Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit bleiben die Grundlagen unserer Politik, auch der Haushaltspolitik.
Ich mache es ja auch ungern, Herr Dr. Hähle. Aber wissen Sie, was im so genannten Ahlener Programm der CDU über den Kapitalismus gestanden hat unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges?
Das weiß ich alles, aber die CDU war wenigstens so klug, dass sie sich revidieren konnte. Sie hängen immer noch an Ihren alten Thesen.
Nun zweifeln das manche an, was ich eben an Grundlagen dargelegt habe, indem sie die Begriffe wie Menschenwürde einfach umdeuten. Wir sind dahintergekommen, Herr Dr. Porsch. Sie nehmen solche Begriffe nämlich nicht als elementares Persönlichkeitsrecht, sondern Sie leiten es indirekt ab durch die soziale Lage. Das seien die wahren Rechte, auf die jeder einen Anspruch hätte: dass es keine Arbeitslosigkeit gibt, dass die soziale Unsicherheit verschwindet, Armut usw. Sicherlich ist es so, dass diese Dinge auch die Menschenwürde verletzen können.
Trotzdem bleibt es dabei, dass der Einzelne bestimmt, was seine Würde ausmacht, und nicht eine Partei, eine Ideologie oder ein Staat.
Ich betone noch einmal: Ich werde hier, so wie es in den vergangenen Jahren üblich gewesen ist, zur Generalaussprache eine politische Rede halten. Wenn Ihnen das nicht gefällt, dann können Sie ja rausgehen. Sie kommen irgendwann einmal wieder rein, das stört uns auch nicht. Aber ich werde nicht ablassen davon zu sprechen, was die Grundlagen unseres Staatswesens und dessen, was wir im Freistaat Sachsen wollen, sind.
(Beifall bei der CDU – Volker Bandmann, CDU: Nie wieder Sozialismus! – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Allezeit bereit! Parteilehrjahr für die CDU-Fraktion!)
Das ist eine Rede gegen Vernebelungstaktik. Ich rede noch einmal von Menschenwürde. Es bleibt dabei, dass der Einzelne bestimmt, was seine Würde ausmacht, und nicht eine Partei, eine Ideologie oder ein Staat.
Nun kommen wir einmal zum Punkt. Soziale Kälte und unsoziale Politik müssen wir uns indessen nicht vorwerfen lassen. Die soziale Ordnung, die einen Ausgleich zwischen Arm und Reich schafft, wird mit den für notwendig erachteten Reformen keinesfalls ad acta gelegt, sondern sie muss an neue Bedingungen angepasst werden. Wie das zu geschehen hat, darüber kann man streiten, dazu ist ein Parlament auch da. Aber die Behauptung, es gäbe in Deutschland keinen Sozialstaat mehr, ist mehr als infam.
Es gibt kaum ein Land in der Welt mit dem hier erreichten Versorgungs- und Leistungsniveau. Fast 95 % der gesamten Menschheit schauen auf diese sozialstaatliche Sicherheit in Deutschland wie auf ein Paradies, von dem man nur träumen kann. Dazu muss man sich vergegen
wärtigen, dass fast 50 % des gesamten erwirtschafteten Volkseinkommens durch den Staat gehen und jeder Bürger bald die Hälfte des Jahres für die Leistungen des Staates arbeiten muss. Einen solchen Staat kapitalistisch oder gar turbokapitalistisch zu nennen ist eine reine Vernebelung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss doch wohl erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob der Staat wirklich einen so großen Teil des Volkseinkommens verwalten und verteilen muss. Die ursprüngliche Idee der sozialen Marktwirtschaft war, allen, die unverschuldet und unverdient in Not geraten und hinter dem ökonomischen Fortschritt zurückgeblieben sind, aus dem gemeinsam erwirtschafteten Produkt einen Ausgleich zu gewähren, damit auch diese Menschen die Möglichkeit haben, ihre Rechte als Bürger eines freiheitlichen Rechtsstaates auszuüben. Ich meine, das zentrale Bemühen der Politik müsste auf die Wiederherstellung des wahren Gedankens der sozialen Marktwirtschaft gerichtet sein;
denn die Erhaltung des Bisherigen bedeutet, die Verschuldung der öffentlichen Hände, die einschließlich der Rechtsansprüche der Beamtenversorgung und Renten inzwischen die Summe von 5,6 Billionen Euro erreicht hat, weiter ins Uferlose auszuweiten. Diesen Prozess als sozial zu bezeichnen ist in Wirklichkeit weiter nichts als Verantwortungslosigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen.
Der Freistaat Sachsen will mit seiner Haushaltspolitik bewusst die Chancen der Kinder und Enkel wahren. Diesem Ziel ordnet sich vieles unter. Manches Wünschenswerte ist unter der Prämisse der Verantwortbarkeit eben nicht leistbar. Daran wird sich angesichts unausweichlich zurückgehender Staatseinnahmen, einer sinkenden Bevölkerungszahl und eines höheren Durchschnittsalters nicht viel ändern.
