Angesichts der Tatsache, dass jede Umstellung eines Systems, egal, ob auf die Ist-Besteuerung oder auf das von der Finanzministerkonferenz favorisierte ReverseCharge-Modell, langwierig ist und nur in Abstimmung mit der EU erfolgen kann, sollte der aktuelle Handlungsschwerpunkt in der effektiveren Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges auch innerhalb des gegenwärtigen Systems liegen, auch weil mit der angedrohten Mehrwertsteuererhöhung auf bis zu 20 % nicht nur das Steueraufkommen ergiebiger, sondern der weitere Betrug noch lukrativer wird.
In Sachsen gibt es schon allein auf der Grundlage des Rechnungshofberichtes genügend zu tun, zumal sich die darin festgestellte ungenügende personelle Situation der Finanzämter durch die Stellenabbaupläne der Staatsregierung in diesem Bereich sicher noch verschärfen wird. Zum Beispiel könnte der Finanzminister der Frage nachgehen, wieso es in Sachsen noch nicht einmal ein geeignetes EDV-System gibt, um prüfungsbedürftige Steuerfälle entdecken zu können, während in Belgien oder Griechenland bereits ein automatisches Kontrollsystem für
den Eingang der Umsatzsteuer beim Finanzamt existiert. Darüber hinaus sollte der Freistaat sich auch für Verbesserungen auf Bundesebene einsetzen. Wieso muss in der Bundesrepublik die Ausweitung des Umsatzsteuerbetruges festgestellt werden, während in den Niederlanden bereits 1998 ein System eingeführt wurde, mit dem nicht nur im Lande die organisierte Kriminalität effektiv bekämpft wurde, sondern darüber hinaus anderen Mitgliedsstaaten geholfen werden konnte, internationale Karussellgeschäfte aufzudecken?
Der Bundesrechnungshof stellte bereits dies im Jahr 2000 fest und verband es mit der Feststellung, die Steuerverwaltung eines Mitgliedsstaates, die solche Informationen liefern kann, scheint ein ausreichendes Analysesystem zu haben – eine sehr kluge, aber in unserem Lande bisher offensichtlich folgenlose Wertung. Sehr bedauerlich! Hier eröffnet sich für die Tatkraft der Sächsischen Staatsregierung ein weites Betätigungsfeld, um auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass dies nicht so bleibt. Dem Staatssäckel würde damit viel Gutes getan.
Herr Präsident! Ich beantrage seitens meiner Fraktion eine getrennte Abstimmung, weil wir gerne dem Punkt 1 zustimmen möchten, auch wenn der Termin inzwischen durch eine Festlegung im Haushalts- und Finanzausschuss sogar auf Februar 2006 festgelegt ist, und weil wir bei Punkt 2 erhebliche Bedenken haben und dem nicht zustimmen wollten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Simon, habe ich da in Ihrer Rede einen Hauch von Ironie gehört?
Umsatzsteuerbetrug ist ja kein neues Phänomen, aber die Methoden, Techniken und die kriminelle Energie der handelnden Betrüger sind offensichtlich raffinierter und effizienter geworden. Das ist kein Geheimnis. Nach fachlichen Einschätzungen wird mit einem Ausfall von 17 bis zu 20 Milliarden Euro im Jahr gerechnet. Hierin enthalten sind zirka sechs Milliarden Euro durch Insolvenzen, sechs bis sieben Milliarden Euro durch Schwarzarbeit und zirka 4,5 bis fünf Milliarden Euro durch den eigentlichen Vorsteuerbetrug.
Über die Tatsache – zu dem Thema Hartz IV komme ich noch, Herr Porsch –, dass Bund und Länder jährlich Umsatzsteuern in Milliardenhöhe entgehen, sind sich ja im Wesentlichen alle Experten einig. Einig sind sich die Experten auch darüber, dass innerhalb des geltenden
Die SPD hat sich mit Barbara Hendricks im Bundesfinanzministerium relativ frühzeitig – bereits 2003, soweit ich weiß – daraufhin positioniert, dass eine Umstellung auf die Ist-Besteuerung mit Cross Check durchaus Sinn machen würde. Aber auf der letzten Zusammenkunft der Finanzminister am 20.10. wurde das Thema diskutiert und dieses Reverse-Charge-Modell mit 14 : 1 beschlossen. Das wird auch entsprechend gegengeprüft über eine Steuerkanzlei. Heraus kam letztendlich vor kurzem, dass hier das Problem der hohen Anlaufkosten, was in der Regel Zinsverluste sind, gegen die Umstellung auf die IstBesteuerung sprechen und für dieses Reverse-ChargeModell, wo das nicht auftreten soll.
