Protocol of the Session on January 24, 2006

Das ist Ihre Ideologie.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber was ist das?)

Es ist sicherlich unumgänglich, dass die Bildungslandschaft in Sachsen verbessert wird. Auch wenn sich die Staatsregierung immer wieder auf den Ergebnissen zweier Pisa-Studien ausruht, ist eigentlich überhaupt kein Grund

für eine Entwarnung gegeben. Im nationalen Vergleich mögen wir ja gut dastehen. Insgesamt liegt allerdings noch einiges im Argen.

Mehr als 10 % unserer Schulabgänger – das wurde ja schon gesagt – verlassen die Schule ohne Abschluss. Der Bundesdurchschnitt liegt bei unter 9 %. Dieses negative Ergebnis „erzielt“ Sachsen auch noch bei einem vergleichsweise geringen Ausländeranteil von 2,8 % an den Schulen.

In Bayern und Baden-Württemberg beispielsweise liegt der Ausländeranteil bei 9,5 % bzw. 12,1 %, also drei- bis viermal höher.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wo?)

An den Schulen.

Die Schulschließungen und die kurzfristigen Änderungen der Zugangsvoraussetzungen zum Gymnasium vor Beginn des jetzt laufenden Schuljahres werden sicherlich in Kürze negative Auswirkungen zeigen.

Meine Damen und Herren! Bei allen positiven Ansätzen ist also die Schulbildung auch in Sachsen reformbedürftig. Ein Schulgesetz ist kein Naturgesetz, und in einigen Punkten stimmen wir mit der Linksfraktion.PDS durchaus überein. Das betrifft zum Beispiel den Komplex der Mindestschülerzahlen oder auch den jahrgangsübergreifenden Unterricht.

Gerade im Hinblick auf die demografische Katastrophe, welche auch vor Sachsen nicht Halt machen wird, sehen wir hier Möglichkeiten der Schulerhaltung, besonders im ländlichen Raum.

Auch die Bestrebungen, nach der Primarstufe weiterhin den gemeinsamen Schulbesuch zu ermöglichen und nicht schon nach der 4. Klasse eine Differenzierung vorzunehmen, kann von uns mitgetragen werden.

Die weitere Ausgestaltung der Sekundarstufe halten wir allerdings für problematisch. Hier stoßen wir uns besonders an dem Verzicht auf einen gesonderten Hauptschulbildungsgang. Dieser Verzicht muss nicht zu einer Leistungsverbesserung führen. Beispiele aus der Praxis belegen, dass auch kleinere Hauptschulklassen gute Ergebnisse erreichen können. Mit meiner Fraktion ist daher ein Verzicht auf einen gesonderten Haupt- und Realschulbildungsgang mit den entsprechenden Abschlüssen nicht zu machen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist aus unserer Sicht die Tatsache, dass die Differenzierung für eine Gymnasialbildung zu spät einsetzt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was?)

Hier setzen wir leichtfertig Sachsens Vorbildwirkung des Abiturs nach zwölf Jahren aufs Spiel. Wir wenden uns also gegen die Pläne, dass der Beginn des Gymnasiums erst ab Klasse 8 erfolgt.

Wir sehen auch ein großes Problem dieses Gesetzentwurfes bei dem vorgesehenen Beginn des Fremdsprachenun

terrichts. Wenn dieser von den Schulkonferenzen festgelegt werden kann, sind Schulwechsel innerhalb Sachsens sehr problematisch, von einem Bundesländer übergreifenden Wechsel einmal ganz abgesehen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf die Kostenfrage zu sprechen kommen, die in Zeiten knapper Kassen sicherlich auch nicht unerheblich ist. Allein diese Umstrukturierung von Schularten in Schulstufen würde nach Angaben Ihrer Fraktion ungefähr 200 Millionen Euro kosten. Gerade im Hinblick auf die von mir schon angesprochenen Mängel halte ich diese Kosten für nicht vertretbar.

