Protocol of the Session on July 15, 2005

Unser Konzept sieht vor, dass ein vermögensteuerfreier Grundbetrag von 300 000 Euro pro Person gegeben sein muss. Damit ist natürlich sichergestellt, dass jedes Einfamilienhaus, jedes selbst genutzte Wohneigentum in dieser Größenordnung steuerfrei bleibt. Niemand braucht Angst zu haben, dass Oma ihr klein Häuschen verkauft werden muss, weil es besteuert wird. Blödsinn! Es geht darum, bei den wirklich großen Vermögen anzusetzen.

In der Diskussion der letzten Jahre war ein ständiges Argument gegen die Vermögensbesteuerung – Gleiches gilt für die Erbschaftsbesteuerung –, dass uns die konkrete Zahlenbewertung insbesondere des Immobilienvermögens fehlen würde. Hier muss endlich zeitnah bewertet werden. Diese Auflage hat das Bundesverfassungsgericht uns Politikern schon drei- oder viermal ins Stammbuch geschrieben. Die Mehrheit des Bundestages war und ist nicht bereit – auch aus den Ländern sind keine entsprechenden Signale erfolgt –, in diese Richtung vorwärts zu gehen. Es ist möglich. Dazu gibt es eine lange Fachdiskussion und entsprechende Vorschläge. Wir schlagen regionalisierte Pauschsätze vor, die im Abstand von jeweils drei Jahren neu betrachtet werden müssen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Diskussion eine große Rolle spielt, betrifft das Betriebsvermögen. Das Betriebsvermögen mittelständischer Unternehmen sollte nach Meinung der noch Regierenden von der Erbschaftsbesteuerung ausgenommen werden. Das kann ich nicht nachvollziehen. Nach Auskünften auch der Industrieverbände ist in den letzten Jahren nicht ein Fall bekannt geworden, dass jemand wegen der Erbschaftsteuer einen Betrieb nicht übernommen oder diesen aufgegeben hätte. Bereits heute kann man die Erbschaftsteuer zinslos über zehn Jahre stunden.

Es muss natürlich sichergestellt sein, dass die Erbschaftsbesteuerung beim Betriebsvermögen so erfolgt, dass die Betriebsweitergabe nicht gefährdet ist. Aber das gleich wieder dahin gehend zu interpretieren, die Erbschaftsteuer müsse de facto abgeschafft werden, das kann es doch nicht sein. Wir meinen, eine Reform ist notwendig. Hier haben wir die Möglichkeit, bei den Menschen, die über sehr viel Einkommen verfügen, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit Geld einzunehmen, um eine weitere Verbesserung der Kinderbetreuung – diese ist immer noch notwendig – und der Bildungsangebote zu erreichen.

In diesem Sinne werben wir für unseren Vorschlag. Schließen Sie sich uns im Interesse einer Reform der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung an! Lassen Sie – damit spreche ich insbesondere die SPD an – von solchen Vorschlägen wie der Reichensteuer ab! Sie ist in ihrer Ausführung lächerlich, weil Sie einem Reichen, zum Beispiel einem Millionär, in den letzten Jahren bei der Einkommensteuer eine Ersparnis von 100 000 Euro beschert haben. Mit Ihrem Vorschlag einer Reichensteuer würden Sie ganze 20 000 Euro zurückholen. Das ist albern. Diese Arbeit lohnt sich nicht. Machen Sie eine richtige Vermögensbesteuerung! Dann kämen wir tatsächlich ein Stück weiter.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion Herr Albrecht, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche vor fast leerem Haus. – Frau Dr. Höll, nachdem ich den Antrag gelesen hatte, habe ich mir nicht nur überlegt, was er inhaltlich soll, sondern auch, wer aus Ihrer Fraktion dazu sprechen könnte.

(Dr. André Hahn, PDS: Wir sind flexibel!)

