Begrüßenswert am PDS-Gesetzentwurf ist die Abschaffung der Hauptschule als eigenständiger Bildungsgang. Begrüßenswert ist außerdem die Übertragung der wirklichen Kompetenz für die Schulnetzplanung an die Schulträger. Mehr positive Aspekte können wir auf Anhieb nicht erkennen; denn die PDS ist ihrer Vorliebe gefolgt, dass sie alles bis ins kleinste Detail regeln möchte, und damit haben wir als GRÜNE Probleme. Die Konsequenz ist nämlich, dass die Akteure vor Ort – die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und Schüler – nicht ermuntert werden, selbstständig über Reformen nachzudenken und an der Überwindung von Defiziten zu arbeiten. Diese Überregulierung erstickt Eigeninitiative und Kreativität und fördert den Dienst nach Vorschrift.
Sehr geehrte Frau Kollegin! Da Sie es jetzt angesprochen haben, würde ich Sie gern fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass – anders als im jetzigen Schulgesetz – unser Entwurf vorsieht, dass alle Schulen ein Schulprogramm erarbeiten, für sich selbstständig entscheiden, welchen Weg ihre Schule geht, und dies dem Kultusminister nur anzeigen und nicht mehr genehmigen lassen müssen, mithin also eigenständig ihren Weg entscheiden können. Ist Ihnen das entgangen?
Ich weiß darum, es ist mir offensichtlich nicht entgangen. Aber diese Schulprogramme, die wir jetzt auch haben, und diese Schulporträts: Sie wissen doch selbst, dass diese keinerlei Einfluss auf die Eigenständigkeit der Schule haben, sondern es ist doch nur ein Bewegen innerhalb des Systems. Es ist der Versuch, sich nach außen positiv darzustellen und über bestimmte Aspekte hinwegzutäuschen. Ich halte es nicht für ein sinnvolles Mittel.
Ich weiß, dass Sie jetzt in die andere Richtung schießen. Jetzt mache ich einfach in meiner Richtung weiter.
Die Überregulierung war mein Stichwort. Ich wollte ein Beispiel nennen, das dies besonders deutlich macht. Beispielsweise, wenn Schulen selbst darüber befinden können, in welchem Schuljahr sie mit dem Sprachunterricht beginnen wollen. Es erschwert den Umzug innerhalb des Freistaates Sachsen und den Zuzug nach Sachsen, wenn man von einer Schule kommt oder an eine solche gerät, die einen früheren Start der Fremdsprache ermöglicht hat.
Ich würde gern noch aus der öffentlichen Anhörung zitieren: Sabine Gerold, GEW-Vorsitzende in Sachsen, hat zu diesem Gesetzentwurf Folgendes gesagt – Zitat: „Der gesamte Gesetzentwurf ist zu vordergründig von der Auseinandersetzung mit den Defiziten des jetzigen Schulsystems und seiner staatlichen Regulierung geprägt, dadurch nicht wirklich modern und auch nicht wirklich visionär. Er bleibt sowohl in der Begrifflichkeit als auch in seiner Struktur dem jetzigen Sächsischen Schulgesetz viel zu nahe. Das ist für mich“, also für Frau Dr. Gerold, “angesichts der Erfahrungen mit der Schulpolitik in diesem Lande zwar nachvollziehbar, aber gemessen an dem tatsächlichen Anspruch, den die PDS selbst formuliert, eigentlich nicht akzeptabel.“
Das Problem dieses Schulgesetzentwurfs scheint mir darin zu bestehen – und in der letzten Ausschusssitzung ist es meiner Meinung nach auch durch eine Äußerung von André Hahn deutlich geworden –, dass dieses Gesetz sehr auf den jetzigen Kultusminister zugeschnitten ist. Ich
kann sehr gut verstehen, dass Sie hier möglicherweise Barrieren einbauen wollen, aber was soll er machen?
