Protocol of the Session on June 23, 2005

Dort sind es unter 10 % der Betriebe, die noch im Flächentarifvertrag sind. Herr Porsch, in welcher Branche boomt es denn? In welcher Branche haben wir eine positive Entwicklung in Sachsen und in welcher eine negative? Welche Branche schafft Arbeitsplätze in Sachsen und welche nicht? Sie werden feststellen, dass in Sachsen neu geschaffene Arbeitsplätze im Wesentlichen der sächsischen Metall- und Elektroindustrie zuzuordnen sind. Das ist genau die Branche, die hier am weitesten vorangegangen ist. Wenn andere genauso fortschrittlich wären, könnten wir noch viel, viel mehr Arbeitsplätze in Sachsen haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Herr Porsch.

Sie hat sich fast erledigt, weil ich denke, dass wir immer wieder aneinander vorbeireden werden, weil Sie ideologisch ein bisschen verklemmt sind.

(Gelächter bei der PDS)

Das war eine persönliche Beleidigung. Ich würde sagen, das sollten Sie zurücknehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gut, dann nehme ich das zurück, aber es ist Ideologie, die hier verbreitet wird.

Das war eine persönliche Beleidigung.

Okay, Herr Morlok, ich nehme es zurück, aber Ideologie verbreiten Sie dennoch. Das hat immer etwas Verklemmtes an sich.

(Widerspruch bei der FDP)

Ich frage Sie trotzdem noch einmal: Die von Ihnen als fortschrittlich bezeichneten Branchen zahlen nach dem, was Sie gesagt haben, eher nach Tarifvertrag als andere. Wir haben seit 15 Jahren einen Riesenprozentsatz von Betrieben, die eben nicht nach Tarif bezahlen. Was haben wir bis heute für einen Vorteil davon? Können Sie mir den nennen?

Wir haben den entscheidenden Vorteil, dass wir in den Branchen, in denen die Unternehmen vom Tarifvertrag abweichen und nicht gebunden sind, Arbeitsplätze schaffen. Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen!

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wo sind denn die Arbeitsplätze?)

Schauen Sie sich doch einmal an, welche Arbeitsplatzentwicklung wir in der sächsischen Metall- und Elektroindustrie haben! Wir haben stetig zunehmende Arbeitsplatzzahlen.

(Widerspruch bei der SPD)

Wir haben ein Mehr an Beschäftigung in dieser Branche. Das können Sie mir wirklich glauben, ich bin selber Verbandsmitglied bei Sachsen-Metall. Ich kenne die Zahlen hier sehr genau. Das ist nun mal so. In anderen Branchen mit hoher Tarifbindung verlieren wir Arbeitsplätze. Das müssen Sie einfach mal zur Kenntnis nehmen.

Zum Thema Ideologie, Herr Prof. Porsch. Die FDP hat sich in der Bundesrepublik als die Partei erwiesen, die frei von ideologischen Blockaden ist.

(Gelächter bei der PDS)

Das müssen Sie sich immer anhören. Wir waren, frei von ideologischen Blockaden, in der Lage, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und wichtige Weichenstellungen in der Bundesrepublik mit zu bewirken. Das war zu einer Zeit, als Sie in der SED ideologisch verbrämt den Kommunismus verbreitet haben. Sie haben die Menschen aus ideologischen Gründen 40 Jahre unter dem Kommunismus leiden lassen und werfen mir ideologisches Denken vor. Sie haben sich selbst disqualifiziert.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Ich habe 40 Jahre Kommunismus nicht gemacht! Das war jetzt sehr überzeugend.)

Die Redezeit ist vorüber.

Entschuldigen Sie, Herr Präsident, ich habe mich gerade ausschließlich mit der Zwischenfrage von Herrn Porsch beschäftigt.

Als Sie das gemacht hatten, war die Redezeit auch schon um, nur Sie konnten noch auf die Zwischenfrage antworten.

Dann möchte ich gern zum Schluss kommen und noch auf einen einzigen Punkt eingehen.

Nein, das geht nicht. Sie können noch einen Schlusssatz sprechen, die Zeit ist um.

Das möchte ich gern tun, Herr Präsident. – Wir müssen in Sachsen endlich den Mut finden, auch in der Bundespolitik auf die notwendigen Änderungen zu drängen, und die Dinge, die wir im Land entscheiden können, selber angehen. Ich denke als Beispiel nur an die Sonntagsöffnungszeit von Waschanlagen.

(Lachen bei der SPD)

Das ist inzwischen in Bayern eingeführt worden, dann können wir es auch in Sachsen einführen.