Sie haben den Antrag vorgelegt und begründet. Da es sich um ein rein bundespolitisches Thema handelt, stellt sich die Frage, ob das ganze Teil die persönliche Empfehlung für das von Ihnen angestrebte Amt ist. Das würde mich interessieren.

(Dr. André Hahn, PDS: Und wenn?)

Ich schließe die nächste – rein rhetorische – Frage an: Ist es in Ordnung, dass wir uns mit einem Thema befassen, das wir von diesem Hause aus nicht recht beeinflussen können, nur weil Sie sich für Ihr neues Amt profilieren müssen? Das haben Sie im Übrigen selber zugegeben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Gut.

Herr Kollege, würden Sie mir aber zustimmen, dass insbesondere der jetzige Finanzminister in den vergangenen Jahren immer wieder betont hat – auch öffentlich –, dass er zu einer gewissen Reform insbesondere der Erbschaftsbesteuerung bereit wäre, wenn aus den Ländern das Signal käme? Genau aus diesen Gründen hat die PDS in den letzten Jahren mehrfach und in mehreren Landesparlamenten immer wieder – das gebe ich zu – einen entsprechenden Antrag eingebracht.

Bitte die Frage stellen!

Das hat nichts mit meiner persönlichen Profilierung zu tun. Wir wollten darauf hinweisen, dass aus den Ländern ein Signal kommen müsste, dass Geld eingenommen werden kann und soll. Wie Ihnen bekannt ist, gehört die Erbschaftsteuer zu den Ländersteuern. Das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren. Stimmen Sie mir also zu, dass unser Antrag sehr wohl ein Zeichen setzt und wir als Landesparlament insoweit eine wichtige Rolle spielen?

Frau Dr. Höll, man kann immer über die Steuerpolitik, auch über die Vermögensteuer, diskutieren. Das mache ich selbst auch. Der Zeitpunkt,

zu dem Sie das tun, ist aber interessant. Wir befinden uns im Grunde genommen kurz vor der Bundestagswahl. Sie hätten mit dem Thema durchaus ein halbes Jahr später in das Haus ziehen können. Möglicherweise wäre Ihnen das nicht gegönnt, weil Sie sich auf einem sicheren Listenplatz Ihrer Partei befinden. Insofern ist klar, warum Sie heute hier gesprochen haben.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Morlok, bitte.

Herr Albrecht, können Sie zwischen der Tatsache, dass die Landesregierungen, die sich für die Wiedereinführung der Vermögensteuer ausgesprochen haben, und der Tatsache, dass diese Landesregierungen in den letzten Jahren in die Wüste geschickt wurden, einen gewissen Zusammenhang feststellen? Ich erinnere insbesondere an Nordrhein-Westfalen.

Ich sehe diesen Zusammenhang durchaus. Noch ein paar Anmerkungen zur Sache selbst! Man fragt sich wirklich, ob die Wiedererhebung der Vermögensteuer oder die Anhebung der Erbschaftsteuer ein drängendes Problem ist, insbesondere für uns in Sachsen bzw. in Ostdeutschland insgesamt. Dazu will ich die tatsächliche Lage reflektieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo sind in Sachsen die Superreichen, die man in Ihrem Sinne, Frau Dr. Höll, zur Kasse bitten könnte? Welche Beträge werden in Sachsen tatsächlich vererbt? In diesem Hause sollte so viel Konsens herrschen, dass es im Westen unserer Republik durchaus Regionen gibt, die eine solche Debatte als wirklichkeitsnah empfinden würden. In Sachsen ist das, auch wenn ich es mir durchaus wünschen würde, nicht der Fall. Zwei Punkte möchte ich klarstellen. Das Steueraufkommen hängt bekanntlich nicht nur vom Steuertarif, sondern vor allem von der Bemessungsgrundlage ab. Beispiel: 50 % ergeben nach Adam Riese 50, 25 % von 200 ergeben ebenfalls 50. Mit einer allein auf den Steuertarif ausgerichteten Diskussion führen wir den Bürger an der Nase herum. Wer seriös diskutieren will, muss Bemessungsgrundlage und Tarif immer in einen Zusammenhang stellen. Ob das etwas mit Redlichkeit oder mit Diskussionen im Interesse des Bürgers zu tun hat, weiß ich nicht. Zum Zweiten zahlen die oberen 10 % der Einkommensteuerzahler – trotz Steuerreform und Tarifsenkung – heute anteilig mehr als vor 15 Jahren. Im Jahre 2004 schulterten die oberen 10 % der Einkommensteuerzahler fast 53 % des Einkommensteueraufkommens, 1989 waren es 51,5 %. Das sind nicht unsere oder meine Zahlen, sondern die des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Also Vorsicht, wenn man mit Zahlen agiert. Damit will ich es inhaltlich bewenden lassen. Die Koalitionspartner haben die Regelung getroffen, Anträge, die