Wir werden also diesen Gesetzentwurf im Großen und Ganzen ablehnen und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich rufe die FDPFraktion auf. Herr Abg. Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS ist eine interessante Diskussionsgrundlage. Herr Hahn, das halte ich Ihnen durchaus zugute. Im Übrigen: Mit allen Vorlagen, nicht nur von Ihrer Fraktion,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

bildet sich unsere Fraktion eine Meinung anhand der Argumente, die dafür und die dagegen sprechen.

Wir haben uns auch diesen Gesetzentwurf angeschaut und sind nach der Abwägung dazu gekommen, ihn abzulehnen. Dies will ich Ihnen erläutern, aber ich will Ihnen auch sagen, dass es auch positive Aspekte gibt, die ich nicht unter den Tisch fallen lassen will.

Es ist das längere gemeinsame Lernen, das wir als FDPFraktion unterstützen. Es ist die Integration von Behinderten im Unterricht. Es ist der Verzicht auf die Regionalschulämter bzw. die Umordnung der Schulaufsicht. Es ist der Ausbau von Ganztagsangeboten und sicher auch das kostenlose Schulvorbereitungsjahr. Wie Sie sich erinnern, haben wir als FDP-Fraktion diese Punkte bereits selbst in dieses Plenum eingebracht, und wir finden sie auch richtig. Deshalb können Sie nicht behaupten, nur weil wir gegen Ihren Gesetzentwurf sind, sind wir auch gegen diese Punkte. Das ist etwas zu billig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist der Kern des Ganzen!)

Es ist nicht der Kern, Herr Porsch. Hören Sie einmal zu, die Rede geht noch weiter!

Es gibt übrigens eine Grundausrichtung in Ihrem Gesetzentwurf, und die passt uns nicht: Uns missfällt, dass Sie die Schulen noch enger als bisher in das bürokratische Korsett zwängen, dass Sie in den operativen Schulbetrieb eingreifen und ihn noch detaillierter regeln wollen.

Nun kann man ja das Argument vertreten: Die aktuelle Politik des Kultusministeriums gefällt einem nicht. Sie gefällt uns auch nicht in allen Punkten, aber wir machen ja keine Gesetze für bestimmte Minister, sondern Gesetze, die auch Bestand haben sollen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich mir allein den quantitativen Umfang Ihres Gesetzes anschaue, sind es 14 Paragrafen mehr als im derzeitigen Schulgesetz, und auch da sind wir schon der Meinung, es ist viel zu bürokratisch und schreibt viel zu viel vor. Lassen wir doch den Schulen endlich einmal die Freiheit, die sie brauchen.

(Beifall bei der FDP, der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, und Martin Dulig, SPD)

Ich will Ihnen gern Beispiele nennen, Herr Porsch, denn Sie scheinen sich besonders dafür zu interessieren. § 71: sehr detaillierte Regelungen zur Bedarfsermittlung und zur Bindung der Lehrer-Schüler-Relation. Nun wissen wir, in der Praxis bewegt sich das sehr unterschiedlich. Es hängt auch völlig von dem Gebiet ab, in dem wir uns befinden, ob wir uns in der Stadt oder im ländlichen Bereich befinden. Schon die Anhörung zum Gesetzentwurf der GRÜNEN hat gezeigt, dass diese Bindung nicht sinnvoll ist, da sie in der Praxis nicht funktionieren kann. Deshalb kann man sie auch nicht im Gesetz vorschreiben.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich mir im § 75 die Befugnisse der Schulaufsicht anschaue, meine Damen und Herren: Was ist das denn anderes als eine Generalbevollmächtigung zum Hineinregieren in den operativen Schulbetrieb? – Es ist genau das Gegenteil von mehr Schulautonomie.

Wir als FDP wollen mehr Freiheit für die sächsischen Schulen: bei den Finanzen, bei der Mittelverwendung, ganz klar auch bei der Auswahl und Einstellung von Personal sowie bei der internen Organisation.

