Protocol of the Session on May 19, 2005

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Darunter sind auch Länder – das möchte ich ebenfalls betonen – mit einer konservativen Regierung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

In fast allen diesen Staaten gibt es wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch eine Entwicklung, die besser ist als in der Bundesrepublik. Trotzdem wollen uns Teile dieser neoliberalen Gralshüter deutlich machen, dass das alles nicht erfolgreich sei und eine Mindestlohnregelung scheinbar das Ende der Wettbewerbsfähigkeit und auch das Ende des EU-Binnenmarktes bedeute.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

So haben wir zum Beispiel in Frankreich Regelungen von 7,61 Euro, in den Niederlanden von 7,89 Euro und in Irland von 7,00 Euro.

Zurück zu Deutschland und zurück zum Blick auf Sachsen. Wir sollten uns dem Thema nähern, indem wir zunächst ableiten, was die Kriterien sein könnten, einen bundesdeutschen Mindestlohn zur Anwendung zu bringen. Eine Möglichkeit wäre, dass wir uns die OECD-Kriterien anschauen. Demnach ist dort ein Maßstab festgelegt, dass man von Artmutslohn spricht, wenn dieser rund 50 % unterhalb des Durchschnittslohnes liegt. Für Gesamtdeutschland würde das nach den Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, WSI, bedeuten, dass die Lohnhöhe von Gesamtdeutschland ungefähr bei 7,41 Euro liegen würde und für Sachsen bei 6,00 Euro angesiedelt wäre.

Man könnte sich natürlich auch dem Thema nähern, indem man fragt, was die Gewerkschaften dazu sagen, auch wenn sie bei Teilen dieses Hauses sehr verpönt sind.

Auch zum Thema Mindestlohn gibt es eine Diskussion. Die Gewerkschaft ver.di ist im Moment in einer sehr intensiven Diskussion darüber, wie ein monatlicher Mindestlohn aussehen könnte. Zurzeit wird über eine Höhe

von 1 250 Euro diskutiert, was einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro entspricht.

Ich denke, wenn man sich dann die Zahlen anschaut, die die OECD als Armutsgrenze formuliert hat, kommen wir diesem schon sehr nah.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass mit der Öffnung des Dienstleistungsmarktes natürlich direkt eine Konfrontation der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei dem sehr unterschiedlichen Lohnniveau verbunden war. Ich denke, dass genau dieses unterschiedliche Lohnniveau in den EU-Mitgliedsstaaten dazu geführt hat, dass es gesellschaftliche Verwerfungen gegeben hat. Ich habe die Befürchtung, dass solche Tendenzen den Prozess der europäischen Integration ernsthaft belasten und sogar gefährden können. Ich denke, dass Mindestlöhne für die Harmonisierung dieses Prozesses ein geeignetes Mittel wären, um den Markt sozialverträglich zu gestalten.

Darüber hinaus könnten Sie bei der derzeitigen Massenarbeitslosigkeit – leider Gottes besteht sie auch in Teilen von Sachsen – verhindern, dass die Löhne ins Bodenlose fallen. Ich bin mir allerdings manchmal nicht ganz sicher, ob dieses Interesse, dass eben die Löhne nicht ins Bodenlose fallen sollen, hier im Hause ungeteilt vertreten wird. Bei manchen Arbeitnehmerverbänden – und wiederum bei einigen Kollegen der FDP-Fraktion – bin ich mir da nicht so sicher.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass es Ihnen vielleicht auch darum geht, dass das Überangebot von Arbeitskräften möglicherweise zur Senkung des Kostenfaktors Arbeit führen kann und damit natürlich auch die Profiterwirtschaftung auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.

(Dr. Jürgen Martens, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Kollege Brangs, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich glaube, das hat wenig Sinn. Wir sind so weit auseinander, das würde länger dauern. Wir können uns gerne einmal bei einem Bier darüber verständigen. Ich denke also: Mindestlöhne haben natürlich entscheidend mit dem Lebensstandard zu tun und vor allem damit, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Würde leben können.

(Beifall bei der SPD, der PDS und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Einen Punkt sollten wir ebenfalls nicht vernachlässigen: Mindestlöhne, gerade im Niedriglohnsektor, geben einen entscheidenden Anreiz dafür, dass die Aufnahme von Beschäftigung und somit auch die Reduzierung der Arbeitslosigkeit dabei eine große Rolle spielen können.

Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft ist letztendlich darauf angewiesen, dass das Lohnniveau einen bestimmten Grenzwert nicht unterschreitet, weil anderenfalls die Binnennachfrage – und ich bin fest davon überzeugt, dass das ein Hauptproblem unserer Wirtschaftslage ist – die Wirtschaft belastet, und sie wird weiter schwächeln. Damit werden auch entsprechende Innovationen und not

wendige Investitionen nicht getätigt. Mindestlöhne – und das möchte ich auch noch einmal sagen – werden aber nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führen, wie es uns die Kritiker immer weismachen wollen.

(Dr. André Hahn, PDS: Wie Herr Lämmel zum Beispiel!)

Denn eins ist eine unumstößliche Tatsache: In den EUStaaten, die eine Mindestlohnregelung eingeführt haben, ließ sich kein Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Einführung von Mindestlöhnen feststellen – ganz im Gegenteil.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Nun aber noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion gerichtet:

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Jetzt kommt die Koalition!)

Jetzt kommt die Koalition, so ist es! – Ich denke, ich habe eindringlich und eindeutig klar gemacht: Die Position der SPD für Mindestlöhne hat hohe Priorität. Daran halten wir fest. Aber wir haben weder vergessen, welche Forderung wir im Landtags-Wahlkampf aufgemacht haben, noch, welche sozialpolitische Verantwortung wir für das Land haben. Dennoch, das muss ich sagen, ist Politik natürlich immer der Versuch, das Maximale zu erreichen

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Und mit dem Minimalen zufrieden zu sein!)

und das Notwendige – und damit natürlich auch das Mögliche – nicht aus den Augen zu verlieren. Insofern werben wir in der Koalition weiterhin für unsere Positionen,

(Zuruf von der PDS: Aber das ist schwer!)

aber es ist natürlich sehr schwierig, uns gemeinsam diesem Thema zu nähern. Aber wir werden dranbleiben und unsere Möglichkeiten ausschöpfen.

Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle noch aufgreifen, das kann ich mir einfach nicht verkneifen: Wenn man als PDS-Fraktion schon einen Antrag stellen möchte, der darauf abzielt, eine Regelung zum Mindestlohn einzuführen, dann muss man darauf achten, dass man es im Rahmen eines Gesetzes tut und nicht im Rahmen einer Rechtsverordnung. Denn die Festlegung von bundeseinheitlichen Mindestlöhnen durch Rechtsverordnung, wie Sie das für die Tarifparteien fordern, die im Moment noch keine Allgemeinverbindlichkeitserklärung haben und bei denen eben keine Tariflöhne vorliegen, geht nach im Moment geltendem Recht nicht. Dazu brauchen wir keine Rechtsverordnung, sondern dafür bräuchten wir ein Gesetz.

(Dr. André Hahn, PDS: Machen wir auch!)

So viel zum Antrag der PDS. Wenn Sie es mir gestatten, komme ich gleich noch einmal wieder und spreche zum Antrag der FDP.

(Beifall bei der SPD)

Die NPD-Fraktion, Herr Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erneut beschäftigen wir uns hier im Landtag mit dem Thema der Mindestlöhne. Schon zweimal fanden hierzu Debatten statt und heute liegen uns wieder zwei Anträge zu diesem Komplex vor. Der Umstand, dass dieses Thema den öffentlichen Raum bestimmt, zeigt die soziale Problemlage in unserem Land. Der vorliegende PDS-Antrag ist auf den ersten Blick nicht unsympathisch, und doch stellt sich die Frage, ob damit der sozialen Misere wirkungsvoll und vor allem nachhaltig begegnet werden kann. Selbstverständlich teilen wir die grundsätzliche Forderung, dem sinkenden Lohnniveau und dem Umstand, dass selbst Vollbeschäftigte heute zum Teil unter der Armutsgrenze leben müssen, entgegenzuwirken. Natürlich sind wir der Ansicht, dass sich die Losung „Arbeit soll sich lohnen“ vor allem auf jene beziehen soll, die wirklich arbeiten, und nicht nur auf jene, die Spekulationsgewinne erwirtschaften.

Wir stellen nicht den Sinn der von der PDS genannten Instrumentarien infrage. Auch die tarifliche Entlohnung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und die Gewährung von Fördermitteln sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein. Muss man aber nicht damit rechnen, meine Damen und Herren, dass Brüssel über kurz oder lang Einwände hiergegen geltend macht? Auf dieses Problem der mangelnden Souveränität haben wir in diesem Hause mehrfach aufmerksam gemacht, und wir werden dies aufgrund Ihrer Beratungsresistenz leider Gottes noch öfter tun müssen.

