Ich fange mit Zweitens an. Wenn wir den Bildungsplan umsetzen sollen, brauchen wir gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Eine Hochschulausbildung ist
angedacht bzw. bereits auf den Weg gebracht, zumindest für die Leiterinnen von Kitas. Die Auswirkungen auf die Qualität können sich allerdings eher langfristig bemerkbar machen. Es kommt jetzt ganz wesentlich darauf an, wie sich die Praxis in den Einrichtungen mit den Vorgaben durch den Bildungsplan tatsächlich verändert. Dabei brauchen wir neben guten Fachberatungssystemen auch Weiterbildungsmöglichkeiten für Erzieherinnen und natürlich die nötige Zeit dafür. Das bedeutet: Sie müssen freigestellt werden können, und die Träger müssen Geld für Fort- und Weiterbildung planen können. Erzieherinnen und Erzieher brauchen Zeit für die Vor- und Nachbereitung ihrer Betreuungszeit. Diese Zeit muss Teil ihrer bezahlten Arbeitszeit sein. 100 % Arbeitszeit am Kind – da bleibt der Bildungsplan auf der Strecke. Schauen Sie sich in unserem Land um: Das ist die Realität in Kitas! Sie sind nicht bereit, diese Realität auf gesetzlichem Weg zu ändern!
Die Kita der Zukunft muss auch die Eltern einbeziehen. Dies betrifft Betreuungszeiten, Kommunikation zwischen Eltern und Erzieherinnen und Erziehern und Kindern. Beratung, Veranstaltungen, Bildungsangebote für Eltern wären zu nennen. Auch hier sind Erzieherinnen und Erzieher in der Verantwortung. Dies bedeutet viele Stunden Vernetzungsarbeit. Sie müssen wissen, wer in der Kommune ansprechbar ist und wie sie die Qualität der Angebote, zum Beispiel Weiterbildungsangebote, bewerten können.
Der vorliegende Gesetzentwurf will einerseits die Qualität der Kitas verbessern. Der Bildungsauftrag hat formal ein neues Gewicht bekommen. Ein Schulvorbereitungsjahr wird eingeführt. Aber die notwendige Zeit und das notwendige Geld für die Ausbildung der Multiplikatoren, nämlich für Erzieherinnen und Erzieher, werden nicht zur Verfügung gestellt. So bleibt es ein Appell an die Berufsehre der Betroffenen. Es ist aber nicht hinnehmbar, dass die materielle Basis dieser Reform sich lediglich auf das Schulvorbereitungsjahr erstreckt. Der Bildungsplan ist in seiner Intention nicht auf diesen Zeitraum beschränkt.
Zu Kritikpunkt 3, der Beteiligung von Kindern: Im aktuellen Diskurs von Bildungsprozessen in Kindertageseinrichtungen spielt die Partizipation von Kindern eine große Rolle. Erwachsene müssen sich mit Kindern über deren Weltsicht verständigen und ihre Art – die Art der Kinder –, sich zu bilden, ernst nehmen und aufgreifen. Die Beteiligung von Kindern wird dabei zum ausschlaggebenden Moment! Und wenn dann Kinder an Entscheidungen und Entwicklungen im Alltag der Einrichtung teilhaben, können sie im weiteren Sinne eine politische Haltung, nämlich im Sinne „ich bin zuständig“ entwickeln. Sie können die Fähigkeit, sich einzumischen, lernen. Derartige demokratische Haltungen und Kompetenzen sind auch für Jugendliche und Erwachsene die Voraussetzung und der Antrieb für gesellschaftliches Engagement und die Entfaltung eigener Lebensentwürfe.
Die Möglichkeiten der Partizipation von Kindern sind im Gesetz unserer Meinung nach nicht ausreichend. Wir haben dazu einen Änderungsantrag gestellt.
