Protocol of the Session on June 22, 2005

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Abg. Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich allen Ernstes, was an dieser Debatte aktuell ist. Ich habe mir die 96-er Debatte ange

schaut. Worum es hier 2005 geht, ist die gerichtliche Aufarbeitung, die läuft.

(Dr. André Hahn, PDS: Die läuft immer noch!)

Was wird uns hier also aufgetischt? Ein abgestandener Eintopf aus einer Aneinanderreihung von unterschiedlichen miesen Zutaten, garniert mit altem Brot, als aktuelles Tagesgericht, dazu noch schlecht serviert.

Sicher ist der Vorwurf der Steuermittelverschwendung erst einmal Achtung heischend. Gehen wir aber mit diesem Begriff auch immer angemessen um?

Richtig ist, die Verwendung von Steuermitteln liegt ganz besonders im Brennpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Jedes System der öffentlichen staatlichen Steuerung und besonders eben von Finanzen ist für Missbrauch anfällig, Missbrauch aufseiten der Bezieher als kriminelle Energie oder einfach auch nur durch Fahrlässigkeiten oder Zweckentfremdung aufseiten der Ausreicher durch Trägheit, Gleichgültigkeit, Unwissenheit und vielleicht auch Korruption. Deshalb gibt es besonders in diesem Bereich vielfältige Instrumentarien der Kontrolle und Überprüfung. In Sachsen ist das neben den ministeriellen Kontrollrichtlinien die parlamentarische Kontrolle und hier insbesondere der Rechnungshof.

Der Rechnungshof hat zwei Dinge ganz klar herausgestellt:

Erstens. Wir reden hier im SMWA über Altfälle, und

Zweitens: Das jetzige, neu geführte SMWA setzt alles konsequent daran, diese Fälle verantwortungsbewusst – so sie denn zutreffen – aufzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn, PDS: Das kann er uns ja sagen!)

Was passiert hier also? Es wird mit schmutzigen Lappen geworfen in der Hoffnung, dass am Revers etwas hängen bleibt. Vorwahlkampf? Wahlkampf? Haben Sie einfach keine anderen aktuellen Themen, die es wert wären, hier in diesem Haus an dieser Stelle debattiert zu werden?

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Haben Sie da nichts anderes? Die hier angehäuften Vorwürfe, ohne sie im Einzelnen bewerten zu wollen, betreffen eine mit absoluter Mehrheit geführte Staatsregierung. Es bedarf nun einmal seiner Zeit, um zu heilen – wenn auch nicht alles zu heilen ist –, was vor dieser Koalition gelaufen ist. Aber diese Koalition ist die Gewähr dafür, dass endlich mehr Parteientransparenz in die Exekutive eingezogen ist.

(Dr. André Hahn, PDS: Da sind wir gespannt!)

Diese Koalition hat in den Beamtenstuben für mehr Durchzug gesorgt, als es die Opposition in den vergangenen Jahren je vermocht hat. Es ist daher unseriös, im Zuge einer solchen Debatte den Anschein erwecken zu wollen, im SMWA würden Steuermittel verschwendet, denn so sieht ja erst einmal die Überschrift aus. Dem treten wir entschieden entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen sollte auch der Umgang mit parlamentarischen Ressourcen sparsam und verantwortungsvoll erfolgen. Wenn wir schon über Steuermittelverschwendung reden, meine Herren von der PDS, dann durch Sie heute hier mit dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Abg. Morlok, bitte.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich hat es gewundert, warum wir dieses Thema jetzt zu dieser Stunde auf der Tagesordnung haben, zumindest mit diesem Inhalt, den Sie hier vorgetragen haben, Herr Kollege Hahn, weil es tatsächlich alte Hüte sind, aber Dinge, die Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahren sind, deren Ergebnis wir abzuwarten haben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass wir nach dem Abschluss der Verfahren in diesem Hause erneut darüber diskutieren und erneut fragen müssen, ob unter Umständen im Bereich der Staatsregierung von vereinzelten Personen Verantwortlichkeiten festgemacht oder auch Konsequenzen gezogen werden müssen. Aber unter dem Stichwort „Aktuelle Debatte“ sollten wir uns auch mit aktuellen Vorgängen in dem Staatsministerium beschäftigen.

Es ist eben nicht so, dass es sich dort nur um alte Hüte dreht, sondern man muss eigentlich sagen, man hat aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Das Problem ist, dass man nicht die Konsequenzen gezogen hat.

