Protocol of the Session on May 20, 2005

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Über dieser grundsätzlichen Kritik vergessen wir keineswegs, dass die nazistischen Aufmärsche und die dahinter steckende menschenfeindliche Ideologie der eigentliche Kern des Problems sind.

(Beifall bei der PDS – Kerstin Köditz, PDS: Genau!)

Ihm sollten sich die demokratischen Kräfte nach Möglichkeit gemeinsam und zugleich offensiv stellen. Den Stopp der Neonazidemo vor dem Gewandhaus am 1. Mai betrachtet die PDS durchaus als einen Erfolg dieses offensiven zivilgesellschaftlichen Protestes. Der Ort des Widerstandes besaß im Übrigen einen gewissen Symbolgehalt. Um ihn zu verstehen, muss zunächst erwähnt werden, dass mit Torsten Heise erstmals ein prominenter NPD-Funktionär Worch und seinen Spießgesellen die Kampfesgrüße der Neonazipartei ausrichtete – besser gesagt: herausbrüllte. Es war daher akustisch nicht zu verstehen, ob Heise in seiner Suada vis-a-vis vom Gewandhaus auch auf die Kleine Anfrage von Uwe Leichsenring zur Durchführung und Auflösung von Skinheadkonzerten in Sachsen, Drucksache 4/1160, einging, in der sich der Parlamentarische Geschäftsführer der NPD-Fraktion zu folgendem Vergleich verstieg – ich zitiere: „Da bisher noch keine Konzerte von Kreuzchor, Gewandhaus oder Philharmonie aufgelöst wurden, liegt der Schluss nahe, dass Skinheadkonzerte aus politischen, nicht aus strafrechtlichen Gründen aufgelöst werden.“

(Uwe Leichsenring, NPD: Wie wahr!)

Im Grunde muss man Ihnen, Herr Leichsenring, für diese perfide Gleichsetzung dankbar sein, denn sie eröffnet einen Blick in den tiefen Abgrund der Kulturbar

barei, die der NPD wie jeder faschistischen Bewegung naturgemäß innewohnt!

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

Darüber können Ihre angestrengt bürgerlichen Umgangsformen nicht hinwegtäuschen. Im Übrigen kamen auch Hitler und Goebbels seinerzeit bei Bedarf in Frack und Zylinder daher.

Die geistigen Vorläufer der NPD entfernten im Herbst 1936 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das vor dem damaligen Gewandhausgebäude stehende Denkmal des jüdischen Musikers Felix Mendelssohn Bartholdy. Der Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler trat daraufhin aus Protest zurück und schloss sich der Widerstandsbewegung gegen Hitler an.

(Zuruf von der NPD: Was hat das denn damit zu tun?)

Im Januar 1945 wurde er wegen seiner Teilnahme am Attentat vom 20. Juli 1944 von den Nazis hingerichtet. Das Andenken an Goerdeler wird heute parteiübergreifend in Leipzig geehrt.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! Die geistigen Erben seiner Mörder sitzen hier im Saal und träumen davon, wieder an die Macht zu gelangen. Ihre wiederholten Aufmärsche verstehen sie als Kampf um die Straße, der sie diesen Zielen näher bringen soll.

(Jürgen Gansel, NPD, tritt erneut ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nutzen wir daher auch künftig alle friedlichen und demokratischen Protestmöglichkeiten – dann möglichst mit Unterstützung der drei Gewalten –, dass die Nazis bei ihrer nächsten Demonstration in Leipzig wieder frühzeitig gestoppt werden –

Herr Dr. Külow, bitte zum Schluss kommen.

– möglichst noch vor Erreichen des Gewandhauses. Die PDS wird sich daran aktiv beteiligen.

(Starker Beifall bei der PDS – Holger Apfel, NPD, wendet sich an den Präsidenten.)

Meine Damen und Herren! Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Weihnert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Demokraten! Es ist doch egal, wie sie heißen

ob Worch oder Apfel, ob Voigt oder Müller –, sie wollen doch alle nur das eine: die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik nutzen, um diese grundsätzlich zu stürzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ich darf aus dem NPD-Parteiprogramm zitieren: „Die Wiederherstellung Deutschlands ist mit der Vereinigung der Besatzungskonstruktion BRD und DDR nicht erreicht. Deutschland ist größer als die Bundesrepublik.“

Ein zweites Zitat von Herrn Voigt, Bundesvorsitzender, in der „Jungen Freiheit“ am 24. September 2004: „Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor 15 Jahren die DDR abgewickelt hat.“

(Holger Apfel, NPD: Was hat das mit dem Polizeieinsatz zu tun?)

Meine Damen und Herren, genau dasselbe hat Herr Worch am 2. Mai im MDR verbreiten lassen: „Von Leipzig aus wurde schon einmal ein System gestürzt. Das wird auch wieder gelingen.“

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich allen Demokraten danken, die nicht müde werden, diesem Gedankengut entgegenzutreten,

(Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

ob mit oder ohne Polizeiuniform, ob in Leipzig, Berlin oder anderen Orten Deutschlands oder Europas. Es wird weder den Rechten noch autonomen Chaoten gelingen, uns auseinander zu dividieren.

Ich möchte allen Verletzten von hier aus beste Genesung wünschen.