Vielen Dank. (Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Debatte fort. Ich bitte jetzt, dass die Fraktion der CDU das Wort nimmt. Herr Petzold, bitte.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Tempo des Wirtschaftswachstums in Sachsen reicht nicht aus, obwohl es erfreulich ist. Hohe Arbeitslosenzahlen, fehlende Lehrstellen, Abwanderung, strukturelle Defizite der Wirtschaft – machen wir uns nichts vor, die Transferleistungen, die wir mit Recht einfordern, werden sinken. Allein mit noch so zielgerichtet eingesetzten finanziellen Mitteln werden wir es nicht schaffen. Wir müssen attraktiver und dynamischer sein, um das fehlende Geld auszugleichen. Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung setzen voraus, dass Unternehmen in den neuen Bundesländern und natürlich auch in Sachsen Rahmenbedingungen vorfinden müssen, die sie an anderer Stelle nicht haben und die Ostdeutschland zu einem konkurrenzfähigen Standort machen.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Wettbewerbsfähigkeit hängt in entscheidendem Maße davon ab, inwieweit der Bundesgesetzgeber Raum schafft für Regelungen, die es den Ländern ermöglichen, von den Bundesgesetzen abzuweichen und den jeweiligen wirtschaftlichen Erfordernissen angepasste eigene Regelungen zu vereinbaren. Die Vorschläge dazu liegen schon lange auf dem Tisch. Ministerpräsident Georg Milbradt hat vor einem Jahr eine Strategie „Zukunft Ost“ vorgelegt, die letzte Woche unterstrichen wurde. Herr Morlok, dort wurden keine abweichenden Dinge festgelegt. Die Dohnanyi-Kommission kam zu ähnlichen Ergebnissen. Leider ist auf Bundesebene nichts passiert. Die Föderalismusreform liegt auf Eis. Insofern begrüßen wir angesichts der heute stattfindenden Konferenz der Bund-Länder-Chefs und auch des beginnenden Bundestagswahlkampfs, dass die Problematik von der FDPFraktion heute thematisiert wird, um die Punkte anzumahnen, die für Sachsen besonders dringend sind. Herr Morlok, Sie können sicher sein, unser Ministerpräsident, unser Generalsekretär und unsere Fraktion werden sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass eine angemessene Ost- und Sachsenkomponente eingebracht wird. Dazu haben wir von Ihrer Partei bisher nichts gehört. Also kümmern Sie sich um Ihre eigenen Dinge, damit eine entsprechende Ost-Komponente mit einfließt.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Nur Freiraum und Eigenverantwortung bringen uns voran; Planungsrecht, Beamtenbesoldung, Kündigungsschutz und Tarifrecht waren die Stichpunkte, zu denen wir in Sachsen schnellstmöglich gesetzgeberische Handlungsspielräume verlangt haben. Lassen Sie mich nach diesen Grundsätzen einige Punkte kurz anreißen. Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz muss dringend für die gesamte Laufzeit des Solidarpakts ver

längert werden. Am besten wäre natürlich eine Ausweitung auf das gesamte Bundesgebiet, wie auch teilweise diskutiert wird. Keineswegs dürfen wir zulassen, dass das jetzt in Berlin beratene Planungsbeschleunigungsgesetz der Diskontinuität zum Opfer fällt. Daher unser Aufruf an den Bund: Sorgt dafür, dass die jetzige Rechtslage auch künftig weiter besteht!

Wir brauchen auch keine über das EU-Recht hinausgehenden Regelungen und Standards.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Stichwort Antidiskriminierungsgesetz, das letzte Woche im Bundestag verabschiedet wurde. Es enthält wieder einmal zusätzliche Regelungen und Standards, die die Wirtschaft – auch in Sachsen – leider belasten.

(Beifall bei der FDP)

Nochmals dazu unsere Position: Klare Beschränkung auf unbedingt notwendige Umsetzung von EU-Recht, keine Extrawürste, notfalls auch Sachsen allein mit den neuen Ländern.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Eine Agenda für Arbeit, das ist es, was wir brauchen. Die Arbeitslosenzahlen mahnen täglich, dies endlich anzugehen. Auch hier müssen die östlichen Länder mit Mut neue Wege gehen, denn auch hier drängt das Problem am meisten. Ministerpräsident Georg Milbradt hat bereits im Frühjahr konkrete Vorschläge unterbreitet, von denen er keinen Zoll abweicht und die wir unterstützen.

Stichwort: Wir brauchen eine beschäftigungsorientierte Lohnpolitik. Mehr Beschäftigung wird es nur geben, wenn sich die Löhne am Produktivitätsniveau orientieren. Wir brauchen neue Wege im Lohnfindungsprozess. Wir wollen im Interesse von Neueinstellungen den Kündigungsschutz lockern. Wir wollen mit Lohnkostenzuschüssen nach dem Prinzip der aktivierenden Sozialhilfe vor allem Langzeitarbeitslosen die Chance geben, wieder in Arbeit und Brot zu kommen. All diese Forderungen greifen konkrete Einstellungshindernisse auf und bieten damit arbeitslosen Mitbürgern tatsächlich eine Chance, ins Erwerbsleben zurückzukehren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, veraltete und verkrustete, mit der deutschen Wiedervereinigung übernommene Strukturen und Gesetze sind kaum tauglich, die drängenden Probleme zu lösen. Wir haben den Mut, neue und unkonventionelle Wege zu beschreiten. Ich glaube, dass wir damit auch Vorbild für die alten Bundesländer sein können.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ungewöhnliche Umstände verlangen auch ungewöhnliches Handeln. Wir brauchen Freiräume, damit Sachsen auf eigenen Füßen steht und nicht auf Dauer von Zahlungen des Westens abhängig ist. Von unserem Erfolg wird ganz Deutschland profitieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)