Im internationalen Vergleich ist der Hauptschulabschluss eine zu geringe Qualifikation. Dort werden in der Regel Abschlüsse unterhalb des Realschulabschlusses nicht vergeben. Da unser Gesetzentwurf neben den genannten
formalen Anforderungen und Kriterien auch die Etablierung einer neuen Schul-, Lern- und Lehrkultur nach sich zieht, sind wir sicher, dass weniger Schulversager und mehr höhere Bildungsabschlüsse ermöglicht werden, und das, ohne das allgemeine Anforderungsniveau zu senken – ganz im Gegenteil.
Da die Staatsregierung dazu neigt, Schulpolitik unter fiskalpolitischen Prämissen zu betreiben, möchte ich zum Abschluss aus der Stellungnahme des Haushalts- und Finanzausschusses zu unserem Gesetzentwurf zitieren: „Dabei ist anzuerkennen, dass in Auswertung der PisaStudien eine zukunftsträchtige Lösung des Problem gesucht werden müsse, die auch Geld kosten werde.“
Meine Damen und Herren! Sie haben heute mit der Annahme unseres Schulgesetzentwurfs die Möglichkeit, die schulpolitische Ausrichtung des Freistaates Sachsen neu zu bestimmen. Wir kämen von einer reinen Standortschließungspolitik endlich hin zu einer strukturellen Änderung, weg vom mehrgliedrigen Schulsystem, hin zu einer wohnortnahen Unterrichtsversorgung und Chancengerechtigkeit für alle Kinder unabhängig von der sozioökonomischen Lage ihrer Herkunftsfamilien.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn sich Schule kontinuierlich und erfolgreich entwickeln soll, dann sind dazu sicherlich unter anderem auch verlässliche Rahmenbedingungen notwendig.
Nun ist es sicher in diesem Zusammenhang legitim und richtig, wenn unterschiedliche politische Positionen auch in unterschiedlichen schulpolitischen Gesetzesinitiativen ihren Ausdruck finden.
Bekanntlich hat aber auch die CDU-Fraktion vor nicht allzu langer Zeit eine entsprechende Gesetzesnovelle eingebracht und verabschiedet, damit grundsätzlichen Entwicklungsbedarfen unserer Schulentwicklung entsprochen, sodass wir grundsätzlich der Meinung sind, dass nicht schon wieder eine neue Gesetzesnovelle ansteht, zumal damit allein schon die eben genannte Kontinuität von Schulentwicklung infrage gestellt würde.
Im Übrigen enthalten die vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzentwurfes auch keine grundsätzlichen Neuerungen, sondern greifen anderswo bereits besprochene und realisierte Vorgaben auf. Dies gilt insbesondere für die beschriebenen Strukturprogramme des Gesetzentwurfs. Das Bestreben solcher Vorgaben besteht offen
sichtlich in der Beibehaltung des Status quo, also einer Bestandssicherung der Schulen und damit verbundener Beschäftigungsmöglichkeit für Lehrer. Dass dies, meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Schülerzahlentwicklung unrealistisch ist, haben wir mehrfach – wenn auch kontrovers – diskutiert.
Im vorliegenden Gesetzentwurf vorgegebene Schüler- und Mindestschülerzahlen müssen sich meines Erachtens auch gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung an der dauerhaften und verlässlichen Finanzierbarkeit messen lassen. Zu Recht hat deshalb auch der Landkreistag in diesem Zusammenhang auf die absehbar drastisch sinkenden Zuweisungen des Bundes durch die degressive Wirkung des Solidarpaktes II verwiesen.
Meine Damen und Herren! Es hat nichts mit Diktat der Finanzpolitik zu tun, auch auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, wenn eine dauerhafte finanzielle Absicherung schulischer Angebote auch in Zukunft noch realisiert werden soll.