Das war die erste Debattenrunde der Fraktionen. Ich frage, ob es noch weiteren Redebedarf gibt. – Die Linksfraktion.PDS; Frau Bonk, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich in die Fachdebatte einsteige, möchte ich – etwas isoliert, aber mir wichtig – als Erstes eines klarstellen: Der Beitrag, der von der NPD im Grunde als einziger zu unserem Gesetzentwurf gekommen ist,
zeigt ihren Charakter und ihre mangelnde Auseinandersetzung mit den fachpolitischen Grundsätzen sehr deutlich, hier wieder auf die Bevorzugung von Migrantenkindern zu verweisen. Völlig klar: Wenn wir einen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund von 2,... % haben, ist das populistisch, wahrheitsverzerrend, es zeigt deutlich Ihren Charakter, und wir lehnen das ab.
Meine Damen und Herren! Nachdem dieses klargestellt ist, möchte ich gern einiges zu den fachpolitischen Grundsätzen sagen.
Herr Colditz, wir wollen keine Experimente für die sächsische Schule, wir wollen eine Perspektive für die sächsische Schule.
Wenn Sie uns als populistisch bezeichnen, dann möchte ich wissen, ob Sie das Oberverwaltungsgericht auch als populistisch bezeichnen, das den Grundsätzen, die wir auch festschreiben wollen, gefolgt ist, als es über die Mittelschulen Radibor und Schönfeld beschlossen hat.
Wenn Sie sagen, dass zu wenig Lehrerinnen und Lehrer für das da seien, was wir fordern, dann, muss ich sagen, ist das zynisch, albern oder unglaubwürdig; denn die Lehrerinnen und Lehrer sind da, nur, Sie schicken sie aus finanzpolitischen Gründen in Teilzeit. Das halten wir für nicht verantwortungsbewusst.
Meine Damen und Herren! Schule in Sachsen muss sich ändern, das ist klar. Ich sage es gleich vorweg, auch weil das hier wieder von Ihnen gekommen ist: Daran ändert
auch kein gutes Ergebnis in einer internationalen Vergleichsstudie etwas, das sich vor allem auf fachliche Kompetenzen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen bezieht.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die besonderen Umstände, dass hier kaum Menschen mit Migrationshintergrund leben, auch zu diesem Ergebnis beigetragen haben; denn wenn man sie berücksichtigen müsste, dann wäre es nur ein siebter Platz. Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte dieses Ergebnis nicht schlechtreden. Natürlich nehmen wir es für diese Bereiche zur Kenntnis, aber wir brauchen grundlegend andere Schulen, weil wir wollen, dass junge Menschen mehr können und mehr lernen als Rechnen und Lesen. Weil wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler für ihr Leben ausgebildet werden und alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, sich entwickeln zu können. Damit nicht 10 % per se mit schlechten Abschlüssen und geringen Chancen für ihr weiteres Leben die Schule verlassen, fordern wir ein längeres gemeinsames Lernen.
Meine Damen und Herren! Über diese 10 % sprechen Sie gar nicht. Sie orientieren Ihre Diskussion im Grunde an denjenigen, die das Gymnasium besuchen, und nehmen sich dieses Problems nicht an. Das können wir nicht akzeptieren. Darum fordern wir flächendeckend etwas anderes.
Meine Damen und Herren! Wir wollen eine Schule, die alle entsprechend ihren Stärken, ihren Schwächen, ihren Begabungen und ihren Neigungen fördert. Das gegliederte Schulwesen – da das der Hauptkern unseres Gesetzentwurfes ist, gehe ich darauf noch einmal ein – ist für eine Gesellschaft konzipiert worden mit ihren Ständen, die es so heute überhaupt nicht mehr gibt. Oder wollen Sie sagen, dass Sie eine Zuteilung nach Ständen – für die Oberschicht das Gymnasium und für die Ausführenden und deren Kinder eine Art Volksschule – haben wollen? Ist das Ihr Ziel? Dazu kann wohl niemand stehen.
