Die Pisa-Ergebnisse haben die Bedeutung gezielter frühkindlicher Förderung deutlich gemacht. Die Vorschulund die Grundschulzeit haben Schlüsselfunktionen auch zum Ausgleich von Defiziten und wirkungsbedingten Benachteiligungen. So haben wir hier bewusst im Haushalt einen Schwerpunkt gesetzt. Von den 1 000 zusätzlichen Stellen gehen 800 in den Grundschulbereich.
Das ermöglicht bereits in diesem Jahr einerseits gegenüber dem bisherigen Teilzeitvolumen der Grundschullehrer eine Aufstockung und andererseits hoffentlich auch einen schmalen Einstellungskorridor für sächsische Absolventen. Dies kommt auch den vorschulischen Angeboten zugute und verbessert die Rahmenbedingungen für die Schuleingangsphase.
Für die Förderung junger Menschen ist auch ein vielfältiges Ganztagsangebot an unseren Schulen nicht zu unterschätzen. Wir haben deshalb im Haushalt pro Schuljahr 30 Millionen Euro für den Betrieb von Ganztagsangeboten eingestellt. Diese Mittel kommen vor allem den Schulen im Sekundarbereich I, also von der 5. bis zur 10. Klasse, zugute. Auch in den Krippen und Kindergärten, die das finanzintensivste Element der sächsischen Familienpolitik sind, stehen die Bildungschancen für unsere Kinder im Vordergrund. Hier wird der neue Bildungsplan für Kinder bis zur Einschulung wichtige Maßstäbe setzen und die Lernsituation für Kinder optimieren. Zusätzlich haben wir umfangreiche Mittel – 3,2 Millionen bzw. 7,8 Millionen Euro – für die nächsten Jahre für eine intensive Vorbereitung auf die Schule eingeplant.
Aber wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie wir gerade junge Menschen, insbesondere auch junge Akademikerinnen, die heute zu 40 % kinderlos sind, davon überzeugen können, wieder mehr Kinder zu bekommen. Wichtigster Punkt ist hier fraglos die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Unsere Spitzenwerte beim Angebot an Kindertagesstätten auch im europäischen Vergleich, auch im Vergleich zu Frankreich, sind ein zentraler Pluspunkt. Um diesen Spitzenplatz zu halten und auszubauen, werden 2005 und 2006 die Landesmittel pro Kita-Platz um über 8 % erhöht. Zudem werden wir in beiden Jahren jeweils 15 Millionen Euro für ein Investitionsprogramm zum Bau bzw. zur Sanierung von Kindertageseinrichtungen bereitstellen und damit die Landkreise und Kreisfreien Städte, deren Aufgabe dies eigentlich ist, erheblich mit Landesmitteln unterstützen.
Zweiter wichtiger Punkt für die potenziellen Eltern ist die finanzielle Seite. Dabei verzichtet eine Akademikerin
bei zwei bis drei Jahren Erwerbsunterbrechung in der Regel auf sehr viel mehr Einkommen als eine Frau mit geringerem Abschluss. Man muss darüber diskutieren, was man dagegen tun kann. Bundesfamilienministerin Schmidt hat auf dieses Problem hingewiesen und den interessanten Vorschlag gemacht, Familienunterstützung auch einkommensabhängig zu zahlen.
Wer durch die Kinder viel Einkommen verliert, soll mehr Ausgleich bekommen als jemand, der weniger verliert. Ich weiß, dass das für einige außerordentlich problematisch ist, aber auch darüber muss in dieser Gesellschaft diskutiert werden und es darf nicht alles tabuisiert werden. Die Franzosen, meine Damen und Herren, die uns so oft als Vorbild bei der Zahl der Geburten dargestellt werden, erreichen ähnliche Effekte zum Beispiel mit ihrem Familiensplitting. Wenn man über die Beispiele in anderen Ländern redet, dann darf man nicht selektiv vorgehen und nur die Punkte suchen, die einem passen, und die anderen unter den Tisch fallen lassen.
Deswegen bin ich für eine vorurteilsfreie Diskussion in der Familienpolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich ist Familienpolitik nicht ein Unterfall der Sozialpolitik. Wir unterstützen die Familien nicht deswegen, weil sie arm sind und am Rande der Gesellschaft stehen, sondern wir unterstützen die Familien, weil sie Basis unserer Gesellschaft sind.
Insoweit hat Familienpolitik sehr viel mehr Ähnlichkeiten mit Wirtschaftsförderung als mit der klassischen Sozialpolitik.
