Gibt es seitens der Fraktionen noch Aussprachebedarf? – Dann bitte ich Sie, Herr Dr. Metz, Staatsminister der Finanzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind schon sehr gute, richtige Fakten dargelegt worden, dafür bin ich dankbar, insbesondere auch Ihnen, Herr Gerstenberg, hinsichtlich Ihrer Anregung: Wer handelt, hat auch einen Nutzen davon.
Ich will aber durchaus noch einige andere Anmerkungen bringen, meine Damen und Herren, es gibt nämlich nicht den Umsatzsteuerbetrug – hierauf hat insbesondere Herr Pecher hingewiesen –, denn hinter dem Wort Umsatzsteuerbetrug verbergen sich natürlich absolut unterschiedliche Formen. Nicht nur die im Antrag besonders
hervorgehobenen Umsatzsteuerkarusselle spielen hier eine Rolle, Herr Zastrow, sondern auch Steuerausfälle durch Insolvenzen, durch Schattenwirtschaft, durch nicht angemeldete oder abgeführte Umsatzsteuer sowie durch unberechtigten Vorsteuerabzug.
Ich will mich auf das Ifo-Institut beziehen, weil ich dazu am meisten Vertrauen habe. Das Ifo-Institut München hat den Steuerausfall durch Umsatzsteuerbetrug, basierend auf einer gesamtvolkswirtschaftlichen Rechnung, bundesweit auf rund 17 Milliarden Euro für 2004 geschätzt. Wenn wir das entsprechend Steueraufkommen herunterbrechen, ergibt sich für Sachsen 2004 ein Umsatzsteuerausfall von etwa 400 Millionen Euro. Dabei unterstelle ich natürlich, dass ein Sachse nicht mehr und nicht weniger kriminell ist als der Durchschnittsdeutsche.
Der Großteil des Umsatzsteuerausfalls, nämlich zwei Drittel, meine Damen und Herren, entfällt auf die Schattenwirtschaft und auf die Insolvenzen. Letztere können seitens der Finanzverwaltung nur sehr eingeschränkt oder gar nicht beeinflusst werden. Der Kampf gegen die Schattenwirtschaft ist in erster Linie Sache des Bundes. Dazu hat er auch eine eigene Einrichtung, und zwar die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, abgekürzt FKS.
Im Ergebnis hat die Sächsische Finanzverwaltung nur bei rund 100 Millionen Euro überhaupt eine echte Chance. Das sind die Bereiche Umsatzsteuerkarusselle, nicht angemeldete oder abgeführte Umsatzsteuer sowie unberechtigter Vorsteuerabzug.
Meine Damen und Herren, die Sächsische Finanzverwaltung hat den Umsatzsteuerbetrug in den letzten Jahren intensiv bekämpft. Ich stelle mich durchaus vor meine Finanzämter.
Ich nenne einige Beispiele. Wir haben Sachbearbeiter aus dem gehobenen Dienst in die Umsatzsteuervoranmeldungsstellen eingesetzt. Wir haben eine Umsatzsteuersonderprüfungsgruppe eingerichtet. Wir haben eine bundeseinheitliche Checkliste zur kritischen Überprüfung von Neugründungen und den Online-Zugriff auf bundeseinheitliche Datenbanken eingerichtet.
Zu Ihrem Anliegen: Wir werden Anfang 2006 das Risikomanagement einführen. Wir wollen die Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung weiter ausbauen und planen auch unter Berücksichtigung der Feststellung des Sächsischen Rechnungshofes weitere Maßnahmen.
Dies sind erstens die Umsetzung eines bundeseinheitlichen Prüfungskonzeptes für die Steuerfahndung im Karussell- bzw. Kettenbetrug.
Zweitens ist das die Einführung eines bundeseinheitlich gestützten Risikomanagements. Ich erwähnte das schon.
Dazu brauchen wir gut motiviertes, gut ausgebildetes und handelndes Personal in den Finanzämtern. Das ist selbstverständlich.
