Bisher sind das alles, wie ich finde, Luftnummern oder, um beim Thema zu bleiben, Placebos, was übrigens aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen so viel wie „ich werde gefallen“ heißt.
Jetzt aber wird es interessant, meine Damen und Herren: Welche Verbesserungen hat es für Versicherungsträger, Leistungsanbieter und Patienten gegenüber den Vorjahren gegeben? Es wird ausgeführt: Die Leistungsausgaben liegen im Vergleich zu 2003 um 3,3 % – an anderer Stelle wird von 3,2 % geredet, das halte ich jetzt nicht für so wichtig – zurück. Für ärztliche Behandlung gaben die Kassen bundesweit zirka 5 % weniger aus als im Ver
gleichszeitraum des Vorjahres. Die Arzneimittelausgaben waren um 9,5 % niedriger, in Sachsen sogar um 10,8 %. Die beitragspflichtigen Einnahmen stiegen um 1,3 %. Die Kassen haben bundesweit einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro „erwirtschaftet“. So steht es dort. Habe ich da richtig gelesen? Erwirtschaftet? Ich bin doch der Meinung, hier hat der Gesetzgeber reguliert.
Einsparungen sind gut und schön, aber eine Medaille hat immer zwei Seiten. Da ist derjenige, der gespart hat, und auf der anderen Seite derjenige, zu dessen Lasten gespart wurde. Kann man den Schilderungen in der Antwort der Staatsregierung glauben, dann scheint die Staatsregierung offenbar mit uns, der Fraktion der Linkspartei.PDS, einer Meinung zu sein. Praxisgebühr, erhöhte Zuzahlung bei Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln, keine grundsätzliche Befreiung von Zuzahlungen für chronisch Kranke, die Begrenzung der Übernahme der Fahrtkosten, Sehhilfen und nicht mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel werden bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert. Sterbegeld und Entbindungsgeld sind keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung mehr. All diese Dinge haben die Situation der Versicherten verschlechtert.
Es wurde nicht nur der Leistungskatalog reduziert, sondern die Versicherten müssen über Beiträge zur Versicherung des Risikos Krankheit hinaus im Falle der Inanspruchnahme von Leistungen auch noch zuzahlen. Und nicht zu vergessen der ab 1. Juli zu leistende Sonderbeitrag jedes Versicherten einschließlich der Rentnerinnen und Rentner von 0,9 % – und das, ohne dass sich an den Leistungen etwas ändert. Der Arbeitgeber wird mit 0,5 Prozentpunkten entlastet. Das ist der Anfang, das paritätische solidarische Finanzierungsprinzip der Sozialversicherung aufzugeben, meine Damen und Herren.
Die Staatsregierung schätzt richtig ein, dass es sich um eine Verschlechterung für die Versicherten handelt; nur ist die Staatsregierung nicht mit uns einer Meinung, denn sonst wäre sie für Veränderungen. Das behaupte ich. Die Staatsregierung sieht nämlich – so schreibt sie – keinen Veränderungsbedarf. Das ist Ihre Politik, Ihr Verständnis von sozialer Fürsorge und sozialer Gerechtigkeit, meine Damen und Herren der Regierungsparteien. Hier werden wir nicht aufhören, Kritik zu üben.
Aber immerhin, die Staatsregierung ist mit den Regelungen des GMG doch nicht ganz zufrieden. Es gibt noch zu viel Bürokratie. Der Dokumentationsaufwand im Gesundheitswesen muss abgebaut werden. Das ist richtig. Es wäre wohl das erste Mal, dass eine CDU-geführte bzw. – Entschuldigung, meine Damen und Herren von der SPD – CDU-dominierte Regierung einen Abbau an Bürokratie auch tatsächlich erreichen würde. Oder?
Meine Damen und Herren, ich möchte noch in aller Kürze auf einige wenige Detailantworten der Staatsregierung eingehen. Die Antwort auf die Frage zu III.11, zu
Honoraren und Fällen je Arzt, erscheint mir bemerkenswert. Die Angaben beziehen sich auf die neuen Bundesländer. Zahlen für Sachsen gibt es nicht.
Ein Allgemeinmediziner in den neuen Bundesländern hat je Arzt 4 494 Fälle – im Vergleich dazu in den alten Bundesländern 4 060 –, also über 400 Fälle mehr zu bestreiten. Das findet sich aber in dem Einkommen der Ärzte nicht wieder. Der Allgemeinmediziner oder die -medizinerin im Westen bezieht ein Honorar von 171 964 Euro. Im Osten sind das fast 20 000 Euro weniger, nämlich nur 152 318 Euro. Lediglich in den Fachdisziplinen Urologie, Innere Medizin und Anästhesie werden für mehr Fälle höhere Honorare erzielt.
Besonders krasse Missverhältnisse bestehen auf den Gebieten Frauenheilkunde/Geburtshilfe und Orthopädie. In der Frauenheilkunde gibt es im Osten über 2 000 Fälle je Arzt mehr als im Westen. Also 11 580 Fällen im Osten stehen 9 402 im Westen gegenüber. Bei den Honoraren sieht das anders aus. Während der Fachkollege oder die Fachkollegin im Westen ein Honorar von 195 228 Euro erzielt, kommt man im Osten lediglich auf 156 344 Euro.
