Wir stimmen jetzt über die Ausnahme zur Geschäftsordnung nach § 111 ab. Wer der Ausnahme zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmenthaltungen ist das so beschlossen.
Jetzt stimmen wir über die Dringlichkeit des Antrages ab. Wer der Dringlichkeit des Antrages der Fraktion der FDP, Drucksache 4/2329, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmenthaltungen ist der Dringlichkeit zugestimmt. Jetzt lasse ich darüber befinden, ob Einvernehmen darüber besteht, dass die beiden Dringlichen Anträge in einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst und beraten werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass das so beschlos
Meine Damen und Herren! Weitere Anträge zur Tagesordnung liegen mir schriftlich nicht vor. Ich frage trotzdem, ob es noch Anträge zur Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Tagesordnung mit den Streichungen und Ergänzungen beschlossen.
1. Aktuelle Debatte: Neue Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens durch größere Freiräume, Sonderregelungen und Experimentierklauseln im Rahmen der Bundesgesetzgebung
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, PDS 23 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 12 Minuten,
Neue Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens durch größere Freiräume, Sonderregelungen und Experimentierklauseln im Rahmen der Bundesgesetzgebung
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der FDP das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, PDS, SPD, NPD, GRÜNE, Staatsregierung.
Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der FDP, das Wort zu nehmen. Als Erster spricht Herr Morlok.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als wir das Thema hier als Aktuelle Debatte eingebracht haben, war es schon durch die entsprechenden Meinungsäußerungen von verschiedenen Kollegen hier aus dem Haus und politischen Mitbewerbern aktuell. Dadurch ist das jedenfalls aktueller geworden. Darauf will ich im Folgenden gern noch eingehen. Grundsätzlich sind wir als FDP dafür, dass wir in Deutschland den Mut zu einem Wettbewerbsföderalismus finden. Das heißt, Unterschiede zwischen den Bundesländern müssen auch bewusst zugelassen werden. Dahinter steckt die Überlegung, dass in einem Bundesland, in dem die Menschen wohnen, diese von einer guten Politik auch wirklich profitieren können. Men
schen, die in Ländern wohnen, in denen eine schlechtere Politik gemacht wird, sollen die Nachteile der Politik auch spüren. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die gut arbeiten und wirtschaften, letztlich die Zeche für die Länder zahlen, die es eben nicht so gut können.
Die Bundesgesetzgebung lässt das heute noch nicht zu. Viele Dinge sind durch Bundesgesetze reglementiert und können auf Landesebene nicht entschieden werden. Wir sagen, wenn man auf der Bundesebene, insbesondere in den Altbundesländern, noch nicht so weit ist, mag das bedauerlich sein, aber das kann für uns kein Grund sein, dass wir nicht hier in Sachsen diese Regelungen haben wollen. Deswegen sprechen wir uns für Experimentierklauseln in der Bundesgesetzgebung aus, die es eben dem Freistaat Sachsen ermöglichen, von Bundesgesetzen abzuweichen. Das ist nicht nur eine Position, die die FDP vertritt, die aus der üblichen wirtschaftsliberalen Ecke kommt, nein, sie kommt aus allen Parteien. Ich möchte Ihnen einige bekannte Beispiele aufzeigen.
Unser Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat sich schon vor Jahren dafür eingesetzt, den Aufbau Ost eben gerade
durch die Ausnahmeregelungen zu befördern. Auch Herr von Dohnanyi, der einmal Sonderbeauftragter der Bundesrepublik war, hat sich ebenfalls in dieser Richtung ausgesprochen. Also ist es nicht nur die böse FDP, die das immer fordert, es sind auch ganz klar Politiker, die in Deutschland Regierungsverantwortung getragen haben, zur selben Erkenntnis gekommen.
Auch aktuell gibt es in der Bundesregierung Befürworter oder – besser gesagt – gab es Befürworter, als Herr Clement noch innovativ war. Im letzten Jahr hat er sich auch dafür ausgesprochen, diese Sonderregelungen für bestimmte innovative Regionen in Deutschland einzuführen. Aber wir alle haben ja die Entwicklung von Herrn Clement in den letzten Jahren gesehen. Von dem Eifer und der Innovationsfreude ist nicht viel übrig geblieben. Deshalb wird er auch das Amt ab Herbst nicht mehr ausüben können.
Interessant sind die Äußerungen unserer sächsischen Politiker zu diesem Thema, die uns auch wieder Recht geben. Das macht die Debatte ganz besonders dringlich.
