Protocol of the Session on December 8, 2005

Diese Zusammenhänge verkennt leider auch der Sächsische Landkreistag in fundamentaler Weise. Ich finde es schon sehr bedauerlich, wie er sich hierzu geäußert hat. Er schreibt, dass ein Informationsfreiheitsgesetz die Verwaltung – Zitat – „von ihren eigentlichen Aufgaben abhalte“ und – weiter im Zitat – „Mitarbeiter der Verwaltung der Öffentlichkeit schutzlos ausliefern würde“.

(Lachen des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Dies ist das traditionelle und vordemokratische obrigkeitliche Verwaltungsverständnis, das abzulehnen ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Unglaublich!)

Es ist auch die Aufgabe der Kommunalverwaltungen, ihre Bürger nicht nur als Objekte eigener Verwaltungstätigkeit zu misshandeln, sondern als Subjekte und Akteure wahrzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Im Übrigen empfehle ich dem Sächsischen Landkreistag einen Blick in § 10 der geltenden Landkreisordnung. Dort

gibt es wenigstens rudimentäre Ansätze auf Auskunft und Beratung der Bürger.

Der Gedanke der Informationsfreiheit hat im Übrigen als ein Erbe der DDR-Umweltbewegung Eingang in Artikel 34 der Sächsischen Verfassung gefunden, wenn auch in äußerst unvollkommener Form.

Es wurde heute schon angesprochen: Die Antikorruptionsvereinigung Transparency International tritt seit Langem für ein Informationsfreiheitsgesetz ein. Das ist übrigens die Organisation – für die, die sie noch nicht kennen –, die jedes Jahr die Liste der korruptesten Länder dieser Welt veröffentlicht, auf der Deutschland leider immer einen schlechten Platz belegt. Vielleicht sollten wir das auch einmal zur Kenntnis nehmen. Im Augenblick ist es Platz 16.

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Der Gesetzentwurf spiegelt einen bürgerfreundlichen Entwicklungsstand der Informationsfreiheitsgesetze dar und ist auch gesetzestechnisch ausgereift. Wir begrüßen die klare Regelung des Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und insbesondere auch die Abwägungsklausel mit den Interessen des informationsnachsuchenden Bürgers, Herr Schurig. Die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten erscheint uns in dieser Allgemeinheit nicht stichhaltig.

Wir stehen auch hinter der Kostenfreiheit des Auskunftsersuchens. Der Gesetzentwurf stellt den informationshungrigen Bürger dagegen von der Erstattung der Auslagen nur bis zu 50 Kopien frei. Dies ist eine ausgewogene Lösung. Wir könnten uns allerdings weitergehend auch vorstellen, eine Gebühr zu erheben, wenn der Informationsantrag kommerziellen Interessen dient. Die Bedenken einer Kostenüberlastung der Kommunen stellen allerdings das Bürgerrecht auf Informationsfreiheit nicht in Rechnung, übertreiben maßlos und sind durch die Erfahrungen in anderen Bundesländern in keiner Weise zu begründen.

Zu begrüßen sind auch die ausdrücklichen Pflichten zur Informationsaufbereitung, zur Veröffentlichung von Plänen und zum Aufbau eines Informationsregisters.

Zum Schluss: Die Dinge, die Kollege Martens eben angesprochen hat, sind möglicherweise diskussionswürdig; sie sind aber Randerscheinungen. Da in der gesamten Debatte offensichtlich geworden ist, dass die Koalition weder willens noch in der Lage ist, hier konstruktiv mitzuarbeiten, halten wir es jetzt nicht für politisch richtig, an dieser einen Stelle eine Enthaltung oder eine Neinstimme festzumachen. Wir werden daher diesem Gesetzentwurf zustimmen und würden uns natürlich freuen, wenn sich die SPD in der Koalition in diesem Punkt vielleicht einmal durchsetzen könnte und wir vielleicht gemeinsam ein gutes Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg bringen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Redebedarf? – Linksfraktion.PDS. Herr Abg. Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schiemann, ich sage es noch einmal genau so direkt wie im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss. Wir können gut damit leben – Sie würden es nicht nachvollziehen können; ich erkläre gleich, weshalb –, wenn Sie mit Ihrer Fraktion hintreten und sagen: Wir wollen kein Informationsfreiheitsgesetz, weil wir generell das Prinzip der feudalen Kameralistik beibehalten wollen. Das steckt doch dahinter!

Sie kommen mit allen möglichen Ausflüchten. Worum es wirklich geht, ist, dass Sie ablehnen, sich exakt von diesem Prinzip des Amtsgeheimnisses im Grundsatz abzuwenden. Das ist das entscheidende Problem. Sie begründen es mit fiskalischen Erwägungen. Sie begründen es mit haushaltstechnischen Sachen. Dazu sage ich dann noch etwas. Sie begründen es mit Belastungen der Gemeinden und der Kommunen und Ähnlichem mehr.

