Protocol of the Session on December 9, 2004

Die Sachsen haben mit ihrem ingenieurwissenschaftlichen Potenzial durchaus die Möglichkeit, Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien zu werden. Wir wollen das erreichen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben in Ihrer Rede gesagt: „Alle Maßnahmen der Politik müssen dem Ziel dienen, Arbeitsplätze zu schaffen.“ Das ist ein verkürztes Denken. Das ist das falsche Dogma.

Nicht jeder kurzfristig geschaffene Arbeitsplatz ist wirklich so gut, dass man dafür zum Beispiel eine dauerhafte Schädigung im Umweltbereich in Kauf nehmen kann. Sie müssen aufnehmen, dass es darum geht, Arbeitsplätze mit Zukunft zu schaffen.

Sie haben über die Bildung gesprochen. Sie haben das unter das Stichwort „Spitzenbildung für unsere Kinder“ gestellt. Ich bin sehr dafür, die Grabenkämpfe zu überwinden. Aber Spitzenbildung für unsere Kinder habe ich in den letzten 15 Jahren nicht entdecken können. Ich habe nur eine Bildung für die Spitze entdecken können. Und die ist falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Es ist ökonomisch nicht sinnvoll, dass man einem Drittel der Kinder eines Landes die Chance gibt, Spitzenbildung zu erwerben, und die anderen zwei Drittel für nicht bildungsfähig genug hält, auch an die Spitze zu kommen. Das ist ökonomisch nicht vernünftig und widerspricht Ihrer dritten Forderung – „Faire Chancen für alle, die hier leben“ – ganz massiv.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS – Zuruf von der CDU)

Ich unterstütze es, wenn Sie sagen, dass es wichtig ist, mehr im vorschulischen Bereich zu tun. Das sehen wir genauso. Es geht aber nicht darum, die Kindertagesstätten zu verschulen. Wenn, dann geht es darum, den Betreuungsschlüssel zu verbessern. Das heißt, es wird wieder um Geld und Personal gehen. Dann geht es auch darum, besser qualifiziertes Personal im vorschulischen Bereich zu haben. Das sind entscheidende Punkte, die man in Angriff nehmen muss, um das mit Leben zu erfüllen, wovon Sie sprachen.

Das Bundesprogramm für die Ganztagsschulen haben wir selbst in prekärer finanzieller Situation mit beschlossen. Sie haben das aber mit den Richtlinien, die Sie im Freistaat dafür herausgegeben haben, dazu genutzt, den Schulhausbau zu stabilisieren. Sie haben eine Art Infrastrukturprogramm aufgelegt. Dabei ging es eigentlich darum, das Thema inhaltlich auszugestalten und personell zu flankieren.

Für uns heißt das, dass für Spitzenbildung und faire Chancen in diesem Land noch viel zu tun ist. Das, was bisher erreicht wurde und was man aus dem Koalitionsvertrag bestenfalls erahnen kann, reicht – für uns jedenfalls – noch nicht. Aber wir haben ja fünf Jahre Zeit, das in jeder Debatte weiter zu verfeinern.

Bei den Hochschulen haben Sie die Kürzungen im Bereich der Bibliotheken zurückgenommen. Sie haben selber – und das finde ich auch wichtig – die Debatte über die Weltoffenheit Sachsens aufgenommen. Weltoffen, weltgewandt sollen die Sachsen sein. Das geht in der Bildung los. Das hat sehr viel damit zu tun, wie viele Bibliotheken es gibt, wie sie geöffnet haben und wer alles Zugang zu diesen Bibliotheken hat.

Ich halte viel davon, sich mehr darum zu kümmern, dass es öffentliche Bibliotheken gibt, als dass sonntags die Videotheken geöffnet sind. Das wird nicht reichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Ich bin auch dafür, die Videotheken zu öffnen. Aber das allein genügt nicht. Es geht vielmehr darum, die Bibliotheken zu einem Ort des öffentlichen Lernens auszugestalten. Dann kann man auch Neugier erwecken. Das halte ich für wesentlich.