Übrigens zu den Fällen: Ich möchte hier keine Ausführungen darüber machen, ob möglicherweise die ostdeutschen Frauen gesundheitsbewusster sind als die im Westen. Nur, das wäre ein Thema, über das wir auch einmal gesondert diskutieren könnten.
In der Orthopädie gibt es im Osten 6 257 Fälle je Arzt, im Westen sind es 5 150. Das Honorar für den Orthopäden im Westen liegt bei 243 778 Euro, im Osten nur bei 197 759 Euro.
Die Staatsregierung hat sich – das will ich nicht unerwähnt lassen – um die Annäherung der Ost- an die Westhonorare bemüht. Das ist sicherlich ein Riesenproblem und ich sehe auch: Wenn eine weitere Angleichung erfolgt, hat dies Konsequenzen für die jeweiligen sozialen Sicherungssysteme. Und dennoch, meine Damen und Herren, der nicht zuletzt damit im Zusammenhang prognostizierte Rückgang niedergelassener Ärzte in Sachsen bis 2010 kann einem wirklich Angst und Bange machen: Wie wird die medizinische Versorgung im ambulanten Bereich in Zukunft aussehen? Dazu kommt, dass junge Ärzte immer mehr in Richtung Westen abwandern werden – kein Wunder bei diesen Honoraraussichten! Der Ärzterückgang scheint real zu sein.
Meine Damen und Herren, unserem Antrag „Maßnahmen zur Abwendung des drohenden Ärztemangels“ hätten Sie getrost zustimmen sollen.
Es ist einfach nicht hinzunehmen, meine Damen und Herren, dass auch in diesem Bereich nach 15 Jahren deutscher Einheit die Unterschiede immer noch so krass sind.
Nun noch etwas zu den prozentualen Rückgängen der Behandlungsfälle. Auch die Zahlen zur Beantwortung der Frage IV.9 sind negativ aussagekräftig. Die Rückgänge der Behandlungsfälle lagen 2004 fast immer prozentual im zweistelligen Bereich. Ich möchte darauf aber nicht näher eingehen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie Seite 35 der Antwort der Staatsregierung aufschlagen, stellen Sie fest,
dass im ersten Quartal in Sachsen noch 2 576 544 Mal die Praxisgebühr entrichtet wurde. Im vierten Quartal waren es nur noch 2 207 949 Mal, also weit über 300 000 weniger. Da soll man dann noch sagen, das sei positiv?
Wir haben in den letzten Sitzungen nicht übertrieben. Sie haben die Realität nicht sehen wollen, meine Damen und Herren der Regierungsparteien. In Sachsen hat die AOK im Jahr 2004 Zuzahlungen für verschreibungspflichtige Medikamente in Höhe von 71,8 Millionen Euro erhalten. Im Jahr 2003 waren es 45,7 Millionen Euro. Doch woher kommt das Geld? Von den Patienten! Patienten sind zur Behandlung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Medikamente angewiesen. Sie müssen zahlen, wenn sie nicht … Ich spreche den Gedanken lieber nicht aus.
Meine Damen und Herren, die Einwendungen der Fraktion Linkspartei.PDS zum Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach wie vor nicht aus der Welt – und, wie Sie sehen, nicht ohne Grund. Die Entlastungen der Krankenkassen gehen zulasten der Gesundheit der Betroffenen. Das sehen nicht nur die sprichwörtlichen Blinden mit ihren Krückstöcken. Die Gesundheitspolitik in der BRD geht auf ungesundem Wege den Bach hinunter, wenn nicht wirklich Ernsthaftes unternommen wird. Reform heißt Neugestaltung, Verbesserung des Bestehenden, und davon sind wir noch weit entfernt.
Die Linkspartei.PDS hat ein Konzept für ein besseres System, meine Damen und Herren. Sie kennen es, insbesondere die Genossen der SPD, denn sie haben ja kürzlich erst von diesem abgeschrieben. Unsere Ansagen sind ganz klar: Einbeziehung aller in die sozialen Sicherungssysteme quasi als Bürgerversicherung unter Berücksichtigung aller Einkommensarten, schrittweise Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen, zuzahlungsfreie Grundversorgung mit Medikamenten, Heilund Hilfsmitteln, Zulassung von Medikamenten, die, ohne Nebenwirkungen zu haben, erfolgreich in der medizinischen Behandlung bereits über einen längeren Zeitraum eingesetzt wurden, die Entbürokratisierung und die Neuordnung des Systems der Krankenkassen.
Meine Damen und Herren, Sie haben auf Ihren Plätzen den Entschließungsantrag liegen. Lesen Sie ihn und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Gestatten Sie mir eine Frage: Haben Sie jetzt als PDS-Fraktions- oder als Linksparteivertreter gesprochen?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau einem Monat, nämlich am 15. Juni, hat das Dresdner Universitätsklinikum offiziell ein Medizinisches Versorgungszentrum eröffnet. Damit wurde das Leistungsspektrum des Klinikums erheblich erweitert, werden doch sowohl allgemeinmedizinische als auch internistische und laborfachliche Leistungen in einem Hause angeboten – eine erhebliche Erleichterung für die Patienten und vor allem ein Paradebeispiel dafür, wie das Gesundheitsmodernisierungsgesetz in der Praxis positiv umgesetzt wird. Verschiedene medizinische Leistungsbereiche werden miteinander vernetzt. Auch nichtärztliche Leistungserbringer, wie Apotheker, Physiotherapeuten oder Psychologen, werden einbezogen. Dies alles führt zu einem Mehr an Koordination und Effizienz und zu einem Weniger an Über- oder Fehlversorgung der Patienten. Das Universitätsklinikum Dresden spielt mit seinem Medizinischen Versorgungszentrum eine Vorreiterrolle unter den ostdeutschen Kliniken, und das ist zu würdigen.
Die PDS hat sich mit der Zusammenstellung des Fragenkatalogs eine große Arbeit gemacht – Respekt –, die viel größere Arbeit haben allerdings die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Sozialministerium geleistet, die trotz niedriger Personalausstattung mit herausragendem Fleiß und Einsatz diverse verfügbare Statistiken und Studien zusammengetragen haben. Dafür gilt ihnen mein ausdrücklicher Respekt und mein Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Grunde genommen könnte ich jetzt meine Rede vom Februar dieses Jahres wiederholen. Da nämlich hatte die PDS zur Aktuellen Debatte „Ein Jahr Gesundheitsreform und die Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat“ eingeladen. Aber wen wundert es, dass erneut so gesprochen wird? Die PDS, die sich jetzt so vereinigt hat, steht ja mitten im Wahlkampf und will punkten.
Konkrete Zahlen liegen uns dank der Fleißarbeit der SMS-Mitarbeiter nun vor. Doch wir müssen uns ernsthaft fragen, ob es wirklich möglich ist, nach anderthalb Jahren Gesundheitsmodernisierungsgesetz tatsächlich schon Bilanz zu ziehen und Tendenzen und Trends zu erkennen oder solch ein vernichtendes Urteil zu fällen, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag tun. Aber dazu werde ich später noch etwas sagen.
Ich möchte hier nur einige wichtige positive Fakten ansprechen, die jetzt schon erkennbar sind und bei denen das Gesetz zu greifen beginnt:
Bei den Krankenkassen gab es ein erhebliches Defizit, das kann keiner leugnen. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen Überschuss und auch in diesem Jahr wird es wohl wieder einen Überschuss geben.
Erste Ergebnisse des Aufbaus einer integrierten Versorgung liegen auf dem Tisch, wie das Beispiel der Unikli
Bei der AOK und der IKK Sachsen – das sind nur zwei Kassen – wurden im vergangenen Jahr zirka 454 000 Versicherte wegen des Erreichens der Ein-Prozent- bzw. Zwei-Prozent-Grenze von weiteren Zuzahlungen befreit. Solche Zahlen nennen Sie nicht, denn sie sind positiv. Man kann eine Zahl negativ, aber auch positiv interpretieren. Diese Zahl steht positiv. Bei der AOK und der IKK Sachsen bemüht man sich – und bei allen anderen Krankenkassen auch –, alles für die Versicherten zu tun, ob sie chronisch krank sind oder sozial schwach. Da gilt auch unser Dank den Kassen, dass sie sich so um ihre Versicherten kümmern.
Weitere Punkte: Steigende Fortbildungsbesuche der Ärzte belegen, dass die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu greifen beginnen. Es kommt ja den Patienten zugute.
Viele Krankenkassen haben ein Bonussystem oder mehrere Bonussysteme im Angebot, die zur Steigerung des Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung und zur häufigeren Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen führen. Lassen Sie mich besonders eine Zahl nennen: Allein 33 402 Versicherte haben zum 31.03.2005 bei der AOK diese Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen. Das ist eine neunfache Steigerung im Vergleich zu der Teilnehmerzahl zum 31.12.2004. Das Gesundheitsbewusstsein der Menschen steigt.
Allerdings müssen wir uns auch vor Augen halten, dass der Reformprozess gerade erst begonnen hat. Wie schon im Wort enthalten, handelt es sich um einen Prozess. Ein Prozess ist langwierig und wird sicherlich auch im Fall des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes seine Zeit brauchen. Deshalb können die von der PDS erfragten Zahlen allenfalls eine Momentaufnahme vom Prozessbeginn darstellen, jedoch noch keine verlässliche Datenlage, um von einem Gelingen oder Scheitern zu sprechen. Das ist Populismus, was Sie betreiben.
Zur Verdeutlichung ziehe ich das Beispiel der Umsatzentwicklung der sächsischen Optiker in den Jahren 2003 und 2004 – das entspricht den Punkten 27 und 28 Ihrer Anfrage – heran. Der Mitteldeutsche Augenoptikerverband verzeichnete zum 30.09.2004 einen Umsatzrückgang von 48 % im Vergleich zum Vorjahr.