Sie reden aber völlig vorbei an der Tatsache, dass wir Sachsen in Europa sind.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Volker Bandmann, CDU: Daran wird sich auch nichts ändern!)

Dazu höre ich kein Wort von der Regierungskoalition und dass das europäische Gemeinschaftsrecht eben den – ich zitiere – „offenen und möglichst bürgernah getroffenen Entscheidungen“ einen maßgeblichen Stellenwert beimisst. Man muss sich einmal überlegen: Die Debatte mit dem Ansatz zu führen, wie es Kollege Schiemann dargelegt hat, im Maßstab dessen, was die EU in ihren Erwägungen aus dem Jahr 2001 hineinschreibt und in der Europäischen Charta verankert, ist einfach undenkbar. Dort heißt es: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundsätze bei, die in Artikel 6 des EU-Vertrages und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.“

Also ein definitiver Bezug auf Grundrechte. Deshalb kann ich doch nicht über Belastung der Kommunen schwafeln, wenn es darum geht, dass wir uns im Maßstab des europäischen Rechts über die Problematik der Auslegung der Informationsfreiheit grundrechtsrelevant unterhalten müssen. Daher bin ich der FDP sehr dankbar, wenn sie, bitte schön, einen nächsten Entwurf anbietet, über den wir weiter diskutieren können. Es ist leider eine Unsitte in diesem Haus geworden. Das war tatsächlich in der

1. Wahlperiode anders, partiell auch noch in der 2. Dort war es noch üblich, dass sich die Fraktionen im Hause mit Gesetzentwürfen befasst haben und Änderungsgesetze in den Ausschüssen eingebracht worden sind, die man beraten hat – mitunter auch über Monate – und bei denen man meinethalben nicht unter einen Hut kam. – Kein Problem; aber mehr oder weniger keinen Änderungsantrag zum Thema in den Ausschüssen einzubringen und dann zu sagen, man habe das nächste Gesetz schon in der Schublade, das halte ich natürlich auch nicht für Seriosität in höchster Form.

Kollege Schiemann, wenn Sie weiter behaupten, dass es irgendwo in irgendeinem Gesetz eine Regelung gebe, in der definitiv gesagt worden ist: Wir bringen jetzt ein Gesetz zu diesem und jenem Aspekt ein und es gibt Auswirkungen auf die Kosten, und diese sollen aus dem Haushalt unter diesem oder jenem Titel genommen werden – ist das in diesem Landtag jemals geschehen?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Nein!)

Das ist die blanke Augenauswischerei. Wir haben exakt die Bestimmung hineingeschrieben, die definitiv regelmäßig gewählt wird, wenn man in Reichweite der verfassungsrechtlichen Bestimmungen auf die Tatsache aufmerksam machen muss, dass es Belastungen gibt und diese entsprechend zum Ausgleich gegenüber den Kommunen eingestellt werden müssen. Die regelmäßigen Formulierungen, wie Sie sie immer anwenden, stehen in dem Gesetz. Insofern zu sagen, Sie haben einen Grund, um abzulehnen, weil es keine Haushaltsklarheit bzw. Haushaltswahrheit gibt, ist einfach unwahr.

Das Problem der SPD-Fraktion erkenne ich; auch deshalb wollte ich gern die Wahrheit haben. Wenn es so wäre, dass unser Ansatz zu weit geht und deshalb für die CDU nicht akzeptabel ist, da die CDU ihren Gesetzentwurf im Verfassungs- und Rechtsausschuss befeiert hat: Warum hat dann die CDU in der letzten Legislatur Ihren Gesetzentwurf mit angenommen? Diese Auseinandersetzung muss doch in der Koalition geführt werden, und wenn in einer so entscheidenden Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger in der Koalition elementar unterschiedliche Auffassungen bestehen, möchte ich in dieser Koalition keine Politik machen müssen, mein lieber Herr Gesangsverein!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Da müssen Sie aber jeden Tag sehen, dass Sie Ihr Rückgrat nicht einbüßen!

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Diese Frage ist aus unserer Sicht bei Weitem zu kurz gekommen. Kollege Lichdi hat jetzt in einer ganz klaren Stringenz noch einmal definiert, worum es in dieser Problematik des Gesetzentwurfs geht. Insofern sind wir der Auffassung: Sie können den Gesetzentwurf heute einfach wieder wegstimmen; wir bleiben aber nach wie vor, Kollege Schiemann – und nun inzwischen im vierten Jahr –, schuldig, die europäischen Regelungen in unserem

Landesrecht zu untersetzen. Damit liegen wir hinter den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zurück, die dies getan haben.

