Protocol of the Session on December 9, 2004

Zugangskriterien gab, wurden auch nicht für alle in Sachsen wohnhaften Kinder Plätze vorgehalten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie diesem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion heute zustimmen. Wir würden damit zwei entscheidende Punkte der Koalitionsvereinbarung umsetzen und wir würden vor allem allen Kindern, so der Wunsch besteht, die Möglichkeit geben, ganztägig eine Kita zu besuchen.

Ich finde es total absurd – das ist im Moment die Realität –, dass Kinder von Bildung ausgeschlossen werden, nur weil die Eltern arbeitslos sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der NPD)

Ich bitte die Sprecherin der CDU-Fraktion, Frau Nicolaus.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male beschäftigt uns das wichtige Thema der Betreuung von Kindern im Krippenbereich, im Kindergartenbereich, im Hortbereich, sprich: in Kindertagesstätten, hier in diesem Hohen Hause. Mit dem heute zur 2. und 3. Lesung vorgelegten Gesetzentwurf will die PDS-Fraktion im Wesentlichen den Rechtsanspruch – wie auch von Ihnen, Herr Neubert, noch einmal erläutert – für Krippen- und Hortkinder festschreiben. Denn für Kindergartenkinder brauchen wir es nicht mehr festzuschreiben. Das ist bereits auf Bundesebene geregelt und dann auf die kommunale Ebene übertragen worden.

Wir sind der Meinung, dass wir diesen Rechtsanspruch nicht benötigen. Ich komme dann später auch noch einmal darauf zurück, warum das so ist. Die Betreuungszahlen im Freistaat Sachsen sind beispielgebend. Ich darf sie an der Stelle einmal nennen. Ich reflektiere auf den April 2004. Das ist verbunden mit der Stichtagsregelung für die Pauschale.

In der Krippe sind es sage und schreibe 34,4 % und im Kindergarten sind es 101,9 %. Es gibt keine „doppelten“ Kinder, sondern da sind die jeweils zurückgestellten Kinder mit erfasst. Im Hortbereich liegen wir bei 57,4 %.

Damit haben wir, wenn wir den Ländervergleich betrachten, eine absolut führende Position, was die Betreuungsquote unserer Kinder betrifft. Dieses Angebot von Krippe, Kindergarten und Hort ist im gesamten Freistaat flächendeckend. Hier dürfen wir uns ganz herzlich bei der kommunalen Ebene bedanken, dass dies so möglich ist. Ich komme an einer anderen Stelle noch einmal darauf zurück, wo das eine oder andere aus meiner Sicht nicht ganz so löblich ist. Aber ich denke, als Kommunalpolitikerin kann man hier auch einmal dementsprechende Kritik üben.

Vom Grundsatz her ist es so zu verstehen, dass für jedes Kind auch eine Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht, wenn die Eltern es denn wünschen. Sicherlich – und das habe ich bei der letzten Debatte schon gesagt – gab es schon immer die Möglichkeit vor Ort, gerade im Krippenbereich, Absprachen zu treffen. Wenn nicht

gleich Plätze vorhanden waren, hat man sich das vor Ort ausgemacht: Hat jemand Arbeit, hat jemand keine Arbeit? Und dementsprechend hat man es eingerichtet. In jedem Fall war immer das Bemühen da, genügend Betreuungsplätze vorzuhalten.

Die Meinung, dass jetzt ein Rechtsanspruch die Betreuung im Freistaat Sachsen elementar verändern und verbessern würde, können wir wirklich nicht teilen. Wir haben hingegen als Koalitionspartner Dinge eingebracht und festgeschrieben – und die werden wir nächstes Jahr in Gesetzesform bringen –, die beispielgebend sind. Ich darf sie hier einfach einmal nennen.

Wir werden eben, wie in Ihrem Gesetzentwurf niedergelegt, von uns aus die Pauschale von 1 664 Euro auf 1 800 Euro erhöhen. Das – und das muss die kommunale Ebene auch so akzeptieren – ist auskömmlich. Damit wird den gestiegenen Betriebskosten Rechnung getragen und darin sind auch die Personalkosten enthalten. Ich denke, auch dort sind wir nachgewiesenermaßen führend.

Weiterhin werden wir – und das ist heute schon einmal in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten angeklungen – im verstärkten Maße der Bildung im Kindertagesstättenbereich Rechnung tragen und diesen Bereich aufwerten. Hier sei stellvertretend die schulvorbereitende Phase genannt. Im letzten Jahr, bevor die Kinder eingeschult werden, werden wir drei zusätzliche Stunden in der Woche für die Kindergärtnerinnen, also für die Erzieherinnen, als Freistaat bezahlen. Im letzten halben Jahr werden wir in diesem Bereich Grundschullehrerinnen ebenfalls noch einmal drei Stunden bezahlen. Es ist ganz klar: Wir fordern Qualität, dann müssen wir auch für diese Qualität aufkommen.