Nun zu unserer wesentlichsten Kritik: den so genannten Zugangsbeschränkungen. Im § 3 Abs. 2 – Angebot – heißt es: „Kinder sollen aus Gründen, die nicht in ihrer Person liegen, vom Besuch einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege im Rahmen der Bedarfsplanung nicht ausgeschlossen werden.“ Zwei Dinge sind zu bemerken. Erstens heißt das doch, aus Gründen, die in ihrer Person liegen, können Kinder ausgeschlossen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Gründe sind denn das? Welche Kinder wären davon betroffen? Wer beurteilt, ob diese Gründe vorliegen? Der Amtsarzt? Könnte es nicht sein, dass dann die Suche nach geeigneten Betreuungsmöglichkeiten, die für Kinder auch Integration bedeuten, nicht intensiv genug erfolgen wird, weil diese Kita-Plätze unter Umständen teurer sind?
Gerade für Kinder mit Behinderungen und Kinder von Asylbewerbern bedeuten Kitas eine große Erweiterung ihrer Lebenswelt und ermöglichen ihnen wesentliche Erfahrungen, die sie nirgendwo sonst machen können.
Zum anderen: Kinder dürfen laut diesem Paragrafen, den ich vorgelesen habe, zwar nicht ausgeschlossen werden, aber eine Begrenzung der Betreuungszeit für bestimmte Kinder ist möglich. Dies haben manche Kommunen bereits praktiziert.
Wir lehnen die Begrenzung der Betreuungszeit ab, wie das im Übrigen auch der Landesjugendhilfeausschuss getan hat. Kita muss allen Kindern in gleicher Weise offen stehen. In jungen Jahren werden die Wurzeln gelegt für die Haltung, in der später Wissen angeeignet werden kann. Das betrifft Neugier, Selbstvertrauen und Erfolg durch eigenes Tun. Es werden soziale Kompetenzen entwickelt.
Eine gute Kita, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann auch Bedürfnisse wecken, die zu Hause so nicht gepflegt werden. Sie ergänzt das familiäre Umfeld ganz entscheidend.
Daher ist es gerade für Kinder, die in ihrem Elternhaus keine so guten Bedingungen vorfinden, umso wichtiger, an allen Angeboten teilhaben zu können und besonders gut gefördert zu werden. Es ist fatal, wenn sie dort Ausgrenzung erfahren.
Dazu kommen formale und organisatorische Probleme, die gar nicht an einer Hand abzuzählen sind. Die werde ich aber aus Zeitgründen hier nicht mehr vortragen.
Mit den Zugangsbeschränkungen wird ein rein finanzpolitischer Ansatz verfolgt. Nachhaltigkeitsgesichtspunkte und der Blick auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Sachsen spielen überhaupt keine Rolle, erst recht nicht die Ansprüche, die Kinder aus sich heraus haben.
Die im Bildungsplan festgeschriebene Beteiligung des Kindes beginnt doch für das Kind mit der Erfahrung, als einzigartiger Mensch anerkannt zu sein, und zwar völlig unabhängig vom Status der Herkunftsfamilie. Kinder, die hier nicht alle Möglichkeiten eingeräumt bekommen, sind doch die, die es sowieso schon schwerer haben.
Wenn Sie hier im Hohen Haus bei allen Themen immer betonen, dass in erster Linie Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, dann klingt das manchmal so, als würden sich anschließend alle Probleme von allein lösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder, die hier den Anschluss verpassen, holen das ganz selten wieder auf. Sie sind es, die dann die Schulen ohne Abschluss verlassen oder eine Förderschule besuchen und so schon früh keine Perspektive mehr haben. Das sind die fehlenden Facharbeiter, die fehlenden Krankenschwestern und vielleicht auch die fehlenden Ärzte von morgen.
Wir lehnen das Gesetz deshalb in der vorliegenden Form ab. Wir haben aber Änderungsanträge dazu hier im Plenum vorgelegt. Wenn dieses Gesetz so beschlossen wird, dann sind mit dem dort festgeschriebenen integrierten Bildungsplan die Weichen in die Zukunft im Sinne der Kinder gestellt. Der Zug kann abfahren. Aber, liebe Kollegen von der Koalitionsfraktion, Sie haben zu wenig Wagen angehängt. Es kommen nicht alle Kinder mit, und das, obwohl auf dem Bahnsteig nun wirklich kein Gedränge herrscht. Obendrein bekommen manche Kinder nur Stehplätze.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vor allem bei Frau Kollegin Schütz von der FDP bedanken, dass sie signalisiert hat, dass die FDP unserem Gesetz zustimmen und es mittragen wird. Das ist eine kluge Entscheidung. Die gleiche Weisheit hätte ich mir auch von der PDS gewünscht.