Im Übrigen – Herr Zastrow, ich will darauf verweisen – wird dem Antrag der FDP-Fraktion, über die Arbeitsweise der Umsatzsteuersonderprüfung zu berichten, bereits Genüge getan, wenn wir voraussichtlich – ich glaube, Frau Simon wies darauf hin – im Frühjahr 2006 den Jahresbericht 2005 des Rechnungshofes beraten.
Meine Damen und Herren, die Finanzministerkonferenz, von der auch hier des Öfteren die Rede war, hat sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Umsatzsteuerbetrug befasst – ich kann mich an viele Diskussionen im Rahmen der Bundesfinanzministerkonferenz erinnern – und hat im Ergebnis dieser Diskussionen am 20. Oktober 2005 eine Entscheidung gefällt. Das war zwar nicht so, wie es Herr Zastrow darlegte, dass schnell mal jemandem etwas einfiel. So ging es nicht, lieber Herr Zastrow. Das ist, wie Sie wissen, bei Geld etwas anders.
Ausgangspunkt der Beratungen waren Untersuchungen – Herr Gerstenberg hat die Firma bereits genannt – zum Reverse-Charge-Verfahren sowie zur generellen IstBesteuerung mit Cross Check.
Ich darf Ihnen beide Systeme kurz erläutern. Beim Reverse-Charge-Verfahren schuldet bei Rechnung oberhalb 5 000 Euro nicht mehr der leistende, sondern der leistungsempfangende Unternehmer die Umsatzsteuer. Es wechselt also die Steuerschuldnerschaft vom bisher leistenden auf den leistungsempfangenden Unternehmer. Da sich die Steuerlast und der Vorsteueranspruch in einem Unternehmen dann sozusagen vereinen, kann es nicht mehr zur Auszahlung von Vorsteuer durch das Finanzamt kommen. Umsatzsteuer fällt nur dann an, wenn der Unternehmer an den Endverbraucher liefert oder leistet. Das ist das Prinzip Reverse Charge.
Bei der Ist-Besteuerung, die Sie, lieber Herr Zastrow, fordern, fällt die Umsatzsteuer nicht schon wie bisher bei der Ausführung der Lieferung oder Leistung an, sondern erst mit der Einnahme des Entgeltes. Das ist das Prinzip der Steuerschuldnerschaft durch den leistenden Unternehmer.
Die Steuerschuldnerschaft bleibt also bestehen. Die Umsatzsteuerschuld muss jedoch erst dann an das Finanzamt bezahlt werden und Vorsteuer kann erst dann geltend gemacht werden, wenn die Rechnung bezahlt ist. Das ist das, was Sie dargelegt haben. Maßgeblich ist hier also nur der Zahlungszeitpunkt.
Die entscheidende Frage ist nun: Welches System ermöglicht es den Betrügern, weiterhin Betrugsdelikte zu begehen? Die Ist-Besteuerung hat die Schwäche, dass Vorsteuerabzug weiterhin möglich ist. Das ist meiner Meinung nach das entscheidende Einfallstor für Betrugsdelikte.
Bei der Ist-Besteuerung kann Betrug nur durch ein sehr aufwändiges Kontrollverfahren, das so genannte Cross Check, vermieden oder aufgedeckt werden. Diese Zahlen sind von unabhängigen Wirtschaftsprüfern eruiert. Bei Cross Check werden die tatsächlich getätigten Zahlungen zwischen Finanzamt und Unternehmen geprüft und
abgeglichen. Es müssten dafür zirka 170 Millionen Rechnungen – dies sind nur Rechnungen jenseits von 5 000 Euro – mit einem Milliardenaufwand für die Wirtschaft und die Finanzverwaltung gegenseitig abgeglichen werden. 170 Millionen Rechnungen ist die Größenordnung.
Zusätzlich ergeben sich im Einführungsjahr geschätzte Einnahmenausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe. Nun frage ich die FDP-Fraktion: Wer soll das finanzieren, und wollen wir wirklich die Wirtschaft mit weiteren bürokratischen Bürden belasten? Das würde die Unternehmen treffen.
Aus diesen Gründen haben sich die Finanzminister gegen das Modell der Ist-Besteuerung ausgesprochen. Der einzige FDP-Finanzminister hat sich der Stimme enthalten – das will ich zugeben –, er hat nicht dagegen gestimmt.