Wenn wir uns hier einmal das Thema „Transparenz“ anschauen, muss man feststellen, dass wir am Freitag in diesem Haus über einen Vergabebericht befinden sollen, einen rechtswidrigen Vergabebericht, der vom Minister vorgelegt wurde, den die Koalition mit ihrer Mehrheit in diesem Hause durchpeitschen möchte. Das ist für mich eben der Grund zu sagen: Auch die neue Staatsregierung hat aus den Fehlern der alten Staatsregierung nichts gelernt.

Wenn wir uns den Rechnungshofbericht zum Jahr 2004 anschauen und nur den Bereich Gutachten betrachten und sehen, wie die Staatsregierung hier Aufträge für Gutachten mit einer Steigerung innerhalb eines Jahres von 1,2 Millionen auf über 5,0 Millionen Euro ohne Ausschreibung erteilt, obwohl sie ausschreibungspflichtig gewesen wären, dann muss man sagen, die Staatsregierung hat nichts gelernt. Es geht eben nicht um Transparenz. Es geht eben auch nicht um Vergabe, wie wir das immer wieder in Form von Lippenbekenntnissen hören. Nein, es geht eben darum, dass man im alten Trott weitermacht.

Wenn man versucht – das wurde auch schon angesprochen, Herr Petzold –, im Ausschuss zu Lösungen zu kommen, wird man einfach abgeblockt. Das war auch mein Anliegen in der letzten Ausschusssitzung. Die Koalitionsmehrheit stimmt einfach rechtswidrige Dinge durch. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie appellieren, in Ausschüssen Sacharbeit zu leisten, während Sie

mit Ihrer Mehrheit in Ausschüssen diese Sacharbeit blockieren.

(Beifall bei der FDP, der PDS, den GRÜNEN und vereinzelt bei der NPD)

Wir sollten uns in diesem Hause gemeinsam darüber Gedanken machen, wie wir mit Fehlentwicklungen im Bereich der Staatsregierung umgehen. Wenn offensichtliche Fehler vorliegen, die von den Regierungsfraktionen auch eingestanden werden, dann sollten wir als Parlamentarier den Mut haben, diese Dinge zu benennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Aktuellen Debatte zum Thema „Verschleuderung von Steuergeldern im Bereich des Wirtschaftsministeriums“ stellt sich für mich als Erstes die Frage, ob es hier vorrangig um historische Materie geht, die wir besser den Geschichtsschreibern überlassen, oder aber ob es sich um einen Gegenstand von echter Aktualität handelt, auch insofern, als hier politische Schlussfolgerungen gezogen werden müssen. Zum Thema Gutachtenvergabe durch das SMWA haben wir am Freitag ausführlich Zeit zum Gedankenaustausch, weshalb ich dieses Thema heute ausklammern möchte. Die Angelegenheit Werkstoffunion Lippendorf GmbH brennt mir nicht so sehr unter den Nägeln, sie ist ja noch gerichtsanhängig. Die Millionen sind perdu, und den Rücktritt von Herrn Schommer zu fordern bringt auch keine Punkte mehr.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Aber, Herr Staatsminister Jurk, Sie haben mit der Übernahme des Ressorts Wirtschaft und Arbeit eine große Verantwortung übernommen, und das nicht nur in Bezug auf die Förderung der sächsischen Wirtschaft. Die Jahresberichte des Sächsischen Rechnungshofes offenbaren, dass Sie in Ihrem Haus noch vor schweren Aufgaben stehen. Nehmen wir einmal das Beispiel der Förderung der Rennstrecke am Sachsenring. Meine Damen und Herren, mir ist sehr wohl bewusst, dass dieser Traditionskurs eine hohe Bedeutung für das Marketing des Freistaates hat,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

denn die Veranstaltungen finden zum Teil weltweite Beachtung. Nicht bewusst war mir, wie unprofessionell hier bei Planung und Steuerung des Projektes vorgegangen wurde und wie viele Steuermillionen in den Sand gesetzt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Fritz Hähle, CDU: Dort gibt es keinen Sand, das ist alles Lehm!)

