Protocol of the Session on July 14, 2005

Drucksache 4/1683, Antrag der Fraktion der PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der Fraktion der PDS als Einreicherin das Wort. Frau Abg. Kipping, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Die Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert West ist ein Anliegen aller ostdeutschen Sozialpolitiker. Es muss ein Anliegen aller Politiker sein, die weiterhin das von der Verfassung vorgegebene Ziel verfolgen, in ganz Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Die Erreichung dieses Zieles darf nicht auf die lange Bank geschoben oder gar auf den Sankt-NimmerleinsTag verschoben werden.“

(Beifall bei der PDS)

Besten Dank für den Beifall. Ich verstehe gar nicht, warum sich die Damen und Herren von der CDU so zurückhalten – immerhin handelte es sich dabei um ein Zitat aus einer hier im Landtag im März 2004 gehaltenen Rede Ihrer Sozialministerin Frau Orosz.

(Heiterkeit bei der PDS)

Halten wir also fest: Wir sind uns einig, dass die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West ein wichtiger Schritt zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West ist. Aber leider erinnert das Verhältnis mancher CDU-Politiker zu diesem Thema eher an die berühmte Antwort auf die Fragen an den Sender Jerewan: Im Prinzip ja, aber … Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die bisherigen Debatten nachliest, die hier im Landtag zu diesem Thema stattgefunden haben.

So äußerte zum Beispiel Frau Strempel vor einem reichlichen Jahr: „Die Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West, das ist eine Forderung, die wirklich im Interesse der Angleichung der Lebensverhältnisse ist.“ Und dann folgt immer gleich das Aber.

Also, setzen wir uns einmal mit dem auseinander, was nach dem berühmt-berüchtigten Aber kommt: Eine Angleichung der Renten bei nicht angeglichenen Löhnen wäre realitätsfern und eine Gefahr für den sozialen

Frieden. Das war ein Einwand, der besonders aus den Reihen der CDU gekommen ist. Wenn man sich auf diese Logik einlässt, wird man immer im Zustand der Ungerechtigkeit verharren. Wenn man eine Ungerechtigkeit, nämlich die Ungerechtigkeit bei den Renten, damit rechtfertigt, dass es Ungerechtigkeiten bei den Löhnen gibt, dann wird man niemals in der Lage sein, Gerechtigkeit herzustellen. Da beißt sich irgendwann die Katze in den Schwanz.

Ich finde, wenn man tatsächlich etwas gegen ungleiche Löhne machen will, dann kann man hier mit einem Mindestlohn anfangen, um zumindest einen Teil der Lohnunterschiede zwischen Ost und West auszugleichen.

Ein weiterer Einwand ist, eine sofortige Angleichung würde sechs Milliarden Euro jährlich kosten oder eben den Beitragssatz um 0,6 % erhöhen. Dazu möchte ich einwenden: Wir als Linkspartei PDS sprechen uns nicht dafür aus, das sofort in einer Nacht-und-Nebel-Aktion anzugleichen. Aber wir meinen, im laufenden Jahrzehnt muss das doch machbar sein.

(Beifall bei der PDS)

Natürlich geht das nicht über eine Erhöhung des Rentenbeitragssatzes, sondern dazu muss der Bundeszuschuss zur Rentenkasse erhöht werden. Das bedeutet, es muss steuerfinanziert werden. Wir haben heute früh in der Aktuellen Debatte darüber gesprochen und auch der Ministerpräsident ist in dieser Hinsicht offen für eine teilweise Steuerfinanzierung von sozialen Sicherungssystemen.

