Redezeit hat noch die Linksfraktion.PDS; die FDPFraktion hat nur noch wenige Sekunden. Wer möchte noch sprechen? – Für die Linksfraktion.PDS spricht Frau Abg. Falken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, Ihren Vorwurf, dass ich hier eine Haushaltsdebatte führe, nehme ich nicht an. In der Haushaltsdebatte hat gerade und speziell Ihre Fraktion klar und deutlich gemacht, dass die Stellen im Lehrerbereich nicht ausreichen werden, um den Unterricht fachgerecht durchzuführen. Zu Beginn des Schuljahres zeigt es sich und ich denke, es ist legitim, diesen Vergleich zu machen. Wir gehen demnächst wieder in Haushaltsverhandlungen und haben nebenbei noch einen Bezirkstarifvertrag. Das heißt, die Haushaltsdebatten werden noch schwieriger werden.
Herr Herbst hatte es schon gesagt, dass wir, unabhängig davon, wie der Unterricht an unseren Schulen abgesichert oder nicht abgesichert ist, ein zunehmendes Problem
haben. Ich möchte das hier ansprechen, weil ich denke, wenn wir als Oppositionsfraktionen nicht den Finger in die Wunde legen, wird das Problem schwieriger und größer. Da heißt es: Einsatz von Lehrern in Unterrichtsstunden, wofür sie nicht ausgebildet sind. Dieses Problem können wir uns in Sachsen nicht wirklich leisten.
Es gibt Russischlehrer, die Physik unterrichten. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass ein Russischlehrer Physik unterrichtet, aber doch bitte schön erst, nachdem er eine Weiterbildung dazu besucht hat oder möglicherweise einen entsprechenden Abschluss dafür hat. Es gibt Schulen in unserem Freistaat Sachsen, und das betrifft vor allen Dingen Mittelschulen – wir waren gerade bei der Ausbildung, und aus diesem Bereich kommen die Schüler vorwiegend –, in denen die Schüler in der 8. Klasse das erste Mal einen ausgebildeten Englischlehrer im Unterricht haben.
Das heißt, seit der 5. Klasse haben die Schüler Unterricht bei Lehrern, die dafür keine Ausbildung haben. Ich will nichts gegen den Unterricht sagen. Ich will nicht bestreiten, dass sich die Kollegen große Mühe geben, aber sie haben dafür keine Ausbildung erhalten. Ich denke, das kann so nicht funktionieren.
Ich bitte den Staatsminister ausdrücklich, sich dieses Problems anzunehmen, damit wir einen fachgerechten Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer haben. Bemerken möchte ich noch, dass es im Berufsschulbereich seit Jahren so ist, dass die Lehrer in der Regel nicht danach eingesetzt sind, wofür sie ausgebildet wurden.
Möchte die CDUFraktion das Wort noch einmal ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Flath, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte ich als Mitglied der Staatsregierung einen Vorwurf in aller Deutlichkeit zurückweisen.
Frau Klinger von der Linksfraktion.PDS hat kritisiert, dass der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen in den Vereinigten Staaten sei und sich deshalb nicht um die jungen Leute in Sachsen kümmere. Das will ich zurückweisen. Als Sachsen vor drei Jahren in einer schwierigen Situation war, sind wir außerordentlich dankbar gewesen, als auch Spenden aus den Vereinigten Staaten hier eintrafen.
Wie immer man persönlich darüber denken sollte, aber wir sind hier im Hohen Hause, deshalb halte ich es für nicht richtig, dass kritisiert wird, dass der Ministerpräsident für nur zwei Tage in den Vereinigten Staaten weilt und dort Menschen, die in Not geraten sind, als ein Zeichen der Solidarität von Sachsen aus Mut macht für den Wiederaufbau. Ich finde das völlig in Ordnung.
Herr Flath, stimmen Sie mir zu, dass der Ministerpräsident, der vom Sächsischen Landtag gewählt wird, auch bei der Landtagssitzung anwesend sein sollte?
