Sie untergraben damit nicht nur den Bestand von Kindergärten und Kinderkrippen, sondern Sie untergraben auch die klassische familien- und haushaltsgebundene Kindertagespflege – weshalb sich übrigens, Herr Hähle, der Interessenverband der Tagesmütter und Tagesväter vehement gegen diese Neuregelung gewandt hat.
Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Natürlich werden Sie diese von mir formulierte Gefahr strikt zurückweisen. Was Sie freilich nicht können, ist, mit diesem Gesetz – angesichts der Haushaltslage der Kommunen – eine solche Entwicklung zu verhindern. Ich unterstelle übrigens nicht, dass Sie dies wollen. Sie nehmen dies aber billigend in Kauf; und das ist die Kritik.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ein anderer Kritikpunkt: Mit dem Gesetz fällt die Verwaltungsvorschrift über Ausstattungsstandards in den Kindertagesstätten weg. Da geht es zum Beispiel um Raumgrößen und Spielflächen im Freien. Damit wir uns nicht missverstehen: Auch wir sind gegen manche bürokratische Vorschrift, die die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze unnötig erschwert, beispielsweise den Vorschlag – er war heute bereits Thema –, auf zusätzliche Treppenkonstruktionen als zweiten Rettungsweg zu verzichten, wenn Rettungsrutschen den gleichen Erfolg sicherstellen. Dies unterstützen wir ausdrücklich. Aber bei Raumgröße und Spielfläche geht es eben nicht um irgendein bürokratisches Brimborium, sondern um elementare Qualitätsstandards.
Symptomatisch für Ihr Verhältnis zur Qualitätssicherung ist leider auch, mit welch spitzen Fingern Sie das Thema „mehr Elternbeteiligung“ anfassen. So sind es doch gerade aktive Elternbeiräte in den Einrichtungen und auf Kreisebene, die einen ständigen Druck in Sachen Qualität ausüben, und hier dürfte auch der tiefere Grund dafür zu suchen sein, warum Sie einen Landeselternbeirat partout nicht wollen. Das einzige Argument, das Ihnen dazu
eingefallen ist, ist völlig absurd: Der Landeselternbeirat, so meinen Sie, sei unnötig, weil es ihn noch nicht gäbe.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh, das ist gut! – Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)
Sehr geehrte Damen und Herren! Wie ernst nehmen Sie es denn nun wirklich mit den Kitas als Bildungseinrichtungen? Den von der Linksfraktion.PDS seit Jahren vorgeschlagenen kostenfreien Hort lehnen Sie ab, ohne zu erklären, warum künftig für einen Teil der Eltern die Ganztagsschule selbstverständlich kostenlos sein soll, während andere die nachmittägliche Hortbetreuung der Kinder nach der Halbtagsschule bezahlen müssen. Frau Dr. Schwarz, gestatten Sie mir, das an dieser Stelle noch einmal klarzustellen: Wir haben als Linksfraktion in unserem alternativen Haushalt den kostenfreien Hort integriert, und wir haben in dem Antrag, den wir im Sozialausschuss gestellt haben, auch das Jahr 2007 stehen, in dem wir es einführen würden. Sagen Sie uns also nicht, dass es mit dem jetzigen Haushalt nicht kompatibel ist. Unsere Vorschläge sind dahin gehend untersetzt.
Im Landtagswahlkampf versprach die SPD ein kostenloses Vorschuljahr. Über Sinn und Unsinn kann man streiten, da ein solches Vorschuljahr implizit den Bildungscharakter des Kindergartens als Ganzes infrage stellt und das Problem aufwirft, dass ein kostenfreies Vorschuljahr kostenlos wäre und danach wieder Kosten verursacht würden. Dies ist in gewissem Maße unlogisch. Aber sei es drum.
Nun war zwar ein Schulvorbereitungsjahr im Gesetz benannt; an näheren Regelungen einer soliden finanziellen Untersetzung fehlt es hingegen. Es ist ausschließlich eine Benennung, und kostenlos ist es für die Eltern natürlich schon gar nicht. Im Bundestagswahlkampf überholte uns sogar Herr Ministerpräsident Prof. Milbradt links und meditierte über eine allgemeine Kindergartenpflicht. – Ein paar kleine Schritte in Richtung höherer Verbindlichkeit des Bildungsanspruchs in Kindertagesstätten für alle Kinder hätten uns ja vorerst genügt.
Das Gesetz sieht jedoch keinen verbesserten Personalschlüssel vor, welcher auch eine ausreichende Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit sicherstellen würde, was dringend nötig wäre, wenn man den Bildungsplan ernst nimmt und ihn implementieren will. Es schafft keine von den Trägern und den Eltern eingeforderten Standards für Weiterbildung und Fachberatung und es sieht natürlich auch nicht mehr Geld dafür vor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition! Sie haben versucht, das neue Gesetz bildungspolitisch hübsch zu verpacken. Auf dieser Verpackung mochte dann Frau Dr. Schwarz eine sozialdemokratische Handschrift zu entdecken, was sie für einen großen SPD-Erfolg hielt. Der eigentliche Inhalt der Gesetzesnovelle ist aber leider ein anderer. Mit unseren heutigen ausgewählten Änderungsanträgen geben wir noch einmal die Möglichkeit, diesem Gesetz neben der sozialdemokratischen
Handschrift noch einen wenn nicht sozialdemokratischen, dann wenigstens sozialen Inhalt zu geben. Dem Gesetz in der vorliegenden Form können wir als Linksfraktion jedoch auf keinen Fall zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich vorausschicken: Es ist ein gut gemeinter Entwurf, welcher allerdings für uns wichtige Kernpunkte ausspart. Diese werde ich gleich noch ansprechen.
Aber erst einmal zu den positiven Aspekten: Wir sind ebenfalls der Meinung, dass Bildung nicht erst in der Schule stattfinden kann. Deshalb begrüßen wir die Verankerung des Bildungsplanes im Gesetzentwurf ebenso wie die Einführung des Schulvorbereitungsjahres. Wir haben auch positiv zur Kenntnis genommen, dass hier der Versuch unternommen wird, die Bürokratie effizient abzubauen. Die Formulierungen im Gesetzentwurf bleiben allerdings hinsichtlich Organisation und Finanzierung vollkommen unverbindlich. Finanzierungsprobleme sind jedoch immer auch Haushaltsprobleme, und genau damit wären es dann wieder unsere Probleme.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Zugangskriterien zu Tagesstätten immer noch nicht durch einen eindeutigen Rechtsanspruch für die Kinder festgelegt sind. Die Erwerbstätigkeit der Eltern wird also weiterhin Zugangsvoraussetzung für den ganztägigen Besuch einer Kindertagesstätte sein, und die Kinder erwerbsloser Eltern werden mit diesem Gesetzentwurf deklassiert und teilweise von der Bildung ausgeschlossen. Für uns ist das uneingeschränkte Zugangsrecht eine Kernforderung, welche wir hier leider nicht verwirklicht sehen.
Auch in der Frage der Elternbeiträge sehen wir noch Handlungsbedarf. Wir sind der Auffassung, dass zumindest der halbtägige Kindergartenbesuch beitragsfrei sein sollte. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit der Kinder und zur dringend notwendigen Bevölkerungspolitik.
Ein weiterer Punkt ist die Aufweichung des Ausstattungsstandards in den Kitas. Unter dem Schlagwort „Verwaltungsvereinfachung und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ sollen hier bisherige Richtlinien entfallen. Bisherige Mindeststandards werden künftig im Hinblick auf die Kassenlage der Kommunen nicht mehr eingehalten werden können, und wir befürchten daher eine dauerhafte Verschlechterung der räumlichen Bedingungen.
Weiter: Die Grenzen zwischen Krippe und Kindertagespflege werden verwischt. Für die Kommunen treten jetzt unmittelbar teurere und billigere Betreuungsformen in Konkurrenz. Die Tagespflege lässt sich nahezu vollständig über die Landespauschale und die Elternbeiträge
finanzieren und der kommunale Anteil wäre verschwindend gering. Die Entscheidung für die Tagespflege ist somit keine am Kindeswohl orientierte Entscheidung, sondern nur eine finanzielle Abwägung. In diese Richtung führt auch der Antrag der FDP; daher werde ich ihn an dieser Stelle gleich mit abhandeln.
Sie behaupten, dass die Kindertagespflege eine gute Alternative zu den Kitas sei und vor allem dieselben Qualitätsstandards erreichen würde. Hierin muss ich Ihnen leider widersprechen. Meine Fraktion steht einer erweiterten Kindertagespflege, wie die Koalition und die FDP sie vornehmen wollen, nicht unbedingt ablehnend gegenüber. Sie ist durchaus eine Chance, flexibel und qualifiziert auf Situationen zu reagieren, Es wird auch angesichts der Bevölkerungsentwicklung nicht ausbleiben, dass die Angebote der Kommunen nicht immer der Nachfrage entsprechen können. Dies wurde bereits in der Anhörung deutlich gemacht. Auch eine gewisse Konkurrenz bei den etablierten Einrichtungen ist nichts grundsätzlich Schädliches. Allerdings muss dann auch für die Kindertagespflege eine vergleichbare Qualitätsanforderung für Personal, Räume, Betreuung usw. gelten. Die vorhandenen Bedingungen müssen regelmäßig kontrolliert werden.
Wie ich bereits sagte: Meine Fraktion sieht im Zusammenhang mit der außerhäuslichen Kindertagespflege eine Billigvariante in der Kinderbetreuung, welche gerade in Zeiten schlechter Kassenlage der Kommunen dankend zum Nachteil der Kinder angenommen wird. Wir organisieren – sollten die Gesetzentwürfe der Koalition und der FDP durchkommen – das Problem des Lohndumpings in diesem Bereich, und dies alles mit einem Gesetz des Sächsischen Landtags. Dies ist nicht hinnehmbar. Aus diesem Grunde werden wir diesen Bestrebungen hier im Plenum nicht zustimmen.
Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, Herr Porsch. In § 2 Abs. 2b heißt es derzeit: „Die alters- und geschlechtsspezifischen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen sind angemessen zu berücksichtigen. Einer gesellschaftlichen Rollenfixierung ist entgegenzuwirken.“
Die Formulierung soll laut Gesetzentwurf geändert werden in: „Dabei sind die individuellen Bedürfnisse aller Kinder geschlechtssensibel wahrzunehmen, um einer gesellschaftlichen Rollenfixierung entgegenzuwirken.“ – Dies wäre der neue Text.
Während die alte Formulierung noch als halbwegs ausgewogen angesehen werden kann, ist die neue ein ganz klarer Ausdruck der Ideologie der Geschlechtslosigkeit.
Nein, ich möchte zu Ende reden. – Genau genommen bedeutet der neue Text, geschlechtsspezifische Unterschiede sollen ausschließlich in dem Sinne berücksichtigt werden, dass ihnen entgegengewirkt werden soll.
Meine Damen und Herren, wir lehnen diese Formulierung entschieden ab. Wir sehen darin einen Versuch der Manipulation unserer Kinder zu geschlechtslosen Arbeitsrobotern und Konsumenten.
Wenn im Ergebnis einer solchen Erziehung die Geburtenrate weiter sinkt, brauchen wir uns nicht zu wundern. Hier hätte ich mir etwas mehr Sensibilität seitens der einreichenden Fraktionen gewünscht. – Meine Fraktion wird weder dem Gesetzentwurf der Koalition noch dem der FDP zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Monaten diskutieren wir über die Änderung des so genannten Kindertagesstättengesetzes. Wir sind uns einig, dass der Bildungsauftrag der Kitas stärker im Gesetz verankert werden sollte. Nicht mehr die Betreuung steht im Mittelpunkt, sondern der Anspruch, Bildung in altersgemäßer Form zu vermitteln. Deshalb ist auch der Bildungsplan sozusagen das Herzstück des Gesetzes. Nach unserer Auffassung muss das vorliegende Gesetz den geeigneten Rahmen geben, um den Bildungsplan wirklich umsetzen zu können. Daran werden wir den Gesetzestext messen.
Unsere Fraktion hat ihre Zustimmung zum Bildungsplan wiederholt deutlich gemacht. Er greift neue wissenschaftliche Erkenntnisse über frühkindliche Bildung auf und bezieht die vielfältigen Erfahrungen von Erzieherinnen und Erziehern in ganz unterschiedlichen Einrichtungen und Projekten mit ein. Das Kind und seine Selbstbildung stehen im Mittelpunkt. Der Bildungsplan setzt an der Neugier des Kindes an, nimmt Kinder in ihrem Kindsein ernst und fasst sie nicht als bloße Vorstufe auf dem Weg zum Erwachsenen auf. Ich werde Ihnen jetzt keine Vorlesung über frühkindliche Bildung halten, aber ich möchte ein Zitat verwenden, das das Anliegen frühkindlicher Bildung in ein schönes Bild setzt. Aristophanes hat gesagt: „Menschen bilden bedeutet nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.“ Hinzuzufügen wäre, dass die Glut dafür schon da ist. Wir müssen nur vorsichtig hineinblasen und dem Feuer Futter geben.
Für kleine Kinder, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist alles zwischen Himmel und Erde interessant. Warum löst sich Salz auf? Warum weinen Krokodile? Solche Fragen können Sie schon von Zwei- bis Dreijährigen hören.
Unsere Frage muss also sein: Wie werden die beiden vorliegenden Anträge dem Anspruch des Bildungsplanes gerecht? Ich werde unsere Kritik hier deutlich machen.
Die FDP hat sich darauf beschränkt, der Tagesbetreuung neue Möglichkeiten zu eröffnen: nämlich nicht nur in den Räumen der Tagespflegepersonen, sondern auch in Räumen Dritter. Auch im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen findet sich diese Öffnung. Wir lehnen diese Möglichkeit ab, obwohl damit eine Flexibilisierung erreicht werden könnte. Wir schließen uns der Meinung des Arbeitskreises Kinderbetreuung in Tagespflege an, weil Tagespflege bisher ein Profil hat, das uns wesentlich erscheint und das wir erhalten wollen. Dieses Angebot der Tagesbetreuung lebt von dem familiennahen Kontext. Die Kinder sind quasi in den Familienalltag integriert. Sie gehen mit ihren Tagesmüttern oder -vätern einkaufen, sie kochen gemeinsam und sie erleben ganz normalen Alltag.
Die Betreuungszeiten können so vergleichsweise flexibel angeboten werden, weil Betreuung und Privates miteinander verbunden werden können. Die Anzahl der Kinder, die so betreut werden können, ist natürlich begrenzt. Würden sich mehrere Tagesmütter oder -väter zusammen dritte Räume anmieten – nur so würde die Öffnung Sinn machen –, hätten wir dieses Profil nicht mehr.
Was wäre der Unterschied zu einer Kita? Allein die geringeren Kosten wären anzuführen. Der Charme der Tagesbetreuung wäre dahin, der Preis aber hoch.
Alle Risiken, die die Tagesbetreuung unkomfortabler machen – fehlende Absicherung bei Krankheit, Urlaub und andere Ausfälle der Tagesbetreuungsperson –, würden allein die Eltern tragen. Alles in allem wäre eine solche Regelung ein Rückschritt, den wir ablehnen. Das ist im Übrigen auch die Meinung des Landesjugendhilfeausschusses.
Zum Gesetzentwurf der Koalition. Unsere Fraktion hatte acht Änderungsanträge gestellt. Zwei davon sind teilweise übernommen worden. Dies waren Anträge für Elternbeteiligung – die uns allerdings immer noch nicht weit genug geht – und zu Einrichtungen, die Fachberatung für Kitas anbieten können.
Ich möchte unsere Kritik unter drei wesentlichen Gesichtspunkten zusammenfassen. Erstens haben wir Kritik an den Zugangskriterien, zweitens an der Arbeitszeit der Erzieherinnen und Erzieher, an ihrem Anspruch auf Weiterbildungszeit, und drittens an den Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder.