Es gibt Alternativen zur Bildungsmisere in Sachsen. Der Einstieg in die Gemeinschaftsschule ist etwas, was wir sehr aufmerksam verfolgen werden. Ich hoffe, dass wir uns im nächsten Jahr hier zu diesem Thema verständigen können, dass Gemeinschaftsschule ein Erfolgsmodell ist und der Einstieg gelungen sein wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 17 789 Jugendliche sind zu Beginn des Ausbildungsjahres 2005/2006 noch nicht vermittelt. Das ist die sächsische Realität. Das ist wieder ein Negativrekord. So hoch waren die Zahlen in keinem Jahr zuvor. Aber es verwundert nicht, wenn man sich einmal die Zahlen der angebotenen Berufsausbildungsstellen ansieht: Waren es im Berufsberatungsjahr 2003/2004 noch 26 000 Stellen, so sank diese Zahl innerhalb eines Jahres auf 16 500. Meine Damen und Herren, das ist ein Rückgang von 35 %.
Herr Jurk, da muss ich mich schon fragen, inwiefern die im Juli gestartete Ausbildungsoffensive wirkt. Die Appelle, die Sie von der Regierungsbank aus an die sächsischen Unternehmen gesandt haben, scheinen auf taube Ohren gestoßen zu sein.
Im Gegenteil, je mehr Sie appellieren, umso weniger Ausbildungsplätze werden im dualen System angeboten. Dieses Gefühl lösen die Zahlen jedenfalls in mir aus.
Wenn wir schon von Appellen sprechen: Meine Fraktion hat versucht, einen ihrer Appelle im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit noch zu ergänzen. Neben der Wirtschaft sollte auch die Sächsische Staatsregierung im Jahr 2005 mindestens ebenso viele Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen wie im Vorjahr. Der Antrag der Linksfraktion wurde abgelehnt.
Herr Brangs sprach von Verantwortung, aber auch er selbst ist nicht in die Verantwortung gegangen und hat diesen Antrag mit abgelehnt.
Mein Kollege Heiko Hilker und ich stellten gemeinsam eine Kleine Anfrage zu den Lehrstellen in der Sächsischen Staatsregierung. Die Ergebnisse sind beschämend. Aus den Antworten des Innenministeriums ging hervor, dass die Lehrverhältnisse in den sächsischen Ministerien in den Jahren von 1999 bis 2004 um sage und schreibe 26 % abgenommen haben, von über 3 000 Ausbildungsplätzen 1999 auf nunmehr knapp 2 300.
Ja, wie kann man denn einen Ausbildungspakt fordern, wenn man ihn selber nicht einhält? Herr Milbradt, der gerade einem Benefizkonzert in den USA beiwohnt, statt sich hier um die sächsische Jugend zu kümmern, tönte noch in der letzten Woche auf einer Wahlkampfveranstaltung in einer Chemnitzer Privatschule, das Problem mit den Lehrstellen würde sich sowieso in fünf Jahren von selber erledigt haben, weil altersbedingt viele qualifizierte Fachkräfte aus dem Berufsleben ausscheiden und aufgrund der sinkenden Geburtenzahlen eben die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zurückgehen würde. Er sagte weiterhin, dass er den Unternehmern erklären würde, dass sie doch über Bedarf ausbilden sollen. Mehr könnte er aber nicht tun und mehr stünde nicht in seiner Macht.
Ach ja, die Unternehmer beschweren sich über die sächsischen Jugendlichen, sie seien nicht ausbildungsfähig. Da kann ich nur sagen, die Schulpolitik wurde in den letzten 15 Jahren von der CDU gemacht und dabei ist Sachsen noch auf dem 2. Platz in der länderspezifischen Auswertung der Pisa-Studie. Da frage ich mich doch, wie es um den Rest Deutschlands steht.
Wir von der Linksfraktion sehen das etwas anders. Wir sehen in Sachsen sehr wohl Handlungsoptionen in Sachen beruflicher Erstausbildung. Ein erster Schritt können die Entbürokratisierung und eine gezielte Förderung sein. – Herr Herbst ist bereits darauf eingegangen.
Viele Unternehmen, die potenzielle Ausbilder sein könnten oder sind, beschweren sich über den hohen bürokratischen Aufwand, der zu bewältigen ist, wenn man junge Menschen in Ausbildung bringen möchte, vor allem wenn man die Fördermöglichkeiten des Freistaates in Anspruch nehmen möchte. Dabei gilt es Hürden zu nehmen. Hier muss das Verfahren deutlich vereinfacht werden, um vor allem kleine und mittelständische Unternehmen darin zu unterstützen und zu bestärken auszubilden.
Eine zweite Option, die es gibt, ist, dass die Staatsregierung mehr Erstausbildungsplätze zur Verfügung stellen
Wenn Sie, meine Damen und Herren, von der Wirtschaft erwarten, mindestens ebenso viele Lehrstellen zur Verfügung zu stellen, dann sollten Sie dieser Anforderung zumindest erst einmal selbst gerecht werden.
Eine dritte Option: Wenn es dennoch nicht gelingt, mehr Menschen in Ausbildung zu bringen, und die Wirtschaft sich nicht selbst verpflichtet und ausbildet, dann gibt es immer noch die Möglichkeit der Ausbildungsplatzabgabe, um so wenigstens die Betriebe zu unterstützen, die tatsächlich ausbilden.
In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, nicht nur zu appellieren, Herr Jurk – Sie sind schon wieder im Gespräch, Sie interessieren sich gar nicht dafür –,
sondern die notwendigen Konsequenzen endlich zu ziehen. Der Worte sind genug gewechselt, lassen Sie endlich Taten sehen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jetzt geführte Debatte macht es eigentlich schwierig, wieder auf den Kernpunkt zurückzukommen, denn permanent Feindbilder aufzubauen, und davon mehrere, löst das Problem, vor dem wir stehen, nicht.
Ich glaube, wir sind hier alle gemeinsam aufgefordert, dafür zu wirken und zu sorgen, dass wir Hoffnung mit der Praxis verbinden und Tatsachen schaffen, dass jedem Jugendlichen ein entsprechendes Angebot gemacht werden kann.
Der Übergang von der Schule in die Ausbildung stellt die Schülerinnen und Schüler vor große Herausforderungen. In dieser Lebensphase müssen sie nämlich für sich eine weit reichende Entscheidung treffen, die zum einen die eigene Einschätzung, was Begabungen und Neigungen betrifft, verlangt und zum anderen die Kenntnis über die Anforderungen der modernen Arbeitswelt voraussetzt. Wir haben das in verschiedenen anderen Zusammenhängen immer wieder einmal diskutiert. Wie schwierig dies ist, haben wir hier schon bei der Berufsorientierungsde
batte besprochen. Heute gilt es, zum Start des Schul- und Ausbildungsjahres darüber zu diskutieren, was notwendig ist, um aus den Startblöcken zu kommen, und was notwendig ist, alle über die Ziellinie zu führen, die noch kurz davor sind.
Es wurde schon gesagt: 17 789 junge Menschen sind in Sachsen noch nicht in Ausbildung vermittelt. In meinem Arbeitsagenturbereich in Zwickau sind es Ende August 1 947.
Ich habe das einmal heruntergerechnet: 5 252 Bewerber kommen auf 1 494 gemeldete Ausbildungsstellen. Das ist auf den ersten Blick ein recht schiefes Bild. Schaut man näher hin, so kann man erkennen, dass die gemeldeten Ausbildungsstellen und die Bewerber den Ausbildungsstellenmarkt, gemessen an der Gesamtnachfrage, zwar in der Regel zu 90 % abbilden, aber dennoch nicht vollständig. Denn ein nicht quantifizierbarer Teil der freiwilligen Inanspruchnahme durch Betriebe und Jugendliche richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Bei wachsendem Nachfrageüberhang schalten sich Ausbildungsbetriebe und Berufsberatung – die Berufsberatung seltener und später und Jugendliche häufiger und früher – ein. Bei einem Angebotsüberhang verhält es sich umgekehrt. Daher sind Schlüsse auf die absoluten Zahlen von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage nicht möglich.
Aus der Entwicklung der rechnerischen Differenz zwischen den gemeldeten noch nicht vermittelten Bewerbern und den gemeldeten unbesetzten Stellen – wir haben immer von der so genannten Lücke gesprochen – lässt sich aber schließen, ob der Ausbildungsstellenmarkt insgesamt enger oder entspannter wird. Der Ausbildungsstellenmarkt ist im Gegensatz zum Arbeitsmarkt – das ist auch einmal zu erwähnen – nicht auf einen umgehenden Ausgleich von Angebot und Nachfrage gerichtet. Vielmehr orientieren sich Jugendliche und Betriebe am regulären Beginn der Ausbildung im August und im September und entscheiden sich erst dann. Die Lücke im Laufe des Berichtsjahres mit der Zahl der am Ende des Vermittlungsjahres voraussichtlich fehlenden Ausbildungsplätze gleichzusetzen, ist nicht sachgerecht.
Festzuhalten ist, dass die Vermittlungsbemühungen für unvermittelte Bewerber auch nach Ende des Berichtsjahres fortgesetzt werden. Viele neue Ausbildungsangebote ergeben sich erst nach dem 30. September, sei es durch gezielte Sonderprogramme oder durch wieder freigewordene Ausbildungsplätze infolge nicht angetretener oder frühzeitig abgebrochener Ausbildungsverhältnisse. Manche Bewerber, die zunächst ausschließlich oder vorrangig eine betriebliche Ausbildung anstreben, schlagen letztlich andere Wege ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz schwieriger Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt kann ein Teil der Ausbildungsstellen nicht besetzt werden, weil Angebot und Nachfrage in berufsfachlicher, regionaler oder qualifikationsspezifischer Sicht divergieren. Hinzu kommen Vorbehalte seitens der Jugendlichen gegenüber
Betrieben und Branchen, aber auch Einstellungsverzichte von Betrieben mangels aus ihrer Sicht gesehen geeigneter Bewerber. Aus diesen schon mehrfach gemachten Feststellungen leiten sich für uns Initiativen ab, die es praktikabel umzusetzen gilt. Die Berufsorientierung muss effizienter, die Berufsberatung regionalorientierter, die Unternehmen müssen zukunftsorientierter ausgerichtet werden.
Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gelingen wird, jedem Jugendlichen, der sich um eine Ausbildung bemüht, ein Angebot zu machen. Die Unternehmen sind im Besonderen gefordert, nochmals alles zu tun, mehr betriebliche Ausbildungsstellen bereitzustellen.
Mit großer Sorge sehe ich genau wie mein Kollege Brangs die Situation im Handwerk. Nach den letzten Meldungen vom 31.07. ist ein Rückgang von 18,9 % zu verzeichnen. Das Handwerk und die kleinen und mittelständischen Unternehmen bilden das Rückgrat für eine gesunde wirtschaftliche Infrastruktur, –
– ohne die weder die großen Unternehmen noch wir eine Zukunft haben. Helfen Sie mit, Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, um den Handwerkern und kleinen Unternehmen zu ermöglichen, wieder verstärkt auszubilden!
Redezeit hat noch die Linksfraktion.PDS; die FDPFraktion hat nur noch wenige Sekunden. Wer möchte noch sprechen? – Für die Linksfraktion.PDS spricht Frau Abg. Falken.