sich auf Fragen beziehen, zu denen sie unterschiedliche Ansätze verfolgen, im Landtag abzulehnen. Wir werden das auch hier tun.

(Der kleine Vogel fliegt erneut im Rund des Plenarsaals umher.)

Da kommt der Pleitegeier geflogen.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war es.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Freitag nach eins – der Spruch ist bekannt. Deshalb möchte ich mich kurz fassen. Ich glaube, die PDS-Fraktion wird es nicht überraschen, wenn wir diesen Antrag ablehnen. Ich kann nur sagen, dass ich es bedaure, dass wir diesen Antrag ablehnen. Frau Höll, es ist bekannt, dass es inhaltlich eine große gemeinsame Schnittmenge gibt. Im Wahlmanifest der SPD sind entsprechende Passagen zur Besteuerung höherer Einkommen und der Erbschaftsteuer enthalten. Dass sie aus Ihrer Sicht lächerlich und albern sagen – da ist, wenn man schon eine gemeinsame Interessenlage auf bundespolitischer Ebene hat, die Wortwahl falsch.

Wir haben die Situation – Herr Albrecht ist darauf eingegangen –, dass wir in Sachsen durch den Wähler die Chance bekommen haben, in einer Koalition sozialdemokratische Akzente in diesem Land zu setzen. Dazu haben wir einen Vertrag geschlossen. Wir sind gewillt, diesen Vertrag einzuhalten. Dieser sieht vor, dass Anträge, die unterschiedliche Auffassungen bei den Koalitionspartnern dokumentieren, abzulehnen sind. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion, Herr Delle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn bemerkt, bin ich doch ein bisschen überrascht, weil wir eigentlich davon ausgegangen sind, dass dieser Antrag gute Chancen haben müsste, eine Mehrheit zu finden, weil wir davon ausgegangen sind, dass die SPD ihre Zustimmung gibt, weil eigentlich dieser Antrag wesentliche Merkmale eines Änderungsantrages enthält, den die SPD noch in der letzten Legislaturperiode aufgrund eines ähnlich gelagerten PDS-Antrages stellte. In dem heutigen Antrag wurde sogar die Modifizierung der Erbschaftsteuer aufgenommen, wobei die Antragstellerin dem Halbteilungsgrundsatz Rechnung trägt, um mit der SPD konsensfähig zu werden. – So viel vorab.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass dieser Halbteilungsgrundsatz, dieser vermeintliche Grundsatz, mehr von Fachautoren entwickelt wurde und weniger eine

ausdrückliche verfassungsrechtliche Kodifizierung darstellt.

Die Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand erlaubt eben auch etwas mehr als 50 %, was durch eine Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofes unterstrichen wird. Um der Mehrheitsfähigkeit willen, die ja jetzt nicht mehr gegeben sein wird, hat die NPD keinen Änderungsantrag gestellt.

Meine Damen und Herren! Wir sollten heute wahrlich die Gelegenheit nutzen, einen Paradigmenwechsel einzuleiten, der die sozialpolitischen Weichen endlich umstellt, und zwar weg von der Politik des Kapitals und der Reichtumspflege hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, die schon längst aus den Fugen geraten ist, weil die Symmetrie einfach nicht mehr stimmt.

