Protocol of the Session on November 11, 2005

In der Stellungnahme der Staatsregierung lese ich im ersten Anstrich: „Der Verbraucherschutz im Freistaat Sachsen ist fachbezogen in den Ressorts verankert.“ Und jetzt kommt’s: „Das hat sich im Grundsatz bewährt und findet sich in Bezug auf den technischen Verbraucherschutz auch auf Bundesebene wieder.“ Es hat sich eben nicht bewährt!

(Lachen bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Wenn es sich bewährt hätte, dann hätten wir nicht Platz 16.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das machen wir jetzt auch mit dem Finanzminister!)

In verschiedenen Punkten muss ich allerdings der Staatsregierung zustimmen. Das betrifft den zweiten Anstrich. Dort steht: „In den betroffenen Ressorts sind keine Erweiterungen der personellen Ausstattung vorgesehen.“ Das ist vollkommen richtig. Wir sollten einfach die Ressorts zusammenlegen und nicht mehr Leute einstellen. Ich hätte dazu einen Vorschlag: Im Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft haben wir über 80 Stellen zu viel. Diese Stellen nehmen wir und schaffen eine Stabsstelle für Verbraucherschutz. Wir benennen einen Minister, der in Zukunft für den Verbraucherschutz verantwortlich ist, und ziehen aus den verschiedenen Ministerien die Leute zusammen, damit wir wirklich etwas für den Verbraucherschutz in Sachsen erreichen können.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Zum Inhalt des Verbraucherschutzes muss man der Bevölkerung gerade in Bezug auf die aktuellen Fleischskandale aber auch Folgendes sagen: Geiz ist beim Verbraucherschutz eben nicht geil! Das sollten wir allen hier in Sachsen kundtun.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir sind doch nicht blöd!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile das Wort der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion.PDS kommt gerade in dieser Woche richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Punktgenau!)

Wieder einmal sehen wir uns beim Vertrieb und Verkauf von ungenießbarem Fleisch auch in Sachsen mit einem Vorgang konfrontiert, bei dem skrupellose Geschäftemacher die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher aufs Spiel setzen.

Wem seit BSE und den zahlreichen Skandalen, die in der Folge aufgedeckt wurden, heute immer noch nicht klar ist, wie wichtig ein vorbeugender Verbraucherschutz ist, dem ist nicht zu helfen und dem wird auch nicht zu helfen sein.

Meine Damen und Herren! Verbraucher wollen wissen, was in der Verpackung drin ist. Wir meinen, sie haben ein Recht auf Transparenz. Deshalb halten wir fest an unserem Vorhaben, einen gesetzlichen Informationsanspruch für Verbraucher einzuführen. Wie Sie wissen, ist dieses Vorhaben bereits zweimal gescheitert, und zwar leider auch an den Stimmen des Freistaates im Bundesrat.

Dass das gemeinsame Vorhaben von Rot-Grün im Bundesrat unter anderem auch an den Stimmen des Freistaates gescheitert ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Stellenwert, den der Verbraucherschutz bisher im Freistaat hatte – eben keinen allzu hohen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Das hat natürlich auch die Untersuchung gezeigt, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Auftrag gegeben und veröffentlicht hat.

Wir wissen es schon, Sachsen liegt auf dem letzten Platz. Dies, meine Damen und Herren von der Koalition, sollten Sie zum Anlass nehmen, Ihre Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Dort heißt es: „Zu einer modernen, zukunftsweisenden Verbraucherpolitik gehört vor allem das Recht auf umfassende Information über Inhalt und gesundheitsgefährdende Risiken und Bedarfsgegenstände. Voraussetzung dafür ist der Zugang zu vollständigen und umfassenden Produktinformationen. Darüber hinaus unterstützen die Koalitionspartner geeignete Vorhaben auf Bundesebene zur Verbraucherinformation.“ – Schöne Worte!