Nun erklären Sie uns doch nicht, dass wir uns irgendetwas an Kaminabenden ausgedacht haben. Was in diesem Gesetzentwurf steht, greift doch auf, was rot-grüne Regierungen in anderen Ländern als Informationsfreiheitsgesetze eingeführt haben. Dies ist doch im Kern das, was wir aufgegriffen und bei dem wir versucht haben, einen Modernitätsgrad hineinzubringen, der in den einzelnen Ländern unterschiedlich angelegt ist, und dies aufzunehmen. Es ist doch nichts von uns neu Erfundenes, sondern es nimmt exakt das auf, was rot-grüne Koalitionen längst als Standard anerkannt haben. Insofern sehe ich es wie Kollege Lichdi. Kollege Bräunig, wer sich so verdrehen muss, … – Das hat nichts mehr mit Wenden oder Wendehals zu tun, sondern das sind schon Spirelliformen.

Deshalb denke ich: Wenn wir mit Ehrlichkeit an solche Gesetzentwürfe herangehen und jemand von vornherein sagt, wir wollen dieses Gesetz nicht, dann wissen wir zumindest, dass es mit einem anderen Ansatz weiter verfolgt werden muss; man sollte sich aber nicht mit irgendwelchen Formalitäten bzw. nicht akzeptablen Einreden aufhalten. Dies war auch ein Wort an Kollegen Dr. Martens. Er hat übersehen, dass wir in den Änderungsantrag exakt die Dinge eingebaut haben, die von den Gutachtern in den entsprechenden Expertenanhörungen kritisiert worden. Sie sind ja exakt mit dem Änderungsgesetz korrigiert worden, eingeschlossen die datenschutzrechtlichen Regelungen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es den Wunsch auf Erwiderung aus den Fraktionen? – Dies kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Montesquieu stammt der Satz: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

(Beifall bei der CDU)

Für den vorliegenden konkreten Gesetzentwurf sehe ich keine Notwendigkeit. Deshalb halte ich es für richtig, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen. Informationsfreiheitsgesetze gibt es derzeit in vier Ländern – Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein – und inzwischen auch auf Bundesebene. Aber – so frage ich – hat die Ausweitung des Informationszugangs wirklich eine substanzielle Verbesserung für die Menschen gebracht? Dies wird mit guten Argumenten bezweifelt, und auch der Gesetzentwurf lässt eine entsprechende Begründung vermissen. Auch den Äußerungen der Sachverständigen im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss konnte ich dergleichen Substanzielles nicht ent

nehmen. Das pauschale Argument: „Das machen andere auch“ hat mich noch nie überzeugt und überzeugt mich auch jetzt nicht.

Das verfassungsrechtlich gewährleistete Informationsrecht geht im Freistaat Sachsen bereits nach derzeit geltendem Recht durchaus weit, auch das haben uns die Sachverständigen erklärt, und niemand stellt dieses Recht infrage. Die durch Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes wie auch durch Artikel 20 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung gewährleistete Informationsfreiheit umfasst zunächst das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Hingegen eröffnet sie keinen generellen Öffentlichkeitsanspruch. Der Staat ist eben keine allgemein zugängliche Informationsquelle.

Aus Artikel 34 der Sächsischen Verfassung folgt zudem – vorbildlich – der Zugang zu Umweltdaten. Jede Person hat danach schon nach geltendem Verfassungsrecht im Freistaat Sachsen das Recht auf Auskunft über die Daten, welche die natürliche Umwelt in ihrem Lebensraum betreffen, soweit sie durch das Land erhoben oder gespeichert worden sind usw.

Artikel 35 unserer Verfassung normiert nicht nur gegenüber dem Petitionsausschuss, sondern gegenüber allen zuständigen Stellen einen Anspruch auf begründeten Bescheid in angemessener Frist.

So weit zur Verfassungsebene. Auf einfachgesetzlicher Ebene existiert ebenfalls eine Fülle von Informationszugangsrechten. Beispielhaft ist bereits das allgemeine Akteneinsichtsrecht Verfahrensbeteiligter laut § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz erwähnt worden. Im Strafverfahren gibt es aus guten Gründen das dem Verteidiger zustehende Akteneinsichtsrecht. Das Akteneinsichtsrecht des Bevollmächtigten eines Verletzten ist dort ebenfalls geregelt. Außerdem gehört hierher das Recht auf Einsicht in öffentliche Register.

Von einer Zweiklassen-Informationsgesellschaft kann nach meiner festen Überzeugung auch im Freistaat Sachsen keine Rede sein. Wir haben eine informierte Bürgergesellschaft – auch und gerade bei uns.

Meine Damen und Herren! Die im Entwurf vorgeschlagene Änderung der Sächsischen Verfassung ist nicht geboten. Ich halte es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht für angebracht, unsere seit nunmehr fast anderthalb Jahrzehnten bewährte und bisher nicht geänderte Verfassung ohne Not zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Eine Notwendigkeit, ein Informationszugangsrecht im Grundrechtskatalog der Sächsischen Verfassung zu verankern, sehe ich erst recht nicht. Eine einfachgesetzliche Regelung wäre auch ohne Verfassungsänderung möglich.