Der breite Zugang zu Informationen und Kenntnissen ist meines Erachtens das beste Mittel, um populistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Da unterstützen wir Sie ausdrücklich.

Weltoffen, weltgewandt – das wäre ein schönes Sachsen. Das sehen wir ganz genauso. Ich habe vorhin schon festgestellt, dass wir attraktive Hochschulen und Fachhochschulen brauchen, in denen Leute aus der ganzen Welt studieren wollen, bei denen es Schüler-, Studenten- und

Lehreraustausche gibt und bei denen es überhaupt keine Frage ist, welche Hautfarbe derjenige hat, der gern ein Jahr in Sachsen lehren oder studieren möchte. Das zu erreichen wird ein weiter Weg sein, besonders wenn man sieht, wie sich die Verhältnisse jetzt hier gestalten.

Ich sage es noch einmal, dass ich mich gefreut habe und mich dafür bedanke, dass alle hier in diesem Haus klare Worte in der Abgrenzung zur NPD gefunden haben.

Es kommt auf willige und selbstbewusste Akteure an. Wenn man im Hochschulbereich erreichen möchte, dass viele ausländische Studierende und Lehrkräfte kommen, dann braucht man zum Beispiel dort eine Betreuung der Leute, die hierher kommen und die zum Teil nicht gut deutsch sprechen oder es gerade erst lernen. Es gibt dabei Instrumente der Selbsthilfe, die von Studentenräten gegründet wurden. Denen wurden aber die Mittel gekürzt. Das wird nicht funktionieren. Wir sind angewiesen auf willige und selbstbewusste Akteure in der Gesellschaft, auf die Bürgergesellschaft, um das zu transportieren, was hier heute politisch gefordert worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen werden Sie heute auch eine eigene Mehrheit für die Wahl des Ausländerbeauftragten finden müssen. Das ist sozusagen der Test, inwieweit das, was Sie als Ministerpräsident heute vorgetragen haben und was Sie, Herr Dr. Hähle, als Fraktionsvorsitzender in Ihrer Rede unterstützt haben, auch wirklich in der Fraktion der CDU gemeinsames Meinungsbild ist.

Die Demokratie ist ein Wert an sich, auch wenn es nicht jedem in unserem Land materiell besser geht. Die Sachsen sind nicht in der Demokratie aufgewachsen. Wir haben sie nach wenigen Wochen und nach Demonstrationen, in denen es auch heikle, schwierige Situationen gab, also nicht über Jahre hinweg, bekommen. Wir müssen sie uns selbst noch einmal neu gewinnen. Das wird wohl so sein müssen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir in diesem Lande eine breite Bürgergesellschaft aufbauen. Die DDR hatte nie Interesse an einer breiten Bürgergesellschaft, weder am Bürgertum noch an einer Bürgergesellschaft. In der DDR ging es um Klassen, um Klassenkampf.

Ich bin der Auffassung, dass es jetzt darum geht, eine breite Bürgergesellschaft von links und von rechts, von beiden Seiten, aufzubauen. Niemand hat das für sich gepachtet. Es ist entscheidend, dass eine breite Schicht in der Gesellschaft Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Ordnungsprinzipien der Würde und der Individualität von sich aus offensiv verteidigen kann und es nicht nur Parlamentsdebatten vorbehalten bleibt, Leute zu stoppen, die diese Ziele nicht unterstützen. Ich denke, das ist wichtig, und wir können das gemeinsam erreichen.

Es reicht nicht, die Grundrechte, die wir mit der Demokratie bekommen haben, zu leben, Beispiel zu geben und praktische Erfahrungen zu erlangen. Man muss diese Grundrechte auch leben lassen. Das schließt ein, dass Regierende, die immer nur auf Zeit gewählt sind, und Regierte in einer Art Dialog sind und gemeinsam die Bürgergesellschaft aufbauen. Davon halten wir sehr viel.