Wir finden heute in der „SZ“ eine Meinungsäußerung des Generalsekretärs der sächsischen CDU, die ich hier gern zitieren möchte. Er sagt: „Das Thema Aufbau Ost ist in der Diskussion über das Wahlprogramm von CDU und CSU überhaupt noch nicht richtig angekommen.“ Er hat vollkommen Recht. Es ist im Wahlprogramm der CDU/CSU überhaupt noch nicht angekommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute in diesem Parlament darüber reden, wie es denn unter Umständen auch nach einer Bundestagswahl weitergehen soll. Wird denn die CDU/CSU, wenn sie in einer Regierung vertreten sein wird, tatsächlich bereit sein, diese Sonderregelungen mitzutragen, wie sie ja hier auch vom Ministerpräsidenten gefordert wurden, oder sind es nur Lippenbekenntnisse, die man in Sachsen abgibt und, wenn man in Berlin angekommen ist, wieder vergessen hat?
Es ist schon sehr bedenklich, wenn wir uns die verschiedenen Strategiepapiere des Ministerpräsidenten zu diesem Thema anschauen. Da ist nicht so interessant, was darin steht oder was nicht darin steht. Interessanter ist, was nicht mehr darin steht. Das geht oftmals in der politischen Betrachtung unter.
Herr Milbradt hat sich noch vor Monaten dafür ausgesprochen, den Kündigungsschutz bei Neueinstellungen in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern aufzuheben. Das finden wir plötzlich nicht mehr in dem Programm.
Er hat sich für Öffnungsklauseln im Tarifrecht ausgesprochen, um die Handlungsspielräume der Länder zu vergrößern. Auch das finden wir nicht mehr im aktuellen Papier des Ministerpräsidenten. Da muss ich mich fragen: Ist das ein Zugeständnis an den Koalitionspartner hier in Sachsen oder ist er vor Angela Merkel im Bundestagswahlkampf eingeknickt? Eines ist klar: Mit einem solchen Ministerpräsidenten werden wir keinen Interessenvertreter in Berlin für die Interessen Sachsens haben.
Konkret zu den einzelnen Punkten: Ich hatte es schon angesprochen, wir brauchen Sonderregelungen im Arbeits- und Tarifrecht, damit hier in Sachsen endlich wieder Arbeitsplätze entstehen.
Wir brauchen Sonderregelungen im Tarifrecht, dass der Kündigungsschutz bei kleinen Unternehmen ausgesetzt wird.
Sie müssen trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass das unsere Position ist, auch wenn es Ihnen nicht passt. Wir werden einmal schauen, wie die Wählerinnen und Wähler auf die verschiedenen Positionen reagieren werden.
Wir sind der Auffassung, dass es, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene über bestimmte Vergütungsregelungen einigen und sie von Tarifregelungen abweichen wollen und dies von 75 % der in einem Unternehmen Beschäftigten in geheimer Abstimmung gutgeheißen wird, dann auch so sein darf.
Sie wollen den Menschen die Urteilsfähigkeit absprechen. Sie setzen sich sonst immer für Demokratie ein, aber wenn die Menschen vor Ort konkret etwas entscheiden wollen, dann klammern Sie sich an den althergebrachten Strukturen fest.
Danke, Herr Morlok. Können Sie mir zufällig sagen, wie viele Betriebe in etwa in den neuen Bundesländern tatsächlich in ihrer Branche nach Flächentarifvertrag bezahlen?
Es gibt sicherlich gewisse Unterschiede hinsichtlich der Branchen. Es gibt innovative Branchen und nicht so innovative. Sicherlich gehört die sächsische Metall- und Elektroindustrie zu den innovativeren Branchen.
Dort sind es unter 10 % der Betriebe, die noch im Flächentarifvertrag sind. Herr Porsch, in welcher Branche boomt es denn? In welcher Branche haben wir eine positive Entwicklung in Sachsen und in welcher eine negative? Welche Branche schafft Arbeitsplätze in Sachsen und welche nicht? Sie werden feststellen, dass in Sachsen neu geschaffene Arbeitsplätze im Wesentlichen der sächsischen Metall- und Elektroindustrie zuzuordnen sind. Das ist genau die Branche, die hier am weitesten vorangegangen ist. Wenn andere genauso fortschrittlich wären, könnten wir noch viel, viel mehr Arbeitsplätze in Sachsen haben.