Protocol of the Session on March 15, 2006

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Seidel, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bartl, erst einmal recht herzlichen Dank für die Blumen – auf die ich nach Lage der Dinge aber auch recht gern verzichtet hätte, wie Sie vielleicht nachvollziehen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den uns die Linksfraktion vorgelegt hat, ist in den elf Jahren, die ich dem Sächsischen Landtag – mit kurzer Unterbrechung – angehöre, der erste, dessen Inhalt ich voll mittragen kann. Das ist insoweit nicht verwunderlich, als der Gesetzentwurf lediglich den Gesetzestext an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anpassen möchte, der den § 15 Nr. 3 des Sächsischen Wahlgesetzes für nichtig erklärt hat; das kennen wir ja hinlänglich. Dieser Gesetzentwurf der Linksfraktion regelt also absolut nichts.

(Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

Nach § 14 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidung, in der § 15 Nr. 3 des Sächsischen Wahlgesetzes für nichtig erklärt wurde, unmittelbar Gesetzeskraft erlangt. Das heißt, der § 15 Nr. 3, der nach dem Willen der Linksfraktion aus dem Sächsischen Wahlgesetz gestrichen werden soll, existiert materiellrechtlich bereits jetzt nicht mehr. Mit dem Gesetzentwurf soll daher noch nicht einmal eine Rechtsbereinigung, sondern lediglich eine reine Textbereinigung vorgenommen werden.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Dass wir uns nicht missverstehen, Herr Bartl: Selbstverständlich wird der Text des Wahlgesetzes einmal an diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anzupassen sein.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Einmal, ja!)

Selbstverständlich werden wir uns bei der nächsten Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes, die wir in ein bis zwei Jahren wohl ohnehin vornehmen müssen – Sie wissen ja, dass die Bevölkerungsentwicklung unmittelbar auf den Zuschnitt der Wahlkreise durchgreift –, mit dieser Rechtsbereinigung beschäftigen. Aber wir sehen überhaupt keinen Grund, das in einem gesonderten Gesetz zu tun, dessen Regelungsinhalt sich ausschließlich in dieser Textstreichung erschöpft.

Das hat nichts – dieser Vorwurf ist uns schon gemacht worden – mit einer Nichtachtung des Verfassungsgerichtshofes zu tun. Sie können sicher sein, dass meine Fraktion dem höchsten sächsischen Gericht immer die größte Achtung entgegengebracht hat und entgegenbringen wird. Es ist nur einfach so, dass aus dem Urteil für den Landesgesetzgeber kein materiellrechtlicher Anpassungsbedarf entstanden ist. Die Rechtslage hat sich mit dem Urteil unmittelbar geändert und sie ist klar und eindeutig.

Das hat aber sehr wohl etwas mit der Selbstachtung des Parlaments zu tun. Es hat mit der Frage zu tun, ob wir hier wirklich ein Gesetz verabschieden wollen, das keinerlei Regelungsbedarf hat.

(Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

Es kommt immer wieder vor, dass einzelne Gesetzesbestimmungen ihre Gültigkeit verlieren – sei es, dass sie, wie in diesem Fall, durch das Verfassungsgericht für nichtig erklärt werden; sei es, dass sie von vornherein befristet waren und danach ihre Gültigkeit verlieren. In all diesen Fällen muss natürlich der Gesetzestext einmal bereinigt werden, und dies geschieht üblicherweise im Zuge eines ohnehin erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens, in dem es quasi den Anhang zu den dort betreffenden materiellrechtlichen Regelungen bildet. So werden wir auch in diesem Fall verfahren.

Es wäre, meine Damen und Herren, soweit ich es übersehen kann, sicher bundesweit ein einmaliger Vorgang, wenn wir dieses Gesetz verabschieden würden, das nichts regelt, sondern lediglich eine Textbereinigung darstellt. Diese Blöße sollte sich der Sächsische Landtag nicht geben. Ich bin sicher, meine Damen und Herren, das wissen auch Sie von der Linksfraktion, die Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht haben.

Für mich ist der vorliegende Gesetzentwurf nichts anderes als vielleicht der Versuch, aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für die Neuwahlen in meinem Wahlkreis noch etwas Kapital zu schlagen – aber, wie das Wahlergebnis gezeigt hat, ein untauglicher Versuch. Das Gesetz ist überflüssig wie ein Kropf; wir lehnen es deshalb ab.

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Bräunig, bitte.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Das kann man nicht mehr toppen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Für meine Fraktion steht außer Frage, dass der Gesetzgeber aufgerufen ist, im Wege einer Rechtsbereinigung nichtige Vorschriften aus einem Gesetz zu entfernen. Insoweit besteht Einigkeit mit den Antragstellern.

Die Frage, zu welchem Zeitpunkt derartige Gesetzesänderungen notwendig bzw. sinnvoll sind, beurteilen wir etwas anders als die Linksfraktion. Ich halte es für vertretbar, aus Gründen der Rechtsklarheit eine sofortige Rechtsbereinigung zu fordern; zwingend notwendig ist sie aber nicht. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, erlangt die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die diese Norm für nichtig erklärt hat, selbst unmittelbare Gesetzeskraft und bedeutet, dass sie nicht mehr angewendet werden darf – unabhängig davon, ob sie formell noch im Gesetzestext steht.

