Ich will hier noch einmal in aller Deutlichkeit festhalten: Auch die Linksfraktion.PDS ist weder für einen Schlussstrich, noch verweigert sie sich einer Debatte über die Vergangenheit. Wissenschaftliche, politische und auch moralische Diskussionen müssen geführt werden und sie sind in den letzten 16 Jahren auch in erheblichem Maße geführt worden, im Übrigen wesentlich häufiger und intensiver in den Reihen der PDS als bei der CDU, die ja bekanntlich zu DDR-Zeiten auch anerkanntes Mitglied der Nationalen Front gewesen ist.
Noch eine Bemerkung zur Forderung nach Reue: Wer die zurückliegenden Debatten zu Vorgängen in der DDR oder zum Thema Staatssicherheit im Landtag verfolgt hat, wer sich die Beschlussempfehlungen zu früheren, im Übrigen allesamt gescheiterten Abgeordnetenanklagen ansieht, für den dürfte klar sein: CDU und SPD waren diesbezüglich nie zu einer differenzierten Betrachtung des Gewesenen bereit, und auch bei FDP und GRÜNEN habe ich nach den Erfahrungen der letzten Monate meine Zweifel.
Sie alle fordern von uns eine bedingungslose Unterordnung unter Ihre Wertmaßstäbe und Ihre Geschichtsbetrachtung. Öffentliche Entschuldigungen, selbstkritische Äußerungen seitens der PDS und jegliche Versuche von Wiedergutmachung, soweit sie überhaupt möglich ist – auch durch Mitwirkung innerhalb der parlamentarischen Demokratie –, ignorieren Sie, und das mit einer geradezu unverschämten Beharrlichkeit.
Ich wiederhole, was ich schon in einer früheren Debatte gesagt habe: Sie wollen keine Aufarbeitung. Sie wollen die Vergangenheit – solange es irgend geht – parteipolitisch und wahltaktisch gegen uns instrumentalisieren.
Meine Damen und Herren! Sie fordern nicht Aufklärung und Einsicht. Sie verlangen den Kotau und die Selbstverleugnung. Doch diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun, weder heute noch in der Zukunft, egal, was Sie hier auch veranstalten, und Sie veranstalten ja einiges, wie Sie wissen.
Wenn ein früherer Minister, gegen den in mehreren schwerwiegenden Vorfällen staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, im Pyjama von einer Zeitung abgelichtet wird, dann setzt die Staatsgewalt Himmel und Hölle in Bewegung. Journalisten werden bespitzelt, mutige Staatsanwälte werden strafversetzt und man konzentriert alle Kräfte darauf, die undichte Stelle zu finden. Die Ermittlungen gegen Schommer bleiben dagegen über Monate liegen.
Wenn die Persönlichkeitsrechte des Oppositionsführers verletzt werden, was wiederholt geschehen ist, wenn Fotos von dessen Frau und Kindern in den Gazetten erscheinen, Akten der Birthler-Behörde im ganzen Land kursieren und die Geheimhaltungsvorschriften des Bewertungsausschusses verletzt werden, dann gibt es weder irgendeinen Protest noch eine Presseerklärung von Herrn Hähle, in der er die sofortige Suche nach den Schuldigen fordert. Das, meine Damen und Herren, ist Messen mit zweierlei Maß.
Wenn gegen einen berühmten und der CDU nahe stehenden Trompeter Stasivorwürfe erhoben werden und dieser erklärt, er sei ohne sein Wissen abgeschöpft worden, dann wird ihm selbstverständlich sofort geglaubt. Er wird in den Schoß der Gesellschaft wieder aufgenommen und darf auch weiter für die Regierenden trompeten – wogegen ich im Übrigen gar nichts habe.
Wenn aber der PDS-Fraktionschef erklärt, er habe nie wissentlich mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet und sei ohne sein Wissen abgeschöpft worden, dann ist diese Erklärung natürlich völlig unglaubwürdig, wird zurückgewiesen und die Anklage gegen ihn auf den Weg gebracht. Diese Doppelzüngigkeit, diese Doppelmoral bei den Antragstellern ist inakzeptabel und unverschämt.