Jetzt etwas zu dem Thema Hartz IV. Ich finde es schon spaßig, dass auf der einen Seite die PDS-Fraktion gerade die Probleme mit der Einführung von Hartz IV immer zum Anlass nimmt, hier im Plenum aufzutreten, und dies dann gleichzeitig ironisch so hinstellt, dass man das doch bei der Umsatzsteuer auch machen sollte. Ich empfinde das als eine verheerende Herangehensweise. Gerade die Probleme, die mit Hartz IV aufgetreten sind, sollten uns eigentlich lehren, dass man diese heiße Kiste Umsatzsteuer nicht so anfassen, sondern dass man daran vernünftig herangehen und versuchen sollte, hier insbesondere erst einmal im eigenen System die Möglichkeiten auszunutzen, um die Betrugsfälle zu minimieren. In diesem Zusammenhang muss ich auch einmal darauf hinweisen, dass insbesondere der GRÜNEN-Antrag, der, ich glaube, beim letzten Plenum, wo er sich zu dem Thema „Arbeitsweise der Finanzämter“ gegen die Pauschalrotation ausgesprochen hat, durchaus ein sinnvoller Weg ist – ich hatte das damals schon gesagt –, hier bei der Umsatzsteuerkriminalität mehr Sachverstand und Professionalität hineinzubringen, durchaus Sinn gemacht hat.
Ein wichtiger Punkt ist auf alle Fälle, dass man einen Systemwechsel ohne Europa nicht so einfach machen kann. Nach meinem Kenntnisstand ist die alte Bundesregierung dazu bereit, einen Systemwechsel anzugehen. Nach meinem Kenntnisstand ist auch in den Koalitionsverhandlungen das Gespräch darüber geführt und zu führen, dort einen Systemwechsel anzugehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die neue Bundesregierung dort entsprechend tätig wird. Wir lehnen den Antrag der FDPFraktion ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Drucksache ist diversen Rechnungshofberichten, darunter dem aktuellen des SRH, sowie einer Debatte der Länderfinanzminister auf Bundesebene geschuldet. Den Sinn und Zweck
Die Zahlen, die im Zusammenhang mit den diversen Formen des Umsatzsteuerbetruges nicht nur von der Antragstellerin, sondern auch in Prüfberichten oder beispielsweise im „Handelsblatt“ genannt wurden, sind hinreichend bekannt und zeigen trotz gewisser quantitativer Differenzen einen dringenden Handlungsbedarf auf. Folglich begrüßt die NPD-Fraktion die Initiative der Antragstellerin, dieses Thema aufgegriffen zu haben. Wir werden diesem Antrag auch zustimmen.
Ich erlaube mir dennoch einige Worte zum Sachverhalt. Im Antragstext wird gefordert, die Arbeitsweise nach Maßgabe der Prüfungsbemerkungen des SRH zu optimieren. Gemessen an den Empfehlungen bzw. Forderungen des Rechnungshofes ist dies meines Erachtens nicht ohne Ausweitung der personellen Kapazitäten zu machen.
Dementsprechend ist auch im Prüfbericht nachzulesen, dass die OFD die Anzahl der Sachgebietsleiter gegebenenfalls abweichend vom bundeseinheitlichen Muster für die Personalbedarfsrechnungen erhöhen muss. Hier wäre es von Interesse, heute einige Aussagen von der Staatsregierung zu bekommen, wie sie dieser Problematik angesichts ihrer Planungen zum Personalabbau und der Verwaltungs- und Kreisreform begegnen möchte. Vielleicht ist es dem Herrn Finanzminister inzwischen möglich, etwas konkretere Aussagen zur Einführung der technischen Risikomanagementsysteme zu machen. In Ihrer Stellungnahme gegenüber dem SRH sprachen Sie ja wenig konkret von einer zeitnahen Einführung. In der Kleinen Anfrage Drucksache 4/2674 nannten Sie das Jahr 2006. Sollten Sie also in der Zwischenzeit in der Lage sein, dies etwas genauer zu datieren, würde ich Sie bitten, dies im Rahmen dieser Debatte zu tun.
Dem Begehren des Antragspunktes 1 beizupflichten und auf die Umsetzung der Anregungen des Rechnungshofes zu drängen, ist nach Ansicht der NPD-Fraktion eine besondere Bedeutung beizumessen, da dies praxisorientiert leider die einzig realistische Handlungsoption ist, die der Staatsregierung gegeben ist.