Aber auch schulorganisatorisch stoßen die Vorstellungen des Gesetzentwurfs zu Klassen- und Schulgrößen an Grenzen der Rechtfertigung. Absehbar können in zu kleinen Einheiten weder Differenzierungsangebote noch unterrichtsergänzende Angebote bedarfsgerecht realisiert werden. Im Übrigen bewegen wir uns schon jetzt mit unseren Schul- und Klassengrößen im deutschlandweiten Vergleich zum Teil unter dem geltenden Durchschnitt.
Es ist außerdem nicht nachvollziehbar, warum gerade dem jahrgangsübergreifenden Unterricht im Gesetzentwurf eine exponierte Stellung eingeräumt wird. Abgesehen davon, dass im geltenden Gesetz diese Unterrichtsform an Grundschulen bereits ermöglicht wird, ist es nicht sinnvoll, Formen des Unterrichts per Gesetz zu verordnen. Solche Überlegungen gehören eher in pädagogische Konzepte der Schulen vor Ort. Schließlich kann man auch über diesen Weg am ehesten abschätzen, ob das dazu qualifizierte Personal auch entsprechend vorhanden ist. Wir lehnen deshalb weitere Regelungen, die über das geltende gesetzliche Maß hinausgehen, ab. Gleiches gilt für die beabsichtigte Regelung zu den Gemeinschaftsschulen.
Die Organisation von Gemeinschaftsschulen und Gymnasien innerhalb der Klassen 5 bis 8 als Gemeinschaftsschulen schränkt meines Erachtens sogar die mittlerweile veröffentlichten Vorstellungen zu den Gemeinschaftsschulen eher ein. Demgegenüber heißt es in der mittlerweile veröffentlichten Rahmenvorgabe der Koalition zu Gemeinschaftsschulen: „Das pädagogische Konzept muss insbesondere die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler sicherstellen, Wochenstundentafel, Schulordnung und weitere zentrale Vorgaben können in diesem Rahmen auf Antrag modifiziert und durch eigene Regelungen ersetzt werden. Gemeinschaftsschulen können aus beliebigen“ – nicht nur aus zwei – „Schularten unter Einbeziehung von Förderschulen, wenn die sonderpädagogische Förderung gewährleistet ist, gebildet werden.“
Meine Damen und Herren! Wir wollen derartige pädagogische Konzepte aber nicht per Gesetz verordnen, sondern es der Initiative vor Ort überlassen, entsprechende Vorstellungen zu entwickeln und konzeptionell zu beantragen.
In der Expertenanhörung wurde unter anderem auch – Sie haben darauf hingewiesen, Frau Günther-Schmidt – auf die Notwendigkeit von Hauptschulabschlüssen in unserer Schullandschaft eingegangen. Die Abschaffung dieser Abschlüsse hätte nicht automatisch das Ansteigen der Realschulabschlussquote und damit höher qualifizierte Schulabgänger zur Folge. Das Gegenteil würde meines Erachtens eintreten: Die Niveauabsenkung des Realschulabschlusses ist zu erwarten und die Anzahl der Schüler ohne Schulabschluss wird plötzlich steigen, vor allem deshalb, weil insbesondere die Gefahr für Hauptschüler groß ist, bei einer Gesamtschule neuen Typs Noten im unteren Bereich der Skala zu bekommen. Länder wie Bayern dokumentieren deutlich, dass es mit einem guten Hauptschulabschluss leichter gelingen kann, eine Ausbildungsstelle zu erhalten, als mit einem schlechten Realschulabschluss. Auch kann man nicht außer Acht lassen, dass die Gefahr des Entstehens sozialer Brennpunktschulen in unserem Mittelschulsystem eher gering ist.
Meist werden an sächsischen Mittelschulen Hauptschulgruppen statt Hauptschulklassen gebildet. Im Falle der Bildung von Gruppen erfolgt die Differenzierung in Kernfächern wie Deutsch, Mathematik, Chemie und Physik. In den übrigen Fächern lernen die Kinder gemeinsam. Einer so vermuteten sozialen Selektion kann damit entgegengewirkt werden und insgesamt können wir davon ausgehen, dass der Hauptschulbildungsgang nicht zur Disposition stehen muss.