Ja. Frau Abgeordnete, darum bemühen sich ja nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch die Minister in der Staatsregierung. Ich glaube, in diesem besonderen Fall würde ich die Linksfraktion.PDS einfach bitten, das zu respektieren.
Nun zum Thema: Es ist richtig, dass das neue Schuljahr vor reichlich drei Wochen begonnen hat. Es ist auch richtig, dass es mit vielen Veränderungen begonnen hat. Wir haben 21 000 Schüler weniger als vor einem Jahr. Es ist auch richtig, dass wir im Juni einen Tarifvertrag geschlossen haben. Es ist auch richtig, dass 85 Schulen weniger im Schulnetz sind, also geschlossen worden sind. Es ist auch richtig, dass deshalb Tausende von Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen nicht nur mit einer veränderten Arbeitszeit, sondern auch mit einer Veränderung ihres Verdienstes zurechtkommen müssen. Es stimmt wohl auch, dass Tausende dazu noch mit völlig neuen Bedingungen an einer ganz anderen Schule zurechtkommen müssen. Das alles ist aber nicht zu kritisieren, sondern das zeigt die Flexibilität des Schulsystems in Sachsen.
Dass der Schuljahresbeginn schwierig war, liegt bei einer so gewaltigen Veränderung doch auf der Hand. Ich meine, wenn wir heute einschätzen können, dass das Schuljahr nicht problematischer als in anderen Jahren begonnen hat, dass es sogar – das hat selbst Frau Falken zugegeben – hier und da mit Verbesserungen begonnen hat, dann kann
man doch nicht davon sprechen, dass das Ganze ein Desaster sei, wie Sie, Herr Dr. Hahn, mich heute am Frühstückstisch schon übers Radio überrascht haben.
(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja, da sehen Sie mal! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da sind Sie aber spät aufgestanden!)
Ja, ich habe sogar das „Neue Deutschland“ gelesen, Herr Prof. Porsch. Dort haben Sie sich Bayern vorgeknöpft und gemeint, dass es dort desaströs sei. In Sachsen erklären Sie, hier sei es desaströs. Ach, wissen Sie, da haben Sie sich ausgerechnet die beiden Pisa-Spitzenreiter in Deutschland vorgenommen.
Wissen Sie, ich habe das einfach nur so gewertet, dass die Ergebnisse der Pisa-Studie ein großer Erfolg für Sachsen waren. Ich bin doch auch nicht verrückt, sondern ich gebe zu, dass es einzelne Probleme in Sachsen gibt.
Im Übrigen verstehe ich Ihre Aktuelle Debatte nicht. Mit Ihrer Aktuellen Debatte sind Sie entweder zu spät oder zu zeitig. Ich habe Ihnen doch im Ausschuss gesagt, dass Ende September aktuelle Zahlen von allen Schulen in Sachsen vorliegen werden. Dann werden wir schauen, wo es Nachsteuerungsbedarf gibt.
Bei Ihnen, Frau Falken, habe ich immer den Eindruck, dass Sie das Hohe Haus mit dem Bezirkspersonalrat verwechseln.
Wir können hier nicht jede Einzelheit besprechen. Dafür gibt es doch diese Gremien. Mir ist auch berichtet worden, dass die Zusammenarbeit dort gut funktioniert. Wenn wir die Zahlen vorliegen haben, werden wir schauen, wo es in Sachsen Bedarf zum Nachsteuern gibt, und dann werden wir das tun. Aber Sie wissen doch genauso gut wie ich: Wenn die Stellenzahl insgesamt für Sachsen ausreichend ist, dann heißt das doch noch lange nicht, dass in jeder einzelnen Schule genau der richtige Lehrer tätig ist. Ich kann eben auch Lehrerinnen und Lehrer nur in begrenztem Umfang rotieren und in mehreren Schulen unterrichten lassen. Das sind einfach praktische organisatorische Probleme.