Wenngleich wir auch der Forderung im Punkt 2 prinzipiell zustimmen, so weise ich darauf hin, dass die Antragstellerin – ob bewusst oder unbewusst – mit ihrer unvollständigen Formulierung ein Problem ausklammert, das sich mit der gewünschten Umstellung der gesamten Umsatzsteuer auf die so genannte Ist-Besteuerung ergibt. Unabhängig davon, dass sich die Länderfinanzminister bereits für das Reverse-Charge-Modell entschieden haben – zu Deutsch könnte man auch sagen: für die Umkehr der Steuerschuldnerlast –, sehen wir uns mit einer Problematik konfrontiert, für welche die NPD-Fraktion in diesem Hause schon mehrmals versucht hat, zumindest eine gewisse Sensibilität zu entwickeln. Es ist nämlich, meine Damen und Herren, für Deutschland gar nicht mehr so einfach, die Erhebungsform dieser Steuer einer Änderung zu unterziehen.
Die NPD-Fraktion stimmt der Antragstellerin zwar im Hinblick auf die Liquiditätssituation vieler, vor allem mittelständischer Unternehmen zu – insbesondere deshalb, weil es mit der zu erwartenden Mehrwertsteuererhöhung und Basel II bestimmt nicht besser werden wird –, aber wir fordern im Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, damit einhergehenden Mut und auch den Willen zur Wiedererlangung von nationaler Solidarität ein. Denn wie Ihnen bekannt sein müsste, ist die Umsatzbesteuerung EU-weit harmonisiert, und eine derartige Reform müsste folglich von der EUKommission angeregt und dann von allen Mitgliedsstaaten gebilligt werden.
Meine Damen und Herren von Koalition und Staatsregierung, zum Schluss möchte ich Ihnen noch sagen: Sie haben es nun in der Hand, ob wir neben 1999 und 2005 künftig diese Problematik in den Berichten des Rechnungshofes wieder unbewältigt vorfinden werden. Wir werden jedenfalls dem Antrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in einem Punkt Übereinstimmung mit der FDPFraktion, und das ist ein wichtiger: Auch aus unserer Sicht geht die Bekämpfung des Steuerbetruges vor Steuererhöhungen. Das ist ein gemeinsames Anliegen. Ich bin aber ansonsten dafür, dass wir hier erst einmal einen realistischen Einstieg versuchen sollten.
Es sind vorhin von Herrn Zastrow noch einmal Zahlen genannt worden, dass ohne Umsatzsteuerbetrug 470 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen für den sächsischen Haushalt zur Verfügung ständen – knapp 500 Millionen Euro. Das heißt aber nicht, dass wir das durch eine vollständige Bekämpfung in Sachsen erreichen könnten, sondern das würde bedeuten, dass solche Mehreinnahmen für Sachsen dann entstehen, falls, erstens, die Schätzungen in Höhe von 20 Milliarden Euro Umsatzsteuerbetrug in ganz Deutschland zutreffend sind, und, zweitens, der Umsatzsteuerbetrug in ganz Deutschland bis zu dieser Höhe beseitigt wird. Das ist – ich glaube, da sind wir uns einig – ein sehr, sehr theoretischer Fall.
Umso wichtiger ist es, sich auf das praktisch Machbare zu konzentrieren, und richtigerweise bezieht sich in Punkt 1 ihres Antrages die FDP-Fraktion auf die Kritik des Sächsischen Rechnungshofes, der in seinem aktuellen Bericht unter anderem ungeeignete Datenverarbeitung, ein fehlendes Risikomanagementsystem und mangelnde Qualifikation der Prüfer beanstandet. Die zügigen Verbesserungen in diesen Punkten sind aus unserer Sicht unabdingbar, dies umso mehr, als es derzeit völlig ungewiss ist, ob es überhaupt zu einem Systemwechsel im Umsatzsteuerbe
reich kommt – unabhängig davon, ob dieser Wechsel hin zu einem Modell der Ist-Besteuerung, wie es die FDP vertritt, oder zu einem Reverse-Charge-Modell, wie es die Länderfinanzminister vertreten, erfolgen sollte.
Die Ursache liegt tatsächlich in der Europäischen Union. Wir haben dort mit der 6. Umsatzsteuerrichtlinie ein verbindliches Umsatzsteuersystem vorgegeben. Für die Änderung wäre die Einstimmigkeit aller 25 EU-Staaten notwendig; zurzeit müssen wir konstatieren, dass das deutsche Interesse, der Vorstoß, nur von Österreich unterstützt wird. Wir sind also weit entfernt von einer solchen Änderung.
