Protocol of the Session on May 20, 2005

Ich hoffe, dass wir vor diesem Hintergrund auch dazu kommen, dass wir dem dringend notwendigen Schuldenabbau der öffentlichen Hand ein Stück näher kommen. Glückauf und toi, toi, toi dafür.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile der SPD das Wort. Wird das gewünscht? – Herr Brangs.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema lautet „Zum Stand der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst und insbesondere im Schulbereich“. Zum Schulbereich möchte ich am Ende kommen, zunächst einmal zur Situation im öffentlichen Dienst. Das Echo auf den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst war selten so einhellig wie im Februar dieses Jahres. Ich habe ein paar Zitate mitgebracht. Es wurde von „einem großen Wurf“ gesprochen. Es wurde von „einem historischen Werk“ gesprochen. Es wurde von „einem Meilenstein“ gesprochen. Das waren Zitate nicht aus Blättern, die der Gewerkschaftspresse nahe stehen, sondern das waren Zitate unter anderem aus dem „Handelsblatt“.

Das „Handelsblatt“ sagt – ich zitiere –: „Es ist ein Sieg der Vernunft. Zudem eröffnet der Abschluss auch die Chancen für einen Wandel, der dem Ziel der Entbürokratisierung womöglich mehr dient als alle Gesetze zum Bürokratieabbau.“

Der „Tagesspiegel“ sagt: „Ein fairer Kompromiss, der auch die Modernisierung eines Tarifrechts bedeutet, das die Arbeits- und Einkommensbedingungen vieler Millionen Menschen regelt, und zwar für viele besser als zuvor.“

Ich könnte die Zitate fortsetzen, will das aber nicht tun.

(Dr. André Hahn, PDS: Andere sehen das anders!)

Weil die Welt nun einmal anders ist. Sie ist nicht so einfach, wie man sie sich vielleicht von Zitaten aus Zeitungen ablesen könnte.

In der Tat steht die Frage an: Wie verhält sich Sachsen zur Übernahme dieses Tarifergebnisses? Da ist es im Moment so, dass es dazu keine Position gibt. Es ist nicht geklärt, wie sich die Staatsregierung verhält. Auch die Diskussion innerhalb der Koalition hat dazu überhaupt noch nicht die Qualität erreicht, um hier etwas dazu zu sagen.

Was wir aber gemeinsam erklären können – das hoffe ich zumindest auch für unseren Koalitionspartner –, ist die Tatsache, dass wir einen öffentlichen Dienst wollen, der vor allen Dingen Leistung fördert, der effizient ist, der für junge Menschen attraktiv ist und der auch Nachwuchskräfte ausbildet. Ich hoffe, dass wir zumindest in diesem Ziel übereinstimmen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Vor allem glaube ich, dass das notwendig ist, weil wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger genau diese Punkte klären müssen.

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist richtig!)

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst hat natürlich für den Bereich der Kommunen und auch des Bundes einen Teil dieser Gerechtigkeit für die Beschäftigten hergestellt. Er hat dazu geführt, dass es ein vergleichbar einfaches Vergütungssystem gibt. Er hat vor allem auch dazu geführt, dass es die Statusgrenzen zwischen Arbeitern und Angestellten nicht mehr gibt. Er hat für junge Leute im Bereich der Berufseinsteiger wichtige tarifliche Elemente. Er hat das, was wir als Sozialdemokraten in der Frage der Auseinandersetzung gefordert haben: Er belohnt Leistung und schafft auch Spielräume für Arbeitszeiten. Er macht vor allem Familie und Beruf besser miteinander vereinbar.

Das sind wichtige Punkte dieses Tarifabschlusses. Aber noch einmal: Dazu gibt es keine abschließende Stellungnahme. Doch ich denke, dazu werden wir kommen.

Was wir allerdings auch bei diesem Thema berücksichtigen müssen, ist die Frage, wie wir mit einem Tarifergebnis, das für den Bereich des Bundes und den Bereich der Kommunen einen Abschluss getätigt hat, für Sachsen umgehen. Insofern muss ich meinem Vorredner Recht geben: Es geht natürlich um die Finanzierbarkeit

eines solchen Abschlusses. Es geht auch darum, ob wir im Rahmen unserer Haushaltsdebatte, im Rahmen unserer finanziellen Spielräume, im Rahmen unserer Verantwortung, die wir haben, dazu überhaupt etwas sagen können, weil Tarifverhandlungen nicht Aufgabe des Parlaments sind, sondern sie sind Aufgabe der Tarifvertragsparteien.

So sehe ich es natürlich auch bei der Situation, wie wir sie im Moment an unseren Schulen vorfinden. Da macht es wenig Sinn, hier aus dem Landtag heraus ein Signal zu geben oder sich gar in diese Verhandlungen einzumischen.

(Dr. André Hahn, PDS: Wenn der Minister nicht handelt!)

