Statt weiter am § 4a des Schulgesetzes herumzudoktern, gehört dieser durch klare Vorgaben für die Zuweisung von Lehrerstellen in Abhängigkeit von Schülerinnen und Schülern, ergänzt um Zuweisungen für besondere Bedarfe, ersetzt.
Der neue § 4b, den der Gesetzentwurf vorschlägt, ginge also ohne den vorherigen Paragrafen grundsätzlich in die richtige Richtung, allerdings aber nur grundsätzlich, denn das dort praktizierte Prinzip, einer schlechten Schule einen Anspruch auf mehr Lehrer zu geben, kann fatale Folgen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich sind Schulen keine Wirtschaftsunternehmen und befinden sich nicht auf einem Markt. Aber genauso wenig, wie man schlechte Schulen bestrafen darf, kann man sie einfach belobigen. Die Lösung muss doch in anderen Instrumenten als den Personalzuweisungen liegen. Schlechte Schulen, also Schulen mit einem niedrigen Abschlussniveau, brauchen zunächst Unterstützung bei der Analyse ihres Problems. Nur wenn dieses in Bedingungen liegt, die die Schule
nicht zu verantworten hat, kann zusätzliches Personal Sinn machen oder notwendig sein. Das ist etwa der Fall in einem schwierigen sozialen Umfeld oder bei einem hohen Migrantenanteil und Ähnlichem. Schlechte Schulen brauchen also zuallererst Hilfe zur Selbsthilfe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte Abs. 3 des neuen § 4b als Unterstützung der von uns geförderten Gemeinschaftsschulen betrachten. Diese sollen nämlich 10 % mehr Lehrerinnen und Lehrer erhalten als andere Schulen. In Wirklichkeit bauen Sie aber nur Hürden für Gemeinschaftsschulen auf und verhindern sogar deren Verbreitung, weil Sie sie teurer machen.
Der Gesetzentwurf entspricht nicht unseren Erkenntnissen und auch nicht den bildungspolitischen Forderungen seines Urhebers.
Gerade was die Überwindung des Anstaltscharakters unserer Schulen betrifft und damit unnötiger zentraler Vorgaben, bleibt der Entwurf hinter den eigenen Ansprüchen weit zurück. So kann man die Regelung zum Gymnasium, mit der Sie teilweise überflüssige Vorschriften der Schulordnung auch noch ins Gesetz übernehmen wollen, nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Auch die Anhörung hat hier massive Einwände ergeben. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Ihren Gesetzentwurf abzulehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren seit Jahren, von den verschiedenen Fraktionen vorgeschlagen, über Gemeinschaftsschulen und das mehrgliedrige Schulsystem. Immer wieder kommen wir auf den Punkt demografische Entwicklung. Das Hauptproblem scheint völlig aus den Augen geraten zu sein: Wie ändern wir unsere Gesellschaft so, dass Kinder wieder ein wichtiger Wert unseres Gemeinwesens sind und dass es für Frauen lohnenswert ist, Kinder zu bekommen?
Meine Damen und Herren, es ist doch so, dass in unserer Gesellschaft eine junge Frau um die 30 sehr schnell vor der Entscheidung: Mutter oder Karriere? steht. Hier sind doch die eigentlichen Probleme der Diskussion um Mitwirkungsentzüge von Schulstrukturen zu suchen.
Gesetzentwürfe wie der von den GRÜNEN sind Symptombekämpfung und Kosmetik. Wir müssen endlich an die Wurzel gehen und die Ursachen bekämpfen.
Doch nun zum Gesetzentwurf selbst. Die wesentlichste Änderung im Bereich der Mittelschule ist die Abschaffung des Hauptschulbildungsgangs. In Sachsen besucht fast ein Viertel der Mittelschüler in den Klassenstufen 7 bis 9 diesen Bildungsgang. Die Diskussion über die Abschaffung diskriminiert bereits die Hauptschüler. Es ist vielmehr notwendig, diesen Bildungsgang stärker zu etablieren und Vorurteile abzubauen.
Für Jugendliche, deren Begabungen stärker im manuellen, im handwerklichen Bereich liegen, sollte es möglich sein, eine gute Allgemeinbildung zu erlangen, die unterhalb des erforderlichen Wissens zum Übergang an ein Gymnasium liegt. Eine äußere Differenzierung durch andere Lehrpläne trägt ebenso zum Erfolg dieser Schüler bei wie eine spezielle Hauptschulmethodik. Noch wichtiger ist es, dass es für diese Jugendlichen einen Schulabschluss gibt, der ihnen eine Berufsausbildung und damit eine weitere persönliche Entwicklung ermöglicht.
In § 2 Ihres Gesetzentwurfs wird ausgeführt, dass ab Klassenstufe 7 eine auf individuelle Leistung bezogene Differenzierung erfolgen soll. Diese Formulierung ist unklar, weil das Ziel für alle Schüler ein Realschulabschluss mit einheitlicher Prüfung sein soll. Meine Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN, das ist doch, freundlich formuliert, Mist. Wenn das Niveau eines Realschulabschlusses erreicht werden soll, dann ist dies für alle Schüler verbindlich. Das heißt, es gibt Bildungsstandards. Warum aber sollen sich Hauptschüler mit Lehrinhalten auseinander setzen, die für ihr weiteres Leben nicht von vorrangiger Bedeutung sind? Ist es für einen handwerklich begabten Schüler unbedingt notwendig, die Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Exponentialfunktionen zu beherrschen?
Frau Günther-Schmidt, ich beantworte Ihre Zwischenfragen nicht. Das sollten Sie eventuell mit der Zeit schon gelernt haben.