Wir als PDS haben dazu ein eigenes Steuerkonzept vorgelegt, in dem wir Vorschläge unterbreiten, wie Mehreinnahmen von über 60 Milliarden Euro bundesweit möglich werden. Ich will Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen, weil Sie schon wieder so ungläubig die Stirn hochziehen: Wenn wir eine Börsenumsatzsteuer von nur 0,5 % für den Verkauf von Aktien einführen – und das ist keine Revolution, so etwas ist in London zum Beispiel gang und gäbe –, dann könnte man auf Bundesebene über 14 Milliarden Euro mehr einnehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Besonders famos ist der Einwand, es würde sich hierbei um eine Neiddiskussion handeln. Diesen Einwand

brachte die CDU-Abgeordnete Frau Strempel damals. Meine Damen und Herren von der CDU, ich habe ein anderes Verständnis von einer Neiddebatte. Wissen Sie, was für mich ein Paradebeispiel einer Neiddebatte ist? – Wenn Vertreter der Industrie darüber fabulieren, ob man den ohnehin schon niedrigen Regelsatz für Arbeitslosengeld-II-Empfänger noch weiter kürzen kann.

(Beifall bei der PDS)

Gelegentlich wird als vierter Einwand gegen die Angleichung der Rentenwerte auch vorgebracht, die Lebenshaltungskosten im Osten seien doch niedriger als die im Westen. Aber dabei übersehen Sie geflissentlich, dass die Lebenshaltungskosten zwischen München und Gelsenkirchen beispielsweise ebenso auseinander klaffen wie die Lebenshaltungskosten in Zittau oder Dresden oder Berggießhübel.

Wenn wir hier schon über Ostspezifik reden, dann möchte ich zwei wirklich spezifisch ostdeutsche Probleme ansprechen.

(Beifall bei der PDS)

Das erste: Gerade die ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner sind auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen. Im Gegensatz zu ihren Altersgefährten in den alten Bundesländern hatten sie nämlich nicht die Möglichkeit, über Jahrzehnte in Betriebsrenten einzuzahlen bzw. über private Rentenversicherungen für den Lebensabend vorzusorgen. Gerade im Osten entsprechen immer weniger Berufsbiografien dem klassischen so genannten Standardrentner, der 45 Jahre arbeitet und 45 Jahre ordentlich Rentenpunkte ansammeln kann.

Das zweite Problem: Hier im Osten – gerade hier im Osten! – brechen viele Erwerbsbiografien mit 50 Jahren plus x ab. Es treten immer mehr Brüche in den Erwerbsbiografien auf. Das heißt, diese Menschen haben sowieso schon schlechtere Voraussetzungen, ordentlich Rentenpunkte anzusammeln. Diese Situation hat sich in den letzten 15 Jahren mitnichten verbessert, sondern sogar noch verschlechtert. Im Jahr 1991 waren immerhin noch 2,3 Millionen Menschen in Sachsen – das waren damals 47 % der Gesamtbevölkerung – berufstätig. Inzwischen verdienen nur noch 1,8 Millionen Menschen – das sind nur noch 39 % der Gesamtbevölkerung – ihren Lebensunterhalt durch klassische Erwerbsarbeit.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

In den nächsten Jahren wird verstärkt diese Generation in den Rentenstand eintreten. Es wird diese Generation in den Rentenstand eintreten, deren Lebenswege und Berufsbiografien von Brüchen gekennzeichnet sind. Ich finde, die meisten dieser Menschen werden dann im Alter für eine Tatsache bestraft, für die sie nichts können, denn den Strukturwandel Ost haben nun mal nicht die zukünftigen Rentnergenerationen zu vertreten. Wir, die Linkspartei PDS, wollen uns deswegen nicht damit zufrieden geben, dass sie dann noch doppelt bestraft werden: mit weniger angesammelten Rentenpunkten und mit ungleichen Rentenwerten in Ost und West.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kipping?

Nein, ich möchte das an dieser Stelle zu Ende führen. – Der DGB führt in seiner Stellungnahme vom April dieses Jahres ein weiteres Argument ein: Höhere Renten bedeuten auch eine Stärkung der Kaufkraft. – Wenn die Seniorinnen und Senioren hier im Osten wieder etwas mehr Geld zum Leben haben, dann kurbelt das eben auch die Wirtschaft an und hilft gerade den klein- und mittelständischen Unternehmen, die auf die Binnenkaufkraft angewiesen sind. Insofern, meine Damen und Herren, werbe ich hier noch einmal für das Anliegen des PDS-Antrages. Gegenwärtig liegt der aktuelle Rentenwert bei 87,9 % des aktuellen Rentenwertes West. Setzen wir uns dafür ein, dass diese Gerechtigkeitslücke geschlossen wird!