Wenn Ihnen unsere Ratschläge zu diesen Themen willkommen sind, werden wir sehr konstruktiv mit Ihnen am Aufbau dieser breiten Bürgergesellschaft in Sachsen zusammenarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde in der Aussprache zur Regierungserklärung ist damit beendet. Es gibt noch restliche Redezeit. Die CDU-Fraktion hat noch 20 Minuten, die PDS-Fraktion zwei Minuten. Die anderen haben ihre Redezeit ausgeschöpft. Ich frage, ob es noch Redebedarf gibt. – Bei der CDU-Fraktion nicht. Bei der PDS-Fraktion? – Auch nicht. Danke.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Regierungserklärung beendet. Der Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen. Wir treten ein in eine Mittagspause bis 14:00 Uhr. Ich erinnere daran, dass danach auf der Tagesordnung Wahlen stehen.

Guten Appetit!

(Unterbrechung von 12:59 Uhr bis 14:03 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie die Plätze einzunehmen. Wir möchten mit der Tagesordnung fortfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Wahl eines Mitgliedes des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Sächsischen Landtages (gemäß § 3 des Gesetzes zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle hinsichtlich der Überwachung von Wohnungen unter Einsatz technischer Mittel und anderer polizeilicher Maßnahmen unter Einsatz besonderer Mittel im Freistaat Sachsen)

Drucksache 4/0244, Wahlvorschlag der Fraktion der PDS

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes werden die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom Landtag aus seiner Mitte einzeln mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt. § 3 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes legt darüber hinaus fest, dass zwei der fünf Mitglieder der parlamentarischen Opposition angehören müssen. Da in der 2. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages am 10. November 2004 ein Kandidat der PDS-Fraktion nicht die Mehrheit der Mitglieder des Landtages erreicht hat, kommen wir heute zur Nachwahl. Ihnen liegt der Wahlvorschlag der Fraktion der PDS in der Drucksache 4/0244 vor. Vorgeschlagen ist erneut Herr Bartl. Gemäß § 101 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung ist dies zulässig. Ich frage, ob dazu eine Aussprache gewünscht ist. – Nein. Meine Damen und Herren! Es ist nicht der Fall, dass eine Aussprache gewünscht wird. Die Wahlen finden nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt, allerdings kann auch durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht.

(Uwe Leichsenring, NPD, steht am Mikrofon.)

Es wird widersprochen. Bitte, Herr Leichsenring.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie vergaßen, in Ihrem Vorwort den Wahlvorschlag der NPD-Fraktion mit zu benennen.

Der ist heute vom Präsidium für unzulässig erklärt worden und deshalb heute hier nicht Gegenstand.

Dann müssten Sie diesen mit erwähnen. Ich beantrage an dieser Stelle gleichzeitig, dass – –

Ich muss den nicht erwähnen, weil er nicht zulässig ist. Damit ist er hier nicht Gegenstand. Sie haben auch keine neue Vorlage eingereicht. Es tut mir Leid, Herr Leichsenring.

Frau Präsidentin, das muss Ihnen nicht Leid tun. Das Präsidium hat nach § 9 Abs. 2 darüber befunden, dass dieser Wahlvorschlag unzulässig ist. Wir können nach dem gleichen Paragrafen und dem gleichen Absatz verlangen, dass der Landtag hier darüber befinden möge. Darum bitte ich in diesem Sinne.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das ist zulässig!)

Dann verfahren wir nach § 53, so dass das Parlament über die Zulässigkeit Ihres Vorschlages entscheidet.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Welcher Vorschlag ist das?)

Würden Sie bitte Ihren Vorschlag noch einmal benennen, Herr Leichsenring, weil er mir jetzt nicht vorliegt?

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich um die Drucksache 4/0263. Das ist unser Wahlvorschlag. Das Mitglied des Landtages Dr. Johannes Müller wird von unserer Fraktion vorgeschlagen.

Gut. – Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Zulässigkeit des Antrages abstimmen. Wer der Zulässigkeit stattgeben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist da