Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Homepage des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales kann man lesen: „Der einzelne Mensch ist für seine Gesundheit zuerst selbst verantwortlich. Halte dich fit, ernähre dich gesund!“ Das sind nur einige wenige der Botschaften, die in letzter Zeit hierzu verkündet wurden. Zu Recht. Das sieht die Linksfraktion nicht anders. Jeder ist zuerst für sich selbst verantwortlich, und doch lebt der Mensch nicht von Wasser, Brot und Gymnastik allein. Er braucht zum Leben Ideale, der Mensch braucht Arbeit. Hat er diese, dann ist eine wesentliche Grundlage nicht nur für die soziale Sicherheit und für die sozialen Sicherungssysteme, sondern auch für gesunde Lebensweise gegeben.
Heute haben – Dr. Pellmann hat es bereits angesprochen – nicht nur in Frankenberg die meisten Praxen geschlossen. Warum ist das so? – Aus Protest gegen die wachsende Bürokratie im Gesundheitswesen! Wir konnten lesen: Hatte ein Arzt vor fünf Jahren bei 1 000 Patienten pro
Quartal noch 200 Seiten Papier auszufüllen – was schon nicht wenig war –, so sind es heute 700 Seiten. Der Arzt wird immer mehr zum Bürokraten, als dass er sich um die medizinische Betreuung kümmern kann. Hier meinen wir, liegt es mit in der Verantwortung der Staatsregierung, aktiv zu werden, dass sich der Arzt weg von der Bürokratie wieder seinen Patienten widmen kann.
Anderenorts in einer ländlichen Region – Herr Gerlach hat es bereits angesprochen – will eine Fachärztin für Gynäkologie ihre Praxis schließen, und zwar nicht deshalb, weil sie keine Patienten mehr zu betreuen hat, sondern sie will ihre Praxis aufgeben, weil zu ihrem Kundenkreis nur Patienten gehören, die Mitglied der gesetzlichen Krankenkassen sind. Sie will also dorthin gehen, wo sie auch Privatpatienten behandeln und abrechnen kann. Darum geht es.
Herr Gerlach, ich glaube nicht, dass hierbei das geringe Einkommen von 1 000 Euro das Problem ist. Ich meine, hieran erkennen wir, dass das System an sich, wie es mit dem GMG geschaffen wurde, krank ist.
Frau Staatsministerin, Sie haben vielleicht auch diesen Artikel des CDU-Stadtrates aus Leisnig gelesen, aus dem ich zitieren möchte: „Ab 1. Januar 2006, 00:00 Uhr, wird nach der derzeitigen Lage kein Notarzt mehr kommen. Die Versorgung ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewährleistet.“ Ferner ist zu lesen: „Die Verträge über die notärztliche Versorgung mit dem Krankenhaus sind gekündigt.“ Wer also im neuen Jahr dringend medizinische Hilfe braucht, wird nach dem derzeitigen Stand lange, lange rufen können.
Nun ist für den Leisniger Bürgermeister eines klar: Der schwarze Peter liegt bei der Sächsischen Staatsregierung. Dort müsse das Finanzproblem schnellstens geklärt werden.
Nun, meine Damen und Herren, so einfach sehe ich das allerdings nicht. Hier stimme ich mit Frau Strempel, Herrn Gerlach und auch Frau Herrmann überein: Niemand sonst als die Kassenärztlichen Vereinigungen in Sachsen und die kassenärztlichen Bundesvereinigungen dürfen die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten organisieren. Insofern stellt der in § 75 Abs. 1 des Fünften Sozialgesetzbuches normierte Sicherstellungsauftrag gleichzeitig ein Sicherstellungsmonopol dar. Die Vereinigungen haben dafür zu sorgen, dass vor Ort jederzeit ausreichend Ärzte der verschiedenen Fachrichtungen zur hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung den Versicherten zur Verfügung stehen müssen, und zwar mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Nur hier, bin ich der Meinung, liegt die Verantwortung bei der Staatsregierung, als sie eben kontrollieren muss, wie
dieser Auftrag tatsächlich ausgeführt wird und die medizinische Betreuung für jeden Bürger gewährleistet ist.
Zur notärztlichen Versorgung hat Herr Dr. Pellmann Ausführungen gemacht. Wir haben in diesem Jahr zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Krankenhaus Meerane geschlossen wurde. Die Staatsregierung hat dem zugestimmt, weil die medizinische Versorgung über das nahe gelegene Krankenhaus in Glauchau gesichert sei. Dieses Krankenhaus stellt nun auch fest, dass die medizinische Versorgung im kommenden Jahr gefährdet ist. Ich meine, hierbei ist wohl der Fehler im staatlichen Handeln zu suchen – oder nicht? „Aufgabe der Staatsregierung“ – so steht es auch auf der Homepage – „ist es, auf eine gesunde Lebensweise der Bürgerinnen und Bürger hinzuwirken und dafür Sorge zu tragen, dass diese bei Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit alle medizinisch notwendigen Leistungen und sozialen Hilfen zur Erhaltung, zur Wiederherstellung oder zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes in Anspruch nehmen können.“ Dem ist beizupflichten. Heute wurde ausgeführt: „Wir sind am Anfang!“ Es gibt also noch viel zu tun.