Es gibt natürlich tatsächlich ein Problem, und zwar das der Finanzierung. Wir haben auch ein Problem – darauf wird sicherlich der Kultusminister, nehme ich an, eingehen – mit den Schülerzahlen. Aber wir haben natürlich auch die Situation, dass im Moment eine hoch emotionalisierte Debatte zum Thema Bildung in den Gemeinden, Städten und Landkreisen stattfindet. Die Frage der Betreuung von Schülerinnen und Schülern ist natürlich eine andere Frage als das Abarbeiten von Verwaltungstätigkeiten.

Aber – und das will ich an der Stelle sagen – man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass wir bereits seit 1993 in Sachsen tarifvertragliche Regelungen im Bereich der Kommunen haben, wo im Rahmen von Beschäftigungssicherung durch den Verzicht auf Arbeitszeit, das heißt also Verzicht auf Lohn und Gehalt, Kündigungsschutz einhergeht. Bereits seit 1993 fallen Beschäftigte unter Tarifverträge, die eine Reduzierung des Lohnes und des Gehaltes zur Folge haben. Es sind rund 40 000 Beschäftigte bei den Kommunen, die solche tarifvertraglichen Regelungen im Rahmen der Beschäftigungssicherung bereits erleiden. Insofern appelliere ich natürlich auch an die Tarifvertragsparteien, –

Bitte zum Schluss kommen.

– sich dieses Problemfelds bewusst zu werden und vor allem natürlich zur Kenntnis zu nehmen, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, allen Interessengruppen gerecht zu werden. Es geht um den öffentlichen Dienst und es geht um die Zukunft des Freistaates. Es geht natürlich auch um die Zukunft der Schülerinnen und Schüler. Aber wir müssen es als Gesamtproblem betrachten und nicht als Insellösung. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zum Jahre 2009 sollen nach den Plänen der Staatsregierung insgesamt zirka 7 500 Lehrerstellen in Sachsen abgebaut werden, allein über 4 700 Stellen an Mittelschulen und Gymnasien sol

len wegfallen. Darüber hinaus sollen weitere 150 Mittelschulen und 15 Gymnasien in Sachsen geschlossen werden. – So weit die Pläne der Staatsregierung, welche immer wieder mit einem dramatischen Geburtenrückgang in Sachsen begründet werden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wehrte sich anfangs dagegen, überhaupt Tarifverhandlungen in dieser Angelegenheit aufzunehmen. Es ist mehr als legitim, wenn man nach den Behauptungen von Herrn Flath, dass ein Stellenabbau unvermeidlich wäre, erst einmal Personalentwicklungskonzepte seitens der Staatsregierung einforderte. Anstatt in dieser Phase Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, war wieder einmal das Motto der Staatsregierung: Wenn nicht mit den Betroffenen, dann eben gegen diese!

Somit ging die Staatsregierung erst einmal auf Konfrontationskurs und drohte unverhohlen mit Kündigungen im Mittelschul- und Gymnasialbereich. Diese Drohkulisse verfehlte ihre Wirkung nicht und machte die Gewerkschaft verhandlungsbereiter. Doch schon damals war aus Arbeitnehmerkreisen zu hören, dass man sehr skeptisch sei, in dieser Frage einen Tarifvertrag abzuschließen. Die Bedingungen der Staatsregierung wurden als völlig inakzeptabel bezeichnet, und dies ist auch nicht besonders weit hergeholt. Immer wieder behauptet die Staatsregierung, einen angeblichen Lehrerüberhang zu haben. Den Beweis ist sie bis heute schuldig geblieben.

Außerhalb des grünen Tisches des Staatsministers sieht es tatsächlich etwas anders aus. Das von der Staatsregierung vorgesehene bildungspolitische Kahlschlagprogramm sieht bis zum Jahre 2010 nur noch 62 % Unterrichtsverpflichtung vor. Die Ergebnisse sind heute schon absehbar: Weite Schulwege, fehlende außerunterrichtliche Angebote und eine unzureichende individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler aufgrund großer Klassen sind die Segnungen des Konzepts der Staatsregierung und verschlechtern damit vor allem die Chancen der sächsischen Absolventen auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt.

Dem andauernden Stundenausfall kann damit ebenfalls nicht abgeholfen werden, was eigentlich das Ziel der Politik sein sollte.

Insgesamt sind die Situation und die Stimmung in dieser Frage alles andere als entspannt und zukunftsweisend zu bezeichnen. Zu Beginn der Tarifverhandlungen hat Staatsminister Flath von den Gewerkschaften gefordert, dass sie sich bewegen sollten. Sie haben Kompromissbereitschaft gefordert. Wenn Sie Verständnis von den Betroffenen für Ihre Radikalkur erwarten, dann treten Sie bitte erst einmal den Beweis an, dass es rund 1 800 Lehrer an den Mittelschulen und rund 1 100 Lehrer an Gymnasien in Sachsen zu viel gibt. Diesen überzeugenden Beweis sind Sie bis heute schuldig geblieben.