Schwierig gestaltet sich unter diesen Bedingungen auch die Bewertung von Schülerleistungen. Wenn ein gleiches Maß für alle gelten soll, werden jetzige Hauptschüler nur noch Zensuren im unteren Bereich erhalten, also nur noch Misserfolge haben. Das führt natürlich wieder zu Schulverweigerungen und einer hohen Abbruchquote. Außerdem steigen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf keinen Fall mit einem schlechten Abgangszeugnis.
Ein guter Hauptschüler kann durchaus schneller eine Lehrstelle finden als ein schlechter Realschüler. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Senkt man das Realschul
Aber auch hinsichtlich Ihrer §§ 4a und 4b kann man wieder nur eine gut gemeinte Initiative feststellen, deren Ausführung etwas problematisch wäre:
In § 4a möchten Sie einzügige Mittelschulen ermöglichen. Zusätzlich sollen Abweichungen von der Mindestschülerzahl von 25, das heißt auch Unterschreitungen, noch zugelassen werden. Die Mindestschülerzahl soll 150 betragen. Damit wäre eine äußere Differenzierung in den Haupt- und den Realschulbildungsgang nicht mehr möglich. Ich habe aber eben ausgeführt, warum meine Fraktion an dieser Differenzierung festhalten möchte.
Aus der Sicht des Personaleinsatzes verringert sich ebenfalls die Flexibilität des fachgerechten Lehrereinsatzes. Vertretungen im Krankheitsfall gestalten sich schwierig. Der fachliche Austausch im Kollegium wird eingeschränkt und die Anzahl der an mehreren Schulen unterrichtenden Lehrer steigt. Besonders problematisch erscheint uns, dass nach der Ausnahmeklausel Abweichungen zulässig sind, wenn die Mindestschülerzahl der gesamten Schule in nicht mehr als vier aufeinander folgenden Schuljahren unterschritten wird. In einem solchen Fall gestaltet sich der Personaleinsatz an diesen Schulen besonders kritisch, weil sehr viele Gastlehrer zum Einsatz kommen. Erfahrungsgemäß sinkt auch das pädagogische Engagement stärker, wenn der Einsatz von Lehrern an mehr als zwei Schulen erfolgt.
Folgende Fragen sollen die Situation noch einmal verdeutlichen: An welcher Schule geht der Lehrer zur Dienstberatung? Wo hält er seine Elternsprechstunde ab? Für welche Schüler engagiert er sich? Mit welcher Klasse fährt er zur Klassenfahrt? Kann er denn überhaupt fahren, wenn an der anderen Schule Unterricht ausfällt?
Solche Regelungen wären eventuell in einer Übergangsphase zu verkraften. Da Sie aber das Problem der demografischen Entwicklung nicht angehen möchten und eine volks- und kinderfeindliche Politik betreiben, zementieren Sie hier wieder einmal einen nicht hinnehmbaren Dauerzustand.
In § 4b möchten Sie den Personalschlüssel verbessern. Das wird allerdings keinesfalls erreicht. Der generelle Personalschlüssel von 14 : 1 bringt sicherlich Vorteile für die Mittelschule, jedoch auch Nachteile für das Gymnasium, da dort gegenwärtig eine Schüler-Lehrer-Relation von 12,6 : 1 besteht, welche sich in den nächsten Jahren noch verbessern könnte.
Die Kopplung des Personalschlüssels an die Realschulabschlussquote ist problematisch. Mehr Lehrer führen nicht automatisch zu einer besseren Abschlussquote. Unklar ist die Formulierung „Realschulabschlussquote“ sowieso, weil in § 6 überhaupt kein Hauptschulabschluss vorgesehen ist. Das würde aus meiner Sicht bedeuten, dass die Schüler entweder den Realschulabschluss bestehen oder die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Das heißt, die genannte Realschulabschlussquote ist eigentlich die
Abschlussquote der Schulabgänger. Das würde zu einem Anstieg der Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss führen.
Wie sollen diese Schülerinnen und Schüler dann eine Lehrstelle finden? Geht man wirklich von einer Kalkulation von 20 bis 30 % Schüler ohne Schulabschluss aus? Da der vorliegende Gesetzentwurf keinerlei Änderungen im beruflichen Schulwesen vorsieht, bleibt diese Frage leider offen. Das wäre ein enormer Verstoß gegen die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler – und nicht nur dagegen.
Meine Damen und Herren, liebe Frau Günther-Schmidt! Wir sind durchaus für Reformen im Bildungssystem. Auch eine größere Durchlässigkeit wäre wünschenswert. Bildungsziele und angestrebte Abschlüsse müssen korrigierbar sein. Aber Ihr Gesetzentwurf ist aus Sicht meiner Fraktion wenig hilfreich. Daher werden wir ihn ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schulgesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN ist sicherlich gut gemeint. Das will ich Ihnen gern zugestehen und die allgemeinen Ziele halten wir auch für richtig. Auch die FDP-Fraktion ist dafür, lernschwächere Schüler besser zu fördern. Wir sind dafür, kleine, wohnortnahe Schulen nach Möglichkeit zu erhalten und auch ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen.
Doch – das haben auch die Vorredner schon erwähnt – wenn man sich den Gesetzentwurf etwas näher anschaut, sieht man, dass gut gemeint und gut gemacht zwei unterschiedliche Dinge sind. Der Gesetzentwurf hat eine Reihe schwerwiegender handwerklicher Mängel. Das ist in der Anhörung zutage getreten, das entdeckt man auch, wenn man sich die einzelnen Punkte anschaut.