Möchte von der CDU-Fraktion noch jemand in die Debatte eingreifen? – Das kann ich nicht erkennen. SPD-Fraktion? – Auch nicht. Dann gibt es noch Redezeit bei der Linksfraktion.PDS, Herr Abg. Pellmann, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versprechen soll man halten. Ich hatte angekündigt, dass ich noch einige Vorschläge bringen werde. Ich will ausdrücklich betonen, dass diese Dinge von uns schon mehrfach angesprochen worden sind. Ich bin der Staatsregierung sehr dankbar, dass sie inzwischen schrittweise – zumindest einiges davon, obwohl das ihre Vorgänger zuweilen sehr skeptisch sahen – bereit ist, einiges umzusetzen. Insofern könnte ich sagen: Auch das mühsame Dasein der Opposition kann sich gelegentlich lohnen.
Zu den Vorschlägen: Meine Damen und Herren, ich konzentriere mich ausschließlich auf die Dinge, die wir in Landeshoheit regeln können. Unsere grundsätzliche Kritik an der gegenwärtigen Bundesgesundheitspolitik ist bekannt, sie kann nachgelesen werden, ich möchte das heute nicht wiederholen.
1. Wir haben heute und hier über viele einzelne Schritte und Maßnahmen gesprochen. Das Erste ist für mich: Wir brauchen ein Gesamtkonzept, wie wir der drohenden Gefahr, dass die gesundheitliche Versorgung nicht mehr ausreichend gewährleistet sein könnte, begegnen.
2. Selbstverständlich gibt es bereits eine Reihe von Expertengremien. Auch das habe ich vor drei Jahren bereits angesprochen. Ich fordere erneut einen Runden Tisch Gesundheitspolitik in Sachsen.
Wir müssen diese verschiedenen Bestrebungen und Anstrengungen bündeln. Ich wünschte mir, dass es jährlich eine sächsische Gesundheitskonferenz gäbe, auf der vor einer breiten Öffentlichkeit über die Resultate, die auf den Weg gebracht worden sind, berichtet wird.
3. Das Dritte; auch das ist nicht neu. Herr Gerlach, ich habe heute keine Zeit, mit Ihnen über das zu polemisieren, was Sie gesagt haben: dass Ärzte Lügen über ihre Einkommensverhältnisse verbreiten würden. Ich will das zumindest stark in Zweifel ziehen. Aber eines will ich schon sagen, Sicherstellungsauftrag hin und her: Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daran muss sich der Freistaat Sachsen auch finanziell beteiligen. Es wird nicht anders gehen.
Noch eins will ich sagen: Die Honorarbasis der Ärzte ist zum Teil eingeschränkt worden, weil durch Hartz IV – um auf eine Sache aufmerksam zu machen, die bisher überhaupt noch keine Rolle gespielt hat – nämlich viele in die Familienversicherung gedrängt wurden, die bisher Kassenmitglieder waren. Aber die Honorare werden nur nach Kassenmitgliedern gezahlt. Doch die Versorgung bezieht sich weiterhin auf den großen Rahmen derer, die den Anspruch und die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung haben.
Ich erkenne an, dass es die ersten wesentlichen Fortschritte auf diesem Gebiet gibt. Aber es macht mich schon stutzig – wie ich kürzlich einer Antwort der Staatsregierung entnehmen durfte –, dass im Augenblick keine weiteren Anträge vorliegen. Also wäre doch zu überlegen, ob hier nicht ein Fördertopf zu erschließen wäre, um diesen Gesundheitszentren auch weitere Förderung zu ermöglichen.
Eine Anregung: Wir könnten doch beispielsweise auch darüber nachdenken, ob Gesundheitszentren nicht nach dem Genossenschaftsmodell funktionieren. Das hätte den Charme, dass sich beispielsweise Kommunen durch den Erwerb von Anteilen unmittelbar beteiligen könnten. Auch das wäre eine Möglichkeit, um hier voranzukommen.
5. Das Fünfte. – Ich habe das auch bereits einmal angedeutet. Es kann doch nicht sein, dass Ärzte in arztfremde Berufe abwandern, weil sie dort mehr verdienen oder
nicht so eine schwere Arbeit haben. Wenn dem so ist – bitte schön! –, dann könnte man von den Arbeitgebern, ob in der Pharmaindustrie oder wo auch immer, erwarten, dass sie an den Freistaat eine Ablösegebühr für die Ausbildung bezahlen. Im Fußball ist das auch möglich – natürlich! Diese Gebühr könnte dann sehr wohl dazu beitragen, dass wirklich Praxisgründungen im ländlichen Bereich gefördert werden.
– meine ich, brauchen wir, ich hatte das schon angedeutet, eine Novellierung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Schließlich möchte ich die Staatsregierung bitten, sich erneut und im verstärkten Maße für ein Präventionsgesetz auf Bundesebene einzusetzen, – –
Da außer der Linksfraktion.PDS keiner mehr Redezeit hat, frage ich die Staatsregierung. – Frau Ministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar, heute noch einmal – in einer wiederholten Debatte – zur Situation der medizinischen Versorgung in Sachsen berichten zu dürfen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben einen Großteil der Situation schon geschildert. Deswegen lassen Sie mich kurz noch einmal ein paar Eckpunkte skizzieren und vielleicht auf die eine oder andere Einlassung antworten.
Es ist in der Tat ein kompliziertes System. Die Verantwortung zur Sicherung der medizinischen Versorgung ist in einzelne Bereiche getrennt, so wie es heute schon angesprochen worden ist: Für den ambulanten Bereich, für die Sicherstellung im ambulanten Bereich zeichnet die Kassenärztliche Vereinigung verantwortlich, für den stationären Bereich sind es die Kommunen und letztendlich planerisch der Freistaat als Land, und für den öffentlichen Gesundheitsdienst ist – wie gesagt – neben den Kommunen auch der Freistaat zuständig.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Darüber hinaus, das haben wir heute schon gehört, gibt es eine Vielfalt von Problemen, die ich in ihren Auswirkungen