Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der demagogischen Einführungsrede von Herrn Leichsenring muss ich doch noch einige Fragen stellen. Wovon reden wir hier eigentlich? Wo liegt das Problem?
Ich glaube, ein Blick in den letzten Verfassungsschutzbericht von Sachsen hilft da etwas. Im Jahr 2003 standen 50 linksextremen Straftaten, darunter 17 Gewalttaten, 1 096 rechtsextremistische Straftaten, darunter 69 Gewalttaten, gegenüber.
Die NPD ist aktenkundig eine Partei, die mit gewaltbereiten rechtsextremen Skinheadkameradschaften verquickt ist und dort Gemeinschaft pflegt.
Jede Straftat ist eine zu viel. Jede Gewalttat muss verfolgt werden. Aber das ist Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft, und unsere Fraktion hat zurzeit keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese ihrer Aufgabe gerecht werden.
Es ist weiter zu fragen: Wer nutzt eigentlich diese Vorfälle als willkommenen Anlass? Wer schreit hier nach Recht und Ordnung in der NPD-Fraktion? Das ist ein Herr Uwe Leichsenring, der persönlich mit den „Skinheads Sächsische Schweiz“ seit Jahren eng verbrüdert ist und gerade wieder öffentlich seine enge Verbindung mit dieser kriminellen Vereinigung bekundet hat. Das ist ein Klaus-Jürgen Menzel, der in seiner Rede in Pirna eine klare nationalsozialistische Ideologie mit einem direkten Bezug auf Adolf Hitler verbreitet hat. Es war diese Ideologie, es waren diese Menschen, deren Arbeit, deren Ideen, deren Reden und Handeln dazu geführt haben,
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der PDS, der SPD und der FDP – Lachen bei der NPD – Uwe Leichsenring, NPD: Ich bin gar nicht da gewesen!)
Schließlich will ich fragen: Was ist das eigentlich für ein Antrag? Er will doch nicht ernsthaft versuchen, Aufklärung zu schaffen. Es ist eigentlich der Versuch, das rechtsstaatliche demokratische System, das Ihrer Fraktion verhasst ist, lächerlich zu machen. Der Antrag macht ja nicht einmal formal den Versuch, den Kriterien eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu genügen. Er versucht nicht einmal im Ansatz, eine Aufgabenstellung zu beschreiben, sondern er ist einzig und allein ein Versuch, dieses Thema auf die Tagesordnung zu hieven.
Auch wir halten den Antrag formal für unzulässig. Es gibt aus unserer Sicht auch noch einmal die Notwendigkeit für den Juristischen Dienst des Sächsischen Landtages, diese Fragen der Zulässigkeit zu überprüfen, was die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen betrifft.
Das Recht auf Chancengleichheit der Opposition, aus dem die Minderheitenrechte hervorgehen, ist ein sehr hohes Recht. Es ist auch durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der 1. Legislaturperiode mit in die Sächsische Verfassung gebracht worden. Wir schätzen die Oppositionsrechte als ein sehr hohes Gut. Deshalb bitten wir alle demokratischen Fraktionen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass wir diese Rechte vor offensichtlichem Missbrauch durch den parlamentarischen Arm von verfassungsfeindlichen antidemokratischen Kräften schützen.
Wird von der Staatsregierung das Wort gewünscht? – Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache beendet.
Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag hat gemäß Artikel 54 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen und § 2 Abs. 1 Satz 1 Untersuchungsausschussgesetz das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der vorliegende Antrag, Drucksache 4/0302, wurde von der NPD-Fraktion gestellt. Eine Pflicht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist damit nicht gegeben.
Der Landtag muss einen förmlichen Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses fassen. Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist dieser Antrag bei keiner Stimmenthaltung mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Untersuchungsausschuss nicht eingesetzt und der Tagesordnungspunkt beendet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen am Beginn einer neuen Legislaturperiode. Gemeinsam mit Ihnen will die Staatsregierung unser Land in den nächsten fünf Jahren voranbringen. Wir wollen wieder zu einer führenden Region in der Mitte Europas werden. Eine wichtige Etappe liegt hinter uns. In wenigen Tagen endet die Zeit des Solidarpaktes I. Im neuen Jahr treten wir mit dem Solidarpakt II in eine neue Phase. Wir beginnen die neue Etappe unter neuen Vorzeichen und Rahmenbedingungen. Es ist Zeit, unsere Instrumente zu überprüfen und die Stellschrauben neu zu justieren. Wir werden das Haus Sachsen weiterbauen. Nachdem der Rohbau steht, brauchen wir für den Ausbau neue Werkzeuge.
Die Arbeiten waren ein Erfolg. Die Menschen in unserem Land haben bewundernswerte Leistungen vollbracht. Wir haben uns dadurch große Anerkennung auch außerhalb Sachsens verdient. Sachsen hat sich in Deutschland wieder einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Das ist ureigenstes Verdienst der Menschen in unserem Land – jeder Einzelne an seinem Platz, die Handwerker, die Tradition und Moderne verbinden, die Unternehmer, die ihre Chancen suchen, die Lehrerinnen, die unsere Kinder unterrichten, die Krankenschwester, die die Kranken pflegt, die Polizisten, die für unsere Sicherheit sorgen, aber vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben, die täglich ihrer Arbeit nachgehen, und auch die Mütter in unserem Land. Viele von ihnen stehen im Beruf und tragen zugleich eine unersetzliche Rolle für unsere Kinder. Die Liebe und die Zuwendung der Mütter zu ihren Kindern ist vielleicht das Wichtigste für eine gute Zukunft.
Ausnahmslos jeder hat mit seiner täglichen Arbeit und mit seiner persönlichen Leistung das möglich gemacht, worum uns viele beneiden.
Sachsen ist die Nummer eins im Osten. Wir sind das dynamischste Land in Deutschland. Sachsen wächst schneller und stärker als die anderen Regionen in Deutschland. Ich will, dass das so bleibt, meine Damen und Herren, und dafür steht die neue Staatsregierung.
Mein Ziel ist: Wir wollen im Jahr 2020 auf eigenen Füßen stehen. Das ist ehrgeizig, weil wir noch immer auf Transferleistungen angewiesen sind. Das ist realistisch, wenn wir die Segel neu setzen, um unseren Kurs zu halten und neue Ufer anzusteuern. Dafür tritt die neue Staatsregierung an.
Wir haben unser Programm für die kommenden fünf Jahre im Koalitionsvertrag festgelegt. Sie alle wissen, auf welche einzelnen Punkte wir uns verständigt haben. Ich brauche das hier nicht zu wiederholen. Wichtig, meine Damen und Herren, sind mir drei Schwerpunkte, die vor der Klammer der gemeinsamen Arbeit stehen.
Mit diesen drei Leitlinien garantieren wir eine Weiterentwicklung der Politik und zugleich bauen wir auf den Erfolgen der zurückliegenden Jahre auf.
Meine Damen und Herren, die Zeiten haben sich geändert. Deutschland ist heute ein ganz anderes Land als im Jahr 1990. Das gilt für Sachsen erst recht. Rezepte der letzten Jahre werden in Zukunft nicht mehr die gewohnten Erfolge bringen. Die Wohnungsbauförderung hat beispielsweise große Fortschritte bewirkt. Wenn wir sie unverändert fortführten, würden wir die inzwischen eingetretene Schieflage weiter verschärfen.
Mit großen Straßenbauprojekten haben wir Ost- und Westdeutschland wieder miteinander verbunden. Für die kommenden Jahre brauchen wir bessere Verbindungen zu unseren neuen Nachbarn in Mittel- und Osteuropa.
Vor 15 Jahren mussten wir neue rechtsstaatliche Verwaltungsstrukturen in Sachsen aufbauen. Für die kommenden Jahre werden wir das Vorhandene auf die veränderten Bedürfnisse neu ausrichten. Dazu werden wir konkrete Vorschläge machen, die nicht nur quantitative, sondern vor allem auch qualitative Veränderungen beinhalten werden. Die Strukturen stehen alle miteinander auf dem Prüfstand.
Unsere Gesellschaft ist heute vor andere Fragen gestellt als Anfang der neunziger Jahre. Deutschland musste zusammenwachsen. Hier haben wir sehr viel erreicht. Aber wir hatten in den zurückliegenden Jahren den Blick nach innen gerichtet. Heute richten wir gemeinsam den Blick auf unsere Nachbarn in Europa und Partner in der Welt, aber auch – das muss man deutlich sagen – auf unsere Konkurrenten im internationalen Wettbewerb. Deutschland liegt nicht mehr im beiderseitigen Schatten der Mauer. Deutschland hat sich aus der Randlage befreit. Ostdeutschland ist nicht mehr das westlichste Gebiet des RGW und Westdeutschland ist nicht mehr das östlichste Gebiet der Europäischen Union. Sachsen liegt heute wieder im wirtschaftlichen Mittelpunkt des vereinten Europas.
Sachsen, Böhmen und Schlesien wachsen langsam wieder zu einer starken grenzüberschreitenden Großregion im Herzen Europas zusammen. Gerade im Automobilbau kann man das schon feststellen.
Wir wollen davon profitieren, wenn aus der Mitte Europas neue Impulse kommen und wenn die wieder erstarkte Nachbarschaft auch uns neue Wirtschaftskraft bringt.
Wir werden unser Land in den kommenden Jahren für den europäischen und internationalen Wettbewerb fit machen. Die Bevölkerung in Deutschland und natürlich auch in Sachsen spürt die Veränderungen. Aber viele Menschen empfinden die notwendigen Reformen als Bedrohung und reagieren mit Verunsicherung. Die Deutschen sind in Sorge um ihre Zukunft und erwarten von der Politik Verlässlichkeit; vor allem die Menschen hier in Ostdeutschland. Die Dominanz der großen bundesweiten Reformthemen verändert politische Einstellungen und Bindungen. Es ist die gemeinsame Aufgabe aller verantwortlichen Politiker, die Bevölkerung für die dringend notwendigen Reformen zu gewinnen, sonst erhalten die politischen Ränder noch weiteren Zulauf.
Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag hat sein Gesicht verändert. Die vier Parteien, die in ganz Deutschland Verantwortung tragen und die demokratische Mitte repräsentieren – CDU und SPD, FDP und GRÜNE – konnten in Sachsen nur 60 % der Stimmen auf sich vereinen; Ähnliches gilt übrigens für Brandenburg. Das ist einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Aber absolut alarmierend ist für mich, dass die NPD mit platten, demagogischen Parolen unser Land vor der Welt in Verruf bringen will.
(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Ho, ho! bei der NPD)
Die ersten Töne, die Sie, Herr Apfel, noch am Wahlabend hier im Landtag vor aller Welt angeschlagen haben, hatten einen klirrenden, kalten Nachhall, den unsere Kinder bislang nur aus den Wochenschauen kannten,