(Beifall bei der PDS)

Setzen wir uns für eine Angleichung der Rentenwerte in Ost und West ein und leisten wir damit einen überfälligen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Die CDU-Fraktion, bitte. – Gut, für die Koalition Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Spitzenkandidatin von den Linken und der PDS,

(Beifall bei der PDS)

wie auch immer! Als Spitzenkandidatin – um gleich auf Sie einzugehen – reicht es nicht aus, dass Sie einfach nur zu irgendwelchen Themen sprechen, sondern Sie sollten dann wenigstens auch den Mut haben, sich der Diskussion zu stellen. Das nur vorab.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Zu dem, was Sie zur Gerechtigkeit gesagt haben, komme ich später.

Eine Neiddebatte zu führen hat niemand von uns vor. Sie haben das zu implementieren versucht. Das wird mit uns nicht passieren.

Schauen wir auf das, was die Rentner betrifft, was sie machen und was sie empfinden. Viele Rentner, die fast ihre gesamte Lebensarbeitszeit in der DDR zugebracht haben, sind mit dem, was es als Rente gibt, zufrieden. Andere – ich weiß nicht, wie viele es sind, aber wenn ich mir anschaue, wie viele Personen sich an den verschiedenen Klagen beteiligt haben, dann sind es doch etliche – fühlen sich aus verschiedenen Gründen um die Früchte ihres Arbeitslebens betrogen, weil sie der Meinung sind, dass mit dem, was sie als Rente bekommen, nicht das gewürdigt wird, was sie einmal gearbeitet haben.

Ich erinnere mich an eine öffentliche Diskussion vor anderthalb Jahren in der Nähe von Limbach-Oberfrohna, bei der mir eine Frau erklärte, warum sie sich der Klage des VdK angeschlossen habe, bei der es damals um bestimmte Rentenwerte ging. Sie konnte überhaupt nicht verstehen, warum sich zum Beispiel meine Mutter an dieser Geschichte nicht beteiligte. Das endete in der Bemerkung, dass meine Mutter schön dumm sei, wenn sie das nicht machen würde, es könnte ja mehr Geld herauskommen. Ich lege Wert darauf festzustellen, dass es Rentnerinnen und Rentner gibt, die eine andere Meinung haben und es nicht als Dummheit bezeichnen, wenn sie sich an solchen Klagen nicht beteiligt haben.

Die Rentner sind nicht Verlierer der Einheit. Ich lege Wert darauf, dass das klar gesagt wird.

(Beifall bei der SPD, des Abg. Alexander Krauß, CDU, und der Staatsregierung)

Dass es immer wieder Einzelfälle gibt, in denen es zu sehr schwierigen Situationen kommt, schließt diese generelle Aussage nicht aus.

Heutige Rentner leisten gemeinsam mit denen, die in zunehmender Anzahl Lohnverzicht leisten, einen Solidarbeitrag durch Übernahme sozialer Kosten in den Bereichen Pflege und Gesundheit. Als Beispielrechnung etwas, was ab 01.07. dieses Jahres wirksam wird: Bei einem kinderlosen Rentner mit etwa 1 000 Euro Bruttorente ergibt sich eine maximale zusätzliche Belastung von 15,50 Euro plus die Teuerungsrate von 24 Euro in den letzten zwei Jahren, die allerdings auch alle anderen Bevölkerungsgruppen in gleicher Form trifft.

Zur Erinnerung die Rentenwerte: Wir haben in Sachsen eine durchschnittliche Rentenhöhe von 935 Euro, bei Männern 1 051 Euro und bei Frauen 860 Euro.

(Hört, hört! bei der PDS)

Die Volkskammer hat lange diskutiert. – Hören Sie ruhig zu!

(Dr. Cornelia Ernst, PDS: Wir hören doch pausenlos zu!)