Da viele der heutigen Abgeordneten im 1. Sächsischen Landtag nach der Wende noch nicht vertreten waren, will ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, wie der nicht nur aus unserer Sicht eindeutig grundgesetzwidrige Artikel 118 überhaupt in die Verfassung gekommen ist, und Sie werden sich wundern.
Normalerweise sind Ausschusssitzungen im Landtag nicht öffentlich. Wir halten das im Übrigen für falsch. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Landesverfassung wurde allerdings durch die Herren Schimpff und Dr. Rühmann dankenswerterweise ein Buch herausgegeben, welches die Protokolle aller Sitzungen des Verfassungs- und Rechtsausschusses in Sachen Verfassung enthält, sodass ich an dieser Stelle auch daraus zitieren kann. Die Lektüre verdeutlicht, dass der entsprechende Vorschlag, im Zusammenhang mit der Erhebung einer Abgeordnetenanklage auch MfS-Verstrickungen heranzuziehen und das Ganze somit auf vor dem Mandat liegende Tätigkeiten auszudehnen, vom damaligen Sonderausschuss zum „Thema Amts- und Machtmissbrauch infolge der SED-Herrschaft“ kam und Anfang Mai 1991 völlig überraschend im Verfassungs- und Rechtsausschuss präsentiert wurde.
Selbst das Mitglied im Sonderausschuss Dr. Reinfried von der CDU-Fraktion bewertete das entsprechende Papier laut Protokoll als nicht beschlussfähig. Dennoch wurde der Punkt in der gleichen 5. Klausurtagung des Ausschusses durch die CDU-Mehrheit behandelt und eine Be
schlussfassung herbeigeführt, ohne dass sich die Fraktionen dazu verständigen konnten und obwohl in derselben Sitzung von der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion berufene, renommierte Verfassungsrechtler erhebliche Bedenken gegen die geplante Regelung artikuliert hatten.
So erklärte Prof. von Mangoldt zum Beispiel, dass die vorgeschlagene Regelung mit Artikel 28 Abs. 1 und Artikel 18 des Grundgesetzes kollidieren könne. Er, Prof. Mangoldt, halte eine Verankerung in der Verfassung für einen politischen Fehler. Sein Kollege Prof. Schneider betonte, er könne sich nicht zur politischen Zweckmäßigkeit äußern, er melde jedoch erhebliche Bedenken aus juristischer Sicht an, da er das Bestimmtheitsgebot im Rahmen dieser Verfassungsregelung als nur schwer erfüllbar ansehe. Selbst Artikel 18 Grundgesetz, der die Verwirkung von Rechten regele, könne niemandem das passive Wahlrecht aberkennen, schon gar nicht auf Lebenszeit. Prof. Schneider verwies ausdrücklich auf die Parallele des McCarthyismus in den USA und riet davon ab, diese Regelung in die Verfassung aufzunehmen.
Obwohl sich die Abgeordneten Dr. Kunzmann, SPDFraktion, und Dr. Donner, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, aufgrund dieser Aussagen gegen eine sofortige Beschlussfassung aussprachen, eine Anhörung zu diesem Punkt verlangten und für ihre Fraktion weiteren Beratungsbedarf anmeldeten, wurde auf Antrag des Abg. Schimpff, CDU-Fraktion, mit 8 : 4 : 2 Stimmen beschlossen, über die Aufnahme einer solchen Regelung noch am gleichen Tag abzustimmen, was dann auch geschah. Der Antrag wurde in aller Eile ohne jegliche Prüfung der massiven juristischen Bedenken durchgepeitscht. Damals wie heute ging es nicht um eine rechtliche, sondern offenkundig allein um eine politisch motivierte Entscheidung.