Meine Damen und Herren, der Vorschlag von Frau Schmidt konzentriert sich auf das erste Lebensjahr. Ich meine, man muss zumindest auch über das zweite und dritte Lebensjahr reden, aber das wird die Diskussion, die wir führen werden, ja bringen. Weil uns beides wichtig ist, die Möglichkeit, eine Zeit ganz für die Kinder da zu sein, und die Möglichkeit, Familie und Beruf gleichzeitig zu bewältigen, fördern wir beides. Wir liegen nicht nur in der Förderung von Kindertagesstätten im bundesweiten Spitzenfeld, sondern auch mit unserem Landeserziehungsgeld, das sich kaum noch ein Land leistet, wenn man von den ganz reichen Bundesländern West absieht.
Meine Damen und Herren, ich gebe zu, dass wir nicht alle Aufgaben auf einmal lösen können. Wichtig ist aber eine klare Vorstellung davon, welche Aufgaben die dringlichsten sind. Wir müssen uns fragen, welche Aufgaben wir zuerst lösen sollen und können. Wir müssen Prioritäten setzen, was im Bereich Wissenschaft und Bildung sehr deutlich wird. Wir legen den Schwerpunkt auf die Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Wir
steigern die Qualität der schulischen Bildung und wir unterstützen gezielt die Universitäts- und Forschungslandschaft des Freistaates. Das zeigt sich an der vollständigen Finanzierung der Hochschulvereinbarung. Der Freistaat steht zu seinem Wort gegenüber den Hochschulen, während andere Länder – ich denke da auch wieder an Berlin – die Vereinbarungen brechen.
Zusammen mit den zusätzlichen Mitteln zur Verbesserung der Studienbedingungen, also vor allem für zusätzliche Tutorenstellen und die Ausstattung der Bibliotheken, erreichen wir überdurchschnittlich hohe Ausgaben für Hochschulen. Wir liegen damit rund ein Viertel über dem Schnitt der ostdeutschen Länder. Um Ihnen die Größenordnung zu verdeutlichen: Die 772 Millionen Euro zur Finanzierung der Hochschulvereinbarung im Jahr 2005 entsprechen in etwa den Mitteln, die wir durch unsere geringe Gesamtverschuldung einsparen. Das ist der Grund, warum in den anderen Ländern nicht so viel für Bildung getan werden kann. Hätten wir uns in der Vergangenheit so verschuldet, wie es die anderen ostdeutschen Länder getan haben, dann hätte uns die Sachsendividende von mehr als 700 Millionen Euro pro Jahr nicht zur Verfügung gestanden. Das heißt, wir sind nicht nur besser als die anderen, wir können überhaupt noch gestalten, während die anderen nur noch streichen und kürzen. Das ist das Ergebnis einer nachhaltigen Finanzpolitik, und darauf können wir, Herr Porsch, auch stolz sein.
Das Gleiche gilt auch für die außeruniversitäre Forschung. Wir können weiterhin umfangreiche Landesmittel zur Kofinanzierung von Bundesmitteln und europäischen Mitteln, zum Beispiel aus dem EFRE-Programm, zur Verfügung stellen. Sie kommen den rund 50 außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Lande zugute: von den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft über die Helmholtz-Gemeinschaft bis hin zur Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz. Diese Forschungseinrichtungen sorgen für einen schnellen Transfer von Wissen in die Wirtschaft. Sie sichern einen Innovationsvorsprung für unser Land, der zukunftssichere Arbeitsplätze schafft und bestehende schützt.
Einen Schwerpunkt bildet dabei die Biotechnologie-Offensive Sachsens, denn Biotechnik und Biomedizin sind die Technologien des 21. Jahrhunderts und damit auch die Jobmotoren der Zukunft. Meine Damen und Herren, heute fällt die Fraunhofer-Gesellschaft die Entscheidung für den Standort des neuen Mittelosteuropa-Zentrums. Sollte die Wahl auf Leipzig fallen, können wir sofort starten. Im Haushalt sind die entsprechenden Mittel bereits berücksichtigt. Meine Damen und Herren, wir haben dieses Zentrum deswegen bekommen, weil wir in der Lage waren, mehr eigenes Geld zur Verfügung zu stellen als zum Beispiel unsere Mitbewerber in Frankfurt/Oder. Das ist sächsische Wissenschaftspolitik! Das ist sächsische Forschungspolitik!
Meine Damen und Herren, unsere Zukunft erwächst aber auch aus der Vergangenheit. Wir sind in der Lage, das herausragende kulturelle Erbe Sachsens nicht nur zu bewahren, sondern auch neue Akzente zu setzen. Wir können nicht nur die Sanierung des Dresdner Schlosses bis zur 800-Jahr-Feier der Landeshauptstadt vollenden, sondern stellen auch zusätzliche Mittel für das zeitgenössische Kunst- und Kulturschaffen zur Verfügung. Wir fördern langfristig die kulturelle Entwicklung in der Region durch die Verlängerung des Kulturraumgesetzes bis 2011.
