Ausländische Billigarbeiter, gepaart mit einem immer schärferen Standortwettbewerb, üben einen solch großen
Wir haben in einigen Bereichen, Frau Lay, zum Beispiel im Reinigungsgewerbe, in der Gastronomie oder im Wachgewerbe, eine verheerende Lohnsituation, und hier muss dringend eine Auffangleine geboten werden.
Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und die Ausdehnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes können zum Teil dazu beitragen, aber ich sage ausdrücklich: nur zum Teil.
Eine verantwortungsvolle Arbeitsmarktordnung sollte drei Kriterien erfüllen: Schutz vor Lohndumping, branchendifferenzierte Mindestlöhne und die Berücksichtigung der Tarifautonomie.
Dennoch stellt sich das Problem, welche Bedeutung den Tarifparteien unter den globalen Rahmenbedingungen überhaupt noch beizumessen ist. Lassen sich Arbeitnehmerinteressen noch vernünftig gegen Kapitalinteressen durchsetzen?
Wie verhält es sich mit den nicht von Tarifparteien erfassten Bereichen? Hier, meine Damen und Herren, stellt sich tatsächlich die Frage: Ist ein angemessenes Lohngefüge ohne Mindestlöhne auf der Grundlage der Tarifautonomie überhaupt noch möglich?
Meine Damen und Herren! Das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen hat den Zweck, den wettbewerblichen Verdrängungsprozess auf dem Arbeitsmarkt aufzuhalten. Es muss allerdings auch einkalkuliert werden, dass garantierte Mindestlöhne unter Umständen für ausländische Billiganbieter sogar einen besonderen Anreiz darstellen könnten, sich stärker auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu engagieren. Das hieße, wir haben die Entscheidung zwischen der Billigung des Eingriffs in unsere Sozialordnung oder wir setzen unsere Arbeitnehmer einer zunehmenden Konkurrenz ausländischer Arbeitsmassen aus.
Wenn wir es ernst meinen mit der sozialen Gerechtigkeit, dann müssen wir daher endlich auch über einen beschäftigungs- und strukturerhaltenden Schutz inländischer Wirtschaftssektoren sprechen, zum Beispiel über das nationalstaatliche Recht von Zutrittsschranken zum heimischen Markt.
Meine Damen und Herren! Zum Antrag der PDS ist zu sagen: Auch wenn für uns Nationaldemokraten die Frage nicht abschließend debattiert ist, inwieweit der Staat heute überhaupt noch Möglichkeiten besitzt, steuernd auf die Wirtschaft Einfluss zu nehmen, werden wir dem Antrag aus Sorge und Verantwortung für die im Niedriglohnsektor tätigen Sachsen zustimmen, wenngleich mit großer Skepsis.
Nicht unerwähnt, meine Damen und Herren, wollen wir allerdings auch lassen, dass das Hauptübel damit noch lange nicht gebannt ist: das Übel, das mehrere Namen trägt, zum einen den der Globalisierung und zum anderen den einer immer expansionswütigeren Europäischen Union.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor einiger Zeit hier in diesem Saal anlässlich des 8. Mai versammelt. Das war der Tag, als die NPD-Fraktion sich entschieden hatte, sich in Berlin von Demonstranten auf einem Platz festhalten zu lassen und sich gegenseitig ihre Parolen zuzuschreien. Es wäre vielleicht auch für die NPD-Abgeordneten gut gewesen, hier an diesem 8. Mai anwesend zu sein.
(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD – Holger Apfel, NPD: Wie viele Abgeordnete waren denn insgesamt da?)
Bei allen Diskussionen, die es gegeben hat, haben die Reden an diesem Tag und vor allem das beeindruckende Kulturprogramm gezeigt, wie wichtig dieser Tag ist. Wir feiern 60 Jahre Frieden in Europa. Diese Friedenssicherung hier in Europa ist zu einem erheblichen Teil der wirtschaftlichen Verflechtung zu verdanken.
Es ist die wirtschaftliche Verflechtung des EU-Binnenmarktes mit seinem freien Waren- und Kapitalverkehr und mit der daran geknüpften Niederlassungsfreiheit, mit der Dienstleistungsfreiheit und auch mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die den Frieden in Europa gesichert hat.
Wir sind uns bei der EU-Osterweiterung im demokratischen Teil dieses Hauses einig gewesen, dass wir keine Mitglieder zweiter Klasse wollten. Deshalb müssen diese Freiheiten auch für die neuen Mitglieder gelten. Wir haben Übergangszeiten geschaffen, da es Ängste gibt. Es gibt Ängste und Bedenken gerade bei den Menschen hier in Sachsen und vor allem in den Grenzgebieten. Das sind insbesondere Ängste, die den Arbeitsplatz betreffen. Ich sage: Es wäre völlig falsch, die wirtschaftlichen Freiheiten einzuschränken. Aber wir müssen die Ängste ernst nehmen. Sie entstehen dort, wo Freiheiten missbraucht werden.
Es geht hier darum, den Missbrauch der Freiheiten zu verhindern. Es geht darum, Spielregeln in der Europäischen Union einzuhalten, die faire Arbeitsbedingungen und faire Löhne betreffen.
Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass es in Europa, in Deutschland, in Sachsen möglich sein muss, von anständiger Arbeit anständig zu leben. Das heißt für uns: Es steht vor uns die Aufgabe, Armutslöhne in Deutsch
land wirkungsvoll zu bekämpfen. Aktuell steht die Ausweitung des Entsendegesetzes zur Debatte, welches im Bundestag beschlossen wurde und im Bundesrat zur Diskussion stehen wird.
Wir sehen in der Ausweitung des Entsendegesetzes eine von mehreren Möglichkeiten, gegen Lohndumping und Sozialdumping vorzugehen. Es ist eine elegante Lösung, denn sie hat drei Wirkungen.
Sie hat eine ganz nahe liegende Wirkung, denn das Entsendegesetz in seiner ausgeweiteten Form schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen. Das gilt sowohl für die inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber ihren ausländischen EU-Kollegen, das gilt aber auch für die inländischen Unternehmen in Bezug auf die europäische Konkurrenz.
Der zweite Aspekt ist, dass es selbstverständlich auch um den Schutz der wandernden Arbeitnehmer geht, um den Schutz der ausländischen Arbeitnehmer, die in Deutschland zu akzeptablen Bedingungen arbeiten können müssen.
Damit verbunden ist auch eine Stärkung des deutschen Arbeitsrechtes. Das Verbot der Ausländerdiskriminierung, das in der EU gilt, bewirkt hier eine Stärkung der inländischen Arbeitnehmer, eine Begünstigung aufgrund der Tatsache, dass wir Bedingungen schaffen müssen für unsere inländischen Arbeitnehmer, wenn wir Dumpinglöhne für ausländische Arbeitnehmer verhindern wollen.
Das Entsendegesetz ist auch deshalb ein sehr gutes Mittel, da es seit 1996 seine Bewährungsprobe bestanden hat. Ich erinnere daran, dass 1996 nicht Rot-Grün regierte. Ich gratuliere also auch der FDP und der CDU, die sich damals zu diesem Schritt entschlossen haben. Es hat seine Bewährungsprobe bestanden. Die Zahlen, die von Herrn Morlok genannt wurden, halten keiner Prüfung stand.
Ich zitiere einmal den Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie: „In der Bauindustrie wären ohne die Mindestlöhne des Entsendegesetzes mehr als 650 000 Arbeitsplätze verloren gegangen.“
Nun werden Sie sagen: Das ist wieder nicht Sachsen. Die sächsische Bauindustrie hat das in ihrem jüngsten Verbandsblatt, das Sie bestimmt auch gelesen haben, unterstrichen und betont, also diese Aussage bestätigt und dafür plädiert, dass es vernünftig wäre, die Entscheidung über Mindestlöhne in die Branchen zu legen.
Das ist vernünftig. Genau das macht das Entsendegesetz in der Form, wie es jetzt im Bundestag beschlossen wurde. Hier sind Nebelkerzen geworfen worden. Das ist kaum noch erträglich.
Es geht nicht um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn; vielmehr geht es darum, dass Tarifvertragsparteien nicht mehr nur in der Baubranche, sondern auch in anderen Branchen Regelungen treffen können. Das heißt, wir haben die Chance, dass ein bundesweites Tarifgefüge gegen Armutslöhne entsteht. Ob dieses genutzt wird, wird von den Branchen abhängen. Die Gebäudereiniger haben jetzt schon erklärt, dass sie es sofort nutzen werden, wenn es existiert.
Was ich heute in verschiedener Form als Verteufelung des Entsendegesetzes gehört habe, lässt für mich nur eine Schlussfolgerung zu: Wer dieses Gesetz auf diese Art und Weise – ich vermute manchmal gegen besseres Wissen – verteufelt, der will keine effektive Armutsbekämpfung in Sachsen und in Deutschland und will auch nicht die Zustimmung zur EU verbessern. Das ist zumindest ein ungewollter Effekt.
Überlegen Sie bitte. Wenn wir es erreichen wollen, dass die Ängste, die empfundenen Bedrohungen abgebaut werden, wenn wir die Zustimmung zu Europa erhöhen wollen, dann müssen die Menschen überzeugt sein, dass es in Europa fair und gerecht zugeht. Dazu ist das Entsendegesetz ein Beitrag.
Es ist aber nur ein erster Schritt. Es ist aus unserer Sicht wichtig, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tarife zu erleichtern. Es hat in der Vergangenheit eine Reihe von Beispielen gegeben, dass nicht nur ein Tarifpartner, sondern beide Tarifpartner die Allgemeinverbindlichkeitserklärung wollten. Aber dagegen hat sich der BDA gestellt. Wir brauchen dort eine Stärkung der Branchen. So etwas muss der Vergangenheit angehören.
Wir sind – in dem Fall wirklich im Gegensatz zur PDS, deren Antrag wir in allen anderen Punkten als in die richtige Richtung gehend empfinden – der Meinung, dass man das nicht als Verordnung erlassen kann. Wir plädieren ein weiteres Mal, wie schon seit geraumer Zeit auch in der Koalition in Berlin, für eine Neufassung des Gesetzes über die Mindestarbeitsbedingungen.
Das ist ein Weg, um armutsfeste Mindestlöhne in den Branchen herbeizuführen, in denen Verbände und Gewerkschaften schwach sind oder gar nicht existieren.