Heute ist die Gelegenheit für die Koalition, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Es sieht ja auch ganz nach einer breiten Zustimmung aus. Wir dürfen also hoffen.

Meine Damen und Herren! In den Ämtern und Behörden liegt eine Vielzahl von verbraucherrelevanten Daten vor. Die Pestizidbelastung von Weintrauben, Paprika und Erdbeeren ist genauso bekannt wie die Dioxinbelastung von Futtermitteln. Auch wenn diese Werte unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen, sehen wir keinen Grund, solche Informationen den Verbrauchern vorzuenthalten.

Deshalb setzen wir uns für ein Recht auf Verbraucherinformationen ein, das dieses Wissen zugänglich macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die Behörden im Freistaat sollten das Recht erhalten, die Verbraucher aktiv über marktrelevante Vorkommnisse unter Nennung des Herstellers und des Produktes zu unterrichten. Die Information muss für jeden und jede, für Alt und Jung und für alle Bildungsschichten leicht verständlich sein. Wir brauchen Auskunftsrechte für alle Lebensmittel und Anverwandte, also auch Zutaten, Vitamine, Aromen, Wein usw., auch Futtermittel, kosmetische Mittel, Körperpflegemittel, Spielwaren, Scherzartikel, Bekleidungsgegenstände, Bettwäsche usw. usf.

Ich habe eingangs von dem aktuellen Fleischskandal gesprochen. Hier werden wir uns einig sein, dass solche verbrecherischen Machenschaften mit aller gebotenen Härte zu bekämpfen sind. Effektiver Verbraucherschutz ist aber mehr als die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger davor zu schützen, dass ungenießbare Abfälle, die falsch deklariert sind, auf dem Teller landen.

Der hier vorliegende Antrag geht in die richtige Richtung, um die vorhandenen gesetzlichen, nach unserer Ansicht nicht ausreichenden Möglichkeiten hier im Land besser umzusetzen. Das sollten wir im Freistaat in Angriff nehmen. Meine Fraktion würde sich freuen, wenn in der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung auch eine Bundesratsinitiative entsteht, die einen verbesserten Verbraucherschutz zum Ziel hat. Unsere Unterstützung haben Sie schon.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Frau Lay, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abg. Schmidt! Das neue Konzept der Verbraucherzentralen in allen Ehren. Wir haben es ja auch begrüßt. Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn die Verbraucherzentralen Defizite ausgleichen und sich modernisieren. Ich möchte jetzt auch nicht den kleinlichen Streit weiterführen, wer zuerst die Idee hatte. Sonst würde ich jetzt ausführen, dass wir den Antrag, den Sie schriftlich eingereicht haben, natürlich vorher auch schon mündlich im Ausschuss gestellt haben. Aber wie dem auch sei, ich möchte noch einmal zur Sache sprechen.

Was mich an der Debatte um das neue Konzept der Verbraucherzentralen stört, ist, dass der Eindruck erweckt wird, als sei das Abschneiden der Verbraucherzentralen im Ländervergleich das zentrale Problem gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Den Verbraucherzentralen in Sachsen ist es zu verdanken, dass wir überhaupt an einigen Stellen noch Stärken herausstreichen konnten. Das muss man hier noch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es betrifft natürlich auch die Frage, womit wir uns hier im Landtag beschäftigen. Es ist die Aufgabe von uns hier im Landtag, und zwar zum einen die, dafür zu sorgen, dass der Verbraucherschutz, dass die Verbraucherzentralen eine gesicherte Finanzierung haben. Ich denke, wir haben auch die Funktion, hier bestimmte Innovationen anzuregen. Aber es ist auch die Aufgabe des Parlamentes, die Staatsregierung zu kontrollieren. Da sind – das muss ich einmal sagen – von den Rednerinnen der Koalition zu wenig kritische Stimmen gekommen, zumal die Befunde, die wir heute diskutieren, in der letzten Legislatur angelaufen sind. Sie hätten ein Leichtes zu sagen: Wir haben das Problem erkannt, ja, es ist da, aber wir gehen es jetzt an. Das hätte ich heute etwas deutlicher von Ihnen erwartet!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrte Frau Kollegin Deicke! Es ist natürlich gewissermaßen auch ein Eigentor zu sagen: So schlecht sind wir nicht, wir haben ja nur den letzten Platz belegt. Damit ist sozusagen noch die Argumentation im Bildungsbereich getoppt, in der wir uns gerne in Sachsen damit rühmen, dass wir hier die Einäugigen unter den Blinden sind.