Jetzt zu Herrn Herbst. Er kritisiert die deutlich längeren Schulwege. Freilich, es ist wohl so: Wenn ich auch nur eine Schule schließe, verlängert sich im Durchschnitt der Schulweg. Das ist bedauerlich, aber ich kann es auch nicht ändern, wenn sich die Sachsen entschieden haben, weniger Kinder auf diese Welt zu bringen.
Dass ausgerechnet die FDP-Fraktion kritisiert, dass die Staatsregierung in so einer schwierigen Situation mit den Gewerkschaften einen Tarifvertrag abschließt, dürfte in Deutschland ziemlich einmalig sein. Ich begreife einfach nicht, dass Sie das kritisieren. Damit will ich das Thema abschließen.
Ich glaube, es war Herr Herbst, der gesagt hat, es würde generell an der Ausbildungsunfähigkeit der jungen Leute liegen. Das ist gefährlich. Das sollten wir nicht tun. Ich kenne den Vorwurf der Wirtschaft und ich sage auch ganz offen: Das gute Pisa-Ergebnis ist einfach den leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern zu verdanken. Wir haben in Sachsen Probleme mit Leistungsschwächeren und wir haben auch das Problem – das ignoriere ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, das nehme ich sehr ernst –, dass es viele Schüler gibt, die unsere Schulen ohne Abschluss verlassen. Das ist ein Problem, das ist die Schwerpunktaufgabe für die nächsten Jahre. Nachdem wir die Rahmenbedingungen geschaffen haben, werden wir uns intensiv um diese Schüler kümmern.
Zum Beispiel ist seit dem 1. August die Förderrichtlinie für Ganztagsangebote in Kraft. Da kann man sicherlich am Nachmittag einiges tun. Viele Schulen nehmen das schon gut an. Andere sollten sich das zum Vorbild nehmen.
Ich meine, es ist nicht verantwortbar – weder für den Einzelnen noch insgesamt für unser Land und für die Wirtschaft –, dass Leute ohne Ausbildung ins Berufsleben starten. Es muss unsere Schwerpunktaufgabe sein, diesen Zustand zu ändern.
Aber jetzt will ich auch eines sagen: Ich habe die Bitte an die Wirtschaft – dazu wird Kollege Jurk nachher noch sprechen –, darüber nachzudenken, was wir für die Motivation tun können. Es ist schon so, dass sich Lehrerinnen und Lehrer, also die Schule, darum kümmern müssen, aber mir scheint das insgesamt in unserem Land auch ein Motivationsproblem zu sein.
Als ich am Ende des letzten Schuljahres vor der Sommerpause hier im Hohen Hause die vorbildlichsten Abiturienten und auch Schüler mit der Durchschnittsnote 1,0 beim Realschulabschluss auszeichnen durfte, habe ich gemerkt, dass sie sehr motiviert sind. Aber mir scheinen nicht alle im Lande motiviert zu sein. Da sind die Eltern gefordert. Eltern motivieren oder demotivieren ihre Kinder in erheblichem Maße. Hier ist aber auch die Wirtschaft gefragt. Sie sollte nicht weiter zu einer Frustration beitragen, indem sie sagt, es würde nur an der Ausbildungsfähigkeit liegen. Denn dann müsste es zumindest so sein, dass jeder mit einem guten Abschluss auch tatsächlich eine Lehrstelle im dualen System bekommt. Wenn wir wenigstens das garantieren könnten, könnte ich hier versichern, dass wir uns im staatlichen Berufsschulsektor gern um die anderen kümmern. Wir wissen aber auch, dass es zu wenige Lehrstellen gibt.
Deshalb rufe ich alle auf, ganz gleich, wie es die einzelnen Fraktionen dieses Hauses sehen: Wir müssen mehr für die Motivation unserer jungen Leute tun; denn sie sollen einen guten Start ins Leben bekommen, und auf der anderen Seite wollen wir unsere Wirtschaft in Sachsen auch späterhin gut und ausreichend mit Fachkräften versorgen.