für die Verteilung an Schulen stehen in Sachsen zirka 800 Exemplare des Medienpakets zur Verfügung.

Ferner wird die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus von staatlichen Einrichtungen fortgesetzt. So unterstützt das Landesamt für Verfassungsschutz die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut zum Beispiel durch seine Beteiligung an der Lehrerfortbildung. Neben der Schulung dieser Multiplikatoren erfolgt die Information und Aufklärung über aktuelle Entwicklungen und Tendenzen durch Broschüren und die multimediale Ausstellung „In guter Verfassung“.

Darüber hinaus werden Präventionsmaßnahmen und andere zivilgesellschaftliche Initiativen durch das Landesamt für Verfassungsschutz begleitet.

Selbstverständlich ist auch die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung in diesem Bereich sehr aktiv. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung hat die Aufgabe, die politische Bildung im Freistaat Sachsen zu fördern und zu vertiefen. Sie dient der Festigung und Verbreitung des Gedankenguts der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Seit Jahren gehört die Auseinandersetzung mit dem Extremismus, insbesondere dem Rechtsextremismus, zum Standardprogramm der Landeszentrale.

Insbesondere werden nachfolgende Veranstaltungen durch die Landeszentrale angeboten: Inhaltliche Auseinandersetzungen mit rechtsextremistischen Parolen unter Beachtung der Schwerpunkte Toleranz, Vorurteile, Manipulation, kulturelle Identität, Ausländer in Deutschland, Flucht und Asyl.

Es geht weiter: Argumentationstraining gegen rechtsextremistische Parolen oder Rechtsextremismus im Internet.

Ich könnte noch eine ganze Reihe von Punkten benennen, die von der Landeszentrale bearbeitet und angeboten werden.

Auf kommunaler Ebene werden auf Anregung der Staatsregierung 62 kriminalpräventive Gremien gebildet. Entsprechend den örtlichen Gegebenheiten bilden sie inhaltliche Schwerpunkte im Kampf gegen den Extremismus. Dazu werden Bürger und private Einrichtungen für eine aktive Beteiligung und Mitwirkung in der kommunalen Präventionsarbeit angeworben und in entsprechende Themen- und Aufgabenbereiche eingebunden.

Auch die Polizei bekämpft im Rahmen ihrer Verantwortung aktiv rechtsextremistische Umtriebe.

Ich möchte aber an dieser Stelle einen weiteren Aspekt der Bekämpfung des Rechtsextremismus nennen, der mir persönlich besonders wichtig ist. Auch künftig werden wir

alle aussteigewilligen Rechtsextremisten auf ihrem Weg aus der Szene unterstützen. Ihnen werden wir alle notwendige Hilfestellung geben.

(Beifall der Abg. Martin Dulig, SPD, und Antje Hermenau, GRÜNE)

Abschließend möchte ich nochmals hervorheben: Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ist nicht die alleinige Aufgabe des Staates. Die Bekämpfung jeder Art von Extremismus ist vielmehr die Aufgabe einer breiten gesellschaftlichen Basis und jedes Einzelnen. Hier sind alle Verantwortungsträger und Bürger gleichermaßen angesprochen. Die wachsende Bereitschaft der Menschen, sich an der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu beteiligen, ermutigt mich zu der Einschätzung, dass der Rechtsextremismus in Sachsen überwunden wird. Dies wird vor allem deshalb geschehen, weil im Bewusstsein aller Demokraten die freiheitlich-demokratische Grundordnung fest verankert ist.

Betrachten Sie es bitte nicht als leere, wohlfeile Worte, wenn ich betone: Demokratie braucht unsere Entschlossenheit. Sie muss jeden Tag neu erstritten werden. Demokratie ist nicht statisch. Sie muss fortwährend von innen aufgebaut und erneuert werden. Dabei kommt es auf jeden Einzelnen von uns an. Beherzigen wir dies – davon bin ich tief überzeugt –, dann haben wir eine Chance, dass der Rechtsextremismus wie jeder andere politische Extremismus auch über kurz oder lang bedeutungslos wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Die einreichenden Fraktionen haben die Gelegenheit zum Schlusswort. Herr Abg. Dulig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gelassenheit, die die NPD-Fraktion für sich in Anspruch genommen hat, hat man ja hier wirklich gut erkannt und gut gesehen. Ich kann mir vorstellen, wie es aussieht, wenn Sie nicht gelassen sind; wahrscheinlich so, wie Herr Leichsenring, der bezogen auf den Hinweis von Kollegin Köditz auf den Bombenbauer, der bei Ihnen beschäftigt ist, hineinrief: „Den brauchen wir noch!“

Das, was Sie hier versuchen, diese Wolf-im-SchafspelzMentalität, diese Verschwörungstheorie „Wir, die Armen, wir, die Verfolgten, wir, denen man immer nur Böses will“, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Das hat diese Debatte hier gezeigt.

Ich bin dankbar, dass über alle demokratischen Fraktionen hinweg hierzu ein einmütiges Bekenntnis gekommen ist. Deshalb bitte ich auch um Zustimmung zu unserem Antrag.

Ich will im Vorgriff auf den Änderungsantrag, der gekommen ist, noch einmal den Hinweis geben, dass es ein Ziel von Sachsen sein muss, weiterhin Bundesmittel für die Projekte zu erhalten. Wir haben in den letzten Jahren über fünf Millionen Euro dank solcher Programme wie Civitas und Entimon nach Sachsen geholt. Dank des Landesprogramms war es auch möglich, diese Projekte zu kofinanzieren. Dementsprechend unterstützen wir den Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, weiterhin auf Bundesmittel zurückzugreifen. Wir werden diesen annehmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 4/4141 zur Abstimmung. Dazu liegt uns ein Änderungsantrag vor. Dieser kann jetzt eingebracht werden. Herr Lichdi für die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich bin auch sehr dankbar, dass wir hier wohl sehr einmütig diesen Antrag beschließen können. Ich denke, wir müssen noch auf die aktuelle politische Debattenlage in Berlin eingehen.