Meine Damen und Herren! Das dem Antrag der PDS zugrunde liegende Anliegen ist natürlich auch unserer Fraktion ein Herzensanliegen, auch wenn Ihres weiter links und unseres weiter rechts schlägt. Es gehört zur sozialen Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass Vollzeitbeschäftigte einen würdevollen Lebensunterhalt bestreiten können, und zwar aus eigener Kraft. Eine Gemeinschaft, die dies nicht hergibt, ist keine Gemeinschaft mehr. Hier sind letztendlich auch Kombilohnmodelle, wie sie in der letzten Debatte angeführt wurden, keine wünschenswerte Lösung. Schließlich darf ein Vollzeitbeschäftigter kein Almosenempfänger sein. Das ist eine Missachtung der erbrachten Leistung.

Natürlich ist es besser, in Arbeit zu investieren als in Nichtstun, und ein beschäftigter Bürger ist auch uns zweifellos lieber als ein Arbeitsloser. Das darf aber nicht das endgültige Ziel sein. Es greift zu kurz, angesichts des gegenwärtigen Lohndumpings nur einige schwache sozialgesetzliche Pflöcke einrammen zu wollen, so wie dies die PDS will. Nein, wir müssen uns vielmehr die Frage stellen: Wie kann es eigentlich zu Lohndumping kommen, und wieso sind wir überhaupt dazu gezwungen, uns mit dieser Problematik hier auseinander zu setzen?

In der jüngsten Tagespolitik, meine Damen und Herren, durften wir wieder einmal eine Kapitalismusdebatte erleben. Eine Kapitalismusdebatte zu führen muss heute aber auch heißen, eine Globalisierungsdebatte zu führen. Solange Deutschland als Nationalstaat noch halbwegs selbstbestimmt war, gelang es, auf überschaubaren Märkten den Marktmechanismus durch einen ordnungspolitischen Rahmen sozial funktionsfähig zu erhalten.

Mit zunehmendem Verlust der wirtschaftspolitischen Selbstbestimmung aber wurde der Markt immer weniger dem grundgesetzlichen Anspruch gerecht, sozial zu sein. Die Entgrenzung des Heimatmarktes und der damit verbundene globale Verdrängungswettbewerb entkräften die ordnungspolitischen Instrumente und ihre sozialen Maßnahmen. Glauben Sie es endlich: Globalisierung und soziale Marktwirtschaft schließen einander aus!

Die PDS spricht von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung tariflicher Mindestlöhne. Wir Nationaldemokraten werden uns dem nicht verschließen. Aber wir bleiben nicht auf halbem Wege stehen. Vergessen Sie nicht, dass der Wirkungsgrad der Tarifautonomie vor allem durch die internationale Standortkonkurrenz geschmälert wird.

Die Tarifautonomie, meine Damen und Herren, sollte einen alternativen dritten Weg der Lohnfindung jenseits von Planwirtschaft und Marktwirtschaft darstellen und wird heute von einem immer zügelloseren Markt ausgehöhlt. Die Globalisierung nimmt das Zaumzeug von den Märkten, das ihnen die Nationalstaaten einst aus gutem Grund angelegt haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Manche wollen diese sozialen Zügel natürlich nicht, wie die FDP, die zu diesem Themenbereich einen eigenen Antrag beigesteuert hat.

Meine Damen und Herren! Aus der FDP-Drucksache sprechen natürlich eindeutig die Marktfundamentalisten zu uns, und der Antrag straft gleichzeitig den FDP-Fraktionsvorsitzenden Lügen, der jüngst noch bemüht war, im Rahmen der Hartz-IV-Debatte soziale Nebelkerzen in die Landschaft zu werfen.

Die NPD wird sich dem Antrag der FDP natürlich nicht anschließen. Die Protagonisten des globalen Wirtschaftsliberalismus mögen die Auswüchse der EU-Dienstleistungsfreiheit gutheißen, wir Nationaldemokraten lehnen sie aus sozialpolitischer Verantwortung natürlich ab!

Trotz der noch bestehenden Einschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit – dies wird nicht so bleiben – kommen viele Arbeiter über diese Dienstleistungsfreiheit nach Deutschland. Vor allem seit dem Beitritt der zehn neuen Länder zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 erleben wir einen massiven Verdrängungswettbewerb von Lohndrückern aus den Beitrittsländern zulasten der heimischen, deutschen Beschäftigten.

Dass dieser Ausbeutung ein Riegel vorgeschoben werden muss, hat selbst der multikulturalistische DGB schon feststellen müssen. Nur die FDP hat dies nicht begriffen oder es ist ihr schlichtweg gleichgültig, da es sich bei den Betroffenen ohnehin nicht um ihre Wählerklientel handelt.

Ausländische Billigarbeiter, gepaart mit einem immer schärferen Standortwettbewerb, üben einen solch großen