Protocol of the Session on March 15, 2006

(Volker Bandmann, CDU: Gilt das für alle Themen?)

Das gilt für alle Themen und vor allem für alle Texte, Herr Bandmann.

(Volker Bandmann, CDU: Gut zu wissen!)

Ich kann Ihnen das hinterher noch ausführlicher erklären.

Jedenfalls trifft es auf jeden Text zu, auch auf diesen: Es gibt die Buchstaben und den Geist. Der Gegenstand des Textes ist ein kompliziertes Problem in der Gesellschaft. Alle, die bis jetzt gesprochen haben, auch Herr Gerstenberg, haben darauf hingewiesen: Die Kommunen sind in einer dramatischen Lage und bis über den Hals verschuldet.

(Heinz Lehmann, CDU: Nicht alle!)

Nicht alle, aber sehr viele. Für die großen Städte gilt das sehr wohl. Bei manchen kleinen Städten und Kommunen ist es anders.

Ich will jetzt nicht der Frage nachgehen, wer Schuld daran hat und welche Politik die Kommunen in diese Situation gebracht hat. Aber in all diesen Kommunen stellt sich die Frage: Wie kommen wir aus der Schuldenfalle heraus?

Wenn man aus der Schuldenfalle herauskommen will, ist es ganz normal, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu fragen, über welches Vermögen man verfügt und welche Möglichkeiten man noch hat, Geld flüssig zu machen, um den Schuldendienst zu bedienen, noch Pflichtaufgaben zu erfüllen usw. Dabei kommt kommunales Eigentum zwangsläufig ins Gespräch. Das kann in sehr unterschiedlicher Weise geschehen. Ich kann fragen: Was ist es wert? Für wie viel kann ich es veräußern? Was kann ich mit dem Erlös anfangen? Wie viel Nachhaltigkeit entsteht, wenn ich verantwortungsvoll diskutiere?

Ich kann natürlich auch fragen: Welches Einkommen kann aus dem kommunalen Eigentum selbst noch erzielt werden, wenn ich es gewinnbringend bewirtschafte? Diese zweite Möglichkeit muss in der Debatte berücksichtigt werden.

Wir alle wissen, dass es im Moment keinen Stein der Weisen gibt. Es gibt kein allgemein gültiges Modell zum Umgang mit den Kommunalschulden und, in diesem Kontext, mit kommunalem Eigentum, ob es Wohnungseigentum ist, ob es Krankenhäuser, Wasserwerke, Verkehrsbetriebe oder sonst was sind. Das heißt, es fallen Entscheidungen – erstens – unter dem Zwang der finanziellen Lage der Kommunen und – zweitens – unter ganz konkreten Umständen. Dazu gehört die Situation in den Kommunen, insbesondere natürlich die dortigen politischen Verhältnisse, die ihren Ausdruck darin finden, welche Meinungen dominieren und sich durchsetzen. Das muss man akzeptieren. Das ist völlig klar.

Dennoch darf es keine Prinzipienlosigkeit geben. Ich erkläre hier sehr deutlich: Für mich ist kommunales Eigentum selbstverständlich ein unverzichtbar wichtiges Instrument der Sozialpolitik.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Aus diesem Grunde steht das kommunale Wohnungseigentum nicht völlig prinzipienlos zur Disposition. Ich habe auch keine Not zu sagen: Ich persönlich hätte dem Verkauf der Woba so wahrscheinlich nicht zugestimmt. Aber das spielt jetzt, auch im Angesicht des Antrages, in dem Woba und Dresden gar nicht vorkommen, nicht die entscheidende Rolle.