Dass man einiges besser machen kann, bezweifeln wir nicht. Wir werden auch künftig am Thema Kita dranbleiben. Wir werden uns zum Beispiel mit der Ausbildung der
Erzieherinnen oder der Qualitätsentwicklung beschäftigen. Aber es bringt uns wenig, wenn Sie von der Linksfraktion.PDS hier unbezahlbare Forderungen aufmachen und sich als leibhaftige Nachfahren des Heiligen Nikolaus präsentieren.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und dann sollen wir weise sein? – Rita Henke, CDU: Sind Sie ja nicht! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Frau Henke!)
Wir würden selbst mehr Geld ausgeben, damit zum Beispiel die Vorbereitungszeit abgegolten werden kann, damit Weiterbildungen finanziert werden können oder noch mehr gebaut werden kann. Doch wir sind hier eben nicht dazu da, „Wünsch dir was“ zu spielen, sondern wir sind dazu da, das Machbare zu gestalten.
Sie von der Linksfraktion.PDS, der NPD und den GRÜNEN konnten unserem Land leider keinen Dienst erweisen, weil man bei Ihren Forderungen den Eindruck gewinnen konnte, das Geld wächst wirklich an den Bäumen und muss nur noch gepflückt werden.
Zur Tagespflege: Linksfraktion.PDS und GRÜNE haben wieder einmal ihre alte Litanei angestimmt, um die Tagespflege zu verunglimpfen. Die Tagespflege für die Kinder von null bis drei Jahren muss sich nicht als minderwertig verspotten lassen.
(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer hat das denn gemacht? – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)
Wer die Tagespflege anbietet, muss sich vorher schulen lassen. Die Leute sind also ausgebildet. Nach einer Untersuchung in Brandenburg kommt übrigens die Hälfte der Tagesmütter aus einem pädagogischen Beruf, zumeist sind es arbeitslose Erzieherinnen.
Wenn sich nach einer Forsa-Umfrage zwei Drittel der jungen Paare längere und flexiblere Öffnungszeiten wünschen, dann kann Tagespflege diesem Wunsch entgegenkommen.
(Dr. Barbara Höll, Linksfraktion.PDS: Das kann eine Kita auch, wenn sie entsprechend ausgerüstet ist!)
Es kann eben sein, dass nur ein Kind eine längere Öffnungszeit braucht. Da ist eine ergänzende Tagespflege eine sehr sinnvolle Angelegenheit. Auch wenn Engpässe mit der Tagespflege überbrückt werden, ist das für uns nicht zu verteufeln, sondern wir begrüßen diese Entscheidung der Kommunen.
Dass die Linksfraktion.PDS gerade die Tagespflege in anderen Räumen so stark kritisiert, kann ich nicht nachvollziehen. In Berlin, wo die Linksfraktion.PDS bekanntermaßen mitregiert und die Sozialsenatorin stellt, gibt es die so genannte Großtagespflege. Dort geht man viel weiter, als wir das in Sachsen tun.
Ich möchte noch einmal an das Beispiel unseres Kollegen Dr. Jähnichen erinnern, das er während der Expertenanhörung brachte, als er gezeigt hat, wieso wir die Erweiterung der Tagespflege wollen. Wieso soll man es verbieten, dass die Kindertagespflege in Räumen einer Firma angeboten wird, wenn damit die Beschäftigten ideale Bedingungen vorfinden, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen? Dann ist die Tagespflege nicht zu Hause bei der Familie und auch nicht zu Hause bei der Tagesmutter, sondern in anderen Räumen. Diese Flexibilisierung zugunsten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen wir haben.