Bei der Schlussberatung im damaligen Verfassungs- und Rechtsausschuss – auch das ist hochinteressant – beantragte der damalige Abg. Dr. Donner von den Bündnisgrünen namens seiner Fraktion, den gesamten Punkt, also die Möglichkeit der Erhebung einer Abgeordnetenanklage wegen vermeintlicher MfS-Tätigkeit, komplett zu streichen. Das war ein Antrag der Grünen. Strafrechtlich relevante Fälle, so Dr. Donner, könnten nach Aufhebung der Immunität ohnehin von den Strafverfolgungsbehörden geahndet werden. Der Abg. Richter erklärte für die SPD, seine Fraktion sieht die Möglichkeit durch die in Punkt 2 vorgeschlagene Regelung, belastete Abgeordnete aus dem Landtag zu entfernen, als nicht gegeben an, zumal die
Verfassung nicht nur für kurze Zeit gelten solle. Auch er, Richter, SPD-Fraktion, plädierte daher für eine Streichung des entsprechenden Passus.
Sein Kollege Dr. Kunzmann vertrat die Auffassung, das Problem MfS-belasteter Abgeordneter werde mit Artikel 53, heute Artikel 118, damals in der Entwurfsfassung 53, nicht gelöst. Er bezeichnete es „als sehr problematisch, im Nachhinein die Wählerentscheidung zu korrigieren“.
Doch genau das, meine Damen und Herren, soll heute passieren, und zwar mit ausdrücklicher Zustimmung von den Fraktionen SPD und Bündnisgrüne, die diese Form der Abgeordnetenanklage ursprünglich überhaupt nicht in der Verfassung haben wollten. Aber wenn es gegen die Linkspartei.PDS und ihren Fraktionsvorsitzenden im Landtag geht, dann ist vielen in diesem Hause offenkundig jedes Mittel recht. Ihnen ist völlig egal, dass Prof. Porsch die Vorwürfe immer wieder entschieden zurückgewiesen hat. Es ist Ihnen egal, dass die Angelegenheit mehr als 20 Jahre zurückliegt, dass es keine Beweise gibt, und entlastende Zeugen wurden nicht einmal gehört. Den anderen demokratischen Fraktionen in diesem Hause ist es offenbar auch völlig egal, dass sie wegen des politischen Zwecks, den Vorsitzenden der stärksten Oppositionsfraktion aus dem Landtag zu drängen, auch gemeinsame Sache mit der NPD-Fraktion machen müssen, denn nur so ist die für die Anklageerhebung erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Wir sind ganz sicher, dass dieses Vorhaben am Ende kläglich scheitern wird, hoffentlich schon hier im Landtag, spätestens aber beim Verfassungsgerichtshof.
Politischer Streit, meine Damen und Herren, gehört ohne Zweifel in dieses Haus. Wir können auch mit harten politischen Auseinandersetzungen umgehen. Aber, meine Damen und Herren von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eines lassen wir Ihnen nicht durchgehen: Dass Sie sich bei der Erhebung einer ohnehin aussichtslosen Klage gegen Peter Porsch scheinbar ohne Skrupel der Nazis bedienen wollen, das ist schlichtweg ein politischer Skandal
Das hat letztlich jeder einzelne Abgeordnete mit seinem Gewissen zu verantworten. Noch haben Sie die Möglichkeit, diesen Skandal abzuwenden. Deshalb appelliere ich abschließend ausdrücklich an alle Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen: Stimmen Sie gegen die Abgeordnetenanklage oder enthalten Sie sich wenigstens der Stimme. Lassen Sie uns im Landtag wieder zu einer angemessenen, vernünftigen politischen Streitkultur zurückkehren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich hat diese ganze Geschichte gestern Abend in der geschlossenen Sitzung schon sehr aufgeregt. Was ich jetzt gehört habe, hat mich nicht gerade beruhigt.
Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich mir im Urlaub meine paar tausend Seiten Stasi-Akten noch einmal durchgelesen habe, nach 13 Jahren mal wieder. Da geht es nicht nur um meine Person, da geht es nicht nur um meine Frau und nicht nur um meine Kinder, sondern da geht es schon um die Theologiestudenten, mit denen ich zusammen studiert habe und die durch Spitzel, teilweise Theologieprofessoren, verraten worden sind, denen der Prozess gemacht wurde und die im Gefängnis landeten.
Da geht es um die vielen Studenten, für die ich als Studentenpfarrer verantwortlich war und denen – –