Genauso ist es mit dem aus unserer Sicht notwendigen Bildungsplan, den wir mit den jeweiligen Lehrplänen abgleichen werden, so dass es einen roten Faden – ein einheitliches Konzept – ergibt; die Lehrpläne bauen auf dem Bildungsplan auf.

Genauso verhält es sich bei der Ausbildung der Erzieherinnen. Auch dort – und das haben wir erkannt – ist es notwendig, dass wir die Ausbildung der Erzieherinnen der der Grundschullehrerinnen angleichen. Ebenso soll es keinen Schnitt zwischen der Einschulung und dem vorschulischen Bereich geben, sondern es muss ein gleitender Übergang werden, auch was das Personal betrifft.

An der Stelle darf man nicht vergessen, dass wir uns sehr aufmerksam der Aufgabe widmen werden, die den investiven Bereich betrifft. Wir werden zweimal 15 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 einstellen, die von den Kommunen natürlich kofinanziert werden müssen, um zusätzliche Plätze zu schaffen oder bestehende Plätze zu sanieren bzw. zu modernisieren. Ich denke, damit gehen wir einen Riesenschritt voran.

Jetzt kommen wir zu einem weiteren wesentlichen Punkt, der auch immer wieder genannt worden ist. Die Tatsache, dass Zugangskriterien von den Koalitionspartnern abgelehnt werden, ist wesentlich. Wir können davon ausgehen, dass wir all die Dinge, die ich vorhin benannt habe, aber auch die Zugangskriterien in irgendeiner Art und Weise in dem novellierten Kindertagesstättengesetz festschreiben werden. Denn wir wissen natürlich, dass wir kein Kind ausschließen wollen – ins

besondere vom konkreten Bildungsangebot, das wir uns vorgestellt haben.

Ich bin Ihnen eigentlich sehr dankbar, Herr Neubert, dass Sie die OECD-Studie hier benannt haben. Die hat einmal mehr gezeigt, dass wir gerade in den neuen Bundesländern dort beispielgebend sind. Wir sollten uns dieses Niveau erhalten, sollten es fortschreiben und noch einmal aufwerten. Wir können eigentlich allesamt in diesem Hohen Hause stolz sein, dass wir ein solches Niveau erlangt haben, so dass wir jetzt aufgrund des Koalitionsvertrages und der daraus resultierenden Veränderungen auf gesetzlicher Ebene noch einiges mehr dazu tun werden.

Auf der anderen Seite hat es mich schon betroffen gemacht, dass einige Kommunen oder kommunale Ebenen, Gebietskörperschaften dies vielleicht nicht so wahrgenommen haben, dass wir spitzenmäßige Betreuung haben – dass wir aber auch im frühkindlichen Bereich das eine oder andere noch verbessern sollten – und statt dessen Zugangskriterien eingeführt haben.

Ich denke, an der Stelle muss man auch darauf verweisen, dass die kommunale Ebene vielleicht das eine oder andere an Erkenntniszuwächsen in diesem Bereich erreichen muss.

Ich blicke von unserer Seite aus, für die CDU-Fraktion gesprochen, frohgemut in die Zukunft, was die Kindertagesstätten betrifft, was die Betreuung unserer Kinder in Gänze betrifft, auch was die Novellierung des Kindertagesstättengesetzes betrifft.

Die ersten Dinge werden sich in dem Haushaltsgesetzentwurf, der durch die Staatsregierung eingebracht wird, widerspiegeln, was die finanziellen Ansätze betrifft. Das ist ganz klar. Darauf folgend werden wir zur Novellierung des Kita-Gesetzes gelangen.

Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir das Gesetz zum Rechtsanspruch der PDS-Fraktion ablehnen; vor allem werden wir darauf verweisen – und das tue ich an dieser Stelle –, dass wir mit unseren Absichten die Qualitätsverbesserung im Kita-Bereich in den Vordergrund stellen. Das ist für uns das Wichtige, dass wir die Qualität nach vorn bringen und nicht auf Quantität setzen. Das sollte eigentlich der Anspruch für das ganze Hohe Haus sein, was die Betreuung unserer Kinder betrifft. Von daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Wir laden Sie von der PDS-Fraktion aber herzlich dazu ein, uns zu begleiten, wenn wir das neue Gesetz novellieren, damit wir dann entsprechend neue Zeichen in der Qualität setzen. Das ist unser Anspruch, ein hoher Anspruch, aber dem werden wir gerecht werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Schwarz von der SPD-Fraktion spricht als Nächste zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion nimmt den Koalitionsvertrag sehr ernst. Da können Sie etwas anderes verbreiten, wie Sie wollen, Herr Neubert, das ist so. Wir sind sehr

froh, dass es jetzt möglich ist, im Bereich frühkindlicher Bildung einen großen Schritt nach vorn zu tun.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

Dies am ganztägigen Rechtsanspruch festzumachen ist verkürzt. Es gibt auch Eltern, die ganz bewusst ihre Kinder nicht ganztägig in die Einrichtung geben. Unser Ansatz ist, dass niemand bewusst ausgegrenzt werden darf.