Meine Damen und Herren! Insgesamt lässt sich der Gesetzentwurf also von Vorstellungen leiten, denen entweder durch vorhandene Regelungen bereits entsprochen ist oder die auf Dauer bei aller Prioritätensetzung für die Bildungsausgaben so nicht leistbar sind. Deshalb lehnen wir den vorgelegten Gesetzentwurf auch ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren über ein Gesetz zur Veränderung des Schulgesetzes. Es handelt sich dabei um einen Gesetzentwurf aus der Minigesetzwerkstatt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es werden einzelne Punkte herausgegriffen, die verändert werden sollen. Aber das Plenum wird im Januar die Gelegenheit haben, umfassend über die Veränderung des Schulwesens zu diskutieren, nämlich mit einem Komplettgesetzentwurf der Linksfraktion, dem einzigen Komplettgesetzentwurf, der von einer Oppositionsfraktion vorliegt.
Aber wir diskutieren natürlich gern heute schon über die Änderungsvorschläge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Es ist auch festzustellen, dass in Fragen der Abwehr weiterer Verschlechterungen der Verhältnisse an den Schulen die demokratischen Oppositionsfraktionen ganz klar zusammenstehen und fordern, die Qualität an sächsischen Schulen zu erhalten. Wir stehen gegen Schulschließungen, gegen weiteren Unterrichtsausfall. Denn wir als Linksfraktion haben Mindestanforderungen an das sächsische Schulwesen, damit werden wir Sie auch nicht in Ruhe lassen.
In der Auseinandersetzung für längeres gemeinsames Lernen haben wir ebenfalls ähnliche gemeinsame Ansatzpunkte. Ich nehme angenehm zur Kenntnis, dass sich die gesellschaftliche Debatte weiterentwickelt. Gerade deshalb bin ich auch etwas von diesem Gesetzentwurf enttäuscht, denn gerade vom längeren gemeinsamen Lernen findet man darin nichts Weitergehendes. Gut, Sie schaffen den Hauptschulgang ab, aber gerade flächendeckendes gemeinsames Lernen findet sich weiterhin in keinem Punkt. Zudem erkennen Sie die Einteilung von normalen Schulen und Hochbegabtengymnasien beispielsweise an, bleiben damit ganz nahe am bestehenden System kleben und bieten somit keine Alternative zum bestehenden Schulwesen.
Wir von der Linksfraktion.PDS wollen das integrative Lernen. Wir wollen eine hohe Qualität an allen sächsischen Schulen, wir wollen die individuelle binnendifferenzierte Förderung aller sächsischen Schülerinnen und Schüler, nicht nur an Hochbegabtengymnasien.
Zu den Fragen der Mindestschülerzahl und dem Erhalt eines wohnortnahen Schulnetzes sind wir, wie gesagt, auf einer Linie. Auch das wird in unserem Gesetzentwurf aufgegriffen. Ein verstärkter Lehrerbedarf für Ganztags- und Gemeinschaftsschulen sollte eigentlich selbstverständlich sein, denn natürlich verlangen höhere pädagogische Ansprüche und verstärkte Förderung einen höheren Lehrerbedarf. Diesen festzustellen und zuzuweisen ist nachvollziehbar und absolut notwendig.
Die Regelungen für Brennpunktschulen, die die GRÜNEN vorschlagen, erscheinen wiederum leicht widersinnig, wenn man es in der Konsequenz bedenkt. Wenn Schulen, die Defizite bei den Abschlussquoten aufweisen, durch eine höhere Lehrerzuweisung diese Defizite verbessern, darf die höhere Lehrerzuweisung danach nicht wieder weggenommen werden, denn dann ist das, was die Veränderung gebracht hat, wieder weg und damit der langfristige Förderungseffekt für die Schulen nicht eingetreten. Wir wollen an der Stelle einen Entwicklungsprozess an den Schulen, natürlich auch mit verstärktem Personal, wenn das im Ergebnis der Evaluation richtig erscheint. Aber nur punktuell zuzuweisen scheint nicht der richtige Weg zu sein.