Lassen wir den Rechnungshof mit seinem Jahresbericht zu Wort kommen: „Baumaßnahmen wurden zum Teil

wieder rückgängig gemacht, Fehlinvestitionen von 3,7 Millionen Euro waren die Folge. Mit dem zweckwidrigen Einsatz von Straßenbaumitteln wurde gegen Bundesrecht verstoßen und über Haushaltsmittel des Freistaates ohne Genehmigung verfügt.“ Auch im Fall Sachsenring kommt der Rechnungshof anschließend zu der Feststellung: „Die Rechtsaufsichtsbehörde hat zu prüfen, ob ggf. strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen könnten.“

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister, wir können das jetzt fortsetzen: ob beim Bau von Spaßbädern, bei einzelbetrieblicher Förderung, wo den geförderten Unternehmen über die Jahre hinweg 33,23 Millionen Euro rechtswidrig vorenthalten wurden, oder am Freitag zum Thema Gutachtenvergabe. Der Vorwurf der PDS-Fraktion, dass im SMWA Steuergelder verschleudert wurden, findet in den Berichten des Rechnungshofes leider häufig Nahrung.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der PDS)

Ich darf daher zu meiner Ausgangsfrage zurückkommen: Sind politische Schlussfolgerungen zu ziehen? Ja, meine Damen und Herren, dem zuständigen Minister obliegt es zunächst, dafür Sorge zu tragen, dass die Fehler der Vergangenheit vermieden werden, Recht und Gesetz beachtet und sorgsam mit Steuermitteln umgegangen wird. Bei den vielen Milliarden, die in der Vergangenheit in der Obhut des SMWA verausgabt wurden, sei es in Eigeninvestitionen oder in Förderung Dritter, können natürlich auch Fehler auftreten. Schaut man aber auf die Vergangenheit, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in diesem Ministerium häufig nach Gutsherrenart verfahren wurde. Verjährungsfristen, Rückzahlungsansprüche, strafrechtliche Relevanz – sehr geehrter Herr Minister, tragen Sie Sorge dafür, dass im Rahmen der Haushaltsbewirtschaftung in Ihrem Hause diese Begriffe bei der Prüfung des Rechnungshofes künftig keine Verwendung mehr finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Wird von der Fraktion der PDS das Wort gewünscht? – Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pecher, Sie haben gefragt, was an der Debatte aktuell ist. Ich nehme an, Sie haben auch die Veröffentlichungen gelesen. Neu ist zum Beispiel der millionenschwere Vergleich, der bisher geheim gehalten worden war. Kollege Weichert, es geht natürlich nicht um Geschichtsschreibung, sondern um das Ziehen von Konsequenzen, und der Minister soll die Möglichkeit haben, hier zu sagen, welche Konsequenzen er bisher gezogen hat. Wenn ich mir insbesondere die Rede von der CDU-Fraktion anhöre, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einigen nicht um Aufklärung geht. Sie wollen gar nicht wissen, was gewesen ist. Sie wollen möglichst den Mantel des Schweigens darüber decken. Genau da werden wir nicht mitmachen!

(Widerspruch des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Wir möchten, dass aufgeklärt wird, Herr Kollege Hähle.

Lassen Sie mich, wie vorhin angekündigt, noch einmal auf den Sachsenring-Untersuchungsausschuss und den ZMD-Deal zurückkommen, den wir im Jahr 2004 nicht vollständig aufklären und beenden konnten. Der Untersuchungsausschuss konnte diese Arbeit aus zwei Gründen nicht abschließen. Zum einen verfiel der Einsetzungsbeschluss mit dem Ablauf der Legislaturperiode in die Diskontinuität. Dies war auch ein Grund dafür, weshalb wichtige Zeugen nicht mehr befragt werden konnten. Zum anderen waren durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses und – das füge ich hinzu – durch die lobenswerte Tätigkeit der Antikorruptionseinheit INES inzwischen mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die das Ziel verfolgten, die Verantwortlichen auch juristisch zur Rechenschaft zu ziehen. Diese 2004 eingeleiteten Ermittlungsverfahren hatten jedoch auch einen Nachteil für die parlamentarische Opposition: Sie ermöglichten es nämlich sämtlichen Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und auch des Finanzministeriums, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß Strafprozessordnung Gebrauch zu machen. Dies war der Grund dafür – weil diese Ermittlungsverfahren immer noch laufen –, dass wir in der neuen Wahlperiode den Untersuchungsausschuss nicht wieder eingesetzt haben.

All dies ändert aber nichts daran, dass die Vorgänge aufgeklärt werden müssen. Für uns – das füge ich hinzu – besteht kein Zweifel daran, dass im Fall Sachsenring Steuergelder für Wahlkampfzwecke der CDU missbraucht worden sind. Auch die Vorwürfe im Zusammenhang mit der so genannten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft QMF sind und bleiben ungeheuerlich. Die Gesellschaft war eine Tarnorganisation zur Umverteilung von ESF-Mitteln in zweistelliger Millionenhöhe.

(Widerspruch des Abg. Heinz Eggert, CDU)