(Zuruf von der PDS: Richtig!)

Wir haben immer unterstrichen, dass ein Bildungsauftrag, der sich auf die Schule und anschließende Bildungseinrichtungen konzentriert, zu spät ansetzt. Die thematische Untersuchung der OECD zur frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, die in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit vorgestellte wurde – Sie sind auch darauf eingegangen –, bestätigt unsere Programmatik ausdrücklich. Der Koalitionsvertrag enthält eben Aufträge in diese Richtung. So wird es künftig auf der Grundlage eines Bildungsplanes eine verbindliche Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen geben. Dazu werden personelle und finanzielle Ressourcen bereitgestellt. Dies hätten Sie, Herr Neubert, auch einmal positiv zur Kenntnis nehmen können, statt sich, wie Sie es getan haben, einseitig auf den Rechtsanspruch zu fokussieren, dies mit diesem Gesetzentwurf auch noch mit der Brechstange zu tun und nicht einmal im federführenden Ausschuss die Stellungnahme des Innenausschusses, der auch die Probleme der kommunalen Ebene behandelt, abzuwarten.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Dass Kommunen aufgrund finanzieller Erwägungen Zugangskriterien eingeführt haben – dies im Übrigen auch mit Zustimmung von PDS- Kommunalpolitikern –, ist eben auch dieser finanziellen Situation geschuldet. Auch vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages beginnt in den Kommunen jetzt schon ein Umdenken. Ich denke, auch das haben Sie hoffentlich zur Kenntnis genommen. Es ist ja gerade die Erhöhung der Landespauschale, die den Kommunen die entsprechenden besseren Spielräume eröffnet. Sie haben diese 1 800 Euro Landespauschale auch erst in die Welt gesetzt, nachdem sie schon im Koalitionsvertrag standen. Hinzu kommen 15 Millionen Euro für ein Investitionsprogramm für Kindertagesstätten.

(Zuruf des Abg. Falk Neubert, PDS)

Aber natürlich! Sie konnten doch Ihren Gesetzentwurf erst in den Landtag einbringen, nachdem die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen waren und wir zur Konstituierung des Landtages zusammenkamen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Es ist wirklich ein Randthema, Frau Dr. Schwarz, aber stimmen Sie mir zu, dass der Gesetz

entwurf in den Landtag eingebracht wurde, bevor Ihre Koalitionsvereinbarung fertig war?

Nein, Herr Neubert, Sie irren sich. Die Koalitionsvereinbarung wurde am 3. November beschlossen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hier steht „22.10.“! – Weitere Zurufe von der PDS)

Also vor der Konstituierung des Landtages. Aber Sie können doch nicht einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen, bevor sich der Landtag konstituiert hat!

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von der PDS)

Nun noch einmal zurück zur OECD-Studie: Die ostdeutschen Länder haben hier gute Noten bekommen. Wir geben ganz bewusst viel Geld in diesem Sektor aus, was andere Bundesländer eben nicht tun. Und wir wissen genau, dass das gerade die Bundesländer in Deutschland sind, die nicht zu den ärmsten gehören.

Deswegen plädieren die Forscher auch für den stufenweisen Ausbau des Rechtsanspruches in ganz Deutschland. Davon haben auch wir uns nicht verabschiedet. Auch die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Kindertagesbetreuung dieses Ziel formuliert. Der wichtige Schritt aus unserer Sicht ist, dass sich die Koalitionsfraktionen ausdrücklich gegen Zugangskriterien ausgesprochen haben. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Verbesserung frühkindlicher Bildung und die Anhebung der Landespauschale werden sich auch mit der Frage der Zugangskriterien beschäftigen. Ich habe das im Ausschuss bereits angekündigt.

Wir werden unser Ziel, einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Krippe oder im Hort zu sichern, nicht aus dem Auge verlieren. Ein solcher Rechtsanspruch muss jedoch für alle Kinder gelten, egal ob sie in Bremen oder in Freiberg aufwachsen, und alle Länder und Kommunen müssen bereit sein, dies inhaltlich und finanziell zu untersetzen, so wie wir das jetzt tun werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)