„Wir bauen die Kulturhauptstadt Europas – budujemy europejska˛ stolice˛ kultury“. Görlitz hat die erste Hürde mit Bravour gemeistert. Wir von der Staatsregierung sind darüber glücklich. Frau Kollegin Ludwig und ich werden auch im weiteren Bewerbungsverfahren Görlitz aktiv unterstützen.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben doch auch hier ein Imageproblem. Wer kennt außerhalb von Sachsen Görlitz überhaupt richtig? Wir haben im Verein mit der Jury eine positive Bewertung für Görlitz erreicht, aber nur dadurch, dass die Jury zu uns gekommen ist und wir ihr klargemacht haben, welche Visionen wir mit dieser Stadt und der polnischen Stadt Zgorzelec verbinden. Unsere große Chance ist es, dies jetzt auch auf der europäischen Ebene zu dokumentieren, denn es geht nicht um die Kulturhauptstadt Deutschlands, sondern die Kulturhauptstadt Europas.
Wir nutzen unsere „Global Player“, das sind zum Beispiel die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, um überall auf der Welt für Sachsen, für die Kultur dieses Landes und seine Menschen, zu werben – gegenwärtig auf der Weltausstellung in Japan.
Meine Damen und Herren! Die vergangenen Wochen und dieser Haushalt haben bewiesen, dass diese Koalitionsregierung handlungsfähig ist. Wir haben gemeinsame Ziele für Sachsen formuliert und haben gemeinsame Wege gefunden, wie wir diese Ziele erreichen wollen. Arbeit, Bildung, Familie – das sind die drei Säulen, auf denen unsere Politik aufbaut, und dies sind auch die Themen, die die Menschen im Lande bewegen.
Wir wollen ein Sachsen, das bis 2020 wirtschaftlich auf eigenen Füßen steht und das attraktiv für Unternehmen ist, die den Menschen zwischen Plauen und Görlitz, zwischen Bad Düben und Annaberg Arbeit bieten. Wir wollen ein Sachsen, das die Qualität der Bildung in den Mittelpunkt stellt, weil nur so die jungen Menschen ihre Lebenschancen verwirklichen können. Wir wollen ein familienfreundliches Sachsen, ein Land, in dem in immer
mehr Familien Kindererziehung und Erwerbsarbeit Hand in Hand gehen. Wir wollen ein weltoffenes, ein tolerantes Sachsen, in dem die Grundwerte unserer Verfassung fest verankert sind. Das sind unsere Ziele. Dafür brauchen wir die Unterstützung einer Bundespolitik, die den weiteren Reformbedarf in Deutschland ernst nimmt.
In der politischen Auseinandersetzung wird manchmal der Eindruck erweckt, Deutschland sei ein zum Zwerg geschrumpfter Riese. Meine Damen und Herren! Das ist nicht richtig. Meine Wahrnehmung ist: Deutschland ist ein gefesselter Gulliver, dem man nur die Fesseln abnehmen muss. Die Menschen sind dazu bereit.
Dazu wollen wir auch in Sachsen beitragen. Denn für Sachsen gilt: Wir haben viel erreicht, aber wir wollen noch besser werden.
Vor der weiteren Aussprache der Fraktionen frage ich zunächst die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Dr. Höll, ob sie sprechen möchte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, wir werden heute und morgen die vor zwei Monaten begonnene Haushaltsdebatte zu Ende bringen. Ob zu einem guten Ende, ist noch offen. Ich habe meine Ausführungen anlässlich der 1. Lesung des Haushaltsentwurfes der Staatsregierung im März mit folgenden Worten beendet: „Es fehlt ein Entwurf, der uns in den nächsten zwei Jahren auf einen guten und sicheren Weg in Sachsens Zukunft weist. Wo Not herrscht, kann man niemandem vorwerfen, wenn er Not verwaltet. So ehrlich müssen wir sein. Dennoch gibt es immer noch Spielräume, die man unterschiedlich nutzen kann.“ Und ich sagte weiter: „Wir, die PDS-Fraktion, werden in den kommenden Wochen den Finger auf jeden Posten legen und wir werden – nun schon in gewohnter Weise – eine Alternative zu diesem Haushalt vorlegen, die nicht von der Angst vor dem Sozialstaat und seiner Verteufelung geprägt ist, sondern auf der Grundlage unseres Alternativen Landesentwicklungskonzepts sich mit Realismus und Augenmaß dem Sozialen mit aller Kraft verpflichtet fühlt. Und dazu brauchen wir eine starke Wirtschaft und eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.“
Es waren seither zwei Monate Zeit. Es wurde viel Arbeit geleistet. Es wurde diskutiert, gerechnet, Veränderungen
wurden beantragt. Dennoch gilt auch für den jetzt vorliegenden Entwurf, dass er nicht ausreicht als Wegweiser in die Zukunft Sachsens. Da hilft alles heute versprühte Eigenlob nichts, Herr Ministerpräsident.