Herr Prof. Porsch, hören Sie doch mit Ihrem rückwärts gewandten Gefasel auf! – Rettungswesen ist auch eine Sache, die aus meiner Sicht nicht noch weiter zentralisiert werden sollte. Diese Dinge sollten im überblickbaren Rahmen bleiben. Die jetzigen Landkreise sind von ihrer Größe schon so, dass es eine weitere Vergrößerung nicht geben sollte. Sollten Sie dennoch zu dem Standpunkt kommen, der Verwaltungsreform eine weitere Kreisgebietsreform folgen zu lassen, ist dies nur dann mit nationaldemokratischem Demokratieverständnis zu vereinbaren,
wenn es basisdemokratisch legitimiert ist. Dann bitten wir um einen Volksentscheid darüber. Wir sind es den Bürgern gerade einmal zwölf Jahre nach der Kreisgebietsreform schuldig, dass man diese Legitimation nicht in diesem Haus trifft, sondern dass die Bürger entscheiden.
Das ist das grobe Leitbild meiner Fraktion. Ich hatte es schon zweimal erläutert. Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir im Ausschuss darüber intensiver diskutieren können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Zur Verwaltungsreform am 18.10. haben wir den Bericht der Expertenkommission nach zirka einem Jahr Beratung bekommen. Zunächst blieben die Beschlüsse zu den Eckpunkten der Reform aus. Das ist am 20.10. vom Lenkungsausschuss nachgeholt worden. Kollege Brangs hat Ihnen gesagt, es sind auch die Leitbilder definiert worden. Anschließend wird Aufgabenkritik gemacht.
Ich denke, im ganzen Verfahren ist die Reihenfolge der Arbeitsschritte nicht ganz stimmig. Wozu hat man erst eine Expertenkommission eingesetzt, um hinterher in einem Eckpapier das Leitbild zu definieren? Das hätte in einer anderen Reihenfolge geschehen müssen. Die Entscheidung zum Leitbild einer Verwaltungsreform wäre längst zu treffen gewesen, bevor man eine Expertenkommission auf die Reise schickt.
Wenn sie dann wiederkommt, serviert man das Ganze ab, weil man sich nicht traut, dazu wirklich Stellung zu nehmen. Es heißt: Kehrt! Marsch! Jetzt machen wir das Ganze noch einmal. In einem halben Jahr haben wir dann einen Beschluss, der übrigens – das habe ich Ihren Worten nicht entnehmen können – wohl auch nicht im Parlament diskutiert wird. Das ist nicht vorgesehen.
Beteiligung des Parlamentes an einem Leitbild – bei einer Nebensächlichkeit wie der Grundausrichtung einer Verwaltungsreform – ist wohl eher störend oder könnte die Koalition vielleicht in Gefahr bringen, dann doch offen zu legen, dass sie sich in zentralen Punkten dieser ganzen Veranstaltung alles andere als einig ist.
Wir haben bereits klar gemacht, dass wir eine umfassende Aufgabenkritik als Voraussetzung ansehen, um überhaupt über die anderen Folgeschritte der Straffung der Verwaltung, der Bündelung der Verwaltungsstruktur und anschließend der Kreisstruktur nachzudenken. Die Expertenkommission hat zwar Ansätze gebracht. Die Aufgabenkritik ist, was den Aufgabenverzicht, die Möglichkeiten der funktionalen Privatisierung statt einer Aufgabenverlagerung anbelangt, sehr dünn ausgefallen.
Zum Leitbild der Reform haben wir Grundsätze entwickelt und vorgestellt, die wir bereits Anfang Oktober 2005 vorgestellt haben. Die Reform selbst – daran möchte ich keinen Zweifel lassen – ist dringend notwendig. Anders, als es von Koalitionsrednern hier gesagt worden ist, machen wir Vorschläge nicht nur unter dem Druck finanzieller und demografischer Zwänge. Nein – für uns ist Verwaltungsreform auch ein prinzipielles, ein Grundanliegen; denn wir haben festgestellt: Eine immer weiter ausufernde Staatstätigkeit hat in vielen Bereichen zu einem Bevormundungsstaat geführt,
die den Bürgern Unabhängigkeit und Chancen nimmt und im Gegenzug die von ihnen erwartete Sicherheit und Gerechtigkeit in vielen Bereichen zu bringen nicht mehr imstande ist.