Zu welchem Zeitpunkt also diese Vorschriftenbereinigung vorzunehmen ist, richtet sich nach ganz anderen Gründen. Das Gebot der Rechtsklarheit – ein sehr wichtiger Grund – und auch der Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof mögen im Einzelfall hinreichend Anlass für eine zügige gesetzgeberische Aktivität sein; dennoch ist der Gesetzgeber – also wir – wiederum aus Gründen der Rechtsklarheit aufgerufen, Gesetze nicht ständig zu überarbeiten, sondern notwendige Änderungen möglichst in einem Paket zusammenzufassen und gebündelt in einem einheitlichen Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

Etwas anderes dürfte nur gelten, wenn die Gefahr besteht, dass sich rechtsunkundige Bürger, rechtsunkundige Anwender quasi in der Vorschrift verheddern und somit die nichtigen Teile des Gesetzes zur Anwendung kommen könnten. Das ist aber beim Wahlgesetz – einem Gesetz, das außerhalb von Landtagswahlen überhaupt nicht zur Anwendung kommt und an sich insofern auch kaum Außenwirkung hat – sicherlich nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Es wäre aus der Sicht meiner Fraktion reiner Aktionismus, hier und heute dem Gesetzentwurf der Linksfraktion zu folgen und nicht auf weitere Gesetzesänderungen – die Koalition hat sich bereits vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes darauf verständigt – zu warten.

Wir werden das Wahlgesetz ändern – Herr Seidel hat es bereits erwähnt – –

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Herr Bräunig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich bin am Ende meiner Ausführungen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie waren schon am Anfang am Ende!)

Wir werden das Wahlgesetz ändern und im Zuge dieser Änderung auch die hier zur Abstimmung stehenden Änderungen einarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Sie haben eine Bodenkerbe gemacht, wo sie ihn versenken!)

Das war die SPDFraktion. Es folgt die NPD-Fraktion; Herr Petzold, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird selbstverständlich diesem Antrag zustimmen, denn der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat ja, wie bereits festgestellt, in seinem Urteil vom 25. November 2005 entschieden, dass § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz mit Artikel 41 Abs. 2 Satz 1 Sächsische Verfassung unvereinbar ist.

Der Gesetzesantrag der PDS korrigiert den Fehler in einer kurzen und präzisen Form, die mir ziemlich alternativlos erscheint. Insofern ist eine längere Stellungnahme zum vorliegenden Antrag als solchem eigentlich nicht erforderlich. Allerdings kann ich mir ein paar Bemerkungen zum Verhalten der CDU nicht verkneifen;

(Heinz Eggert, CDU: Könnten Sie schon!)

vor allem nach nochmaliger Lektüre der Einbringungsrede von Herrn Bartl vom 7. Dezember 2005, in der der ganze Vorgang ausführlich und ich denke auch objektiv beschrieben ist. Demnach wollte die CDU-Staatsregierung durch einen Gesetzesantrag im April 2003 die offensichtlich verfassungswidrige Bestimmung aus dem Sächsischen Wahlgesetz entfernen. Dabei war sie sicherlich gut beraten, denn es kann an der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung aus meiner Sicht nicht der geringste Zweifel bestehen, bestimmt doch der Artikel 41 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ganz lapidar: „Wählbar sind alle Wahlberechtigten. Die Wählbarkeit kann von einer bestimmten Dauer des Aufenthaltes im Land abhängig gemacht werden.“ Damit sind weitere Kriterien verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Wie in aller Welt kam unter diesen Umständen der CDUdominierte Rechtsausschuss am 30. Juni 2003 dazu, die Korrektur des fehlerhaften Gesetzes zu verhindern?

Ich finde es durchaus in Ordnung, dass die Fraktion auch einmal anders entscheiden kann als die von ihr gestellte Regierung, aber doch nicht in einem Fall, der glasklar ist und in dem beide froh sein müssten, dass sie von sich aus handeln können. Letzteres aber ist dank der damaligen Entscheidung der CDU-Fraktion inzwischen passiert. Der

Verfassungsgerichtshof hat Herrn Bartl von der PDS attestiert, dass er Recht hatte, und Herrn Schiemann von der CDU, dass er Unrecht hatte. Als Folge des Urteils musste die Wahl im Wahlkreis 31 – Leipzig 7 – wiederholt werden. Das kann für die CDU nicht angenehm gewesen sein, auch wenn sie den Wahlkreis erneut gewann. Ich will mir zwar nicht den Kopf der CDU zerbrechen, frage mich aber wirklich, wie die CDU-Landtagsfraktion es sich leisten kann, den eigentlichen Verursacher dieses rechtspolitischen Fehlgriffs der CDU bis zum heutigen Tag als Fraktionssprecher im Rechtsausschuss zu behalten.

(Lachen bei der CDU)

Dies hier festzuhalten war mir zum Abschluss noch wichtig.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich kurz machen: Mit Urteil vom 25.11.2005 hat der Verfassungsgerichtshof in der Tat § 15 Nr. 3 des Sächsischen Wahlgesetzes als mit Artikel 41 der Sächsischen Verfassung unvereinbar und damit nichtig erklärt. Es ist gesagt worden, dieses Urteil habe unmittelbar Gesetzeskraft. Eine materielle Rechtsänderung ist mit dem Gesetzentwurf, den die Linksfraktion.PDS hier einbringt, nicht verbunden. Gleichwohl ist es aus Gründen der Normenklarheit nicht verkehrt, so etwas zu machen. Obwohl wir das gesamte Verfahren, insbesondere den betriebenen Aufwand, nicht unbedingt für notwendig halten, möchten wir dem Anliegen nicht im Wege stehen, sondern werden uns dazu der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)