Die Problemlage gleicht im Grunde dem Gordischen Knoten. Die GRÜNEN wollen jetzt mit ihrem Antrag der Überlieferung gemäß den Knoten mit dem Schwert zerschlagen, nachdem Bürgerbegehren und andere Dinge gescheitert sind.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Darüber freuen Sie sich doch, oder? – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Quatsch! – Zuruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Es geht um Ihren Antrag. Ich halte ihn für den Versuch, den Gordischen Knoten aus „Komplikation aus kommunalen Schulden“ und „Disposition über kommunales Eigentum“ zu zerschlagen; denn Sie haben sonst nichts anzubieten.

Jetzt komme ich zur Ehrlichkeit. Die Sage vom Gordischen Knoten überliefert uns, dass Alexander der Große ihn deshalb mit dem Schwert durchgeschlagen hat, weil er damit seine Herrschaft über Asien begründen und sichern wollte. Jetzt frage ich: Was wollen die GRÜNEN mit dem Schwert erreichen? Ich denke, Sie wollen auch Land gewinnen. Sie sehen die Chance, aus Ihren SchickimickiGhettos auszubüchsen,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

die im günstigsten Fall noch 5 % bringen, und die Plattenbauten zu erobern. Dieses Vorhaben kann ich Ihnen nachsehen. Ich kann Sie auch verstehen, will Ihnen aber gleich sagen: Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, weil – ich bin wieder bei der Ehrlichkeit – die Doppelzüngigkeit evident ist.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, tun Sie doch nicht so, als hätten Sie nie öffentliches Wohnungseigentum zur Disposition gestellt und den Verkauf ermöglicht. Was ist denn mit der Eisenbahn-Wohnungsgesellschaft geschehen? Es war die rot-grüne Bundesregierung, die dafür gesorgt hat, dass 113 777 Eisenbahnerwohnungen privatisiert werden konnten.

Herr Porsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich will den Satz noch zu Ende bringen. – 64 000 Wohnungen davon wurden von der Deutschen Annington Immobilien GmbH erworben. Das ist die deutsche Tochter von Japans größtem Wertpapierhaus Nomura. Ich frage Sie, ob das Partner einer sozialen Wohnungspolitik sind.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Frau Hermenau war dabei!)

Jetzt gestatte ich die Zwischenfrage.

Herr Prof. Porsch, ich habe die gesamte Zeit überlegt, wohin Sie mit Ihren Ausführungen zu Geist und Buchstaben des Textes eigentlich wollen. Ich habe es jetzt erkannt: Sie versuchen mühselig einen Weg zu finden, um mit einem Angriff gegen GRÜN zu begründen, warum Sie diesen Antrag ablehnen wollen. Können Sie mir darin zustimmen?

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Gerstenberg, ich kann Ihnen vollständig zustimmen, wenn Sie erkannt haben, dass ich die Doppelzüngigkeit und auch die Scheinheiligkeit, die nicht so sehr hinter Ihrem Antrag, aber hinter Ihrem Beitrag standen, hier einmal offen legen wollte. – Sie waren ja auch daran beteiligt, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Heimstättenwohnungen, immerhin 81 000 Wohnungen bundesweit, an Fortress verkauft hat. Im Rahmen der Haushaltsdebatte 2004 in Berlin hat die Fraktion BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen, 220 000 kommunale Wohnungen zu veräußern.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Sie haben das in der Haushaltsdebatte vorgeschlagen. Es ist dann von der Linksfraktion.PDS zurückgewiesen worden. Ob da Augenmaß oder Weitblick herrschte, weiß ich nicht.

Herr Prof. Porsch, es gibt noch mehr Begehrlichkeiten für Nachfragen.

Ja, bitte.

Aber jetzt bitte, anders als bei Herrn Lichdi, eine ordentliche Frage!

Herr Prof. Porsch, ist Ihnen bekannt, um die Doppelzüngigkeit der GRÜNEN noch zu steigern,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

dass sie ja selbst das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz im Bundestag verantwortlich mit beschlossen und damit erst den so genannten Heuschrecken, die jetzt die Wohnungsimmobilien kaufen, den roten Teppich ausgerollt haben?