Die Eckwerte der Verwaltungsreform selbst – lassen Sie mich das noch einmal kurz zusammenfassen – sind die Deregulierung und Subsidiarität staatlichen Handelns und der Aufgabenverzicht vor einer Aufgabenverlagerung. Die Privatisierung als Scheinderegulierung und die Auslagerung von Behördentätigkeiten in Staatsbetriebe sind unsere Sache dabei nicht. Es geht uns auch um Transparenz und Bürgernähe, um eine weitgehende Kommunalisierung, die Übertragung von Aufgaben auf leistungsfähige Landkreise und in einem weiteren Schritt dann, wo immer dies geht, auch auf Kommunen.
Die Zahl der Landkreise wird sich in der Folge verringern. Hier lassen Sie mich bitte etwas zur Position der FDP ansprechen. Herr Kollege Lichdi, Sie haben hier offensichtlich überhaupt nichts mitbekommen, was die FDP bereits in ihrem Landtagswahlprogramm stehen hat. Noch einmal sei ausdrücklich gesagt: Fünf Monsterkreise lehnen wir ab. Das ist in seltener Klarheit von uns immer wieder gesagt worden.
Was Sie hier falsch verstanden haben, war die Bemerkung zum Entfall der Regierungspräsidien. Die Kommission hat nicht nachhaltig begründet, warum die Kommunalisierung bei Wegfall der Regierungspräsidien nicht möglich sein soll. Hier erinnere ich an eine Position, die selbst die Staatsregierung einmal hatte. In einem Denkpapier der Staatsregierung vom 14.11.1991 heißt es: „Ein Verzicht auf die Regierungspräsidien ist möglich. Dies würde aber die Bildung von zirka zwölf Landkreisen im Freistaat bedeuten.“ So 1991 ein Memorandum der Staatsregierung. Ich betone es noch einmal, ich habe es auch bei der letzten Debatte bereits gesagt: Was damals Gültigkeit hatte, das hat aus unserer Sicht heute immer noch Gültigkeit.
Die Aufgabenübertragung, meine Damen und Herren, wenn man sich ihr konsequent widmet, kann zu einer zweigliedrigen Verwaltung führen, und wir können dann möglicherweise ohne Regierungspräsidien auskommen. Mit Sicherheit wäre es der falsche Weg, die Regierungspräsidien einzustampfen und sie dann in einem Landes
verwaltungsamt zusammenzuschließen. Das hat, wie andere Länder gezeigt haben, nicht zu guten Ergebnissen geführt.
Meine Damen und Herren! Voraussetzung einer wirklich sinnvollen Verwaltungsreform, die sich an diesen Leitbildern orientiert, ist eine umfassende Aufgabenkritik, die bisher in dieser Weise nicht vorliegt. Wir haben bereits in der letzten Debatte verlangt, dass die Staatsregierung das Leitbild und die anschließende Aufgabenkritik auch im parlamentarischen Raum zur Diskussion stellt. Das bisherige Verfahren ist alles andere als befriedigend. Es zeugt von relativ wenig demokratischem Respekt vor dem Parlament und auch von wenig Rückgrat, wenn die Staatsregierung glaubt, bei Nacht und Nebel in Kommissionen hinten am Horizont das Parlament vorbeisegeln zu lassen, um dann mit einem Schlag Gesetzentwürfe im dicken Paket auf den Tisch zu legen.
Die vorliegenden Anträge, die von der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN eingebracht worden sind, enthalten in einigen Punkten akzeptable Gedanken für die Diskussion über das Leitbild und die Aufgabenkritik einer Reform, eine Diskussion, die wir für notwendig halten. In einigen Punkten erfahren die Anträge aber nicht unsere Zustimmung. Zum Beispiel ist bei der Linksfraktion.PDS der Verwaltungsreformmaßstab unklar. Die demokratische Mitbestimmung und der Wert einer sozialen Gerechtigkeit sind keine Richtwerte, nach denen man eine Verwaltungsreform ausrichten kann. Nein. Soziale Gerechtigkeit wird vom Verwaltungshandeln – und wenn es nur um die Frage geht, in welchen Strukturen man dieses Verwaltungshandeln organisiert – nicht geschaffen. Die Reformkriterien selbst sind auch zum Teil überzogen. Wenn Verwaltungsstrukturen auch noch, wie es heißt, selbsttragende regionale Wirtschaftsstrukturen gewährleisten sollen, dann überfrachtet man das Reformvorhaben mit Aufgaben, die dort nicht hingehören und die eine solche Reform auch nicht leisten kann.