Das gegliederte Schulwesen reproduziert erwiesenermaßen soziale Unterschiede. Die bessere Förderung in angeblich homogeneren Gruppen hat sich angesichts der bewiesenen Heterogenität sowohl an Gymnasien als auch an Mittelschulen als Humbug herausgestellt. Stattdessen weist es jungen Menschen im Alter von zehn Jahren ihren Stand in der Gesellschaft zu und verwehrt ihnen Entwicklungschancen.
Das ist deshalb der Fall, weil die Schülerinnen und Schüler nicht nach ihren Möglichkeiten gefördert werden. Das haben wir auch in der Anhörung von den von der CDU bestellten Experten gehört. Das Beispiel, das dort gebracht worden ist, macht vielleicht einigen Abgeordneten noch einmal eines deutlich: Zwei Jungen, die zum Ende der 4. Klasse vielleicht in ihren Fähigkeiten ähnlich waren, haben sich schon in der 8. Klasse durch eine
schulartbezogene Förderung völlig voneinander entfernt und auseinander entwickelt. Diese schulartspezifische Sozialisation sorgt dafür, dass die Schulform ihre Schüler produziert.
Das ist aber den jungen Menschen gegenüber, die eine Entwicklungschance haben müssen, nicht gerecht; nicht zu vergessen diejenigen, die von Schulform zu Schulform durchgereicht werden, weil niemand ihnen die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln, weil pädagogische Herausforderungen in dem System nicht bewältigt, sondern weitergeschoben werden können.
Meine Damen und Herren! Darum wollen wir die längere gemeinsame Schulzeit und wir wollen nicht etwa eine prestigeträchtige einzelne Gemeinschaftsschule im Land, sondern wir wollen es flächendeckend.
Ich möchte auf die Äußerungen meines Kollegen von der SPD eingehen. Er sprach davon, Gemeinschaftsschule qualitativ gut zu machen. Selbstverständlich. Aber wenn Sie solche Richtlinien erlassen, welche die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen praktisch unmöglich machen, weil das kosten- und stellenneutral passieren muss, dann gibt es keine reale Möglichkeit, mit Qualität solche Schulen im Land zu entwickeln, dann bleibt es eben bei der einen Vorzeigeschule. Das können wir als alternatives Konzept nicht akzeptieren.
Natürlich gehört zu dieser anderen Schule, die wir wollen, auch eine andere Lernkultur. Meine Damen und Herren! Lernen ist nicht nur Unterricht, gelernt werden kann in Projekten innerhalb und außerhalb der Schule, in kleinen Gruppen, allein, beim Lehrervortrag und beim Theaterspiel. Eine Schule kann ein Ort von Entwicklung sein, von Bewegung und von Freude, wenn es um das Lernen geht und nicht um aufgezwungenes Wissen. Schule muss sich ändern, meine Damen und Herren, und deswegen verändern wir das System, um die Schule vor Ort verändern zu können.
Im System wollen wir flächendeckend ein längeres gemeinsames Lernen, und zwar in wohnortnahen Schulen.
Ich möchte dazu auf die Veränderungen vor Ort eingehen. Sie sind das Entscheidende und können nur durch Veränderungen im System ermöglicht werden. Lehrerinnen und Lehrer brauchen die Bedingungen und die entsprechenden Fortbildungen, um die Lernkultur verändern zu können. Ganztagsschulen können ein Einstieg in eine andere Lernkultur sein, aber auch dafür müssen flächendeckend Grundlagen geschaffen sein. Ich erkenne die Einstellung der Mittel in den Haushalt an, aber auch die entsprechende Richtlinie – das hat das vergangene Jahr gezeigt – befördert nicht unbedingt eine qualitativ sinnvolle Einfüh
In die Schulkultur vor Ort kommt nur Bewegung, wenn wir ihnen mehr Entscheidungsfreiheit geben. Diese Eigenverantwortlichkeit ist für uns ein wichtiger Punkt. Deshalb geht Ihr Vorwurf, wir würden überregulieren, ins Leere.