Deshalb ist es wichtig, kleine Verbesserungen in diesem Bereich voranzutreiben – Verbesserungen im System, wie sie der Rechnungshof vorschlägt. Wir unterstützen dieses Anliegen. Wir denken allerdings auch, dass das richtige Gremium für diese Diskussion der Haushalts- und Finanzausschuss gewesen wäre, wie aus unserer Sicht der gesamte Antrag in den Haushalts- und Finanzausschuss gehört hätte. Dort hätten wir diese diffizilen Probleme im Detail diskutieren können. Es wären auch Anhörungen möglich gewesen und ein sachgerechter Vorschlag und nicht der Versuch, hier einen Schnellschuss im Plenum zu starten.
Die FDP schlägt vor, dass wir uns aus dem Stand für die Ist-Besteuerung entscheiden. Sie verschweigt dabei allerdings, dass für eine solche Umstellung zwingend ein ergänzender Kontrollmechanismus, Cross Check – Kollegin Simon hat es bereits vorgestellt –, notwendig wäre, sonst würde die Umstellung keine Verbesserung bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges bringen; denn Zahlungsbelege lassen sich ebenso leicht fälschen wie derzeit Rechnungen.
Wahrscheinlich scheut die FDP den Cross Check, weil er mit enormen Mehrkosten für die Unternehmen verbunden ist. Nach dem Planspiel des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PSP ist mit 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten zu rechnen gegenüber 200 Millionen Euro beim ReverseCharge-Modell – ein erheblicher Unterschied. Wenn es Anliegen der FDP-Fraktion gewesen sein sollte, mit diesem Antrag nur die Liquidität der Unternehmen in den Vordergrund zu stellen, aber keinen Beitrag gegen den Umsatzsteuerbetrug zu leisten, dann sollten Sie bitte auch so ehrlich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das in der Überschrift Ihres Antrages zu thematisieren.
Wir sehen also keinen Grund, uns quasi im Handstreich, um Kollegen Zastrow zu zitieren, für eine Ist-Besteuerung zu entscheiden. Als GRÜNE sehen wir, dass die Ergebnisse des Planspiels, das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PSP durchgeführt hat, belegen, dass es auch bei der IstBesteuerung nicht zu einem höheren Steueraufkommen als beim Reverse-Charge-Modell kommt. Der Cross Check als Kontrollmechanismus führt jedoch in der Verwaltung und in der Wirtschaft zu wesentlich höheren Aufwendungen. Das spricht also eher dafür, zu Reverse Charge überzugehen, wie es die Länderfinanzminister
Wir werden bis zur Definition unserer Position jedoch noch auf die Antwort auf unsere Große Anfrage warten, die wir zu diesem Themenkreis gestellt haben, und dann politische Schlussfolgerungen ziehen. Die würden wir dann auch in den Haushalts- und Finanzausschuss einbringen und dort diskutieren.
Insbesondere halten wir beim derzeitigen System aber noch einen anderen Aspekt für interessant: Unserer Meinung nach haben die Länder aufgrund des Länderfinanzausgleichs einen zu geringen Anreiz, sich wirksam beim Umsatzsteuerbetrug zu engagieren. Sie tragen die Kosten der Betrugsbekämpfung und sie haben mit dem Bund zusammen ein gemeinsames Interesse an einer wirksamen Betrugsbekämpfung, da die Umsatzsteuer zu den zentralen Einnahmen von Bund und von Ländern gehört. Indem jedoch durch den Länderfinanzausgleich – –
Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben die Redezeit Ihrer Fraktion komplett ausgeschöpft; kommen Sie bitte zum Ende.
Indem jedoch durch den Länderfinanzausgleich die Finanzkraft der Länder nahezu zu 100 % angeglichen wird, erhalten die Länder nur einen Bruchteil der Mehreinnahmen, den sie bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges erwirtschaftet haben.
Ein Ansatz für einen größeren Anreiz, dass sich die Länder stärker engagieren, wäre aus unserer Sicht, dass die Länder einen bestimmten Anteil der betrugsbekämpfungsinduzierten Mehreinnahmen selbst behalten können. Ein finanzieller Anreiz ist auch auf diesem Gebiet aus unserer Sicht mehr wert als eine Diskussion über Modelle.