Sie schreiben im Gesetz Gemeinschaftsschulen fest. Das ist im Grunde eine Weiterentwicklung zum jetzigen Gesetz, nach dem Gemeinschaftsschulen im nahezu leeren Raum bestehen. Andererseits einmal grundsätzlich
betrachtet, schreiben Sie damit die Konkurrenz der Gemeinschaftsschule zum gegliederten Schulwesen per Gesetz fest, da die Einteilung in die anderen Schulgänge weiterhin besteht. Wir haben an den alten Bundesländern gesehen, dass es gerade diese Konkurrenz ist, die eben nicht zum Gelingen der damaligen Gesamtschule geführt hat. Für die weiterentwickelte Gemeinschaftsschule wollen wir in Sachsen Erfolg haben. Wir wollen das flächendeckend erreichen. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen für alle Kinder. Darum erscheint mir diese Regelung nicht zielführend zu sein.
Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bietet keine grundlegende wie notwendige Veränderung des sächsischen Schulwesens, die wir wollen. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden aber ein Diskussionsangebot machen und haben das im Ausschuss schon begonnen. Wir werden im Plenum über einen Gesetzentwurf diskutieren, dessen Kernpunkte der Erhalt eines wohnortnahen Schulnetzes, ein flächendeckendes längeres gemeinsames Lernen, eine Demokratisierung der Schule und die Veränderung der Lehr- und Lernkultur sind. Das sind die Kerninhalte unseres Gesetzentwurfes für eine umfassende Veränderung des Schulwesens. So Sie sich heute nicht durchringen können, dem GRÜNEN-Gesetzentwurf zuzustimmen, haben Sie im Januar die Gelegenheit, eine umfassende Veränderung mit unserem Schulgesetzentwurf durchzusetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz punktueller Sympathie für bestimmte Ansätze wird es Sie nicht wundern, dass wir Ihren Entwurf ablehnen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist in seiner Zielstellung eine einfache Reaktion auf scheinbare Missstände bzw. Probleme
an sächsischen Schulen, die vor allem durch den Schülerrückgang hervorgerufen und verstärkt werden. Er versucht vor allem, durch neue oder veränderte Normative Schulschließungen zu vermeiden.
Zweifellos bestehen die Probleme und zweifellos verschärft der Schülerrückgang dieselben. Nur, ebenso zweifellos geht der Gesetzentwurf im Grunde in die falsche Richtung. Er versucht, die Probleme durch verän
derte Normative für die Klassen- und Gruppenbildung und durch Strukturveränderung in den Bildungsgängen zu lösen. Das eine kostet zusätzliche Lehrerstellen und das Zweite riskiert Verluste in der Bildungsqualität. Beides aus dem gleichen Grund: Der Schülerrückgang verweist uns nicht zuerst auf ein Problem unserer äußeren Schulstruktur, sondern vielmehr auf die Defizite unserer Schul- und Lernkultur, die sich natürlich eine äußere Struktur gegeben hat.
Wir reden ja nicht das erste Mal über diese Probleme, und so will ich mich an dieser Stelle kurz fassen. Kleine Schulen sind für unser heutiges Schulsystem deshalb ein Problem, weil sie nach den zentralen Organisationsvorgaben unverhältnismäßig teuer werden und trotzdem in Gefahr geraten, in der Qualität nachzulassen. Wir müssen ihnen gerade die Strukturvorgaben erlassen und durch Zielvorgaben unter normaler personeller Ausstattung ersetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von erfolgreichen Systemen lernen wollen, wenn wir unsere Probleme nachhaltig lösen wollen, dann müssen wir den Schulen die volle Verantwortung für die Bildungsprozesse übertragen und sie so anhalten, eine schüler- und ergebnisorientierte Lern- und Schulkultur zu entwickeln.