Dem Rechnung zu tragen, indem der Staat nicht mehr ausgibt, als er einnimmt, ist eine im besten Sinne höchst soziale Politik, die sehr wohl im nationalen Interesse liegt.
Mag sein, dass beim Stichwort „nationale Interessen“ eine Fraktion im Landtag innerlich hochspringt – äußerlich ist sie ruhig geblieben –, weil sie meint, sie seien die Einzigen, die nationale Interessen wirklich vertreten.
Auf einem anderen Gebiet – bei der beginnenden Diskussion um einen aufgeklärten Patriotismus – hat unsere Junge Union unverlangt von rechts außen Beifall und von den Linken Schelte bekommen.
Ich sehe diese Generaldebatte durchaus auch als eine Möglichkeit an, um zu diesen Themen Stellung zu neh
Herr Dr. Hähle, vielleicht hat gerade Herr Lichdi dazu eine Frage; gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Lichdi will eine Frage stellen, aber die Frau Präsidentin hat mich noch nicht gefragt. Würde sie fragen, so ließe ich die Frage zu.
Er ist doch Vorsitzender der Fraktion, oder täusche ich mich da? Er ist Vorsitzender der CDU-Fraktion; das ist doch richtig, oder haben Sie ihn mittlerweile abgewählt?
Herr Hähle, ich möchte Sie fragen: Teilen Sie die Auffassung der Jungen Union, dass der deutsche Staat, die Bundesrepublik Deutschland, nicht auf dem Begriff einer politischen Nation aufbaut, sondern auf einer Abstammungsgemeinschaft? Und teilen Sie mit mir die Auffassung, dass die Rede von einer Abstammungsgemeinschaft erstens nicht der geltenden Verfassungslage entspricht und zweitens eindeutiges völkisches und damit rassistisches Gedankengut ist?
Na gut, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie hierzu eine andere Auffassung haben, aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass nicht jeder Ihre Auffassung teilen muss. Ich würde auch zur Jungen Union gern noch etwas sagen, aber Sie lassen mich ja nicht.
Ich wollte eigentlich zuerst über unsere nationalen Interessen reden. Erstens. Deutschland hat nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges einen langen und steinigen Weg zurücklegen müssen, bis es wieder als gleichberechtigtes Mitglied im vereinten Europa anerkannt wurde und nunmehr dem Frieden in der Welt dienen kann. Wir haben die beglückende Erfahrung einer 60-jährigen Friedensperiode gemacht. Die Zusammenarbeit der Völker ist heute vom gegenseitigen Vertrauen geprägt. Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gehören zu den
selbstverständlichen, unaufgebbaren Grundwerten Europas. Dass das so bleibt, liegt im nationalen Interesse.
Einzig und allein auf dieser Grundlage sind die Vereinigung der viele Jahre getrennten Teile Deutschlands und das Ende der Trennung Europas möglich gewesen. Das lassen wir uns von niemandem kaputtmachen. Auf dieses Deutschland sind wir stolz – und nicht auf das zwischen 1933 und 1945, um Herrn Lichdi zu beruhigen.
Zweitens. Deutschland ist wie alle anderen modernen Staaten auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Arbeitsteilung, Austausch von Waren und Dienstleistungen sind Voraussetzungen unseres wirtschaftlichen Erfolges. Unser Wohlstand beruht zu einem großen Teil auf dem Export. Ausländische Firmen engagieren sich in Deutschland ebenso wie deutsche Firmen im Ausland. Das sichert und schafft Arbeitsplätze. In Sachsen sind ausländische Investoren hoch willkommen, um mitzuhelfen, den Mangel an Arbeitsplätzen zu beheben. Dazu brauchen wir berechenbare politische Verhältnisse und ein unternehmerfreundliches, weltoffenes Klima; denn wer, wenn nicht die Bevölkerung der ehemaligen DDR, kann aus eigenem Erleben die Auswirkungen einer Grenze-dicht-Politik schildern? Ein abgeschottetes, auf sich selbst angewiesenes Land kommt wirtschaftlich, technologisch und beim Lebensstandard seiner Einwohner unweigerlich ins Hintertreffen. Deshalb gehört es zum nationalen Interesse, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibt.
Drittens. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten mussten viele ihre deutsche Heimat verlassen, um drohender Verfolgung zu entgehen und um ihr Leben und das ihrer Familien zu retten. Sie waren darauf angewiesen, dass ihnen andere Staaten Asyl gewährten. Es gehört deshalb zur selbstverständlichen Pflicht, dass im demokratischen Deutschland Menschen, die in ihrem Heimatland von Krieg, Bürgerkrieg oder politischen, religiösen oder rassischen Verfolgungen bedroht sind, bei uns in Sicherheit leben können. Das Grundgesetz garantiert mit Artikel 16 das Recht auf Asyl.
Die Pflicht des Staates ist es jedoch auch, Asylmissbrauch und Missbrauch der Freiheitsrechte zu bekämpfen. Das steht dem nicht entgegen; beides liegt im nationalen Interesse.