Pressemeldungen zufolge plant die neue Bundesregierung die Programme weiterzuführen, was wir sehr begrüßen, aber andererseits dort auch die Themen Islamismus und Linksextremismus mit aufzunehmen. Wir möchten jetzt nicht in eine Debatte darüber eintreten, inwieweit das sinnvoll und machbar ist.

Es bleibt aus unserer Sicht auf jeden Fall die Bedrohung, die Mittel gegen den Rechtsextremismus zu kürzen. Ich denke, wir haben jahrelang dafür gekämpft, dass die Mittel, die der Bund für Sachsen zur Verfügung stellt, hier kofinanziert werden. Es wäre ganz schlecht, wenn wir in dem Moment, da Sachsen endlich und zum Glück dieses Programm hat und durchfinanziert, so sang- und klanglos auf die Gelder aus Berlin verzichten.

Ich schaue auch manchmal in die Zeitung, und da lese ich: Herr de Maizière, unser Mann in Berlin; Herr Tiefensee, unser Mann in Berlin. Ich denke, da können wir auch erwarten, dass von dort ein Einsatz kommt. Deshalb bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Dazu gibt es Redebedarf am Mikrofon 2; Herr Dulig.

Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Ausweitung der Bundesprogramme geht es darum, dass die Strukturprojekte, die in den benannten Programmen Civitas und Entimon festgeschrieben sind, fortgeführt werden. Dazu gibt es einen einmütigen Willen auch in der Koalition in Berlin, die dies nicht nur im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, sondern in den laufenden Koalitionsverhandlungen inzwischen einen

Aufwuchs an Mitteln zur Verfügung stellt, damit es keinen Abbruch gibt. Deshalb können wir dieses Ansinnen unterstützen.

Gibt es weitere Redewünsche? – Dies kann ich nicht erkennen. Dann, meine Damen und Herren, kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag. Er liegt Ihnen in der Drucksache 4/4631 vor. Ich frage nach den DafürStimmen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei

einigen Gegenstimmen ist der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN angenommen worden.

Nun stelle ich den Antrag Drucksache 4/4141 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einigen Gegenstimmen ist der Antrag in Drucksache 4/4141 beschlossen. Wir können damit den Tagesordnungspunkt 11 beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12

Sächsisches Programm für Arbeit und Beschäftigung unter den Bedingungen des SGB II

Drucksache 4/4253, Antrag der Linksfraktion.PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde wird sein: der Staatsminister, Linksfraktion.PDS als Einreicherin, danach CDU, SPD, NPD, FDP und die GRÜNEN. Ich erteile der Staatsregierung das Wort; Herr Staatsminister Jurk.

(Unruhe)

Keine Aufregung, es ist alles mit der Geschäftsordnung vereinbart. Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich als Erster sprechen möchte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Diskussion zur Bilanz der Wirkung der so genannten Hartz-Arbeitsmarktreform für Sachsen habe ich am 24. Januar 2006 in der 39. Sitzung des Sächsischen Landtages bereits erklärt, dass wir die Möglichkeiten des Europäischen Sozialfonds umfassend nutzen wollen, und zwar so, dass sie immer im Interesse der Betroffenen handhabbar sind.

In der Ihnen schriftlich vorliegenden Antwort habe ich angekündigt, dass wir auf dieser Grundlage die bereits eingeleiteten Veränderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik fortsetzen wollen. Die Forderung nach der Ausarbeitung von Arbeitsmarktprogrammen stellt sich leicht, und sie ist sicher legitim. Bitte bedenken Sie auch, dass beim Einsatz der Mittel des Europäischen Sozialfonds für die Arbeitsmarktpolitik vielfältige Vorgaben zu berücksichtigen sind. Wir haben die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens zu sichern. Unser Gestaltungsspielraum ist nicht gering; allerdings ist er eben auch begrenzt. Seien Sie aber versichert, dass wir unsere Spielräume nutzen werden.

Wer sich mit der Materie der Entwicklung von Förderprogrammen aus dem Europäischen Sozialfonds ernsthaft befasst, weiß, dass hektische Aktivitäten nichts bewirken. Beim Einsatz des Europäischen Sozialfonds müssen wir, wie die Fachleute formulieren, eine „trennscharfe“ Verwendung der Mittel gewährleisten. Dabei hat das Additionalitätsprinzip besondere Bedeutung. Das heißt, wenn das

Sozialgesetzbuch II eine der beabsichtigten ESFFörderung gleichartige Leistung vorsieht, sind zunächst die Möglichkeiten nach nationalem Recht – also nach dem Sozialgesetzbuch II – zu nutzen. Allerdings sind zusätzliche Leistungsinhalte bei sonst gleichartigen Leistungen zulässig, da der ESF zusätzlich und ergänzend zum Einsatz kommen soll.

Der Einsatz des Europäischen Sozialfonds ist auch dann möglich, wenn die Möglichkeiten nach nationalem Recht ausgeschöpft sind. Das heißt, dass viel Detailarbeit nötig ist. Dazu sind viele Abstimmungen mit den Beteiligten notwendig, besonders mit den Trägern der Grundsicherung für das Arbeitslosengeld II, aber auch mit der BA, Regionaldirektion Sachsen.