(Thomas Colditz, CDU: Quatsch!)

Noch einmal zur gesamten Diskussion. Bedarf es einer namentlichen Verankerung in einem Ministerium? Dass sich die Zersplitterung in drei Ministerien nicht bewährt hat, hatte der Kollege von der FDP schon überzeugend dargelegt. Auch die namentliche Benennung des Verbraucherschutzes in einem Ministerium hat sehr wohl eine Bedeutung. Sie hat natürlich in erster Linie eine symbolische Bedeutung. Sie bedeutet eine Aufwertung des Verbraucherschutzes und trägt damit ganz entscheidend dazu bei, auch im öffentlichen Bewusstsein VerbraucherInnen und Unternehmer auf gleiche Augenhöhe zu bringen. Gerade weil Verbraucherschutz ein Querschnittsthema ist, muss es auch einen geben, der den Hut auf hat, um die Querschnittsaufgabe kontrollieren und koordinieren zu können.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Denn wenn alle verantwortlich sind, ist am Ende niemand verantwortlich, und wir haben hier im Landtag auch nicht diejenigen, die wir dann zur Verantwortung ziehen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gespannt, welche Ausführungen der Staatsminister noch zu unserem Antrag zu machen hat, und rechne, wie gesagt, mit der Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Müssten jetzt nicht alle sprechen, die es betrifft?)

Bitte, Herr Minister Jurk.

– Herr Porsch, vielleicht hören Sie erst einmal zu und urteilen nachher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verbraucherschutz ist ein Thema, das jeden in unserer Gesellschaft betrifft, denn wir alle sind auch Verbraucher. Neben der Lebensmittelsicherheit, der Produktsicherheit und dem Eichwesen, die wesentliche Bestandteile des Verbraucherschutzes sind, gewinnen zunehmend wirtschaftsrechtliche Belange an Bedeutung, denken wir nur an die Diskussion im Zusammenhang mit den Energiepreiserhöhungen, an die Fragen zur privaten Altersvorsorge und die zunehmende Unsicherheit der Verbraucher beim Abschluss von Versicherungen, um nur einige Beispiele zu nennen.

In einer dynamischen und innovativen Wirtschaft, in der Dienstleistungen eine immer stärkere Bedeutung gewinnen, kommen ständig neue Themen des Verbraucherschutzes hinzu. Verbraucherpolitik ist ein Teil der Wirtschaftspolitik. Sie stärkt nachhaltiges Wirtschaften, fördert Qualitätsprodukte und sichert damit Arbeitsplätze und hochwertige Dienstleistungen.

Durch die Erweiterung des europäischen Binnenmarktes und die Globalisierung der Wirtschaft erhält Verbraucherpolitik eine völlig neue Dimension. Die weltweite Vernetzung der Märkte und die zunehmende Mobilität machen Verbraucherschutzkonzepte auf der regionalen, der nationalen und auf der europäischen Ebene notwendig.

Hier in Sachsen ist es ein wichtiges Anliegen der Staatsregierung, die Verbraucherpolitik zu stärken. Im Koalitionsvertrag wurde der Rahmen dafür gesetzt. Die schnelle Reaktion in Sachsen auf den niedersächsischen Fleischskandal in dieser Woche, Frau Staatsministerin Orosz, zeigt, welche Bedeutung wir einem wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz und dessen effizienter staatlicher Überwachung beimessen.