Die Frage ist gestellt. Danke.

Natürlich ist mir das bekannt. Ich könnte weitere Dinge auflisten; dafür reicht die Redezeit nicht. Es ist auch nicht so interessant. Ich wollte es beispielhaft begründen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe kein Problem mit Ihrem Antrag, soweit er die Buchstaben betrifft. Darauf komme ich gleich noch. Aber werfen Sie nicht mit Steinen, wenn Sie selbst nicht ohne Sünde sind und auch im Glashaus sitzen. Die Plattenbauquartiere – das kann ich Ihnen sagen – werden Sie so nicht erobern.

Aber wir halten uns an den Buchstaben des Antrages und wir werden ihm deshalb zustimmen, gar kein Problem. Damit löst sich nämlich auch am besten der Versuch scheinheiliger politischer Instrumentalisierung in Luft auf. Warum wir dem zustimmen werden und warum wir die Dinge zustimmungswert finden, wird mein Kollege René Fröhlich noch ausführen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPDFraktion spricht der Abg. Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mir vorstellen, dass es für Herrn Porsch eine nicht einfache Rede war. So ein Rumgeeiere habe ich von ihm selten gehört.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Dresdner Woba fiel häufig das Wort vom Lottogewinn. An der riesigen Erlössumme und gemessen an den ursprünglichen Erwartungen drängt sich dieser Vergleich förmlich auf. Doch bei näherer Betrachtung ist schnell zu erkennen, worin der entscheidende Unterschied zum Lottogewinn besteht: Beim Lotto muss man nicht seine ganze Habe verkaufen. Getreu dem Motto: Ist die Kasse erst mal leer, wird halt das Tafelsilber verkauft, hat sich die Stadt Dresden ihrer ganzen Wohnungsbaugesellschaft auf einen Schlag entledigt. Gewarnt haben viele, genutzt hat es nichts.

Die Dresdner Totalverkaufsbefürworter haben die mahnenden Worte von Innenminister Buttolo, dessen Fachwissen im Bereich der Stadtentwicklung über die Grenzen Sachsens hinaus überall geschätzt wird, ebenso in den Wind geschlagen wie die im letzten Plenum geäußerte Skepsis des Abg. Hamburger. Eindringliche Appelle auf dem Stadtumbaukongress 2006 in Magdeburg wurden ebenso nicht gehört wie viele andere kritische Stimmen aus ganz Deutschland. Dabei liegen die Fakten, die gegen einen Komplettverkauf kommunaler Wohnungsunternehmen sprechen, klar auf der Hand.

Wenn eine Stadt maßgeblichen Einfluss auf ihre städtebauliche Entwicklung und Zukunft behalten will, darf sie eine Mehrheitsbeteiligung an ihrer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft nicht einfach abgeben.

Vor dem Hintergrund des laufenden demografischen und wirtschaftlichen Mangels gerade hier bei uns in Sachsen sind ein nachhaltiger Stadtumbau und eine langfristige gestalterische Stadtentwicklung unverzichtbar. Die großen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bieten unverzichtbare Möglichkeiten und erhebliche Zukunftschancen, die mit Geld gar nicht aufzuwiegen sind.

Sieht man sich allein die Zahl der in Dresden verkauften 48 000 Wohnungen an, kann man auch wegen der Dominanz der Woba an der städtischen Fläche mit Recht behaupten, Dresden hat sich selbst verkauft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Zukunft bleibt offen, wie die Stadt Dresden langfristig ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden will. Wie, wenn nicht über ihre Wohnungsbaugesellschaft, will eine Stadt denn sonst bezahlbaren Wohnraum für alle Einkommensschichten garantieren? So verlockend Verkäufe im großen Stil auch sein mögen, sie sind – darin stimmt meine Fraktion mit den Antragstellern ausdrücklich überein – keine Lösung zur Behebung kommunaler Finanzprobleme.