Ein Geburtenrückgang allein belegt noch lange keinen Lehrerüberschuss. Ich kann der Staatsregierung nur empfehlen, erst einmal die eigenen Hausaufgaben zu machen, bevor man von den Betroffenen Verständnis für derartige Einschnitte erwartet.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir heute eine Debatte über die Tarifauseinandersetzungen in den letzten Tagen erleben, die eine extreme Schärfe aufweist, hat seinen Grund nicht in zurückgehenden Schülerzahlen, sondern ich glaube, dass wir die Debatte deshalb in dieser Form erleben, weil die Ursachen durch das Verhalten der Staatsregierung hausgemacht sind. Ich möchte voranstellen, dass wir natürlich aufgrund weniger Schüler auch darüber nachdenken müssen, wie wir Tarifverträge und Lehrerarbeitsplätze gestalten. Es gibt ohne Zweifel einen Handlungsbedarf auf der tariflichen Ebene. Man muss darüber nachdenken, auch die Zeiten abzusenken. Das sage ich auch als Vertreter einer Oppositionsfraktion.

Eines ist aber auch klar, meine Damen und Herren: Wenn wir mehr Qualität in der Bildung wollen – das ist das, was gerade die SPD anspricht, auch Herr Colditz spricht es an –, dann wird dies kaum ohne ein zentrales Element in unserem Schulsystem funktionieren: Das sind motivierte und topp qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer. Wenn wir diese demotivieren, werden wir nicht mehr Bildungsqualität in Sachsen erreichen.

(Beifall bei der FDP, der PDS und der SPD)

In diesem Zusammenhang halte ich das Vorgehen der Staatsregierung gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern und den Umgang, der zum Teil vor allem über die Medien geäußert wird, für schlichtweg nicht akzeptabel. Wer den Lehrern die Pistole auf die Brust setzt, wer in einem rüden Umgangston mit ihnen umgeht, darf auf der anderen Seite nicht erwarten, dass Gewerkschaften verhandlungsbereit sind. Das ist doch völlig klar.

(Beifall bei der FDP, der PDS und der SPD – Frank Kupfer, CDU: Das beruht aber auf Gegenseitigkeit!)

Meine Damen und Herren! Ich halte den Umgang mit den Lehrern weder für politisch klug noch für taktisch sinnvoll, noch für menschlich anständig. Das hat leider – das sage ich auch – ein Stück weit Tradition im Kultusministerium. Wenn ich mich an die Vorgänger des jetzigen Kultusministers erinnere, dann erinnere ich mich sinngemäß an solche Worte wie „Lehrer sind faule Säcke, sie bringen keine Leistung, sie sind eigentlich fast überflüssig.“ Da muss man sich doch nicht wundern, dass der Frust in den Lehrerkollegien massiv ist und dass jetzt zum Streik gegriffen wird, um sich entsprechend zu wehren.

Was die Regierung vorschlägt, ist im Zweifelsfall für den Einzelnen eine echte Zumutung, denn 62 % bedeuten mindestens 500 Euro weniger. Ich frage mich manchmal, wie motiviert denn die Mitarbeiter im Kultusministerium wären, wenn sie 38 % Einkommenseinbußen hätten, und ob diese dann noch motiviert und fleißig bei der Arbeit wären. Ich kann mir das kaum vorstellen.

(Dr. André Hahn, PDS: Die würden schon bei 80 % nicht mehr arbeiten!)

Was wir derzeit erleben, zeigt auch die Grenzen des Systems einer zentralen Lehrerzuteilung auf. Das ist sicherlich nicht nur eine Frage der aktuellen Tarifverhandlungen, sondern generell die Frage, wie wir mit Tarifverträgen im öffentlichen Dienst umgehen. Wir können uns vorstellen, dass die Personalhoheit vom Land auf die Kommunen übergeht – diese müssen natürlich die entsprechenden Ressourcen dafür haben –, dass aber auch den Schulen am Ende mehr Mitspracherecht beim Personaleinsatz gegeben wird. Die zentrale Lehrerzuteilung ist in ihren Möglichkeiten beschränkt und wird immer nur dazu führen, dass an irgendeiner Stelle der Mangel verwaltet wird.

(Beifall bei der FDP)

Was mir dabei völlig fehlt, ist eine Differenzierung nach Leistung. Wir wissen, es ist überall so, es gibt gute und schlechte Mitarbeiter in allen Unternehmen, und es gibt vermutlich auch in diesem Haus gute und schlechte Abgeordnete.

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Doch es gibt keinerlei Anreizsystem, mit dem die Leistungen von guten Lehrerinnen und Lehrern belohnt werden, im Umkehrschluss auch schlechte sanktioniert werden.

Deshalb, meine Damen und Herren, Gleichmacherei hilft uns hier nicht weiter!