Der Antrag der GRÜNEN – ich habe es eben schon angedeutet – enthält einige Punkte, die nachdenkenswert sind, aber man verzettelt sich dann in vielen Kleinigkeiten, die in ihrer Fülle auch wiederum die Diskussion über die Grundanliegen einer Verwaltungsreform beeinträchtigen. Die Generalerfassung staatlichen Handelns in einer Datenbank ist eine Aufgabe, die scheinbar um ihrer selbst willen zunächst geleistet werden soll. Der Antrag selbst ist im Weiteren auch widersprüchlich, denn statt einer ergebnisoffenen Prüfung von Aufgaben wissen die GRÜNEN schon jetzt, dass staatliche Beratungsleistungen ganz wichtig sind und in jedem Fall erhalten bleiben müssen und dass vor allem der Landesstiftung für Umwelt und Naturschutz ja nichts zustoßen darf. Meine Damen und Herren! Wenn wir uns hier einer offenen Diskussion stellen wollen, sind solche Punkte überflüssig,
genauso wie Ihr Vorschlag, Herr Kollege Lichdi. Sie sind zwar für die Kommunalisierung, für die Aufgabenwahrnehmung vor Ort, für eine dezentrale Entscheidung, für
Entscheidungen vor Ort in Kreistagen, in den Landkreisen; aber dann wollen Sie per Gesetz die Standorte der Bürgerbüros genau festlegen. Das ist widersprüchlich. Das findet nicht unsere Zustimmung.
Herr Kollege Martens, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass unser Antrag bezüglich der Landesstiftung darauf zielt, die Landesstiftung als Zuwendungsstiftung zu erhalten? Damit ist ihre Funktion als Verwalterin des Naturschutzfonds in den anderen Aufgaben, die sie hat, wie Schandau usw., noch nicht behandelt. Uns geht es im Kern nicht darum, die SANU sozusagen sakrosankt zu stellen, sondern sie als Zuwendungsstiftung zu erhalten. Das bitte ich doch sorgfältig zu unterscheiden. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
Herr Kollege, ich bin erstens bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, und zweitens bin ich nach wie vor der Auffassung, dass diese einzelne Detailregelung für die Frage des Leitbildes einer Verwaltungsreform im gesamten Freistaat ziemlich unerheblich ist.
Zu dem vorgeschlagenen Sonderausschuss einer Verwaltungsreform muss ich mitteilen, dass wir dem auch nicht zustimmen können, denn was sollte ein solcher gesonderter Ausschuss anderes tun, als die Aufgaben des Innenausschusses noch einmal zu erledigen?
Einen solchen Ausschuss mit 20 Mitgliedern des Parlaments zu besetzen – ich befürchte, dass das ziemlich identisch mit der Besetzung des Innenausschusses aussieht. Da kann man sich fragen, ob es besonders sinnvoll ist, wenn wir dieselbe Arbeit erst im Ausschuss für Verwaltungsreform machen und das Ganze anschließend noch einmal im Innenausschuss mit denselben Personen erledigen. Da wird dann eben doppelt Papier bedruckt.
(Volker Bandmann, CDU: Mit denselben Personen! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wiederholung ist die Mutter der Weisheit!)
Wiederholung ist die Mutter der Weisheit. Aber wie wir wissen, kann man manches noch so oft wiederholen und es nützt trotzdem nichts.
Meine Damen und Herren! Diese Anträge finden deswegen nicht unsere Zustimmung. Gleichwohl lassen Sie sich eines sagen: Wir erwarten von der Staatsregierung auch im parlamentarischen Raum eine Diskussion vor der
Beschlussfassung über das Leitbild und über die Aufgabenkritik zur Vorbereitung einer Verwaltungsreform.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Debatte, vor allem Herr Brangs –, der uns leider schon wieder verlassen hat – doch, da vorne, wunderbar! –, hat mir heute eigentlich fast jede Illusion genommen, die ich noch hatte, was parlamentarische Demokratie zumindest in diesem Hause doch noch wert ist, und weswegen ich die Kritik, die unser Landtagspräsident an der Kultur der Auseinandersetzung in diesem Parlament übt, noch einmal deutlich unterstreichen möchte.
Denn entscheidend ist – lassen Sie mich ein Zitat von Alfred Herrhausen anbringen – nicht die Frage, ob man Macht hat, entscheidend ist die Frage, wie man mit ihr umgeht, Herr Brangs.
Herr Steinbach hat deutlich gemacht, dass es hier um eine Frage geht, die mehr ist, als nur ein paar Verwaltungsstrukturen zu ändern. Es ist eine grundlegende Frage, wie wir auf die Zukunftsanforderungen an unser Land reagieren, wie wir die Verwaltungs- und Funktionalstrukturen neu ausrichten. Ich denke, das ist es wert, hier im Parlament eine deutliche Debatte dazu zu führen.