Meine Damen und Herren, politische Auseinandersetzung mit dem rechten Gedankengut kann nicht nur hier im Plenum erfolgen. Viele Initiativen, auch private Personen und Kirchen unterstützen uns dabei.

Auch Leipziger und Leipzigerinnen scheuen nicht die politische Auseinandersetzung. Das alljährliche Konzert gegen Rechts am Vorabend des 1. Mai ist eine Erfolgsgeschichte geworden und bereits eine Institution. Ich möchte allen danken, die ständig und immer wieder bereit sind, dies mitzugestalten, mit vorzubereiten und dort gegen Rechts anzutreten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Genau wie wir Demokraten im Sächsischen Landtag immer wieder unsere Mittel und Wege in der Auseinandersetzung mit Nazis überprüfen, so werden es die Leipzigerinnen und Leipziger und alle Verbündeten und Demokraten tun, um Nazis in Leipzig entgegenzutreten.

Meine Damen und Herren, wir haben es 1989 gewaltfrei geschafft, unsere Probleme zu lösen und eine Zukunft aufzubauen. Wir werden es jetzt in Leipzig schaffen, gewaltfrei mit Worch & Co. umzugehen und auch dieses Problem zu lösen. Wir wollen nicht, dass Leipzig zum Tummelplatz von Krawallchaoten wird. Dagegen verwahre ich mich als Leipzigerin. Solche Leute und ihre

Gesinnungsgenossen, weder die einen noch die anderen, haben in Leipzig nichts zu suchen. Wir wollen sie nicht!

Der Verlauf des 1. Mai in Leipzig hat allerdings auch gezeigt, dass trotz sorgfältiger Vorbereitung bei den demokratischen Veranstaltern, der Stadtverwaltung und der Polizeibehörde vor Ort situationsbezogen neu bewertet und auch gehandelt werden muss. Gleichzeitig ist es durchaus legitim, hinterher konkretes Handeln auszuwerten oder zu hinterfragen. Natürlich ist das Grundgesetz einzuhalten. Selbstverständlich ist jeder Verletzte einer zu viel. Sicher ist in der konkreten Situation vieles abzuwägen. Von einem Polizeiführer wie auch von Demokraten vor Ort wird auf der Straße viel abverlangt. Trotzdem hat auch meine Fraktion Nachfragebedarf und sie wird es in geeigneter Form tun.

Wie konnte es zu dieser komplizierten Situation am Augustusplatz kommen? Darauf sind bereits viele Vorredner eingegangen. Es war schwierig für die Polizei und auch den demokratischen Veranstalter. Was passierte in der Schillerstraße in Höhe Moritzbastei eigentlich konkret? Was genau war an der Münzgasse bis zum Volkshaus los? Wir sind alle nicht unfehlbar, meine Damen und Herren, aber einig in einer Sache: im Kampf gegen Rechts.

(Beifall bei der SPD, der PDS und der Staatsregierung)

Bitte zum Schluss kommen.

Deshalb helfen uns Schuldzuweisungen nicht. Wir schließen uns – mir bleiben jetzt nur noch diese kurzen Worte – in dem Fall der GdP an, die sagt, es muss Sachlichkeit in diese Debatte gebracht werden, um zukünftige Veranstaltungen noch besser vorzubereiten, damit uns Rechts nie wieder bedrücken wird. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir nun die Tränen etwas abgewischt haben, wollte ich Ihnen sagen, dass heute ein besonderer Tag ist, ein besonderer Tag deshalb, weil ich Sie, Herr Präsident, den Herrn Innenminister, Sie alle im Saal, auch die Gäste auf der Tribüne auf eine gemeinsame rechte Demonstration einladen möchte. Virtuell natürlich. Wir haben dabei Gelegenheit, über Unverhältnismäßigkeiten zu sprechen. Da ich laut Geschäftsordnung nur 5 Minuten reden darf, muss ich das in zwei Teile zerstückeln. Es wird eine typische Demonstration sein, wie sie seit 15 Jahren auch in diesem Teil Deutschlands abläuft. Sie wird erst verboten, dann per Gericht wieder genehmigt. So läuft das jedes Mal. Ich denke, da haben wir schon die erste und schlimmste Unverhältnismäßigkeit, werte Demonstrationsteilnehmer, nämlich die Unverhältnismäßigkeit der systematischen Unterdrückung eines Grundrechts, des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit.

Die zweite kommt sogleich oder besser gesagt, hat schon während des versammlungsrechtlichen Verfahrens eingesetzt. Sie besteht darin und ist rechtsstaatlich sehr fragwürdig, dass so genannten Antifaund autonomen Gruppen erlaubt wird, völlig offen gegen die nationale Demonstration eine militant-gewaltbereite Drohkulisse aufzubauen. Da darf man ganz öffentlich zu Straftaten aufrufen, denn das Verhindern einer genehmigten Demonstration ist immer noch eine Straftat. Wer sich die Mühe macht, einmal die einschlägigen Internetseiten anzusehen, wird diese Passagen finden.

Diese Drohkulisse wird gern von den Behörden instrumentalisiert, um nach dem Polizeiaufgabengesetz die Demonstration zu verbieten. Ich hoffe nicht, dass im Landtag auch nur ein Einziger ist, – –

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