Sie sagen, die Schulkonferenz sollte bei der Lehrereinstellung angehört werden. Wir sind der Meinung, dass man perspektivisch dazu übergehen muss, die Schule in die Lage zu versetzen, ihre Lehrer selbst auszusuchen. Anders kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei der FDP)

Aber gerade dort, wo die Details wirklich gefragt sind und wo man Dinge regeln muss, weil es auch darum geht, dass wir ein Schulsystem haben, das kompatibel mit dem anderer Bundesländer ist, Herr Porsch, bleiben Sie im Nebulösen. Wenn ich mir Ihre flexiblen Abiturprüfungen oder die Versetzungsordnung anschaue, dann sind, glaube ich, viele Punkte nicht zu Ende gedacht.

Aus diesen Gründen können wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Er ist, entgegen der Ankündigung, eben kein qualitativer Quantensprung für die sächsischen Schulen, er – meine GRÜNE-Kollegin sagt es immer so schön – „verschlimmbessert“ die aktuelle Situation. Ich

kann das in diesem Punkt wirklich nur unterstreichen. Wir wollen mehr Freiheit und weniger Bürokratie für die sächsischen Schulen, Sie gehen den umgekehrten Weg. Genau deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN; Frau Günther-Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsen braucht natürlich ein neues Schulgesetz. Anders sind die Strukturreformen nicht durchzusetzen. Anders ist es nicht möglich, dass Schulnetzplanung mehr wird als Schulschließungspolitik. Insofern ist es ein richtiger Ansatz, ein Schulgesetz vorzulegen. Wir als GRÜNE-Fraktion haben dies in der 2. und 3. Lesung im vergangenen Plenum getan.

Ich möchte einige Punkte aus dem PDS-Gesetzentwurf aufgreifen, die wir für richtige Ansätze halten und die wir auch bei uns berücksichtigt haben. Das Wesentliche scheint mir zu sein: das längere gemeinsame Lernen, die Betonung der individuellen Förderung des Einzelnen und eine echte Integration sowie die Stärkung der Schulträger und Landkreise bei der Schulnetzplanung.

Der wichtigste Aspekt für uns ist die Überwindung des mehrgliedrigen Schulsystems durch ein längeres gemeinsames Lernen. Wir alle wissen, dass die Bildungsempfehlung am Ende der 4. Klasse in der Regel nur dazu führt, dass die soziale Herkunft bestätigt wird. Diverse Studien haben inzwischen belegt, dass die Trefferquote der Bildungsempfehlung eher gering und ungefähr jede zweite Bildungsempfehlung falsch ist. Hier werden Zukunftschancen schon am Ende der 4. Klasse zerstört.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die sächsischen Schulen bieten zu wenig Chancengerechtigkeit und lassen zu viele Schülerinnen und Schüler zurück. Wenn wir uns anschauen: Der Anteil der Schüler an Förderschulen für Erziehungshilfe und Lernbehinderung ist traurigerweise sehr, sehr hoch. Die Schüler ohne Schulabschluss machen immer noch ungefähr 10 % eines Jahrgangs aus, und nur ein Drittel schafft es bis zum Abitur.

Begrüßenswert am PDS-Gesetzentwurf ist die Abschaffung der Hauptschule als eigenständiger Bildungsgang. Begrüßenswert ist außerdem die Übertragung der wirklichen Kompetenz für die Schulnetzplanung an die Schulträger. Mehr positive Aspekte können wir auf Anhieb nicht erkennen; denn die PDS ist ihrer Vorliebe gefolgt, dass sie alles bis ins kleinste Detail regeln möchte, und damit haben wir als GRÜNE Probleme. Die Konsequenz ist nämlich, dass die Akteure vor Ort – die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und Schüler – nicht ermuntert werden, selbstständig über Reformen nachzudenken und an der Überwindung von Defiziten zu arbeiten. Diese Überregulierung erstickt Eigeninitiative und Kreativität und fördert den Dienst nach Vorschrift.