Aus diesem Grund lehne ich den Antrag der FDP-Fraktion ab, sich auf Bundesebene für die Ist-Besteuerung einzusetzen. Wir als Länderfinanzminister haben einheitlich mit einer Stimmenthaltung eine klare Entscheidung getroffen.
Wir halten jedoch dieses Reverse-Charge-Verfahren für geeignet, Umsatzbetrügern das Handwerk zu legen. Da sich Steuerschuld und Vorsteueranspruch in diesem Fall bei einem Unternehmen vereinigen, kann es nicht mehr zur Auszahlung von Vorsteuern durch das Finanzamt kommen. Umsatzsteuer fällt nur noch an, wenn der Unternehmer an den Endverbraucher liefert oder leistet.
Es ist darauf hingewiesen worden, und zwar von Herrn Gerstenberg, dass wir Schwierigkeiten bekommen, das im europäischen Kontext relativ zügig hinzubekommen. Deswegen möchte ich dazu nicht weiter sprechen.
Trotzdem halte ich eine Initiative Deutschlands im Sinne des Reverse-Charge-Verfahrens auch gegenüber der EU für notwendig und sinnvoll.
Wir kommen zum Schlusswort. Herr Zastrow oder Herr Morlok? – Der Abg. Morlok von der FDP-Fraktion hat das Schlusswort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben eigentlich wieder ein schönes Beispiel erlebt, was alles geht, wenn der Staat Geld einnehmen möchte, und was alles nicht geht, wenn er auf etwas verzichten muss.
Als es darum ging, durch die Verlagerung der Abführung der Sozialabgaben Geld in die Rentenkassen zu bekommen, war es überhaupt kein Problem, etwas zu ändern. Es wurden alle Hürden über Bord geworfen, weil es um Mehreinnahmen des Staates ging.
Wenn es plötzlich aber dazu führen soll, dass der Staat weniger Geld in der Tasche hat, ergeben sich alle möglichen bürokratischen Hürden, die dies unmöglich machen. Das zeigt, welche falsche gedankliche Grundhaltung viele Leute in diesem Hause haben.
Eigentlich sind von den verschiedenen Vertretern der Fraktionen auch nicht wirklich Argumente gegen die IstBesteuerung vorgetragen worden. Es wurde dargestellt, dass wir ein System haben, dass das System logisch ist, dass wir zur EU gehen müssen, um etwas zu ändern und all diese Dinge. Inhaltlich habe ich aus den Fraktionen keine nennenswerten Beiträge gehört, die sich für eine IstBesteuerung aussprechen.
Dass die Finanzminister, also Herr Metz und alle seine Kollegen in der Finanzministerkonferenz, nicht jubeln, wenn es um die Ist-Besteuerung geht, ist selbstverständlich. Ich meine, das kann man eben auch nachfühlen. Das hat mit ihrer Funktion und der Aufgabenerfüllung zu tun. Aber ich denke, dass wir nicht nur in unserer politischen Abwägung auf die Finanzminister, die ihre Haushaltslöcher im Blick haben, achten sollten, sondern auf das Wohl der Mitbürgerinnen und Mitbürger und die Unternehmen achten müssen. Wenn wir das Wohl der Mitbürgerinnen und Mitbürger im Auge behalten, dann wird sehr schnell deutlich, dass die Ist-Besteuerung für sie von Vorteil ist. Für wen machen wir hier eigentlich Gesetze? Für die Mitbürger oder für Minister?
Danke schön. – Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 4/3242. Wir stimmen getrennt über zwei Absätze ab.
Ich rufe auf den Absatz 1. Wer stimmt dem Absatz 1 zu? – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung ist dieser Absatz mehrheitlich knapp abgelehnt worden.
Wir kommen zum Absatz 2. Wer stimmt diesem Absatz 2 zu? – Die Zahl hat abgenommen. Wer ist dagegen? – Diese Zahl hat zugenommen. Wer enthält sich? – Keiner. Der Absatz 2 ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit entfällt auch eine Gesamtabstimmung.
Meine Damen und Herren! Das war die 33. Sitzung. Die 34. Sitzung ist für morgen, 10:00 Uhr, angesetzt.