Es kann nicht so weitergehen, dass der Anteil der Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen rapide sinkt und im selben Zeitraum der Anteil der Steuern auf Löhne und Gehälter permanent ansteigt. Es darf einfach nicht sein, dass von großen Vermögen die verfassungsrechtliche Sozialpflichtigkeit des Eigentums bei weitem nicht in dem Maße eingefordert wird, wie es die gesellschaftliche Wirklichkeit erforderlich macht, um antisoziale Gegensätze zu vermeiden.

An die Adresse der CDU gerichtet: Wenn Sie davon sprechen, dass wirtschaftliche Entfaltung und Investitionen notwendig seien, so gebe ich Ihnen natürlich Recht, aber in rezessiven Zeiten ist es erfahrungsgemäß in der freien Wirtschaft nicht Usus, sonderlich ausgabenfreundliche Kostenstellen zu schaffen. Wenn Sie Sinn und Zweck des seinerzeit geschaffenen Stabilitätsgesetzes begriffen hätten, dann wüssten Sie vielleicht etwas mit dem Terminus „antizyklische Konjunkturpolitik“ anzufangen.

Die NPD-Fraktion spricht sich jedenfalls ohne Abstriche für den sozialverantwortlichen Staat aus, der jedoch ausreichend handlungsfähig sein muss, um den grundgesetzlichen Anspruch, die Marktwirtschaft sozial gestalten zu können, durchzusetzen. Die Handlungsfähigkeit bezieht sich zum einen auf seine Kompetenzen, die Sie, meine Damen und Herren in den Parteien, immer mehr an Brüssel abtreten, und zum anderen natürlich auf seine finanziellen Möglichkeiten. Betreffend den letztgenannten Aspekt findet man den Handlungsspielraum des Staates. Man geht aber in den letzten Jahren einseitig dazu über, nur von denen zu nehmen, die kaum etwas zu geben haben.

Ihre Forderung nach einer erneuten Erhöhung der Mehrwertsteuer, meine Damen und Herren von der CDU, wirkt wieder nur überproportional auf die unteren Einkommensschichten und wird die Familien belasten. Die konjunkturellen Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung sind meines Erachtens weitaus bedenklicher als die heute angeführten Sorgen hinsichtlich der Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Meine Damen und Herren! Wir haben drei Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden und Kapital. Kapital ist ein indirekter, von den ersten beiden abgeleiteter Faktor und hat dienende Funktion einzunehmen, aus der es auch hinsichtlich der Finanzierung des Sozialwesens nicht entlassen werden darf. Eine Kapital- und Vermögensakkumulation muss ebenfalls ihren Beitrag zur Finanzierung des

Gemeinwesens leisten. Sämtliche die soziale Situation widerspiegelnden Zahlen, das Auseinanderklaffen der sozialen Schere, der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen, die Relation zwischen Arbeit und Vermögenseinkommen sowie die Defizite in den öffentlichen Kassen – alles das unterstreicht die Forderung nach einer Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Die Antragstellerin berücksichtigt, was wir sehr wichtig finden und unterstützen, eine mittelstandsfreundliche Umsetzung. Selbst genutzte Einfamilienhäuser und übertragene Familienunternehmen werden nicht gefährdet.

Was den letzten verbliebenen Einwand, nämlich den Verwaltungsaufwand, betrifft, sei dazu gesagt: Wichtig ist der Nettoeffekt, und andere Nationen machen es uns vor, dass es geht. Vergessen Sie nicht: Jeder zusätzliche Steuerbeamte kann unter Umständen ein Arbeitsloser weniger sein.

Darüber hinaus leistet der Antrag mit den formulierten Ausgestaltungserfordernissen die Gewähr für eine verfassungskonforme Veranlagungspraxis, so dass die NPDFraktion diesem Antrag zustimmen wird. Wir würden es begrüßen, wenn sich die SPD-Fraktion anschließen könnte.